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  • · Fachbeitrag · Lohnpfändung

    Zulagen für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit sind pfändbar

    | Immer wieder kommt es zwischen Gläubigern und Arbeitgebern als Drittschuldnern zum Streit darüber, was im Rahmen von gewährten Zulagen pfändbar ist und was nicht ‒ so auch in einem aktuellen Fall des BAG. |

     

    Sachverhalt

    Die Parteien stritten über die Pfändbarkeit tarifvertraglicher Zulagen. Die Schuldnerin (S.) arbeitet bei der Drittschuldnerin (D.), die Sozialstationen betreibt, als Hauspflegerin. Auf das Arbeitsverhältnis findet ein Tarifvertrag Anwendung, in dessen § 8 verschiedene Zuschläge u. a. für Nacht-, Sonntags-, Feiertags-, Samstags-, Wechselschichtarbeit sowie Arbeit am 24. und 31. Dezember geregelt sind.

     

    Nach einem Insolvenzverfahren befand sich die S. in der sog. Wohlverhaltensphase, für die sie ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abgetreten hatte. D. führte von der jeweiligen Nettovergütung den sich aus ihrer Sicht ergebenden pfändbaren Teil an den Treuhänder ab. Dabei berücksichtigte sie auch die an die S. zu zahlenden tarifvertraglichen Zuschläge als pfändbares Arbeitseinkommen. S. ist der Ansicht, die o. g. Zuschläge seien unpfändbare Erschwerniszulagen i. S. v. § 850a Nr. 3 ZPO.

     

    Entscheidungsgründe

    Das BAG entschied: Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen nach § 850a Nr. 3 ZPO und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen. Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar i. S. v. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, kann an § 3b EStG angeknüpft werden (BAG 23.8.17, 10 AZR 859/16, Abruf-Nr. 196080).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung hat praktische Auswirkungen auf sämtliche Beteiligte einer Lohnpfändung. Sie ist einerseits gläubigerfreundlich und schafft zudem Rechtssicherheit.

     

    Bezüglich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Nachtarbeitszuschläge als „üblich“ und damit unpfändbar i. S. v. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, lehnt sich die Entscheidung an die des BGH (VE 16, 189) an. Danach sind Nachtarbeitszuschläge nur als Erschwerniszulagen unpfändbar, soweit der Arbeitgeber sie dem Schuldner steuerfrei gewährt.

     

    Hierbei kann aus Gründen der Praktikabilität und in Anlehnung an die gesetzgeberische Wertung an § 3b EStG angeknüpft werden. Soweit der Gesetzgeber dort Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge in einem bestimmten Umfang steuerfrei gestellt hat, sind diese Zuschläge im Rahmen des § 850a Nr. 3 ZPO als unpfändbar anzusehen.

     

    Hinsichtlich der Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit hat sich das BAG hingegen für eine Pfändbarkeit ausgesprochen:

     

    • Samstagszuschläge stellen keine Erschwerniszulage dar. Sie fallen daher nicht unter den besonderen Pfändungsschutz, sind somit der Pfändung nicht entzogen. Grund: Im Arbeitsrecht ist der Samstag ein normaler Werktag (vgl. § 3 Abs. 2 BUrlG). Besondere gesundheitliche oder soziale/familiäre Beeinträchtigungen sind nicht erkennbar. Der Gesetzgeber hat hierzu keine Regelung getroffen.

     

    • Bei Zuschlägen für Vorfeiertagsarbeit gilt das gleiche wie für Samstagszuschläge betreffend die Arbeit am 24. und 31. Dezember. Auch hier handelt es sich aus gesetzgeberischer Sicht arbeitszeitlich um reguläre Werktage (BAG DB 17, 2745). Es liegt keine Erschwerniszulage vor.

     

    • Schicht- und Wechselschichtzulagen sollen zwar durchweg besondere Belastungen ausgleichen. Eine Sonderstellung wie die Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit hat der Gesetzgeber der reinen Schichtarbeit aber nicht eingeräumt. Er hat ‒ anders als bei der Nachtarbeit ‒ insbesondere keinen Anlass gesehen, gesetzlich verpflichtend Zulagen oder andere Ausgleichsleistungen hierfür zu regeln. Die Belastungen der Wechselschichtarbeit werden jedenfalls zum Teil bereits durch Nachtarbeitszuschläge ausgeglichen. Im Übrigen gibt es kein zuverlässiges Abgrenzungskriterium dafür, was ‒ angesichts einer Vielzahl denkbarer Arbeitszeitmodelle ‒ als Schichtarbeit mit der Folge eines pfändungsrechtlich privilegierten Zuschlags anzusehen ist. Angesichts der drohenden Uferlosigkeit dieses Begriffs hat hier das im Pfändungsrecht auch zu berücksichtigende Gläubigerinteresse vorrangige Bedeutung. Schichtzulagen als solche können somit nicht als Erschwerniszulagen i. S. v. § 850a Nr. 3 ZPO angesehen werden.

     

    PRAXISTIPP | Gläubiger sollten im Rahmen der Lohnpfändung unbedingt darauf achten, dass sie den Anspruch des Schuldners auf Erteilung der Lohnabrechnung mit pfänden. Dies ist zulässig, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können (BGH VE 13, 59).

     

    Alternativ dazu können Gläubiger aber auch zusätzlich im amtlichen Formular unter der Rubrik „Es wird angeordnet, dass ...“, anordnen lassen, dass der Schuldner verpflichtet ist, die laufenden Lohnabrechnungen ab Zustellung des PfÜB sowie die letzten 3 Lohnabrechnungen vor Zustellung des PfÜB an den Gläubiger herauszugeben. Hierdurch werden Gläubiger in die Lage versetzt, die genauen, korrekten pfändbaren Ansprüche zu ermitteln.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung ist als unselbstständiger Nebenanspruch mit pfändbar, VE 13, 59
    Quelle: Ausgabe 07 / 2018 | Seite 110 | ID 45302290