· Fachbeitrag · Gebührenrecht
Erstattung von Geschäftsgebühren - im Versicherungsrecht oft problematisch
von RA Dr. Christian Lucas, FA VersR und FA VerkehrsR, Hamm
Dass der Anwalt die Versicherungsleistung ermittelt und geltend macht, stellt ein „Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“ im Sinne von Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG dar und löst eine Geschäftsgebühr aus. Diese kann der VN regelmäßig nur aus Verzugsgesichtspunkten erstattet verlangen. Gerät der VR aber erst im Laufe der Mandatsbearbeitung in Verzug, löst dies keine weiteren Anwaltsgebühren aus, die der VN erstattet verlangen könnte (LG Hagen, Hinweisbeschluss 4.2.14, 1 S 221/13, Abruf-Nr. 141903, vorgehend: AG Wetter 18.11.13, 8 C 49/13) |
Sachverhalt
Die Klägerin erlitt im Oktober 2011 einen Unfall, seitdem ist sie querschnittsgelähmt. Ihr Anwalt zeigte noch im selben Monat dem Unfall-VR ihre Vertretung an und forderte diesen neun Monate später zur Leistung der vereinbarten Invaliditätssumme auf. Im November 2012 machte er diese Forderung klageweise geltend - mit Erfolg: der VR leistete die geschuldete Summe und übernahm die Kosten des Rechtsstreits. Allerdings weigerte er sich, auch Gebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit des Klägervertreters zu erstatten. Wegen dieser Frage führten die Parteien einen weiteren Rechtsstreit, der zulasten der VN ausging. Auf den die Klageabweisung bestätigenden Hinweisbeschluss des LG hat sie die Berufung zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Unabhängig von der Frage, ob der VR zum Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens vom 9.11.12 in Verzug war oder nicht, ist er nach dem Urteil des AG Wetter zur Freistellung der VN von der Gebührenforderung ihres Prozessbevollmächtigten schon deshalb nicht verpflichtet, weil er jedenfalls nicht zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Gebührenforderung mit der ihm obliegenden Leistung in Verzug gewesen ist.
Die im Schriftsatz vom 9.11.12 in Rechnung gestellte Geschäftsgebühr war nach Ansicht des AG Wetter unabhängig von ihrer Berechtigung der Höhe nach gem. Vorbem. 2.3 zu VV 2300, 2301 bereits „mit dem Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“ und damit zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung einer Einmalzahlung entstanden. Das war also zu einem Zeitpunkt, zu dem der VR keinesfalls in Verzug war, weil die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis durch jemand anderen als den Prozessbevollmächtigten der VN nicht ersichtlich ist. Daher muss nicht abschließend geklärt werden, ob nicht der Auftrag des Prozessbevollmächtigten bereits von Anfang an auf die Geltendmachung sämtlicher berechtigter Ansprüche gegen den VR aus dem Versicherungsverhältnis gerichtet war und die Gebührenforderung deshalb nicht bereits durch die erste Anzeige der Vertretung gegenüber dem VR im Oktober 2011 entstanden war.
Das LG Hagen bestätigte das in seinem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO. Der VR hätte mit der vereinbarten Einmalzahlung in Verzug geraten müssen, bevor die hier streitige Gebührenforderung entstanden war. Das sei nicht der Fall gewesen. Zu Recht habe das AG hervorgehoben, dass die Geschäftsgebühr spätestens mit der erstmaligen Geltendmachung der Einmalzahlung, das heißt im Juli 2012, angefallen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der VR mit der Auszahlung noch nicht in Verzug befunden.
Praxishinweis
Die hier in zwei Instanzen diskutierte Problemstellung ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Versicherungs- und Haftungsrecht keineswegs gedanklich in denselben Topf gehören, auch wenn dieses Verständnis in der Praxis offenbar immer noch verbreitet ist.
Die Gebühren des Rechtsanwalts, der etwa nach einem Verkehrsunfall Ansprüche beim gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer anmeldet, sind in aller Regel unproblematisch als adäquater Unfallschaden erstattungsfähig. Im Versicherungsrecht liegen die Dinge anders: Hier macht der Mandant keine Ansprüche gegen einen Schädiger geltend, sondern gegen seinen Vertragspartner (den VR). In Ermangelung deliktischer Schadenspositionen, in die sich die Anwaltsgebühren „adäquat“ einreihen ließen, bedarf es hier einer eigenen Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch. Eine solche sucht der VN im VVG vergeblich. Dieses stellt - ganz im Gegenteil - in § 85 Abs. 2 VVG klar, dass der VR die Kosten eines Beistands (auch eines Rechtsanwalts, vgl. OLG Karlsruhe 1.4.08, 12 U 173/07; MüKo/Halbach, § 85 VVG Rn. 14) grundsätzlich nicht erstatten muss. Der VN muss deshalb auf allgemeine Anspruchsnormen zurückgreifen, deren praktisch bedeutsamste § 286 BGB (Ersatz von Verzugsschaden) ist.
Hieraus ergibt sich für den VN und seinen Anwalt eine missliche Konsequenz, wenn bei Mandatsannahme noch kein Verzug eingetreten ist. Dann nämlich lassen sich die initial entstehenden Gebühren nicht als Verzugsschaden qualifizieren und weitere Gebühren entstehen oftmals nicht. Selbst wenn also im weiteren Verlauf noch Verzug eintritt, fehlt es jedenfalls an einem ersatzfähigen Verzugsschaden. So war es auch im Besprechungsfall, dessen rechtliche Beurteilung durch die beiden beteiligten Gerichte bereits in vorherigen Entscheidungen angeklungen war, wenn auch nicht mit derart ausführlicher Begründung (u.a. OLG Karlsruhe a.a.O., OLG Düsseldorf 5.5.09, 4 U 161/08).
Am einfachsten kann der VN dieses Ergebnis vermeiden, indem er seinen Anwalt erst konsultiert, nachdem der VR sich bereits in Verzug befindet. Wann das genau der Fall ist, liegt im Versicherungsrecht indes nicht immer klar auf der Hand - man denke nur an die Fälligkeitsregelungen in Ziff. 9 AUB 2014 (GDV-Musterbedingungen). Der typische Mandant sucht seinen Anwalt überdies nicht zuletzt deshalb auf, um sich mit derartigen Fragen nicht selbst beschäftigen zu müssen. Ihm wird es oftmals auch darum gehen, Leistungsansprüche ordnungsgemäß und unter Einhaltung der vertraglichen Fristen anzumelden. Das hat mit anwaltlicher Hilfe eine höhere Erfolgsaussicht und eröffnet im Misserfolgsfall ggf. die Möglichkeit eines Anwaltsregresses. Das zu lange Hinauszögern eines Anwaltsbesuchs kann vor diesem Hintergrund deutlich nachteiligere Konsequenzen haben als den Ausfall von Gebührenerstattungsansprüchen, weshalb diese Variante nicht als pauschale Handlungsempfehlung taugt.
Einen anderen Weg zeigt die besprochene Entscheidung - wenn auch indirekt - mit dem Hinweis auf, dass der Umfang des erteilten Auftrags keiner Klärung bedurfte, weil der Anwalt die Versicherungsleistung jedenfalls vor Verzugseintritt geltend gemacht hatte. Beschränkt der VN den Auftrag des Anwalts also dahin, dass dieser zunächst nur einen Teilaspekt überprüfen soll, lässt sich später jedenfalls leichter argumentieren, dass die im Anschluss an eine Leistungsablehnung mit dem VR geführte Korrespondenz weitere Gebühren auslöste. Dieses gilt umso mehr, wenn der Auftrag zunächst nicht auf eine Vertretung nach außen gerichtet ist, sondern auf eine Beratung, die nur (Erst-)Beratungsgebühren in geringer Höhe entstehen lässt. Entscheidend für die Abgrenzung zur Vertretung ist dabei nicht die entfaltete Tätigkeit des Anwalts (auch der nicht nach außen in Erscheinung tretende Anwalt kann eine Geschäftsgebühr verdienen, vgl. OLG Düsseldorf 30.4.12, 24 U 224/11), sondern der erteilte Auftrag.
Selbstverständlich wird es oftmals angezeigt sein, ein versicherungsrechtliches Mandat von Beginn an umfassend - auch mittels Korrespondenz im Außenverhältnis - zu fördern, obschon Leistungsansprüche ersichtlich noch nicht fällig sind. Dann aber sollte der in puncto Gebührenerstattung im internationalen Vergleich verwöhnte deutsche Mandant allerdings von Beginn an wissen, dass er für die erhaltene geldwerte (!) Leistung später auch das Portemonnaie öffnen muss. Ein Anwalt, der diese Transparenz zuvor nicht hergestellt hat, wird sich nach der letzten mündlichen Verhandlung trotz erfolgreicher Vertretung in der Hauptsache nicht von einem rundum zufriedenen Mandanten verabschieden können.