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  • · Fachbeitrag · Verjährung

    Behalten Sie Verjährung und Hemmung im Auge

    | Versicherungsrechtliche Fälle ziehen sich auch im vorgerichtlichen Bereich oft lange hin. Wie wichtig es ist, dabei Verjährung und Hemmung im Auge zu behalten, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LG Rottweil. |

    1. Der Ausgangsfall

    Herr L. hatte für seinen Wohnwagen einen Stellplatz gemietet. Am 27.6.18 kam es auf dem gegenüberliegenden Grundstück des Beklagten zu einem Hausbrand. Durch die enorme Hitzeeinwirkung erlitt der Wohnwagen einen Totalschaden. Herr L. forderte am 10.10.18 den Haftpflicht-VR des Beklagten auf, den entstandenen Schaden auszugleichen. Dieser lehnte eine Eintrittspflicht ab. Herr L. nahm daraufhin seinen eigenen Kasko-VR in Anspruch und erhielt von diesem den Schaden ersetzt.

     

    Der Kasko-VR nimmt nunmehr den Beklagten in Anspruch und fordert Ersatz des Regulierungsbetrags.

    2. Die Entscheidung des LG Rottweil

    Die Klage des Kasko-VR hatte vor dem LG Rottweil keinen Erfolg (9.9.22, 2 O 431/21, Abruf-Nr. 231686). Die Kammer hielt den auf § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog gestützten Anspruch für verjährt.

     

    MERKE | Der Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog verjährt nach § 195 BGB innerhalb von drei Jahren. Die Verjährung beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

     

    a) Anspruch ist verjährt

    Nach Ansicht des LG Rottweil entstand der Anspruch hier am 27.6.18 ‒ also am Tag des Brands. Nach Überzeugung des Gerichts hatte Herr L. auch bereits im Jahr 2018 Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Beklagten als Schuldner. Das folge aus seinem Forderungsschreiben an den Haftpflicht-VR des Beklagten. Herrn L. habe zu diesem Zeitpunkt denklogisch bekannt gewesen sein müssen, dass ihm ein ‒ unterstellter ‒ Anspruch gegen den Beklagten zustehe. Anderenfalls habe er auch nicht gegen dessen Haftpflicht-VR vorgehen können. Verjährungsbeginn war damit der Ablauf des Jahres 2018. Die Verjährungsfrist endete mithin am 31.12.21.

     

    b) Es ist auch keine Hemmung eingetreten

    Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde auch nicht durch Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB zwischen Herrn L. und dem Haftpflicht-VR des Beklagten gehemmt.

     

    MERKE | Der Begriff der Verhandlungen ist weit auszulegen. Der Gläubiger muss nur klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Aufseiten des Schuldners genügt es, wenn er deutlich macht, sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang einzulassen. Notwendig ist jedenfalls ein zweiseitiger kommunikativer Prozess.

     

     

    Daraus folgt, dass die Geltendmachung eines Anspruchs, das Angebot zu Verhandlungen oder Vorschläge zu einem Entgegenkommen noch keine Verhandlung sind, wenn sie unerwidert bleiben. Lehnt der Schuldner auf die Erklärung des Gläubigers hin sofort und erkennbar eine Leistung ab, schweben keine Verhandlungen (BGH 28.10.10, VIII ZR 82/09). Die Darlegungs- und Beweislast für den Beginn der Verhandlungen trägt der Gläubiger.

     

    Das LG hält es zwar für möglich, dass mit dem Forderungsschreiben des Herrn L. vom 10.10.18 Verhandlungen mit dem Haftpflicht-VR begannen, welche auch gegenüber dem Beklagten verjährungshemmend gewirkt haben. Allerdings fehlt konkreter Vortrag dazu und zu der Reaktion der Beklagten. Der Hinweis auf eine umfangreiche Korrespondenz in den Jahren 2018 und 2019 genügt nicht, um eine zweiseitige Kommunikation über Berechtigung und/oder Umfang des Anspruchs annehmen zu können.

     

    Außerdem trat hier ein weiterer Punkt hinzu: Sofern tatsächlich Verhandlungen in 2018 stattfanden, konnten diese keine Hemmung bewirken. Die Verjährungsfrist begann ja erst Ende 2018 zu laufen. Vor Beginn der Verjährungsfrist liegende Verhandlungen können die Verjährung nicht hemmen. Vor diesem Zeitraum existiert nämlich kein Fristlauf, auf den sich die Hemmung beziehen könnte.

     

    Für 2019 konnte das LG keine neuerlichen Verhandlungen erkennen. Zwar hatte der Kasko-VR am 19.7.19 ebenfalls Ansprüche gegenüber dem Haftpflicht-VR geltend gemacht. Jener hatte aber alle Ansprüche umgehend zurückgewiesen. Ein kommunikativer Austausch über den Anspruch fand daher nicht statt. Anderes wurde nicht vorgetragen.

    3. Auswirkungen eines Forderungsübergangs

    Ohne Einfluss auf Beginn und Dauer der Verjährungsfrist ist, dass der Anspruch durch Regulierung des Kasko-VR auf diesen übergegangen ist (§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG). Durch den Forderungsübergang wird der Anspruch nicht in seiner Rechtsnatur verändert. Der Anspruchsübergang führt weder zu einer Hemmung noch beginnt eine neue Verjährungsfrist. Bereits begonnene Verjährungsfristen laufen unverändert weiter.

     

    Beim Übergang des Anspruchs auf einen Dritten löst den Verjährungsbeginn bereits die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Geschädigten bis zum Übergang der Forderung aus. Auf die Kenntnis des neuen Gläubigers kommt es dabei nicht an.

     

    Einsender der Entscheidung: RA Jochen Link, Villingen-Schwenningen

    Quelle: Ausgabe 03 / 2023 | Seite 48 | ID 48648997