01.07.2006 | Kfz-Versicherung
Leistungsfreiheit wegen abgefahrener Reifen: VN muss Kenntnis dieses Umstands haben
Die (mehrfache) Benutzung eines infolge abgefahrener Reifen verkehrsunsicheren Kfz kann eine vorgenommene Gefahrerhöhung darstellen. § 23 Abs.1 VVG setzt aber positive Kenntnis des VN von dem gefahrerhöhenden Umstand voraus (OLG Köln 25.4.06, 9 U 175/05, Abruf-Nr. 061750). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Für den Pkw des VN bestand eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung. Bei einem Unfall auf winterglatter Fahrbahn wurde der Pkw total beschädigt. Die Insassen wurden verletzt. Die Polizei stellte an den Hinterreifen Profiltiefen von max. 0,9 bis 1,1 mm fest. Ein vom VN eingeholtes Gutachten kam auf Profiltiefen von 1,0 bzw. 1,5 mm. Das LG hat der Klage auf Kaskoentschädigung im Wesentlichen, auf Haftpflichtversicherungsschutz voll stattgegeben. Die Widerklage des VR auf Rückzahlung der an die Geschädigten gezahlten Beträge wurde abgewiesen. Die erfolglose Berufung des VR wendet sich nur gegen die Verurteilung zur Kaskoentschädigung.
Dass im Grundsatz Deckung in Kasko besteht, wird nicht mehr in Frage gestellt. Leistungsfreiheit des VR nach § 61 VVG ist nicht gegeben. Grobe Fahrlässigkeit setzt ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten des VN voraus. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Messung der Polizei war ungenau. Es sind die im Gutachten des VN gefundenen Werte zu Grunde zu legen. Dass die zu geringe Profiltiefe besonders auffällig war, ist nicht erkennbar. Ein Unterlassen der Prüfung der Reifen ohne besondere Umstände, für die nichts ersichtlich ist, erscheint nicht als grob fahrlässig.
Die neben § 61 VVG anwendbare Vorschrift des § 23 Abs.1 VVG (OLG Köln r+s 89,160) führt ebenfalls nicht zur Leistungsfreiheit des VR. Zwar kann die Benutzung eines infolge abgefahrener Reifen verkehrsunsicheren Kfz eine Gefahrerhöhung darstellen. Der VN muss aber positive Kenntnis von dem gefahrerhöhenden Umstand haben oder bewusst von einer Überprüfung der Reifen Abstand genommen haben. Dies ist unter den vorliegenden Umständen jedoch nicht nachgewiesen.
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