10.12.2008 | Lebensversicherung
Transparenzmangel von AVB: Heilung
durch Übergabe eines Versicherungsverlaufs?
von RiLG Dr. Sven Marlow, Berlin
1. Die Intransparenz einer Klausel in Versicherungsbedingungen, die den Rückkaufswert im Fall vorzeitiger Vertragsbeendigung regelt, kann geheilt werden, wenn dem VN bei Antragstellung ein Versicherungsverlauf vorgelegt wurde, dem die Rückkaufswerte für sämtliche Versicherungsjahre zu entnehmen sind. |
2. Einer Heilung der Intransparenz steht nicht entgegen, dass in den Versicherungsbedingungen nicht auf den Versicherungsverlauf hingewiesen worden ist. Bei dem Versicherungsverlauf handelt es sich nämlich um eine für den VN individuell erteilte Zusatzinformation und nicht um einen Teil des Antragsformulars oder der Versicherungsbedingungen. |
(OLG Stuttgart 27.9.07, 7 U 64/07, VersR 08, 909, Abruf-Nr. 083784) |
Sachverhalt
Der VN schloss zum 1.10.98 eine Kapitallebensversicherung beim VR ab. Nachdem er ab Mai 01 in Beitragsrückstand geraten war, kündigte der VR den Vertrag. Ein Rückkaufswert war nach seinen Angaben aufgrund der kurzen Versicherungsdauer wegen Verrechnung der Beiträge mit den Abschlusskosten noch nicht gebildet worden. Die Klauseln über den Rückkaufswert bei Kündigung und die Verrechnung von Abschlusskosten in den AVB des VR entsprachen denjenigen, die nach den Entscheidungen des BGH vom 9.5.01 (VersR 01, 839 = r+s 01, 433; VersR 01, 841 = r+s 01, 386) und vom 18.7.07 (VK 07, 182 mit Anm. Marlow = VersR 07, 1211) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 BGB) unwirksam sind, da sie dem VN etwaige wirtschaftliche Nachteile einer frühzeitigen Vertragsbeendigung nicht deutlich vor Augen führen. Der VN meinte daher, dass ihm in Konsequenz des BGH-Urteils vom 12.10.05 (VK 06,17 mit Anm. Marlow = VersR 05, 1670) zumindest die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals zustünde. Im Wege der Stufenklage begehrte er Auskunft über den Rückkaufswert der Lebensversicherung und Zahlung. Das LG Stuttgart hat die Klage abgewiesen, das OLG Stuttgart die Berufung zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Zwar sei dem VN darin zuzustimmen, dass die vom VR verwandten Klauseln zum Rückkaufswert bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nach Maßgabe der BGH-Entscheidungen vom 9.5.01 und 18.7.07 wegen Intransparenz unwirksam seien (§ 307 Abs. 1 BGB). Dennoch führe dies hier nicht dazu, dass dem VN ein Anspruch auf mindestens die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals zukomme. Denn die Intransparenz sei durch eine individuelle Aufklärung des VN geheilt worden (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB). Ihm war bei Antragstellung ein Versicherungsverlauf vorgelegt worden, dem die Rückkaufswerte für sämtliche Versicherungsjahre zu entnehmen waren. Aus der Tabelle ergab sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass in den ersten vier Versicherungsjahren nahezu kein Rückkaufswert zu erwarten war. Dadurch werde das durch die beanstandeten Klauseln und durch die dem Versicherungsschein beigefügte Garantiewertetabelle entstandene Informationsdefizit in Bezug auf die durch das Zillmerungsverfahren entstandenen wirtschaftlichen Nachteile bei frühzeitiger Kündigung ausgeglichen. Die Kenntnisnahme des Versicherungsverlaufs hatte der VN durch seine Unterschrift bestätigt.
Ein Hinweis auf den Versicherungsverlauf in den AVB sei nicht notwendig gewesen. Denn der Versicherungsverlauf war für den VN individuell als Zusatzinformation erstellt worden und nicht Teil des Antragsformulars oder der Versicherungsbedingungen. Hinzu komme, dass der VN auf die genannten wirtschaftlichen Nachteile zusätzlich auf der Rückseite des Antragsformulars und der dem Versicherungsschein beigefügten „Erläuterung der Garantiewerte“ hingewiesen worden war.
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