08.03.2011 | Unfallversicherung
Altersgerechte Verschleißerscheinungen sind weder Krankheit noch Gebrechen
von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte
1. Die Rotatorenmanschette ist Teil einer Gliedmaße im Sinne des erweiterten Unfallbegriffs von § 1 Abs. 4 AUB (Nr. 1.4 AUB 2008). |
2. Altersgerechte Verschleißerscheinungen begründen, auch wenn sie schwerwiegend sind, weder eine Krankheit noch ein Gebrechen. Sie können deshalb eine Leistungskürzung nach § 8 AUB (Nr. 3 AUB 2008) nicht rechtfertigen. |
(OLG Saarbrücken 22.12.10, 5 U 638/09, Abruf-Nr. 110498) |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Die mitversicherte Ehefrau des VN (im Folgenden VN) war von Beruf Krankenschwester. Sie hatte sich bei der Umbettung eines Patienten verhoben und dabei womöglich eine inkomplette Ruptur der Rotatorenmanschette erlitten. Dies, sowie eine erhebliche Vorschädigung wurden festgestellt, als die VN mehrere Wochen später zum Arzt ging. Sie macht eine Invaliditätsentschädigung nach einem Invaliditätsgrad von 3/5 Armwert geltend. Der VR hat eine Entschädigung nach 1/4 Armwert unter Abzug von 60 Prozent mitwirkender unfallfremder Ursachen gezahlt.
Das LG ist dem nach Beweisaufnahme gefolgt und hat deshalb die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die VN eine fehlerhafte Anwendung des § 8 AUB 94 gerügt. Der VR hat das Urteil verteidigt. Im Übrigen hat er die Ursächlichkeit des Verhebens für die teilweise Ruptur der Rotatorenmanschette bestritten.
Das OLG hat der Berufung teilweise stattgegeben. Es hat die Höhe der Invalidität mit 1/4 Armwert als in der Berufungsinstanz unstreitig angesehen. Das erstmals erfolgte Bestreiten der Kausalität hat es als verspätet zurückgewiesen. Das LG habe auch zutreffend einen Versicherungsfall nach § 1 Abs. 4 AUB bejaht. Die Rotatorenmanschette sei nämlich als Teil des Armes anzusehen, weil ein enger Zusammenhang des Schultergelenks, zu dem die Rotatorenmanschette gehört, mit dem in ihm endenden Arm bestehe. Eine Leistungskürzung nach § 8 AUB, wie sie das LG vorgenommen habe, komme dagegen nicht in Betracht. Von einem Gebrechen könne nur ausgegangen werden, wenn ein dauernder abnormer Gesundheitszustand, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen wenigstens teilweise nicht mehr zulasse, über den entsprechenden altersgerechten Zustand hinausgehe, also nicht mehr altersgerecht sei. Ob die Vorerkrankungen bei dem Unfall, bei der Gesundheitsschädigung oder bei den Folgen dieser Gesundheitsschädigung mitgewirkt hat, sei rechtlich unerheblich. Beweispflichtig sei aber stets der VR. Dieser Gesichtspunkt sei in der Beweisaufnahme vor dem LG unerörtert geblieben. Die dazu vor dem OLG nachgeholte Beweisaufnahme habe ergeben, dass bei Personen mit einem ähnlich schweren Beruf, wie ihn die VN ausübt, vergleichbare degenerative Veränderungen ebenfalls festzustellen seien. Es sei deshalb von alterstypischen Verschleißerscheinungen auszugehen. Das führe dazu, dass die VN nach 1/4 Armwert zu entschädigen sei. Die Revision wurde nicht zuzulassen.
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