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  • · Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung

    In diesen Fällen ist die Vertragsstrafe für ein Überschreiten der Kilometergrenze unwirksam

    | Es ist grundsätzlich möglich, dass der Kasko-VR in seinen AGB eine Vertragsstrafe vereinbart für den Fall, dass der VN die vereinbarte Jahresfahrleistung überschreitet und dies nicht anzeigt. Für die Wirksamkeit der Vertragsstrafe kommt es allerdings auf den genauen Wortlaut an. Der VN darf durch sie nicht unangemessen benachteiligt werden. |

    1. AGB des VR enthalten eine Vertragsstrafe

    Der VR verlangt vom VN die Zahlung von 500 EUR als Vertragsstrafe nach K.4.4. ihrer AKB. Zwischen den Parteien besteht seit 2017 ein Kaskoversicherungsvertrag, in dem zur Beitragsabrechnung eine maximale Fahrleistung von 15.000 Km pro Jahr vereinbart ist. Diese Jahresfahrleistung hatte der VN überschritten. Das stellte sich bei der Regulierung eines Schadens durch den VR heraus. Der VR hatte den VN vorgerichtlich erfolglos zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 500 EUR aufgefordert.

    2. LG Koblenz hält die Vereinbarung für unwirksam

    Der VR blieb mit seiner Forderung sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem LG Koblenz erfolglos (1.9.21, 16 S 2/21, Abruf-Nr. 225733). Das LG begründete die Klageabweisung folgendermaßen:

     

    Die Vertragsstrafenregelung ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sie den VN unangemessen benachteiligt. Sie ist nämlich unverhältnismäßig hoch festgesetzt.

     

    MERKE | Eine Regelung ist unangemessen im Sinne der Norm, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH NJW 00, 1110). Der Angemessenheitsprüfung ist ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine von den Besonderheiten des Einzelfalls Iosgelöste typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen (BGH NJW 12, 2107). Eine Vertragsstrafe ist insbesondere unangemessen, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu seinen Folgen für den Vertragspartner steht (BGH NJW 97, 3233).

     

    3. Vertragsstrafe ist grundsätzlich möglich

    Da die zugrunde gelegte Fahrleistung mit Prämienvorteilen korrespondiert, muss der VN damit rechnen, dass eine Änderung der Bemessungsgrundlagen für die Prämienberechnung durch eine Erhöhung des Risikos infolge einer erhöhten Fahrleistung zu einer Kompensation zugunsten des VR und der durch diesen vertretenen Versichertengemeinschaft führt. Darin ist grundsätzlich auch keine unbillige Sanktion zu erblicken. Ansonsten wäre es jedem VN risikolos möglich, zulasten der Versichertengemeinschaft bei Antragstellung unangemessene niedrige Jahreskilometerangaben zu machen, um eine möglichst niedrige Versicherungsprämie zahlen zu müssen (so auch: LG Dortmund NJW-RR 09, 249).

     

    So wurde eine Vertragsstrafe in pauschaler Höhe von 500 EUR bei Überschreitung der in der Kaskoversicherung vereinbarten Laufleistung von der Rechtsprechung in der Vergangenheit schon als angemessen eingestuft (vgl. AG Leutkirch VersR 09, 1398; AG Heidenheim VersR 09, 628). Zudem steht eine Vertragsstrafe grundsätzlich auch in Übereinstimmung mit den Musterbedingungen des GDV.

    4. Klausel sanktioniert bereits einfache Fahrlässigkeit

    Grundsätzlich kann natürlich von den GDV-Musterformulierungen abgewichen werden. Entgegen der dortigen Wortwahl war eine Vertragsstrafe hier aber nicht nur verwirkt, wenn der VN vorsätzlich unzutreffende Angaben gemacht oder Änderungen vorsätzlich nicht angezeigt hat. Die Sanktion griff vielmehr auch, wenn er dies lediglich „schuldhaft“ und damit auch bereits (einfach) fahrlässig nicht getan hatte. Die verwendete Klausel weicht daher in erheblichem Maße zulasten des VN von den Musterbedingungen des GDV ab.

     

    Das kann dazu führen, dass eine Vertragsstrafe in Höhe von 500 EUR nach Ziffer K.4.4. bereits verwirklicht ist, wenn eine Überschreitung der jährlichen Kilometerleistung um nur 1 km fahrlässig (§ 276 BGB) nicht angezeigt wird und deshalb ein um 0,01 EUR zu niedriger Beitrag berechnet worden ist. Nach einer abstrakt-generellen Auslegung ist damit bereits für geringfügigste Verletzungen der Anzeigepflichten eine unverhältnismäßig hohe Strafe fällig.

     

    Der Kammer ist bewusst, dass die Höhe der Vertragsstrafe auch geeignet sein muss, ihre Druck- und Kompensationsfunktion zu erfüllen. Auch ist klar, dass irgendwo zwingend Grenzen zu ziehen sind und Grenzwerte letztlich der notwendigen Gleichbehandlung dienen.

     

    Sofern eine Regelung ausschließlich an einen vorsätzlichen Verstoß anknüpfen würde, hätte die Kammer auch keine Bedenken, wenn eine pauschale Vertragsstrafe von 500 EUR vereinbart wird. Bei einem einfach fahrlässigen Verstoß steht das Gewicht des Vertragsverstoßes gegebenenfalls jedoch außer Verhältnis zu dessen Folgen. Daher überschreitet die abschreckende Wirkung der Klausel die Grenze der Angemessenheit.

    5. Fazit

    Da die Klausel auch einfach fahrlässiges Handeln genügen lässt, ist sie daher grundsätzlich insgesamt unwirksam, sodass auch ‒ wie das Amtsgericht zutreffend feststellt ‒ weder eine Herabsetzung nach § 343 BGB noch eine geltungserhaltende Reduktion in Betracht kommt.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2022 | Seite 47 | ID 47964327