· Fachbeitrag · Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Der Verweis eines gelernten Stuckateurs auf die Tätigkeit eines Lageristen ist unzulässig
Zwischen der Tätigkeit eines gelernten Stuckateurs und der eines angelernten Lageristen besteht keine Vergleichbarkeit (OLG Karlsruhe 23.5.12, 9 U 138/10, Abruf-Nr. 123888). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der VN war Stuckateur mit dreijähriger Berufsausbildung. 2003 erlitt er zwei Bandscheibenvorfälle. Der VR erkannte eine Berufsunfähigkeit an und zahlte eine monatliche Rente. Anschließend absolvierte der VN eine Umschulung zum Bürokaufmann und war sodann im Bereich Auftragsannahme/Lagerist tätig. Als Ergebnis eines Nachprüfungsverfahrens stellte der VR seine Zahlungen 2007 ein. Hiergegen richtet sich die Klage des VN.
Das OLG verpflichtete den VR zu weiteren Zahlungen. Dieser kann den VN nicht auf die ausgeübte Tätigkeit als Lagerist verweisen. Der Hinweis allein auf eine Vergleichbarkeit der jetzigen Einkommenssituation mit der früheren als Stuckateur ist nicht ausreichend. Der Verweisungsberuf muss vielmehr der bisherigen Lebensstellung des VN entsprechen. Dabei kommt es auf die soziale Wertschätzung an, die dem Beruf entgegengebracht wird. Es ist also eine Einzelfallabwägung erforderlich. Dabei ist zu berücksichtigen
- welche Ausbildung für die Tätigkeit erforderlich ist,
- welche Kenntnisse und Fähigkeiten ein Beruf erfordert,
- welche Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten gegeben sind, und
- inwieweit der Versicherte in der Planung und Gestaltung seiner Arbeit Freiräume besitzt oder selbstständig handeln kann.
Unter Berücksichtigung dieser Punkte steht fest, dass die Tätigkeit als Lagerist nicht der bisherigen Lebensstellung des VN entspricht. Der Stuckateur ist ein Beruf mit dreijähriger Ausbildung, der Lagerist eine Tätigkeit, die auch ohne Ausbildung ausgeübt werden kann. Als Stuckateur war der VN den Hilfsarbeitern weisungsbefugt, bei der Lageristentätigkeit war das nicht der Fall. Der VN hatte als Stuckateur die Verantwortung für eine Baustelle und musste die Arbeitsabläufe selbstständig planen und gestalten. Dem Lageristen sind die Arbeitsabläufe dagegen vorgegeben. Die frühere Tätigkeit erforderte handwerkliches Geschick und handwerkliche Fähigkeiten. Vergleichbare Fähigkeiten sind für den Lageristen nicht erforderlich.
Praxishinweis
Zu berücksichtigen ist auch, wie das jeweilige Berufsbild in der Gesellschaft angesehen wird. Dabei ist zu beachten, dass ausgebildete Handwerker generell ein höheres Ansehen als angelernte Hilfskräfte haben. Hinzu kommen die Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Weiterführender Hinweis
- ausführlich zur Darlegungs- und Beweislast in der Berufsunfähigkeitsversicherung (mit Musterformulierungen und Checklisten): Melzer, VK 12, 158