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  • · Fachbeitrag · Werbungskosten

    BFH muss entscheiden: Ist Burnout eine Berufskrankheit?

    | Immer mehr Menschen leben im Dauerstress und werden dadurch psychisch krank. Die häufige Diagnose: Burnout. Die Ursachen dieser Erkrankung liegen mitunter an der beruflichen Belastung. Der BFH muss jetzt entscheiden, ob von der Krankenkasse nicht getragene Kosten als Werbungskosten abziehbar sind. |

    1. Aktueller Musterfall vor dem FG München

    Hintergrund des BFH-Verfahrens ist ein Fall vor dem FG München. Dort beklagte ein Steuerzahler, der aufgrund der Fusion seines Arbeitgebers nicht wie erwartet zum Prokuristen ernannt, sondern aus seiner Sicht eher degradiert worden war, akute Beschwerden. Um die zu behandeln, begab er sich in Abstimmung mit seiner Hausärztin und einem Facharzt für Psychiatrie in eine psychosomatische Klinik. Die Krankenversicherung übernahm den Großteil der Kosten nicht, weil ein stationärer Aufenthalt nach ihrer Auffassung nicht erforderlich gewesen sei.

    2. FG: Psychosomatische Krankheit ist keine Berufskrankheit

    Also machte der Steuerzahler selbst getragene Kosten von 8.403,21 EUR in seiner Steuererklärung als Werbungskosten geltend. Das FG München lehnte den Abzug aber ab (FG München 26.4.13, 8 K 3159/10, Abruf-Nr. 132350).

     

    Die Richter begründen das damit, dass es sich bei einer psychischen oder psychosomatischen Krankheit, die - auch - durch eine starke emotionale Belastung im Beruf ausgelöst wird, nicht um eine typische Berufskrankheit handelt. Zwar mag beruflicher Stress konkreter Auslöser einer Verschlechterung mit Krankheitscharakter sein. Dies macht beruflichen Stress aber nicht zur alleinigen oder zwingenden Ursache der Krankheit. Vielmehr spielen bei psychischen Erkrankungen ebenso wie bei den meisten körperlichen Krankheiten eine Vielzahl bekannter wie unbekannter Faktoren zusammen.

    3. Anerkannte Berufskrankheiten

    Der Fall unterscheide sich deshalb von den - von der Rechtsprechung anerkannten - Berufskrankheiten, die eine nahezu ausschließliche Kausalität zu typischen Berufsumständen aufweisen. Hier zitieren die Münchner Richter folgende Fälle:

     

    • Vergiftungserscheinungen eines Chemikers,
    • Staublunge eines Bergmanns,
    • Tuberkuloseerkrankung in einer TBC-Heilungsstätte,
    • Sportunfall eines Berufsfußballspielers.

     

    Weitere - anderweitig anerkannte - Berufskrankheiten sind:

     

    • Mehlstauballergie eines Bäckers,
    • Chronische Sehnenscheidenentzündung einer Finanzbeamtin, die durchweg am PC arbeitet (VG Aachen 14.4.11, 1 K 1203/09, Abruf-Nr. 112759),

    4. So wahren Sie alle Steuerspar-Chancen für Ihre Mandanten

    Bei Mandanten, die Kosten für die Behandlung von seelisch bedingten (Berufs-)Krankheiten selbst getragen haben, sollten Sie wie folgt vorgehen:

     

    Werbungskosten: Auf anhängige Verfahren beim BFH berufen

    Am steuerwirksamsten wirken sich die Kosten aus, wenn man sie als Werbungskosten geltend macht. Das Finanzamt wird diese zwar nicht anerkennen. Dagegen können Sie aber Einspruch einlegen und sich dabei auf zwei anhängige Verfahren vor dem BFH berufen.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • Das FG München hat nämlich die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des BFH, ob psychische Erkrankungen Berufskrankheiten sein können. Das Verfahren wird beim BFH unter dem Az. VI R 36/13 geführt.
    • Beim BFH ist unter dem Az. VI R 37/12 ein zweiter „Berufskrankheits-Fall“ anhängig. Hier geht es darum, ob eine Orchestermusikerin, die unter akuten Einschränkungen im Hals-Nacken-Schulterbereich leidet, Aufwendungen für sogenannte Dispokinese als Werbungskosten geltend machen kann. In dem Verfahren wird sich der BFH auch dazu äußern, ob nicht wenigstens ein Teil der Kosten als Werbungskosten abziehbar ist. Die bisherige Rechtsprechung des BFH zu Berufskrankheiten stammt nämlich aus einer Zeit, als das Aufteilungsverbot in § 12 EStG noch galt. Das hat der BFH aber 2009 aufgehoben (BFH 21.9.09, GrS 1/06, Abruf-Nr. 100184).
    • Betroffene sollten die Kosten also als Werbungskosten ansetzen. Lehnt das Finanzamt ab, legen Sie Einspruch ein und bitten Sie mit Hinweis auf die beiden anhängigen BFH-Verfahren um Ruhen des Verfahrens.
     

     

    Wenigstens Abzug als außergewöhnliche Belastung sichern

    Wenn schon keine Werbungskosten anerkannt werden, dann sollten Sie sie wenigstens als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) steuermindernd geltend machen. Prinzipiell ist das auch möglich. Im Fall vor dem FG München scheiterte es aber daran, dass der Steuerzahler den erforderlichen Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht belegen konnte. Er hatte sich nicht vor dem Beginn der Heilmaßnahme ein amtsärztliches Gutachten ausstellen lassen bzw. konnte keine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorlegen.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 197 | ID 42299540