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  • 28.09.2011 · IWW-Abrufnummer 112690

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 19.07.2011 – 6 U 70/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    6 U 70/10
    8 O 64/10 Landgericht Lübeck
    verkündet am: 19.07.2011
    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
    Urteil
    Im Namen des Volkes
    In dem Rechtsstreit
    hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 06.07.2011 für Recht erkannt:
    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Lübeck vom 23.11.2010 geändert.
    Die einstweilige Verfügung vom 10.08.2010 wird aufgehoben. Der Antrag der Klägerin vom 06.08.2010 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits nach einem Wert von 10.000,00 € zu tragen.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Gründe
    I.
    Die Klägerin nimmt die Beklagte im Eilverfahren auf Unterlassung in Anspruch.
    Die Klägerin ist Inhaberin eines Unternehmens, welches sich mit Trocknungsarbeiten beschäftigt. Die Beklagte ist ein Schadensversicherer.
    Einer der Versicherungsnehmer der Beklagten war Herr H.. In § 25 der zwischen Herrn H. und der Beklagten vereinbarten Versicherungsbedingungen (Anlage AG 1, Bl.25) hieß es, der Versicherungsnehmer habe die Weisungen des Versicherers zur Schadenminderung zu beachten. Am 12.07.2010 trat bei Herrn H. ein Wasserschaden auf. Herr H. meldete den Schaden der Beklagten. Ferner beauftragte er die Klägerin mit Trocknungsarbeiten. Die Klägerin stellte Trocknungsanlagen auf. Am 15.07.2010 erschien der Regulierungsbeauftragte S. der Beklagten, um den Schaden zu begutachten. Was genau Herr S. Herrn H. sagte, ist streitig. Jedenfalls kündigte Herr H. anschließend den der Klägerin erteilten Auftrag. Herr S. beauftragte im Namen Herrn H.´ eine andere Firma - die Firma H. – mit Arbeiten bei Herrn H.. Herr H. weigerte sich allerdings später, die Firma H. zu vergüten, und zwar mit der Begründung, er habe Herrn S. nicht bevollmächtigt, die Firma H. zu beauftragen.
    Die Klägerin hat behauptet: Bei dem Gespräch vom 15.07.2010 habe Herr S. Herrn H. folgendes gesagt: Herr H. sei gegenüber der Beklagten nicht berechtigt gewesen, die Klägerin zu beauftragen; diese habe schlecht gearbeitet und Herr H. möge den Auftrag kündigen; den durch diesen Auftrag entstandenen Mehrbetrag müsse Herr H. tragen. Zur Glaubhaftmachung dieser Behauptungen hat die Klägerin u.a. eidesstattliche Versicherungen der Eheleute H. / B.-H. (fortan: Eheleute H.) eingereicht (Bl.151f).
    Am 10.08.2010 hat das Landgericht eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der es der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln verboten hat,
    im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber ihren Versicherungsnehmern zu behaupten oder behaupten zu lassen,
    die Versicherungsnehmer seien verpflichtet, für die Behebung von vom Versicherungsvertrag abgedeckten Wasserschäden von der Antragsgegnerin ausgewählte Unternehmen zu beauftragen,
    dass sie für den Fall der Wahl eines anderen als von der Antragsgegnerin ausgewählten Unternehmens die Differenz zu dem Angebot eines von der Antragsgegnerin ausgewählten Unternehmens selbst zu tragen hätten.
    Hiergegen hat die Beklagte Widerspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Herr S. habe Herrn H. nur gesagt, dass er – Herr S. – von einer Beschädigung auch des schwimmenden Estrichs ausgehe, weshalb die von der Klägerin begonnene Raumtrocknung zur Schadensbeseitigung nicht geeignet sei. Ferner habe Herr S. darauf hingewiesen, dass die Klägerin als Baufirma nicht auf Raumtrocknung spezialisiert sei, er - Herr S. - aber eine insoweit geeignete Firma kenne, für die er auch eine Kostenzusage geben könne. Wenn Herrn H. den der Klägerin erteilten Auftrag kündige, so werde er – Herr S. - sich dafür einsetzen, dass die Beklagte auch die Rechnung der Klägerin zahle. Zur Glaubhaftmachung dieser ihrer Behauptungen hat die Beklagte u.a. eine eidesstattliche Versicherung Herrn S.s eingereicht (Anlage AG 4, Bl.106f).
    Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung vom 10.08.2010 aufrecht erhalten und diese Entscheidung auf §§ 3, 4, 8 Abs.1 UWG gestützt. In den Gründen heißt es: Zwischen den Parteien bestehe ein (indirektes) Wettbewerbsverhältnis, denn die Beklagte habe im konkreten Fall zur Förderung fremden Wettbewerbs – nämlich zur Förderung des Wettbewerbs der Konkurrentin H. der Klägerin – gehandelt, indem Herr S. Herrn H. aufgefordert habe, den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag zu brechen. Die Klägerin habe glaubhaft gemacht, dass Herr S. Herrn H. gesagt habe, die Klägerin dürfe das zu beauftragende Unternehmen allein auswählen und Herr H. müsse die durch die Beauftragung der Klägerin entstehenden Mehrkosten tragen. Diese Äußerung Herrn S.s stelle eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung der Beklagten dar.
    Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wendet ein: Da sie zu der Klägerin nicht im Wettbewerb stehe, könne sie keine Wettbewerbshandlung begangen haben. Herr H. habe den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag nicht dadurch gebrochen, dass er ihn gekündigt habe. Das Landgericht habe die Behauptungen der Klägerin fehlerhaft für glaubhaft gehalten.
    Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
    II.
    Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
    Die Klägerin hat die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs aus § 3 Abs.1, § 4 Nr.1, § 8 Abs.1 S.1, Abs.3 Nr.1 UWG nicht glaubhaft gemacht i.S.d. §§ 294, 920 Abs.2, 936 ZPO. Denn sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass Herr S. sich gegenüber den Eheleuten H. in einer Weise äußerte, die geeignet war, die Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen.
    1.
    Zweifelhaft erscheint bereits die Schlüssigkeit des Antrags, ob also die Klägerin die beschriebenen Voraussetzungen dann glaubhaft gemacht hätte, wenn sie durchaus glaubhaft gemacht hätte, dass Herr S. sich in der von ihr - der Klägerin - behaupteten Weise geäußert habe.
    So hat die Klägerin durch Bezugnahme auf die beiden eidesstattlichen Versicherungen vom 27.10.2010 (Bl.151f) eingeräumt, dass Herr S. die begonnene Art der Trocknung im Hinblick auf den vermuteten Bodenaufbau für nicht fachgerecht hielt (weshalb dies unstreitig ist und entgegen Abschnitt III 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 08.07.2011 von der Beklagten nicht glaubhaft gemacht werden musste). Selbst wenn diese Einschätzung Herrn S.s tatsächlich unzutreffend gewesen sein sollte, ist es ihm vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht als unlauter (sondern allenfalls als unsorgfältig) vorzuwerfen, dass er Herrn H. aufforderte, die vermeintlich nicht fachgerechten Arbeiten einstellen zu lassen, und ankündigte, dass die Beklagte die Mehrkosten dieser Arbeiten nicht übernehmen werde (vgl. in diesem Zusammenhang § 25 der zwischen Herrn H. und der Beklagten vereinbarten Versicherungsbedingungen, wonach der Versicherungsnehmer die Weisungen des Versicherers zur Schadenminderung zu beachten hat). Erst recht nicht war diese Aufforderung nebst Ankündigung dann unlauter, wenn seine Einschätzung sogar zutreffend war, die von der Klägerin begonnenen Arbeiten also tatsächlich nicht fachgerecht waren.
    Damit bleibt als mögliche unlautere Wettbewerbshandlung allein die von der Klägerin Herrn S. ebenfalls zugeschriebene Äußerung, wonach die Beklagte entscheide, welche Firma den Schaden beseitige. Auch diese Äußerung muss aber nicht unlauter gewesen sein. Zwar hatte die Beklagte tatsächlich nicht das Recht, ihrem Versicherungsnehmer zu verbieten, selbst die Schadensbeseitigung in marktgerechter Weise in Auftrag zu geben. Jedoch konnte die erwähnte Äußerung bei geeignetem Kontext auch als bloßes Angebot zur Hilfeleistung verstanden werden, also in dem Sinne, dass sich Herr H. um die Auswahl eines geeigneten Unternehmens nicht kümmern müsse (wohl aber kümmern könne).
    In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass Herr H. nach § 649 S.1 BGB jederzeit zur Kündigung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages berechtigt war, so dass Herr S. Herrn H. – anders als das Landgericht gemeint hat – nicht dadurch zum „Vertragsbruch“ verleitete, dass er ihn zur Kündigung aufforderte.
    Der Schriftsatz der Klägerin vom 08.07.2011 rechtfertigt keine andere Beurteilung. Weil Herr S. unstreitig die begonnene Art der Trocknung im Hinblick auf den vermuteten Bodenaufbau für nicht fachgerecht hielt, ist es weder als gezielte Behinderung des Wettbewerbs i.S.d. § 4 Nr.10 UWG noch als irreführende geschäftliche Handlungen i.S.d. § 5 Abs.1 S.1 UWG anzusehen, wenn er den Eheleuten H. ankündigte, dass die Beklagte die Mehrkosten dieser Arbeiten nicht übernehmen werde.
    2.
    Letztlich kann die Frage nach der Schlüssigkeit des Antrags aber offen bleiben. Denn jedenfalls hat die Klägerin ihre Behauptungen darüber, was Herr S. gesagt habe, nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr hat die Beklagte die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin erschüttert.
    a)
    Es gibt keinen Grund, die eidesstattlichen Versicherungen der Eheleute H. für eher glaubhaft zu halten als diejenigen Teile der eidesstattlichen Versicherung Herrn S.s, die jenen Versicherungen widersprechen. Herr S. hat versichert, er habe weder gesagt, dass die Eheleute H. nicht selbst die Schadensbeseitigung in Auftrag geben könnten, noch, dass die Beklagte entscheide, welche Firma den Schaden beseitige, noch, dass die Beklagte mögliche Mehrkosten, die durch die Beauftragung der Klägerin entstünden, auf keinen Fall ersetzen werde. Er habe Herrn H. nicht aufgefordert, sondern nur mit ihm „besprochen“, eine andere, aus der Sicht Herrn S.s geeignetere Trocknungsfirma zu beauftragen, für die er – Herr S. - eine Kostenzusage geben könne.
    Die Erwägungen, mit denen das Landgericht begründet hat, dass es die den Angaben der Eheleute H. widersprechenden Angaben Herrn S.s für unglaubhaft halte (Seite 7 des angefochtenen Urteils), überzeugen nicht. Aus dem Umstand, dass es im Interesse Herrn S.s und der Beklagten lag, dass der Schaden so preisgünstig wie möglich beseitigt werde, folgt nicht, dass auch tatsächlich das von Herrn S. gegenüber den Eheleuten H. ins Gespräch gebrachte Unternehmen am preisgünstigsten war. Ferner ist es möglich, dass dieses Unternehmen – wie es Herr S. an Eides Statt versichert hat – nach seinen Erfahrungen besonders gut arbeitete, und Herr S. auch im Interesse der Eheleute H. Wert auf eine qualitativ hochwertige Schadensbeseitigung legte. Erst recht nicht folgt aus dem von dem Landgericht angenommenen Interesse Herrn S.s und der Beklagten, dass Herr S. zur Befriedigung dieses Interesses zu unlauteren Maßnahmen griff. Auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Herr S. unstreitig die von der Klägerin begonnenen Maßnahmen für ungeeignet hielt. Warum es Herrn S. selbst in dieser Lage nicht erlaubt gewesen sein sollte, ein anderes Unternehmen ins Gespräch zu bringen, erschließt sich nicht.
    Auch in diesem Punkt rechtfertigt der Schriftsatz der Klägerin vom 08.07.2011 keine andere Beurteilung. Dass Herr S. in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21.09.2010 nichts davon berichtet hat, dass er später tatsächlich die Firma H. beauftragte, lässt sich zwanglos damit erklären, dass Gegenstand seiner Versicherung nur der Verlauf seines Gesprächs mit den Eheleuten H. sein sollte. Dass Herr S. in seinem Schadenbericht (Bl.49) angegeben hat, die Eheleute hätten „einen örtlichen Trockner beauftragt“, in seiner eidesstattlichen Versicherung aber ausgeführt hat, er sei seinerzeit davon ausgegangen, „dass es sich bei der Trocknungsfirma um eine Baufirma und nicht um eine Trocknungsfirma handelte“, stellt dann keinen Widerspruch dar, wenn Herr S. hiermit – wofür alles spricht – seine Auffassung zum Ausdruck bringen wollte, dass der Klägerin die ausreichende Fachkompetenz zur Beseitigung des konkreten Schadens fehle.
    3.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO, § 26 Nr.8 EGZPO.

    RechtsgebietUWGVorschriftenUWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1