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  • 27.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120240

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 08.04.2011 – 20 W 8/11

    § 215 VVG findet auch bei der Bestimmung des Gerichtstandes auf Altverträge (Vertragsschluss vor dem 01.01.2008), bei denen der Versicherungsfall vor dem 01.01.20098 eingetreten ist, keine Anwendung. Auf den Zeitpunkt der Klageerhebung oder der Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags kommt es nicht an.eingenommenen Standpunktes kann dabei nicht auf ein Abgehen von der früheren Entscheidung geschlossen werden, selbst wenn sich der Versicherer darin erneut mit der Frage seiner Leistungspflicht auseinandersetzt und vor der Beantwortung noch einige Nachforschungen hat anstellen müssen.


    Oberlandesgericht Hamm

    I-20 W 8/11

    Die sofortigen Beschwerden des Antragstellers werden zurückgewiesen.

    G r ü n d e:
    Die sofortigen Beschwerden des Antragstellers haben keinen Erfolg.
    1.
    Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin mit der Behauptung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit Leistungen aus einem Berufsunfähigkeits-versicherungsvertrag. Mit Antragsschrift vom 25.08.2010 (Bl. 1 ff d.A.) hat der Kläger bei dem Landgericht Dortmund um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung nachgesucht. Diesen Antrag hat das Landgericht durch Beschluss vom 03.11.2010 (Bl. 39 d.A.) zurückgewiesen mit der Begründung, dass es zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht zuständig sei. Hierfür sei allein die Zuständigkeit des zuständigen Prozessgerichts gegeben, das angerufene Landgericht Dortmund sei indes für die beabsichtigte Klage örtlich nicht zuständig.
    Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 08.12.2010 (Bl. 43 d.A.) mit der er seinen Prozesskostenhilfeantrag vom 25.08.2010 weiterverfolgt hat. Hilfsweise hat er Aufhebung des Beschlusses vom 03.11.2010 und Zurückverweisung an das Landgericht Dortmund sowie äußerst hilfsweise Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Nürnberg-Fürth beantragt.
    Daraufhin hat das Landgericht Dortmund mit Beschluss vom 27.12.2010 (Bl. 52 d.A.) der sofortigen Beschwerde vom 08.12.2010 abgeholfen und die Zurückweisung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben. Des weiteren hat sich das Landgericht für örtlich unzuständig erklärt und das Prozesskostenhilfeverfahren an das Landgericht Nürnberg-Fürth verwiesen. Das Landgericht Dortmund hat daraufhin die Akten zur Weiterführung am 27.12.2010 dem Landgericht Nürnberg-Fürth übersandt (Bl. 55 d.A.), welches daraufhin Termin zur Erörterung im Prozesskostenhilfeverfahren auf den 10.02.2011 anberaumt hat.
    Gegen den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 27.12.2010 richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 19.01.2011 (Bl. 59 d.A.) mit der er eine erneute Entscheidung des Landgerichts über die Beschwerde vom 08.12.2010 begehrt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat daraufhin das dort anhängige Verfahren für vorerst beendet erklärt (Bl. 64 d.A.) und die Akten erneut dem Landgericht Dortmund vorgelegt.
    Das Landgericht Dortmund hat sodann durch Beschluss vom 14.02.2011 (Bl. 68 d.A.) entschieden, dass der Beschwerde des Antragstellers vom 08.12.2010 nicht abgeholfen werde und hat die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
    2.
    Ohne Erfolg bleibt das seitens des Antragstellers in der Hauptsache verfolgte Ziel einer positiven PKH-Bewilligungsentscheidung für eine Klage vor dem Landgericht Dortmund. Deshalb hat es bei der hilfsweise beantragten Verweisung des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens an das Landgericht Nürnberg-Fürth zu verbleiben.
    2.1.
    Anerkannt ist, dass auch ein Prozesskostenhilfeverfahren analog § 281 ZPO an das für die Hauptsache zuständige Gericht verwiesen werden kann (Zöller/Greimer, 28. Aufl. § 114 ZPO Rz 22a). Dies kann jedoch allein aufgrund eines Verweisungsantrags des Antragstellers geschehen. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, hat das angerufene Gericht über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Im Falle des Fehlens der örtlichen Zuständigkeit führt dies zur Zurückweisung des Bewilligungsantrags. Diese Zurückweisung hat allerdings nicht deshalb zu erfolgen, weil das angerufene Gericht nicht zur Entscheidung über den PKH-Antrag berufen wäre, sondern auf fehlender Erfolgsaussicht der Hauptsache, die wiederum auf der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in der Hauptsache beruht (OLG Saarbrücken NJW-RR 1990, 575; MünchKomm/Motzer, 3. Aufl. § 127 ZPO Rz 6). Das Landgericht durfte deshalb nicht – wie geschehen – durch Beschluss vom 03.11.2010 die Zurückweisung des PKH-Antrags des Antragstellers darauf stützen, dass es nicht aufgerufen sei, über den PKH-Antrag zu befinden.
    2.2.
    Gleichwohl ist die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags des Antragstellers durch den Beschluss des Landgerichts vom 03.11.2010 im Ergebnis zu Recht erfolgt, weil für die beabsichtigte Klage vor dem Landgericht Dortmund mangels dessen örtlicher Zuständigkeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestand,
    § 114 ZPO.
    Denn eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund für die beabsichtigte Klage ist nicht gegeben:
    2.2.1.
    Auf die Gerichtsstandsregelung des § 215 VVG n.F. kann sich der Antragsteller nicht berufen, weil diese Norm im Hinblick darauf, dass der Vertrag der Parteien bereits mit Versicherungsbeginn zum 01.01.1999 abgeschlossen wurde und der behauptete Versicherungsfall bereits im Jahr 2007 eingetreten sein soll, vorliegend nicht anwendbar ist. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (etwa Beschluss vom 20.05.2009 20 U 110/08 VersR 2009, 1345 = NJW-RR 2010, 105 und Beschluss vom 08.05.2009 20 W 4/09 r+s 2010, 140 mit zustimmender Anmerkung Abel/Winkens r+s 2010, 143) ist im Falle von Altverträgen bei einem Versicherungsfall vor dem 01.01.2009 das VVG in seiner früheren Fassung anzuwenden. Denn Art. 1 EGVVG lässt nach seinem klaren Wortlaut für eine Differenzierung zwischen prozessualen und materiellen Regelungen keinen Raum (ebenso OLG Naumburg VersR 2010, 374; OLG Nürnberg VersR VersR 2010, 935; OLG Düsseldorf VersR 2010, 1354; OLG Bamberg BeckRS 2010, 27709; Bauer/Rajkowski VersR 2010, 1559; vgl. zu den Gegenauffassungen insbesondere in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Prölss/Martin/Klimke, 28. Aufl., § 215 VVG Rz 2 f). Deshalb ist nach Art.1 Abs. 2 EGVVG bei Altverträgen und Altfällen das frühere Recht über den 01.01.2009 hinaus weiter anwendbar; auf den Zeitpunkt der Klageerhebung oder der Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags kommt es nicht an. § 215 VVG gilt für diese Fälle, in denen der Abschluss des Versicherungsvertrages vor dem 01.01.2008 und der Eintritt des Versicherungsfalles vor dem 01.01.2009 liegt, nicht.
    2.2.2.
    Ebenso wenig kann sich der Antragsteller auf die Gerichtsstandsregelung des
    § 29 c ZPO berufen. Unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des § 29c ZPO (verneinend OLG Jena NJOZ 2009, 1701 und OLG München NJOZ 2006 3066) lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, dass es sich um eine beabsichtigte Klage aus einem Haustürgeschäft nach § 312 BGB handelt. Denn das Landgericht hat es offengelassen, ob es sich bei der Vermittlerin um eine Agentin oder eine Maklerin gehandelt hat. Im letztgenannten Fall fehlt es schon an einer Haustürsituation im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB, da der Makler nicht wie der Versicherungsagent im Lager des Versicherers steht (OLG Jena NJOZ 2009, 1701). Der Antragsteller hat hierzu keinen weitergehenden Tatsachenvortrag gehalten; so dass es bereits an den tatsächlichen Voraussetzungen einer Haustürsituation fehlt.
    2.2.3.
    Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass vorliegend ein Gerichtsstand nach § 48 VVG a.F. im Bezirk des Landgerichts Dortmund begründet wäre. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Vermittlerin um eine Agentin und nicht etwa eine Maklerin gehandelt hat, zeigt der Vortrag des Antragstellers nicht auf. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass es dem Antragsteller nicht möglich ist, einen Agenturvertrag zwischen der Vermittlerin und der Antragsgegnerin vorzulegen, so ist gleichwohl von dem Antragsteller ein substantiierter Vortrag zu seinem Vorliegen zu verlangen. Die bloße Behauptung, vorgetragen ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt, reicht dazu aus.
    2.2.4.
    Schließlich ist aus den Gründen des Beschlusses des Landgerichts vom 03.11.2010 Unter 5.), denen der Antragsteller nicht mehr entgegen getreten ist, auch kein Gerichtsstand der Niederlassung nach § 21 ZPO im Bezirk des Landgerichts Dortmund begründet.
    2.3.
    Deshalb war der mit der Beschwerde des Antragstellers vom 08.12.2010 in der Hauptsache verfolgte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Landgericht Dortmund unbegründet. Ebenso war der als erster Hilfsantrag an das Landgericht Dortmund gerichtete Antrag auf Zurückverweisung des "Rechtsstreits" an das Landgericht Dortmund gegenstandslos. Denn zum einen hatte der Antragsteller bis zu diesem Zeitpunkt keinen Verweisungsantrag gestellt, so dass eine Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens - und nicht etwa des "Rechtsstreit", wie der Antragsteller gemeint hat, da ein solcher nicht rechtshängig ist -, überhaupt nicht in Rede stand; vielmehr war das Prozesskostenhilfeverfahren vor dem Landgericht durch dessen Beschluss vom 03.11.2010 zunächst abgeschlossen. Zum andern hat das Landgericht zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verweisung vorgenommen, so dass für eine "Zurückverweisung" schon deshalb kein Raum war.
    Ungeachtet der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund in der Hauptsache ist die Aufhebung der prozesskostenhilfeverweigernden Entscheidung des Landgerichts vom 03.11.2010 durch den Beschluss des Landgerichts vom 27.12.2010 zu Recht erfolgt. Denn der Antragsteller hat in seiner Beschwerdeschrift vom 08.12.2010 nunmehr – erstmals – die Verweisung hilfsweise an das Landgericht Nürnberg-Fürth beantragt. Damit hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er für den Fall, dass sich das Landgericht Dortmund an einer für ihn positiven Bewilligungsentscheidung gehindert sieht, nunmehr nicht mehr eine die PKH-Bewilligung verweigernde Entscheidung begehrt, sondern hilfsweise die Verweisung des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens entsprechend § 281 ZPO an das Landgericht Nürnberg-Fürth wünscht.
    Folgerichtig und sachlich zutreffend hat das Landgericht, da es sich – wie oben dargelegt - zu Recht für in der Hauptsache nicht örtlich zuständig erachtet hat, deshalb angesichts des umgestellten Begehrens des Antragstellers seinen PKH verweigernden Beschluss vom 03.11.2010 aufgehoben und die Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an das nach § 17 ZPO zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth ausgesprochen.
    2.4.
    Zwar ist die Frage des zeitlichen Geltungsbereichs in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sehr umstritten; jedoch ist diese Rechtsfrage im Hinblick auf § 545 Abs. 2 ZPO nicht revisibel. Der Senat entscheidet deshalb diese Frage letztinstanzlich; deshalb gebietet der Grundsatz, dass schwierige und streitige Rechtsfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden sind, vorliegend trotz divergierender Auffassungen der Oberlandesgerichte keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Ermöglichung einer Klärung der Rechtsfrage im Hauptsacheverfahren.
    Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht, weil eine solche allein wegen solcher Fragen zugelassen werden darf, die das Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren oder die persönlichen Voraussetzungen betreffen (BGH NJW 2003, 1126).
    2.5.
    Damit ergibt sich im Ergebnis, dass die Beschwerden des Klägers vom 08.12.2010 und vom 19.01.2011 in der Sache erfolglos bleiben. Das Landgericht Dortmund ist für die Entscheidung in der Hauptsache örtlich nicht zuständig und hat deshalb auf den Hilfsantrag des Antragstellers zu Recht das Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an das örtlich zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth verwiesen. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Dortmund vom 27.12.2010 (Bl. 52 d.A.) hat deshalb weiterhin Bestand.

    RechtsgebietVVGVorschriften§ 215 VVG