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  • 01.03.2012 · IWW-Abrufnummer 120680

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 23.11.2011 – I-20 U 166/11

    Der Ausschluss nach § 3 Abs. 2 c) ARB 2002 verlangt, dass der Anspruch, für dessen Geltendmachung Rechtsschutz begehrt wird, nach Eintritt des Rechtsschutzfalles auf den Versicherungsnehmer übertragen worden oder übergegangen ist. Dies ist nicht der Fall, wenn ein ursprünglich dem Versicherungsnehmer zustehender Leistungsanspruch nach Eintritt des Versicherungsfalls (hier: aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung) zunächst durch Überleitungsanzeige gemäß § 93 SGB XII auf den des Sozialversicherungsträger übergeht und der Anspruch später vom Sozialversicherungsträger wieder an den Versicherungsnehmer zurückübertragen wird.


    I-20 U 166/11

    In dem Rechtsstreit

    gegen

    Tenor:
    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

    Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

    Gründe
    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung.

    Zutreffend hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Beklagten (M-ARB 2002) zugrunde liegen, Versicherungsschutz zur Geltendmachung (auch) zukünftiger Ansprüche aus der von dem Kläger unterhaltenen privaten Berufsunfähigkeitsversicherung zu gewähren.

    I. Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung allein, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts der Versicherungsschutz nach § 3 Abs. 4 c) bzw. d) ARB 2002 ausgeschlossen sei.

    § 3 Abs. 4 c) und d) ARB 2002 lauten:

    "§ 3 Ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten

    Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

    (4)

    c) aus Ansprüchen oder Verbindlichkeiten, die nach Eintritt des Rechtsschutzfalles auf den Versicherungsnehmer übertragen worden oder übergegangen sind;

    d) aus vom Versicherungsnehmer im eigenen Namen geltend gemachten Ansprüchen anderer Personen oder aus einer Haftung für Verbindlichkeiten anderer Personen;

    (...)"

    Wie bereits das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, greift vorliegend keiner der beiden v.g. Ausschlüsse ein.

    1. Der Ausschluss nach § 3 Abs. 2 c) ARB 2002 verlangt, dass der Anspruch, für dessen Geltendmachung Rechtsschutz begehrt wird, nach Eintritt des Rechtsschutzfalles auf den Versicherungsnehmer übertragen worden oder übergegangen ist. So liegt der Fall hier aber nicht. Denn der Kläger will mit der beabsichtigten, insbesondere auf Feststellung zukünftiger Leistungen aus der von ihm bei der N AG unterhaltenen Berufsunfähigkeitsversicherung gerichteten Klage, für die er von der Beklagten Rechtsschutz begehrt, ein ursprünglich in seiner Person entstandenes und ihm originär zustehendes Recht einklagen. Der Leistungsanspruch gegen die N AG - und damit auch der Rechtsschutzfall - ist (sein Bestehen an dieser Stelle denknotwendig vorausgesetzt) mit Eintritt der behaupteten Berufsunfähigkeitsversicherung in der Person des Klägers im November 2007 entstanden. Erst danach, nämlich mit Schreiben vom 17.07.2009 hat die Stadt B - Sozialamt - durch Überleitungsanzeige an die N AG gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII bewirkt, dass die Ansprüche auf Leistungen des Klägers wegen Berufsunfähigkeit auf sie übergehen. Vorliegend handelt es sich also im Ausgangspunkt um den umgekehrten, vom Regelungsgehalt des § 3 Abs. 4 c) ARB 2002 nicht erfassten Fall: ein ursprünglich dem Kläger als Versicherungsnehmer zustehender Anspruch ist nach Eintritt des Rechtsschutzfalls auf einen Dritten, nämlich den Sozialversicherungsträger übergegangen.

    An diesem Ergebnis ändert auch die spätere Rückübertragung des Anspruches an den Kläger nichts. Denn § 3 Abs. 2 c) ARB 2002 ist - wie im Übrigen auch der hier weiter in Rede stehende § 3 Abs. 2 d) ARB 2002 - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von ihrem erkennbaren Zweck her einschränkend auszulegen: Der Zweck geht dahin zu verhindern, dass der nicht versicherte eigentliche Rechtsinhaber in den Genuss der Versicherungsleistung kommt, indem an seine Stelle eine versicherte Person tritt, die den Anspruch geltend macht. Die Klausel will ausschließen, dass ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtsinhaber durch rechtliche Gestaltung seine Klagebefugnis auf einen Rechtsschutzversicherten verlagert. In beiden Fällen, sei es durch eine Verlagerung der Prozessführungsbefugnis auf den Rechtsschutzversicherten - etwa durch gewillkürte Prozessstandschaft - oder sei es durch eine Übertragung des Anspruchs nach Eintritt des Versicherungsfalls, würde der Rechtsschutzversicherer durch nachträgliche Nutzung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit einem Kostenrisiko belastet, für das er keine Prämien erhalten hat (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.2008, IV ZR 128/07, Zitat nach juris, Tz 17 = VersR 2009, 216; Urt. v. 29.04.1998, IV ZR 21/97, Zitat nach juris, Tz 13 = VersR 1998, 887; Urt. v. 29.03.1995, IV ZR 207/94, Zitat nach juris, Tz = VersR 1995, 698; vgl. a. Maier in Harbauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl., § 3 ARB 2000, Rn 181 m.w.N.).

    Was die mit Schreiben der Stadt B vom 14.03.2011 erfolgte Rückübertragung der Ansprüche an den Kläger angeht, wurde letztlich nur die alte Rechtslage (i.e. originäre Forderungsinhaberschaft des Klägers) wiederhergestellt. Ein Fall der (unzulässigen) Übertragung des Anspruchs nach Eintritt des Versicherungsfalls auf den Kläger, den § 3 Abs. 4 c) ARB 2002 - wie ausgeführt - im Blick hat und durch den die Beklagte durch nachträgliche Nutzung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit einem Kostenrisiko belastet würde, für das sie keine Prämien erhalten hat, liegt darin gerade nicht. Denn hätte die Stadt B von ihrem Überleitungsrecht gemäß § 93 SGB XII, das allein in ihrem Ermessen stand und das dem Einflussbereich des Klägers vollständig entzogen war ("Forderungsübergang kraft rechtsgestaltenden Hoheitsaktes", vgl. Armbrüster in jurisPK - SGB XII, § 93 SGB XII, Rn 24 u. 28 m.w.N.), keinen Gebrauch gemacht, hätte ein Fall des § 3 Abs. 4 c) ARB 2002 von vornherein nicht vorgelegen: dem Kläger hätte Rechtsschutz für ein in seiner Person entstandenes und ihm zustehendes Recht zugestanden. Gleiches muss aber dem Sinn und Zweck der Ausschlussklausel nach zugunsten eines Versicherungsnehmers gelten, dem ein ihm ursprünglich zustehender Anspruch durch - seinem Einflussbereich, wie ausgeführt, vollständig entzogenen - Forderungsübergang gemäß § 93 SGB XII zunächst entzogen, später aber wieder zurückübertragen wird: denn die Prämien für den Fall der eigenen Betroffenheit hat er in der Vergangenheit bereits entrichtet, so dass der Versicherer mit einem außerhalb des von ihm übernommenen Risikos liegenden Kostenrisiko letztlich nicht belastet wird. Hinzu kommt, dass der betroffene Versicherungsnehmer (hier: der Kläger) den Sozialhilfeträger im Rahmen des § 93 SGB XII im Fall - wie hier - bestrittener Forderungen nicht zu einer Übernahme des Prozessrisikos zwingen kann: vielmehr kann der Sozialhilfeträger im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens - z.B. aus fiskalischen Erwägungen - von seinem Überleitungsrecht jederzeit wieder Abstand nehmen (vgl. Armbrüster in jurisPK - SGB XII, § 93 SGB XII, Rn 24 u. 28 m.w.N.). Dies darf nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen, der für den Fall der eigenen Betroffenheit gerade eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen und hierauf auch die entsprechenden Prämien entrichtet hat.

    Ergänzend ist zu bemerken, dass der Forderungsübergang gemäß § 93 SGB XII auch nur "bis zur Höhe der Aufwendungen" des Sozialversicherungsträgers und nur "für die Zeit, für die der leistungsberechtigten Person [hier: dem Kläger] die Leistung [i.e. Sozialhilfe] ohne Unterbrechung erbracht wird", erfolgt, keineswegs also von vornherein in Höhe der gesamten in Rede stehenden künftigen Versicherungsleistung.

    2. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein Fall des § 3 Abs. 4 d) ARB 2002 vor. Denn der Kläger macht hier - wie vorstehend ausgeführt - kein fremdes, sondern ein (ursprünglich und nach Rückübertragung an ihn wieder) eigenes Recht im eigenen Namen geltend.

    II. Soweit die Beklagte in 1. Instanz noch geltend gemacht hatte, dass ihrer Eintrittspflicht bereits § 17 Abs. 5 c) aa) ARB 2002 entgegenstehe, greift sie die diesbezüglichen, zutreffenden Ausführungen des Landgerichts mit der Berufung zu Recht nicht an.

    III. Auf die Gebührenermäßigung bei Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.

    Hinweise

    Die Berufung ist nach Hinweis zurückgenommen worden.