08.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121427
Oberlandesgericht Jena: Urteil vom 13.03.2012 – 4 U 151/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 U 151/11
3 O 49/10 (Landgericht Meiningen)
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
XXX
hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller,
Richterin am Oberlandesgericht Billig und
Richterin am Oberlandesgericht Friebertshäuser
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2012
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 10.02.2011 – Az.: 3 O 49/10(21) – abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 92.959,02 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem geltenden Basiszinssatz seit dem 08.11.2008 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.678,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistung aus verschiedenen Fahrzeugkaskoversicherungen in Anspruch.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein Speditionsunternehmen. Sie hatte ihre Fahrzeuge (Lkws) bei der Beklagten haftpflicht- und kaskoversichert; und zwar auf der Grundlage eines im Februar 2007 geschlossenen Rahmenvertrages (Anlage K10 der Anlagensonderheftung der Klägerin). Ziffer 5 dieses Rahmenvertrages lautet wie folgt:
„Versichert sind alle zugelassenen oder ruhenden und uns gemeldeten Fahrzeuge“.
Ergänzend sollten – so heißt es in § 6 des Rahmenvertrages – die bei Vertragsbeginn gültigen Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) gelten.
Im zweiten Rechtszug streitgegenständlich sind noch zwei Versicherungsverhältnisse; und zwar für die LKW der Marke Volvo mit den amtlichen Kennzeichen (AKZ) EA-R 864 und EA-R 996. Diese Fahrzeuge waren mit Versicherungsbeginn zum 01.01., bzw. 09.02.2007 bei der Beklagten versichert. Die Klägerin hat den LKW mit dem AKZ EA-R 864 am 22.04.2008 und den LKW mit dem AKZ EA-R 996 am 22.05.2008 bei der Zulassungsstelle abgemeldet.
Auf die Außerbetriebssetzungsmitteilungen der Zulassungsstelle hat die Beklagte mit Schreiben vom 28.04., bzw. 28.05.2008 reagiert, indem sie der Klägerin mitgeteilt hat: „Ihr Vertrag endet zum 22.04.2008, bzw. 22.05.2008 (24.00 Uhr) infolge Wegfalls des versicherten Fahrzeugs- Abrechnung erfolgt nach Tagen“. Ein (nach Tagen errechnetes) Guthaben ist der Klägerin nachfolgend auch tatsächlich in Bezug auf beide Fahrzeuge erstattet worden.
Am 08.08.2008 kam es zu einem (vorsätzlich gelegten) Brand in der Lagerhalle der Klägerin, in der u.a. die beiden hier (noch) streitgegenständlichen Lkw abgestellt waren. Der Lkw mit dem AKZ EA-R 864 brannte vollständig aus; der Lkw mit dem AKZ EA-R 996 wurde durch starke Rauch- und Rußentwicklung erheblich beschädigt. Die von der Beklagten in Auftrag gegebenen DEKRA-Schadensgutachten (Anlagenkonvolut K4, Anlagensonderheftung der Klägerin) ergaben einen Sachschaden von 41.816,81 € für das Fahrzeug mit dem AKZ EA-R 864 und einen Sachschaden von 9.448,93 € für das Fahrzeug mit dem AKZ EA-R 996.
Trotz der von ihr in Auftrag gegebenen Schadensgutachten und ihrer Unterstützung bei der Veräußerung der beschädigten Lkw (zur Mitteilung von Restwertangeboten vgl. ebenfalls das Anlagenkonvolut K4 der Klägerin) hat sich die Beklagte in der Folge einer Schadensregulierung verweigert, und zwar mit zwei Argumenten:
Nach Prüfung der Ermittlungsakte der StA Meiningen (Az.: 353 Js 416/09) hat sich die Beklagte auf eine Leistungsfreiheit nach § 61 VVG a.F. wegen (streitiger) Eigenbrandstiftung, bzw. (genauer) Auftragsbrandstiftung berufen. Daneben hat sie die Beendigung der Versicherungsverhältnisse vor dem Schadensfall, nämlich zum 22.04., bzw. 22.05.2008 eingewandt. Nur bei einer lediglich vorübergehenden Stilllegung und der Mitteilung eines Umwandlungswunsches in eine Ruhensversicherung wären die abgemeldeten Fahrzeuge noch versichert gewesen. An beiden Voraussetzungen habe es jedoch gefehlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den (ausführlichen) Tatbestand des angefochtenen landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Mit dem Urteil vom 10.02.2011 hat das Landgericht der Klage (nur) teilweise stattgegeben; und zwar in Bezug auf den im zweiten Rechtszug nicht mehr streitgegenständlichen Versicherungsschutz für den dritten ab-, bzw. ausgebrannten Lkw mit dem AKZ ES-R 990. Dieses Fahrzeug war zum Brandzeitpunkt noch zugelassen, weshalb das Vorliegen eines Versicherungsfalles (versicherter Kaskoschaden) auch nicht im Streit stand. Im Streit stand insoweit nur, ob die Beklagte wegen eines im Auftrag der Klägerin gelegten Brandes, d.h. wegen eines vorsätzlich herbeigeführten Versicherungsfalls nach § 61 VVG a.F. leistungsfrei ist. Das hat das Landgericht verneint. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin sei eingestellt worden. Hinreichende Indizien für einen Auftrag zur Brandlegung ergäben sich weder aus der (beigezogenen) Ermittlungsakte, noch aus dem Prozessvortrag der Beklagten.
Die Klageabweisung in Bezug auf den Versicherungsschutz für die beiden zum Schadenszeitpunkt nicht (mehr) zugelassenen Lkw hat das Landgericht auf eine diesbezügliche Beendigung des Versicherungsverhältnisses gestützt. In eine Ruheversicherung habe sich das Vertragsverhältnis nicht umgewandelt. Eine nur vorübergehende Stilllegung der Fahrzeuge sei der Beklagten weder von der Klägerin selbst, noch von der Zulassungsbehörde mitgeteilt worden. Da die Klägerin alle anderen abgemeldeten Fahrzeuge
– wie es die Beklagte mit der Aussage ihres Mitarbeiters Bauer bewiesen habe – stets endgültig außer Betrieb gesetzt habe, habe die Beklagte von einem nämlichen (endgültigen) Willen der Klägerin auch in Bezug auf die beiden streitbefangenen Fahrzeuge ausgehen können. Da die Klägerin auf die unmissverständlichen Mitteilungen vom 28.04. / 28.05.2008, dass wegen des Wegfalls der versicherten Fahrzeuge der Versicherungsvertrag beendet sei, nicht reagiert und auch das errechnete Guthaben vereinnahmt habe, könne ihr Gesamtverhalten nur so ausgelegt werden, dass sie mit der Vertragsbeendigung einverstanden gewesen sei. Demzufolge hätten die Parteien die Versicherungsverträge für die beiden streitbefangenen Lkw konkludent aufgehoben.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigtem am 18.02.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.03.2011 Berufung eingelegt; begründet hat sie das Rechtsmittel innerhalb der bis dahin verlängerten Frist am 18.05.2011.
Mit der Berufung rügt die Klägerin im Wesentlichen, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft eine im Vertragswerk nicht vorgesehene (den Bestimmungen der AKB widersprechende) Vertragsbeendigung kreiert und deshalb zu Unrecht die Klage teilweise abgewiesen. Tatsächlich sei nach § 5 AKB mit der Abmeldung der Fahrzeuge automatisch eine Ruhensversicherung eingetreten. Eine Möglichkeit für die Beklagte, sich wegen der Abmeldung eines Fahrzeugs einseitig vom Versicherungsvertrag zu lösen, sähen weder der Rahmenvertrag, noch die AKB oder das VVG vor. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin (bzw. deren Geschäftsführer) den Schreiben vom 28.04. / 28.05.2008 keine rechtliche Relevanz beigemessen und auch nicht beimessen müssen. Von einem konkludenten Aufhebungsvertrag könne deshalb nicht die Rede sein; zumal das Landgericht der Rückzahlung der Versicherungsbeiträge für die abgemeldeten Fahrzeuge eine ihr nach den AKB nicht zukommende Bedeutung für eine endgültige Vertragsbeendigung beigemessen habe. Die Rückzahlung bereits geleisteter Beiträge erfolge auch bei der (automatischen) Umwandlung in eine beitragsfreie Ruhensversicherung.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Meiningen vom 10.02.2011
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin über den bereits ausgeurteilten Betrag von 42.693,28 € hinaus weitere 50.265,74 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem geltenden Basiszinssatz seit dem 08.11.2008 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin über die bereits ausgeurteilten 1.286,20 € hinaus weitere Nebenkosten in Höhe von 391,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem geltenden Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen.
Die Beklagte verteidigt die von der Klägerin angefochtene Teilklageabweisung und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist nicht nur zulässig (§§ 511 ff. ZPO), sondern auch begründet. In Bezug auf die beiden am Schadenstag nicht (mehr) zugelassenen Lkw hat das Landgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Tatsächlich steht der Klägerin auch für diese Fahrzeuge die begehrte (der Höhe nach unstreitige) Kaskoversicherungsleistung zu, weil für sie im August 2008 (noch) Versicherungsschutz bestand und die Beklagte auch nicht nach § 61 VVG a.F. i.V.m. Art 1 Abs. 2 EGVVG von ihrer Leistungspflicht befreit ist.
Die zum 01.01., bzw. 09.02.2007 begründeten (begonnenen) Kaskoversicherungsverhältnisse für die beiden (noch) streitbefangenen Lkw haben sich im Zusammenhang mit der Abmeldung der Fahrzeuge bei der Zulassungsstelle in beitragsfreie Ruhensversicherungsverhältnisse umgewandelt (§ 5 Abs. 2 AKB 2006).
Die hier geltenden (in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogenen) AKB der Beklagten aus dem Jahr 2006 nehmen in ihren Festlegungen zur Fahrzeugstilllegung und Ruheversicherung in § 5 ersichtlich Bezug auf die damals geltende straßenverkehrszulassungsrechtliche Regelung in § 27 StVZO. Bis Ende Februar 2007 unterschied die StVZO zwischen der endgültigen Zurückziehung eines Kraftfahrzeugs aus dem Verkehr (§ 27 Abs. 5 StVZO) und seiner nur vorübergehenden Stilllegung (§ 27 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 StVZO); ein stillgelegtes Fahrzeug galt als endgültig aus dem Verkehr gezogen, wenn seit dem Zeitpunkt der Stilllegung 18 Monate verflossen waren (§ 27 Abs. 6 Satz 2 StVZO). Anknüpfend hieran haben die Zulassungsstellen die Versicherer nicht nur über die Abmeldung der Zulassung als solche, sondern auch darüber unterrichtet, ob das Fahrzeug nur vorübergehend stillgelegt oder aber endgültig aus dem Verkehr gezogen wurde (§ 29a Abs. 3 StVZO).
Am 01.03.2007 trat die Fahrzeug-Zulassungs-Verordnung (FZV) in Kraft, die große Teile der StVZO ersetzt bzw. reformiert hat. Seitdem wird im Zulassungsrecht nicht mehr zwischen vorübergehender Stilllegung und endgültiger Abmeldung unterschieden; § 14 FZV kennt nur noch den einheitlichen Vorgang der „Außerbetriebsetzung“. Anders als bis zum 28.02.2007 werden die Kennzeichen sofort mit der Abmeldung entstempelt; die Betriebserlaubnis erlischt jedoch nicht automatisch nach 18 Monaten, sondern bleibt grundsätzlich bestehen.
Nicht an diese „neue“ (einheitliche), sondern an die „alte“ (unterschiedliche) zulassungsrechtliche Situation haben die Parteien mit § 5 des Rahmenvertrages und dem diese Regelung (näher) ausfüllenden § 5 AKB angeknüpft; und zwar in der Weise, dass die (nur) vorübergehende Stilllegung eines Fahrzeugs die (einzelnen) Versicherungsverträge nicht berührt, wie § 5 Abs. 1 AKB eindeutig vorgibt („Durch eine vorübergehende Stilllegung des versicherten Fahrzeugs nach § 27 Abs. 6 StVZO wird der Versicherungsvertrag nicht berührt“). Jedoch sollte die Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen („wenn die Stilllegung mindestens zwei Wochen dauert“) die Umwandlung in einen beitragsfreien, beschränkten Versicherungsschutz in der Ruheversicherung verlangen können (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AKB); bzw. die Umwandlung in die Ruheversicherung automatisch mit der Mitteilung der vorübergehenden Stilllegung durch die Zulassungsstelle erfolgen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AKB). Erst und nur die endgültige Zurückziehung des Fahrzeugs aus dem Verkehr sollte zur Beendigung der Versicherungsverträge führen („Wird das Fahrzeug nicht innerhalb von 18 Monaten seit der Stilllegung wieder zum Verkehr zugelassen, endet der Vertrag mit Ablauf dieser Frist“, § 5 Abs. 5 Satz 1 AKB).
Die Problematik des Falles liegt darin, dass sich die zum Vertragsleitbild genommenen – zwischen vorübergehender und endgültiger Abmeldung unterscheidenden – zulassungsrechtlichen Vorschriften vor den hier zu bewertenden Fahrzeugabmeldungen mit der Folge geändert haben, dass eine Stilllegungsmiteilung der Zulassungsstelle nach § 29 a Abs. 3 StVZO – wie sie § 5 Abs. 2 Satz 2 AKB für eine automatische Umwandlung in eine Ruhensversicherung im Auge hat – gar nicht mehr erfolgen konnte.
Das kann mit Blick auf den Sinn und Zweck der vertraglichen Regelungen und die Beweislastverteilung nicht in der Weise zum Nachteil der Klägerin geraten, dass sie wegen der nicht ausdrücklich gestellten Umwandlungsanträge (in eine Ruheversicherung) ohne Versicherungsschutz bleibt.
Vergegenwärtigt man sich die wesentlichen Eckpunkte der vertraglichen Festlegungen, sollte eine vorübergehende Außerbetriebsetzung (Stilllegung) die Versicherungsverträge unberührt lassen und nur eine endgültige Zurückziehung aus dem Verkehr zur Vertragsbeendigung führen. Für eine sogleich (schon) mit den Abmeldungen im April, bzw. Mai 2008 erfolgte endgültige Außerbetriebsetzung der beiden nach den Schadensgutachten noch deutlich werthaltigen Lkw spricht nichts. Im Gegenteil: Es spricht vieles dafür, dass die Klägerin – wie sie behauptet – auf einen Geschäftsaufschwung in absehbarer Zeit (im Herbst 2008) gehofft und deshalb eine nur vorübergehende (kostensparende) Außerbetriebsetzung verfolgt hat, denn sie hat die beiden Fahrzeuge nach der Abmeldung – wie von § 5 Abs. 3 a) AKB für die Ruheversicherung gefordert – in der eigenen Lagerhalle sicher (umfriedet) abgestellt. Das wirkt zu Lasten der Beklagten, die für die geltend gemachte Beendigung der beiden Versicherungsverträge; bzw. für die einen Beendigungstatbestand ausfüllenden Tatsachen beweisbelastet ist. Von einer schon im Abmeldezeitpunkt (im April / Mai 2008) endgültigen Außerbetriebsetzung und (in der Folge) automatischen Vertragsbeendigung kann mithin nicht ausgegangen werden.
Da jedoch feststeht, dass die Klägerin nach den Abmeldungen, d.h. seit April / Mai 2008 keine Versicherungsbeiträge mehr gezahlt, bzw. die Beklagte geleistete Beiträge rückwirkend auf den jeweiligen Abmeldungstag erstattet hat, scheidet auch eine – nach § 5 AKB grundsätzlich mögliche – Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit einem uneingeschränkten Versicherungsschutz aus.
Ist es deshalb weder zu einer sofortigen Vertragsbeendigung (im April / Mai 2008), noch zu einer unbeschränkten Vertragsfortführung gekommen, kommt als einzig denkbare dritte Alternative nur die Umwandlung der uneingeschränkten Vollversicherung in eine beschränkte Ruheversicherung aus Anlass der Fahrzeugabmeldungen in Betracht. Dass die Klägerin eine solche nicht im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 AKB ausdrücklich verlangt (beantragt) hat, spielt deshalb keine Rolle, weil sie die Fahrzeuge mit der Abmeldung nicht bereits endgültig aus dem Verkehr zurückziehen (verschrotten u.ä.) wollte. Unter der Geltung des „alten“ Zulassungsrechtes hätte sie die Fahrzeuge also mit der Folge nur (vorübergehend) stillgelegt (§ 27 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 StVZO), dass die Beklagte Stilllegungsmitteilungen der Zulassungsstelle (§ 29 a Abs. 3 StVZO) erhalten hätte.
Wie o. dargelegt, ist aber das „alte“ zulassungsrechtliche Regelungswerk der §§ 27, 29a Abs. 3 StVZO Leitbild der hier zu beurteilenden versicherungsrechtlichen Vertragsklausel des § 5 AKB. Deshalb ist es nur folgerichtig und konsequent, die AKB-Regelungen an ihr geändertes zulassungsrechtliches Leitbild anpassend dahin auszulegen, dass – da es die Stilllegungsmitteilung nach § 29 a StVZO nicht mehr gibt – die Außerbetriebssetzungsmitteilung der Zulassungsstelle das Versicherungsverhältnis automatisch umgewandelt, wenn die Außerbetriebsetzung – wie hier – zunächst nur vorübergehenden Charakter haben soll. In solchen Fällen ist der Vertrag (die Ruhensversicherung) erst dann beendet, wenn das Fahrzeug in der von § 5 Abs. 5 Satz 1 AKB hergestellten Anknüpfung an das Leitbild des „alten“ § 27 Abs. 6 Satz 2 StVZO auch 18 Monate nach der Abmeldung noch nicht wieder zugelassen wurde und damit an der ursprünglichen Absicht der nur vorübergehenden Außerbetriebnahme letztlich doch nicht festgehalten wurde.
Dass wegen der grundlegenden Änderung der von § 5 AKB ausdrücklich in Bezug genommenen zulassungsrechtlichen Vorschriften nur das o. dargestellte (an die geänderten Verhältnisse angepasste) Verständnis der AKB-Klausel richtig sein kann, steht auch deshalb außer Frage, weil – wie die Klägerin zu Recht geltend macht – die AKB-Klauseln des Jahres 2008 tatsächlich in diesem Sinne lauten („Wird das versicherte Fahrzeug außer Betrieb gesetzt und soll es zu einem späteren Zeitpunkt wieder zugelassen werden, wird dadurch der Vertrag nicht beendet....Der Vertrag und damit auch die Ruheversicherung enden...Monate nach der Außerbetriebsetzung, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“, Anlage K11 der Klägerin). Auch wenn diese Klauseln für das bereits 2007 begründete Vertragsverhältnis der Prozessparteien keine Anwendung finden, ist das vertragsgegenständliche „alte“ Klauselwerk aus dem Jahr 2006 aus den dargelegten Gründen im Lichte der „neuen“ Klauseln auszulegen.
Da der nach alledem für eine automatische Vertragsbeendigung maßgebende Zeitraum von 18 Monaten (§§ 5 Abs. 5 Satz 1 AKB, 27 Abs. 6 Satz 2 StVZO) im Schadenszeitpunkt noch nicht verstrichen war, sondern zwischen den Abmeldungen und dem Brandereignis nur etwas mehr als 2 bzw. 3 Monate lagen, bestand für die beiden Lkw am Brandtag (08.08.2008) noch Versicherungsschutz in der Ruheversicherung.
An diesem Ergebnis ändern auch die Schreiben der Beklagten vom 28.04. / 28.05.2008 nichts. Hiermit hat sich die Beklagte weder einseitig von den (ruhenden) Versicherungsverhältnissen gelöst, noch ist es zu einer zweiseitigen (einvernehmlichen) Lösung der Verträge gekommen.
Ungeachtet dessen, dass ein (außerordentlicher) Kündigungsgrund am 28.04. / 28.05.2008 für die Beklagte ersichtlich nicht vorlag, fehlt es für eine wirksame Kündigung bereits an einer entsprechenden (Kündigungs-)Erklärung. Wegen des zukunftsgerichteten Charakters der Kündigung muss aus der Erklärung des Versicherers klar und unmissverständlich zu erkennen sein, dass eine Lösung des Vertragsverhältnisses für die Zukunft beabsichtigt ist. Der Hinweis, dass der Vertrag in einem vergangenen Zeitraum erloschen sei, genügt also nicht (OLG Hamm VersR 99, 51). So liegt die Sache hier. Kündigungserklärungen liegen nicht vor. Auch eine Umdeutung (§ 140 BGB) scheidet ersichtlich aus; sie käme allenfalls bei einer (hier nicht vorliegenden) Anfechtungs- oder Rücktrittserklärung in Betracht. Über den Charakter eines (falschen) Rechtshinweises hinaus ist den Schreiben vom objektiven Empfängerhorizont des durchschnittlichen Versicherungsnehmers kein – wie auch immer gearteter – Wille zur einseitigen Rechtsgestaltung zu entnehmen.
Hat sich die Beklagte demzufolge mit den Schreiben vom 28.04. / 28.05.2008 nicht einseitig von den (ruhenden) Fahrzeugversicherungen gelöst, geht auch die Annahme des Landgerichts von einem konkludenten Aufhebungsvertrag fehl.
So ist in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils schon nicht deutlich ausgeführt, in welchen Tatbeständen der (konkludente?) Antrag auf den Abschluss eines solchen Vertrages, bzw. die (konkludente?) Annahme des Vertragsangebots liegen soll.
Als Antrag bzw. Antr äge können allenfalls die Schreiben der Beklagten vom 28.04. / 28.05.2008 in Betracht gezogen werden. Wegen deren bloßen Hinweischarakters (s.o.) fehlt es aber an dem für ein Vertragsangebot (§ 145 BGB) erforderlichen Willen zur zukünftigen Rechtsgestaltung (Rechtsbindungswillen). Der Antrag auf den Abschluss eines (bestimmten) Vertrages ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenerklärung, die mit ihrem Zugang bindend und wirksam wird (§ 130 BGB). Er ist kein einseitiges Rechtsgeschäft, sondern soll (zukunftsgerichtet) Teil des zweiseitigen Rechtsgeschäfts „Vertrag“ werden. Ebenso wenig wie ihnen ein zukunftsgerichteter Wille zur einseitigen Rechtsgestaltung (Kündigung, s.o.) zu kommt, lässt sich den Schreiben vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont auch kein Wille zur zukunftsgerichteten zweiseitigen Rechtsgestaltung entnehmen.
Selbst wenn man in den Schreiben Anträge auf Abschluss von Aufhebungsverträgen sehen will, fehlt es jedenfalls an deren Annahme durch die Klägerin. Ein – wie auch immer geartetes – schlüssiges (konkludentes) Annahmeverhalten ist nicht ersichtlich. Die Vereinnahmung der erstatteten Beiträge taugt hierfür nicht. Der Versicherungsschutz in der Ruhensversicherung ist
– wie im Übrigen auch der Zeuge Bauer ausgesagt hat – beitragsfrei (§ 5 Abs. 3 b AKB); die Beitragsrückerstattung war zwingender Natur. Rückschlüsse auf einen Vertragsaufhebungswillen der Klägerin erlaubt die Rückerstattung, bzw. der Einbehalt der erstatteten Beiträge also nicht.
Kommt damit allenfalls das Schweigen der Klägerin auf die – hier als Anträge auf Abschluss von Aufhebungsverträgen unterstellten – Schreiben der Beklagten als Annahme in Betracht, gilt es zu berücksichtigen, dass Schweigen grundsätzlich keine Willenserklärung, also auch keine Annahme, darstellt. Wer schweigt, setzt im Allgemeinen keinen Erklärungstatbestand; er bringt weder Zustimmung noch Ablehnung zum Ausdruck (BGH NJW 02, 3629).
Nur in besonderen Situationen kann Schweigen ausnahmsweise einen objektiven Erklärungswert haben (beredtes Schweigen); z. B., wenn das Schweigen als Erklärungszeichen vereinbart war oder wenn der anwesende Geschäftsinhaber der in seinem Namen abgegebenen Erklärung seines Angestellten nicht entgegentritt. Ein in diesem Sinne echter Erklärungsakt liegt hier ersichtlich nicht vor. Die Fallgruppe des Schweigens als Erklärungshandlung scheidet also aus.
Auch die zweite Ausnahmefallgruppe des Schweigens mit Erklärungswirkung (normiertes Schweigen oder Schweigen an Erklärungs Statt) liegt hier nicht vor. Dass die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, einem ihr angetragenen Aufhebungsvertrag ausdrücklich zu widersprechen, kann nicht angenommen werden. Hierüber ließe sich allenfalls dann nachdenken, wenn die Parteien bereits in der Vergangenheit (wiederholt) Aufhebungsverträge über abgemeldete Fahrzeuge geschlossen hätten.
Nach alledem ist als Ergebnis festzuhalten, dass die Lkw mit den AKZ EA-R 864 und EA-R 996 zum Schadenszeitpunkt (im August 2008) Versicherungsschutz in der Ruheversicherung genossen. Da der Brandschaden zu den Tatbeständen gehört, die auch im Ruhensfall zur Leistungspflicht im Kaskosegment führen (§§ 5 Abs. 3 lit. a), 12 Abs. 1 I. lit. a AKB), steht der Klägerin der der Höhe nach für beide Fahrzeuge mit insgesamt 50.265,74 € unstreitige Regulierungsbetrag zu.
Von ihrer in dieser Höhe bestehenden Leistungspflicht ist die Beklagte auch nicht nach der hier noch anzuwendenden Vorschrift des § 61 VVG a.F. (Art. 1 Abs. 2 EGVVG: Altvertrag mit einem bis zum 31.12.2008 eingetretenen Versicherungsfall) frei. An die fehlerfreien und in der Sache überzeugenden Feststellungen des Landgerichts, wonach die von der Beklagten behauptete Auftragsbrandstiftung nicht feststeht (keine hinreichende Indizienkette im hiesigen Verfahren vorgetragen; Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO), ist der Senat gebunden. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen bestehen nach dem nicht angegriffenen Beweisergebnis der ersten Instanz nicht (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Beklagte ist hiergegen nicht vorgegangen, sondern hat im Gegenteil die Zahlungsverurteilung in Bezug auf den Lkw mit dem AKZ EA-R 990 akzeptiert; d.h. im zweiten Rechtszug an ihrer Rechtsverteidigung des vorsätzlich herbeigeführten Versicherungsfalls nicht (mehr) festgehalten.
III.
Die Beklagte ist mit den Kosten beider Instanzen zu belasten, da die Berufung aus den aufgezeigten Gründen vollen Erfolg hat und zu der vom Kläger begehrten umfänglichen Zahlungsverurteilung führt (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Senat hat über einen Einzelfall entschieden, ohne sich dabei in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung oder der anderer Obergerichte zu setzen.