19.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121879
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 07.02.2012 – 9 U 61/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
9 U 61/11
24 O 389/10 LG Köln
Anlage zum Protokoll vom 07.02.2012
Verkündet am 07.02.2012
OBERLANDESGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2011
durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Scheffler, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach und die Richterin am Landgericht Böhme
f ü r R e c h t e r k a n n t :
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 17.02.2011 - 24 O 389/10 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I. Die Parteien streiten um die Entschädigungszahlung aus einem Gebäudeversicherungsvertrag wegen eines Brandschadens vom 03./04.06 2008 in M..
Die M. Wertstoffzubereitung GmbH war Mieterin einer Werkhalle auf dem Grundstück der Frau J. N. in M., E. Straße 13.
Die Beklagte erteilte der M. Werkstoffzubereitung am 17.04.2008 eine vorläufige Deckungszusage in der Geb äudeversicherung befristet bis 17.06.2008 Versicherte war die Eigentümerin N.. Ein Versicherungsschein wurde nicht ausgestellt.
Am 03.06/04.06. 2008 kam es einem Brand in der Halle, wobei das Gebäude erheblich beschädigt wurde.
Es wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet (722 UJs 42174/08 – Staatsanwaltschaft Oldenburg), das später eingestellt wurde. Der Sachverständige F. kam zu dem Ergebnis, dass Brandursache entweder Selbstzündung der geschredderten Kunststoffprodukte sei oder aber die Brandursache auf eine Brandstiftung im Bereich des Holzstapels zurückzuführen sei.
Die Beklagte und ihre Versicherungsnehmerin einigten sich auf die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Ermittlung der Höhe des Schadens und der Instandsetzungskosten. Die Beklagte beauftragte den Sachverständigen Dipl. – Ing. C., der gemeinsam mit dem Sachverständigen Dipl. Ing. L. tätig wurde.
Beide Gutachter erstellten unter dem 01.10.2008/03.10.2008 ein Gutachten (Bl. 77 ff). Die Sachverständigen ermittelten einen Zeitwertschaden von 200.970,00 € netto, einschließlich Schutz- und Bewegungs- sowie Gewinnungskosten 224.048,00 €, sowie einen Neuwertschaden von 261.000,00 € netto, einschließlich Schutz- und Bewegungs- sowie Gewinnungskosten 284.078,00 € zuzüglich Aufräumkosten gegen Nachweis. Enthalten waren u.a. für die Demontage von 1.125,00 qm Dacheindeckung 4.488,75 €, Demontage von drei Stahlbindern 5.835,00 €, für Reinigungs-, Maler- und Entsorgungsarbeiten auf Grundlage eines dem Gutachten zugrunde liegenden Angebots der Firma W. 24.614,71 €, für den Einbau von drei neuen Stahlbindern 26.110,00 € sowie für die Dacheindeckung von 1.125,00 qm 21.937,50 € jeweils netto.
Frau N. beauftragte die Klägerin gemäß „Auftragserteilung“ vom 06.06.2008 mit der Wiederherstellung der Halle. Die Klägerin verpflichtete sich, ein Leistungsverzeichnis zu erstellen und dieses dem „noch zu erstellenden Sachverständigengutachten“ anzupassen, so dass Änderungen vorbehalten blieben. Frau N. und die Klägerin einigten sich, dass Frau N. der Klägerin ihre Ansprüche aus der Gebäudeversicherung gegen die Beklagte abtrete.
Unter dem 08.10.2008 schloss Frau N. mit der Klägerin einen „Bauvertrag“ (Bl. 10). Darin beauftragte sie die Klägerin, die Halle wieder instand zu setzen und neu zu bauen, und zwar gemäß dem Gutachten der Bausachverständigen C. und L. vom 03.10.2008 und den enthaltenen Angeboten und Leistungen. Der Gesamtpreis sollte 284.078,00 € zuzüglich Aufräumkosten gegen Nachweis betragen.
In der Folgezeit wurde die Halle durch die Klägerin neu errichtet, wobei aus dem Angebot W. teilweise Arbeiten nicht ausgeführt wurden. Die Klägerin demontierte und erneuerte 350 qm Dachfläche und ersetzte die drei Stahlbinder nicht durch neue, sondern führte an den vorhandenen Sandstrahl- und Malerarbeiten aus.
Mit Klageschrift vom 18.09.2009 erhob die Klägerin Klage bei dem Amtsgericht Köln – 112 C 272/09 – gegen die Beklagte auf Zahlung eines Teilbetrages von 4.000,00 €, aus den an sie abgetretenen Ansprüchen auf Entschädigung. In diesem Zusammenhang erstritt Frau N. bei dem Landgericht Oldenburg gegen die Versicherungsnehmerin ein Versäumnisurteil vom 12.01.2010, wonach diese verurteilt wurde, gegenüber der Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung der Schadensumme aus dem streitgegenständlichen Versicherungsfall zu erteilen. Am 05.02.2010 erklärte die Beklagte ein Anerkenntnis vor dem Amtsgericht Köln, worauf ein Teilanerkenntnis- und Schlussurteil über einen Betrag von 4.000,00 € zugunsten der Klägerin erging.
Mit Schreiben vom 05.02.2010 erklärt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, Herr Rechtsanwalt K., gegenüber dem Bevollmächtigten der Beklagten, dass die Arbeiten zur Fertigstellung der Halle abgeschlossen seien und in Augenschein genommen werden könnten (Bl. 51). Daraufhin zog die Klägerin den Sachverständigen L. hinzu, der mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 09.02.2010 erklärte, es könne bescheinigt werden, dass das Gebäude „insgesamt wieder hergestellt“ worden und somit „wieder in Betrieb genommen werden“ könne. Dieses Schreiben übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 11.02.2010 an die Beklagte (Bl. 50). Daraufhin beauftragte die Beklagte den Sachverständigen C. mit der Durchführung eines Ortstermins, der am 13.04.2010 stattfand, und zwar gemeinsam mit dem Regulierungsbeauftragten O., dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin sowie dem Ehemann N.. Herr O. fertigte eine Niederschrift.
Der Gutachter C. erstellte selbst einen Bericht über den Ortstermin und führte u.a. aus, dass die im Gutachten vom 01.10.2008 dargestellte Maßnahmen nicht durchgeführt seien (Bl. 135 ff).
Unter dem 27.05.2010 erstellte die Klägerin gegenüber Frau N. eine Schlussrechnung über 311.523,23 € (Bl. 152 ff).
Diese Rechnung übersandte die Klägerin der Beklagten (Zugang 04.06.2010).
Unter der Position 3.001 war ein Betrag von 261.000,00 € „gemäß Bauvertrag vom 08.10.2008 auf Grundlage des Gutachtens vom 03.10.2008“ eingestellt.
Mit der Klage hat die Klägerin Zahlung von 261.000,00 € gemäß Gutachten C./L. abzüglich 4.000,00 € gemäß Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts Köln zuzüglich Kosten der Brandschuttentsorgung 4.345,00 netto zuzüglich 20.500,00 € Gewinnungskosten netto nach Gutachten verlangt.
Die Klägerin hat behauptet, soweit einzelne von ihr erbrachte Leistungen zur Wiederherstellung der Halle abweichend vom Gutachten C./L. nicht erbracht worden seien, sei dies durch den Ansatz von Abzügen in der Schlussrechnung berücksichtigt. Es seien nicht nur 30 % der im Gutachten veranschlagten Dachfläche, sondern 350 qm demontiert und erneuert worden. Eine Täuschung sei nicht erfolgt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 281.745,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2010 sowie weitere 2.841,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Anspruchsberechtigung der Klägerin bestritten, weil eine Zustimmung zur Abtretung nicht vorliege. Die Beklagte hat behauptete, die Halle sei nicht wieder so aufgebaut worden wie sie vor dem Schadenereignis gewesen sei. Insbesondere seien Teile nicht ausgetauscht. Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit berufen, weil die Klägerin arglistig falsche Angaben gemacht habe. Sie habe durch das Schreiben vom 05.02.2010, die Bescheinigung L. vom 09.02.2010, die Angaben in der Verhandlungsniederschrift (Bl. 134) sowie durch die Rechnung vom 27.05.2010 (Bl. 152) vorzugeben versucht, dass die Halle wieder so aufgebaut worden sei, wie sie vor dem Brand gewesen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, an der Aktivlegitimation bestünden keine Bedenken im Hinblick auf eine Zustimmung nach § 44 Abs. 2 VVG. Die Beklagte sei wegen arglistiger Täuschung leistungsfrei, Abschnitt B § 16 Nr. 2 AFB 08. Die Klägerin habe über Tatsachen getäuscht, die für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung seien, nämlich die Neuwertspitze. Sie habe darüber getäuscht, dass sie Leistungen aus dem Gutachten C./L. in erheblichem Umfang nicht erbracht habe. Besonders deutlich werde die Täuschungsabsicht in der Übersendung der Schlussrechnung vom 27.05.2010. Allein durch, dass sie die Positionen Dach und Stahlbinder nicht, wie im Gutachten C./L. erwähnt, ausgeführt habe, habe sie rund 40.000,00 € erspart. Sie habe unter Pos. 3.001 nicht nur ausdrücklich angegeben, dass sie die Halle entsprechend dem Gutachten C./L. wiederhergestellt habe, sie habe vielmehr durch die Aufführung der Positionen 3.002 – 3.006 zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei diesen Positionen abschließend um diejenige handele, die von den im Gutachten aufgeführten Leistungen abweichen. Damit habe sie vermittelt, dass alle anderen Positionen erbracht worden seien. Mit diesen wissentlichen Falschangaben habe sie auf die Entschlussfreiheit der Beklagten Einfluss nehmen wollen. Völlig unglaubhaft sei die Darstellung, dass ihre Mitarbeiter mit Detailfragen überfordert gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und machen geltend, es bestehe kein Raum für die Annahme arglistigen Verhaltens. Auf Seiten der Klägerin habe kein Anlass bestanden zu täuschen, da die Klägerin davon ausgegangen sei, dass ihr ohnehin die Neuwertspitze auszuzahlen sei, ungeachtet des tatsächlichen Aufwandes. Falsche Angaben unterstellt, stelle sich die Frage, ob diese geeignet gewesen seien, die Beklagte zu einer nicht geschuldeten Leistung zu bewegen. Aus Sicht der Klägerin sei es allein auf die Wiederherstellung angekommen. Die Klägerin sei Auffassung, dass die Neuwertentschädigung gezahlt werden müsse, ohne dass eine Verpflichtung bestanden hätte, den im Rahmen eines Sachverständigenverfahrens verbindlich festgelegten Neuwert bis zum letzten Cent zu verbauen. Die Falschangaben seien gar nicht geeignet gewesen, die Regulierungsentscheidung zu beeinflussen, da der Versicherer zur Zahlung der Neuwertspitze verpflichtet sei. Es sei jedoch das Gebäude in gleicher Größe und Zweckbestimmung wiederaufgebaut worden. Der Wiederherstellungserfolg sei durch den Sachverständigen L. bestätigt worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, a die Klägerin 281.745,00 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten seit dem 29.06.2010 sowie weitere 2.841,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht insbesondere geltend, soweit ausgeführt werde, die Klägerin habe geglaubt, ihr werde ohnehin die Neuwertspitze ausgezahlt, handele es sich um neuen Vortrag, der nicht zuzulassen sei. Erstinstanzlich habe sie von Überforderung ihrer Mitarbeiter gesprochen. Die Halle sei nicht im Sinne der AFB widerhergestellt. Die Versicherte N. habe durch die Bautätigkeit der Klägerin nicht den Sachwert erhalten. Denn eine Halle mit drei einsturzgefährdeten Rahmenbindern habe nicht den Sachwert wie eine mit drei komplett erneuerten. Die von der Klägerin auf den reinen Schaden verwandten Bauarbeiten seien mit 55.520,00 € zu veranschlagen. Dem stünden die Aufwendungen im Gutachten C./L. gegenüber. Die ausgeführten Arbeiten blieben qualitativ und quantitativ hinter den veranschlagten zurück. Es reiche für arglistige Täuschung aus, wenn der Versicherungsnehmer einen unrichtigen Eindruck hervorrufen wolle. Mit der Rechnung vom 27.05.2010 habe die Klägerin den Eindruck hervorgerufen, sie habe die Bauleistungen erbracht. Das Angebot zum Ortstermin stehe nicht entgegen, weil die Besichtigung kurzfristig nicht hätte geschehen können. Eine Belehrung sei bei Arglist nicht erforderlich. Die Klägerin sei jedenfalls auch Wissenserklärungsvertreterin der Frau N.. Die Versicherte habe die Klägerin damit betraut, alles für die Auszahlung zu veranlassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die beigezogenen Akten 112 C 272/09 AG Köln und 722 UJs 42174/08 StA Oldenburg sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.
1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Entschädigung wegen des Brandereignisses vom 03./04.06. 2008 nach Abschnitt A §§ 1 Nr. 1a), 7, 8 Nr. 2 AFB 2008, 398 BGB auf Grund der Deckungszusage der Beklagten vom 17.04.2008 aus abgetretenem Recht besteht nicht.
a) Gegen die Verfügungsbefugnis der Klägerin bestehen allerdings keine Bedenken.
Die Berechtigung der Klägerin ergibt sich aus dem Inhalt des Versäumnisurteils des Landgerichts Oldenburg vom 12.01.2010 (Bl. 300 der Akte AG Köln). Damit liegt eine Zustimmung im Sinne von § 44 Abs. 2 VVG vor. Die Zustimmung der Versicherungsnehmerin, der M. Wertstoffzubereitung GmbH, ist gemäß dem Tenor des rechtskräftigen Urteils erteilt. Im übrigen kann sich der Versicherer nicht mit Erfolg auf fehlende Verfügungsbefugnis berufen, wenn der Versicherungsnehmer – wie hier – den Anspruch erkennbar nicht weiterverfolgen will (vgl. BGH VersR 1995, 332; 1983, 823; Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG. 28. Aufl., § 44 Rn 11).
b) Die Beklagte ist nach Abschnitt B § 16 Nr. 2 AFB 2008 leistungsfrei.
Im hier maßgeblichen Versicherungsverhältnis gelten die AFB 2008. Durch die vorläufige Deckungsbestätigung der Beklagten vom 17.04.2008 ist die Deckung in der Gebäudeversicherung erteilt. Zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten ist ein Versicherungsvertrag über die vorläufige Deckung zustande gekommen. Nach § 49 Abs. 2 VVG gelten die üblichen Bedingungen (vgl. Karczewski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., § 49 Rn 9). Das sind im vorliegenden Fall – wie es unstreitig ist – zum Zeitpunkt der Deckungszusage die AFB 2008 (Bl. 30 ff).
c) Nach Abschnitt B § 16 Nr. 2 Satz 1 AFB 2008 ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer arglistig über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, täuscht oder zu täuschen versucht. So liegt es hier.
Im Arglistfalle ist wegen des Gewichts der vertragswidrigen Verhaltensweise eine Belehrung nicht erforderlich (vgl. Felsch in Rüffer/Halbach/Schimikowski, a.a.O., § 28 Rn 214 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung und BGH VersR 1971, 142; VersR 1976 383; VersR 1978, 121).
Arglist verlangt bewusstes Einwirken auf die Entscheidung des Versicherers durch unrichtige oder unvollständige Angaben (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 31 VHB 2000 Rn 1). Eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich. Ausreichend für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist die Absicht, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, die Regulierung zu beschleunigen oder ganz allgemein in arglistiger Weise auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen zu wollen (vgl. OLG Saarbrücken VersR 1997, 826; OLG Hamm VersR 2007, 1221; SP 2011, 412; Senat r+s 2010, 23; r+s 2006, 421; VersR 2003, 101, VersR 2001, 893; Halbach in Rüffer/Halbach/Schmikowski, a.a.O., B § 16 VHB 2000, Rn 8).
Vorliegend hat die Klägerin versucht, durch Täuschung die Beklagte zur Leistung der Neuwertentschädigung zu bewegen, obwohl die Voraussetzungen gemäß dem Gutachten C./L. nicht vorgelegen haben.
Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 11.02.2010 (Bl. 50) dem Bevollmächtigten der Beklagten das Sachverständigengutachten des Dipl. Ing. L. übersandt und dessen Bescheinigung vom 09.02.2010 (Bl. 47), in der dieser bestätigte, dass „das Gebäude insgesamt wieder hergestellt wurde und somit in Betrieb genommen werden kann“. Zuvor hatte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 05.02.2010 erklärt, dass die Arbeiten zur Fertigstellung der Halle abgeschlossen seien. Mit Rechnung vom 27.05.2010 (Bl. 152) hat die Klägerin gegenüber Frau J. N. die Arbeiten „Sanierung und Wiederaufbau einer Produktionshalle nach einem Brandschaden“ abgerechnet. Diese Rechnung wurde dem Bevollmächtigten der Beklagten am 04.06.2010 übermittelt.
In der Rechnung ist unter Position 3.001 ein Betrag von 261.000,00 € eingestellt, und zwar „gemäß Bauvertrag vom 08.10.2008 auf Grundlage des Gutachtens vom 03.10.2008 erlauben wir uns Ihnen für die Schadenswiederherstellung nachfolgend vereinbarten Betrag (gemäß Gutachten) zu berechnen“. Gemeint war das Gutachten C./L.. In Wahrheit waren wesentliche Positionen aus dem Gutachten C./L. gar nicht zur Ausführung gelangt, gleichwohl aber im Rahmen der genannten Position abgerechnet, was der Klägerin auch bewusst war.
Anstelle der gesamten Dacheindeckung einschließlich Koppelpfetten nach Gutachten C./L. waren lediglich etwa laut Gutachten von der Fläche von 1.125,00 qm nur 350 qm bearbeitet worden. Das Gutachten sah für die Demontage des Dachs bei 1.125,00 qm einen Betrag von 4.488,75 € vor (Pos. 4) und für die Dacheindeckung bei 1.125,00 qm einen Betrag von 21.937,50 € (Pos. 22).
Außerdem waren im Gutachten C./L. für die Demontage von drei Stahlbindern Kosten von 5.835,00 € angesetzt und für den Einbau von drei Stahlbinder-Neuteilen 26.110,00 €. Tatsächlich hat die Klägerin die Stahlbinder nicht ausgetauscht, sondern nur die beschädigten gerichtet und lackiert. Schließlich waren aus dem Angebot W. einige Positionen nicht ausgeführt (Pos. 3.1, 3.2, 3.3, 4.1, 4.2, 4.3, 4.8, 6.1, 7.1 7.2 (Bl. 175 f).
Andere vom Gutachten C./L. abweichende Positionen waren unter Pos. 3.002 – 3.006 besonders erwähnt. Danach hat die Klägerin bewusst zu Täuschungszwecken den Eindruck vermittelt, dass die Leistungen für alle übrigen Positionen erbracht worden seien. Der Klägerin ging es durch diese Irreführung darum, von der Beklagten die Neuwertentschädigung zu erhalten, obwohl die entsprechenden Arbeiten gar nicht ausgeführt waren.
Der Umstand, dass die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 05.02.210 der Beklagten Gelegenheit zur Inaugenscheinnahme der Fertigstellung der Halle gegeben hat, lässt die versuchte Täuschung nicht entfallen. Gleichzeitig hatte die Klägerin nämlich eine Zahlungsfrist für einen Abschlag von 200.000,00 € bis zum 12.02.2010 gesetzt. Daraus ist zu entnehmen, dass die Klägerin davon ausging, dass angesichts der Kürze der Zeit eine Besichtigung nicht stattfinden würde. Eine versuchte Täuschung hat damit vorgelegen.
d) Soweit die Klägerin oder ihr Bevollmächtigter gehandelt haben, sind ihre Kenntnisse und Erklärungen (Wissenserklärungen) der Versicherungsnehmerin und der Versicherten N. in entsprechender Anwendung von § 166 BGB zuzurechnen. Sie sind jedenfalls als Wissenserklärungsvertreter anzusehen. Das ist der Fall, wenn sie - wie vorliegend - mit der Übermittlung von Kenntnissen und der Abgabe von Wissenserklärungen betraut sind (vgl. BGH VersR 1993, 960; Felsch in Rüffer/Halbach/Schimikowski, a.a.O., § 28 Rn 117).
Aus den Abtretungsvereinbarungen vom 09.10.2008 (Ziffer 3) und deren Bestätigung durch die Versicherte N. vom 23.02.2010 ergibt sich, dass die Klägerin damit betraut war, die erforderlichen Erklärungen im Rahmen des Versicherunsgverhältnisses abzugeben.
e) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin nunmehr darauf, es habe kein Anlass bestanden, die Beklagte zu täuschen, da die Klägerin angenommen habe, ihr würde ohnehin, also ungeachtet des tatsächlichen Arbeits- und Kostenaufwands, die Neuwertspitze ausgezahlt, es sei allein auf den Wiederherstellungserfolg angekommen.
Insoweit handelt es sich um neuen Vortrag, der nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht beachtet werden kann. Erstinstanzlich hatte die Klägerin vorgetragen, die Geschäftsführerin der Klägerin sei davon ausgegangen, dass die Angelegenheit von ihren Mitarbeitern mit der gebotenen Gründlichkeit erledigt würde. Soweit Fehler im Raum gestanden hätten, sei dies nur durch eine nicht ausreichende Bearbeitung der Angelegenheit durch ihre Mitarbeiter erklärlich, die wohl mit zahlreichen Detailfragen überfordert gewesen seien.
f) Der Leistungsfreiheit steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte vor dem Amtsgericht Köln am 05.02.2010 ein Anerkenntnis in Höhe eines Teilbetrages von 4.000,00 € erklärt hat. Damit sind Einwendungen im vorliegenden Rechtsstreit nicht beschränkt. Zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses waren der Beklagten die Umstände, die vorliegend zur Leistungsfreiheit führen, nicht bekannt. Die Beklagte erfuhr erst durch den Bericht des Sachverständigen C. auf Grund des Ortstermins vom 13.04.2010 (Bl. 135 ff), dass die im Gutachten vom 01.10.2010 dargestellten Maßnahmen gar nicht durchgeführt waren.
2. Außerdem steht der Klägerin ein Anspruch auf Neuwertentschädigung nach Abschnitt A § 8 Nr. 2 AFB 2008 nicht zu.
Nach dieser Bestimmung erwirbt der Versicherungsnehmer bei vereinbarter Entschädigung zum Neuwert einen Anspruch auf den Neuwertanteil nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen. Ist die Wiederherstellung an der bisherigen Stelle rechtlich nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zu vertreten, so genügt es, wenn das Gebäude an anderer Stelle innerhalb der Bundesrepublik Deutschland wiederhergestellt wird.
Ohne diese Sicherstellung ist der Entschädigungsanspruch auf den Ersatz des Zeitwertschadens beschränkt.
Für den Versicherungsnehmer ersichtlich zielt eine solche Klausel auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers ab, der davor geschützt werden soll, dass der Versicherungsnehmer – wie bei freier Verwendbarkeit der Versicherungsleistung – in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalles Vorteile zu verschaffen (vgl. BGH VersR 2011, 1180). Diese Gefahr besteht nicht mehr, wenn der Versicherungsnehmer die Sache wiederhergestellt und damit den Sachwert erhalten hat, der ihm durch die Neuwertentschädigung vergütet werden soll.
Die Voraussetzungen für die Neuwertentschädigung sind vorliegend indes nicht gegeben. Es fehlt nämlich an der Wiederherstellung im Sinne der Bestimmung.
Ob eine Wiederherstellung gemäß der strengen Wiederherstellungsklausel vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Völlige Identität des zerstörten bzw. beschädigten mit dem neu erstellten Gebäude ist nicht erforderlich (vgl. BGH VersR 1990, 488; Senat VersR 2008, 962; VersR 2006, 1357; Rüffer in Rüffer/Halbach/Schimikowski, a.a.O., A § 8 AFB 2008/2010 Rn 6 ). Die Neuwertentschädigung kann auch dann verlangt werden, wenn die tatsächlichen Aufwendungen für die Wiederherstellung – etwa durch Eigenleistungen - günstiger als der Neuwert waren (vgl. BGH VersR 2011, 1180)
Einer Wiederherstellung steht jedoch entgegen, wenn die Aufwendungen nach Art, Qualität und Umfang hinter den erforderlichen Anforderungen so zurückbleiben (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, § 93 Rn 18), dass das wieder aufgebaute Gebäude dem zerstörten bzw. beschädigten nicht entspricht.
Das ist vorliegend – jedenfalls im Hinblick auf maßgebliche Teile - der Fall. Die für die Statik wesentlichen Teilrahmenbinder, die durch den Brand verformt waren, wurden nicht ausgetauscht, sondern gerichtet und lackiert. Außerdem wurden von der vollständig auszutauschenden Dacheindeckung nur 350 qm von 1.125,00 qm (31 %) erneuert. Demnach genügt der Wiederherstellungserfolg nicht den Anforderungen.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO waren nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Streitwert f ür das Berufungsverfahren: 281.745,00 €