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  • 09.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131124

    Landgericht Wuppertal: Urteil vom 22.11.2012 – 9 S 102/12

    Zur nachvertraglichen Beratungspflicht der Versicherung nach § 6 IV VVG.


    Landgericht Wuppertal

    9 S 102/12

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Mettmann, 21 C 276/11, vom 12.03.2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das Urteil der Kammer ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der Kammer durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden. Die Revision wird wegen der Frage der Beratungspflicht der Versicherung zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin unterhält seit 1997 eine Wohngebäudeversicherung bei der Beklagten. Am 6.1.2011 platzte frostbedingt ein Regenfallrohr, wobei streitig ist, ob im Keller oder außerhalb, des Hauses Nummer 27 und überflutete die dortigen Räume. Die Beklagte lehnte ihre Eintrittspflicht ab, weil der Schaden nicht dem Versicherungsschutz unterfalle. Die Eingangstür desselben Hauses wurde nach der bestrittenen Behauptung der Klägerin am 13.1.2011 bei einem Einbruchsversuch beschädigt. Nach den Versicherungsbedingungen bestand auch hierfür kein Versicherungsschutz.Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt eines ihrer Ansicht nach begangenen Verstoßes gegen Beratungspflichten. Der Generalagent der Beklagten hätte sie im Jahre 2004 darüber beraten müssen, dass Versicherungslücken bestanden, die durch den Abschluss neu eingeführter (Standard-) Klauseln (Bl. 40f d.A.) geschlossen werden könnten. § 6 IV VVG gelte auch für laufende Versicherungsverhältnisse.Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 3.042,46 € sowie weitere 415,31 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2011 zu zahlen und sie von der Zahlung außergerichtlicher Anwaltsgebühren an die Rechtsanwälte Dr. T und Kollegen in Höhe von 191,64 € freizustellen.Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Amtsgericht hat die Klage im angefochtenen Urteil abgewiesen. Die Beklagte habe keinen Anlass zur Beratung gehabt. Als die Beklagte ihre Klauseln hinsichtlich des Versicherungsschutzes von Regenfallrohren geändert habe, sei das VVG in der jetzt geltenden Fassung noch nicht verkündet gewesen. Zudem seien Umstände, welche die Beratungspflicht auslösen, nicht objektiv erkennbar gewesen. Was die Beschädigung der Haustür anbelangt, habe die Beklagte schon 1996 ein entsprechendes Produkt im Angebot gehabt, was von der Klägerin aber nicht ausgewählt worden sei.Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt und im Wesentlichen vorträgt, die Klausel zum Versicherungsschutz gegen Gebäudebeschädigung durch unbefugte Dritte von 1996 sei nicht identisch mit den seit 2004 angebotenen Klauseln. Was den Wasserschaden anbelange, habe für die Beklagte Anlass zur Beratung bestanden, weil sie in Kenntnis bestehender Deckungslücken neue Klauseln eingeführt habe.

    II.

    Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Ein Schadensersatzanspruch, insbesondere aus § 6 V VVG, besteht nicht. Die Beklagte hat insbesondere ihre aus § 6 IV VVG herrührende Pflicht zur Beratung der Klägerin nicht anspruchsbegründend verletzt. Hinsichtlich etwaiger aus § 242 BGB herzuleitender Beratungspflichten macht sich die Kammer die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil zu eigen, die von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung auch nicht gesondert angegriffen worden sind.1.Was den Wasserschaden anbelangt, kann dahinstehen, ob es als Anlass im Sinne von § 6 IV VVG anzusehen ist, dass der Versicherer neue, einen umfangreicheren Versicherungsschutz bietende Versicherungsbedingungen anbietet. Denn zum einen muss der Versicherer keineswegs stets über seine Produktentwicklung unterrichten, sondern nur dann darauf hinweisen, wenn der Versicherungsnehmer sein Interesse an einer Änderung seines Versicherungsschutzes zum Ausdruck bringt (Römer/Langheid, VVG, 3. Auflage, § 6, Rn. 24; vgl. auch Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 6, Rn. 46). Letzteres lässt sich dem Vortrag der Klägerin jedoch nicht entnehmen. Zum anderen waren hier die einschlägigen Versicherungsbedingungen bereits 2004 geändert worden und es würde die Anforderungen an einen Versicherer überanspruchen, wenn § 6 IV VVG so verstanden würde, dass der Versicherer auch für einen unbegrenzten Zeitraum vor Inkrafttreten dieser Bestimmung eingetretene Änderungen in seinen Versicherungsbedingungen nachhalten und überprüfen müsste, um gegebenenfalls Versicherungsnehmer auf für sie günstige Änderungen hinzuweisen. Dafür spricht auch, dass Änderungen in Versicherungsbedingungen oftmals nicht uneingeschränkt für den Versicherungsnehmer günstiger sind, sondern auch Verschlechterungen enthalten. Es mag sein, dass die Klägerin bei Abschluss des Versicherungsvertrages und später gedacht hat, Schäden an Regenfallrohren seien ebenfalls versichert. Eine Beratungspflicht der Beklagten konnte aus diesem Irrtum nicht erwachsen, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass er der Beklagten bekannt war.Unerheblich ist, ob dem seinerzeit für die Beklagte tätigen Generalagenten die baulichen Verhältnisse in dem Gebäude der Klägerin bekannt waren. Zwar bestimmt das Gesetz, dass die Versicherung auch während des laufenden Versicherungsverhältnisses zur Beratung verpflichtet ist. Doch setzt die Aktualisierung dieser Beratungspflicht unter anderem eine Gefahrerhöhung oder Gefahrverminderung voraus (Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 6, Rn. 44). Die streitgegenständlichen baulichen Verhältnisse haben sich aber nicht verändert.Dass der vermutete Klimawandel prognostisch vermehrt zu Starkregen führen wird, ist allgemein bekannt, weshalb dieser Umstand schon deshalb nicht geeignet ist, Beratungspflichten der Beklagten auszulösen.Darüber hinaus würde ein Anspruch der Klägerin selbst dann scheitern, wenn unterstellt würde, die Beklagte hätte ihre Beratungspflichten verletzt. Es fehlt nämlich an einem kausal verursachten Schaden. Zwar wird nach dem Grundsatz aufklärungsgerechten Verhaltens vermutet, dass sich der Versicherte einer richtigen Beratung entsprechend verhalten hätte. Das bedeutet hier, dass die Klägerin die neuen Versicherungsbedingungen akzeptiert hätte. Davon kann jedoch nach ihrem eigenen Vortrag nicht ausgegangen werden, weil sie das Kulanzangebot der Beklagten, dass damit verknüpft war, den Versicherungsvertrag dergestalt neu zu ordnen, dass entsprechende Schäden für die Zukunft abgedeckt wären (Bl. 34 d.A.), abgelehnt hat. Zudem trägt sie in ihrem Schriftsatz vom 9.8.2012 (Seite 2 = Bl. 108 d.A.) hierzu vor, die hypothetische Frage, zu welchem Schluss die Wohnungseigentümergemeinschaft, wenn sie ordnungsgemäß über die Einführung der neuen Klauseln beraten worden wäre, gekommen wäre, sei für die Frage, ob ein Beratungsverschulden vorliegt, nicht erheblich.2. Ein Schadensersatzanspruch besteht auch nicht, soweit die Eingangstüre des Hauses Nr. 27 der Klägerin bei einem Einbruchsversuch beschädigt worden sein soll. Ein Anlass zur Beratung im Sinne von § 6 IV VVG bestand für die Beklagte schon deshalb nicht, weil die ursprünglichen Versicherungsbedingungen unter der Ziffer 7361 bereits 1996 die Möglichkeit vorsahen, Versicherungsschutz gegen Gebäudebeschädigungen durch unbefugte Dritte zu vereinbaren (Bl. 14 d.A.), was die Klägerin bei Abschluss des Versicherungsvertrages aber nicht gewählt hatte. Dass die ab 2004 von der Beklagten angebotene Wohngebäudeversicherung als Standard den Versicherungsschutz gegen Gebäudebeschädigung durch unbefugte Dritte vorsieht (Bl. 40 d.A.), ändert an dieser Beurteilung nichts. Die Beratungspflicht des § 6 IV VVG wurde erst mit Wirkung ab 2008 eingeführt. Zudem war hier nicht nach Abschluss des Versicherungsvertrages nachträglich eine Deckungslücke entstanden, sondern diese bestand von vornherein.

    III.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10 und 711 ZPO. Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 3.500 € (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)Die Revision war zur Frage der Beratungspflicht der Versicherung zuzulassen, weil es noch keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung dazu gibt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Pflicht ausgelöst wird.

    RechtsgebietBGB