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  • 24.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131643

    Oberlandesgericht Bamberg: Urteil vom 21.02.2013 – 1 U 146/12

    1. In Bezug auf die mit einem Bauvorhaben verbundenen Risiken stellt der Umfang des Bauvorhabens ein objektives Bewertungskriterium dar.
    2. Die in den Versicherungsbedingungen einer Privat-Haftpflichtversicherung zur Begrenzung des versicherten Bauherrnrisikos festgelegte - maximale - Bausumme dient somit nicht der Bestimmung des dem Bauherrn voraussichtlich entstehenden Kostenaufwands, sondern soll die Grundlage für eine möglichst zuverlässige Einschätzung der Höchstgrenze des Deckungsschutzes liefern.
    3. In die versicherte Bausumme sind hierbei auch die mit einer Baumaßnahme verbundenen Arbeitsleistungen einzurechnen, selbst wenn sie, wie im Fall von Eigenleistungen, keine Kosten im Sinn eines Finanzierungsaufwandes verursachen (Anschluss an OLG Düsseldorf ZfSch 2009, 456).


    OLG Bamberg
    21.02.2013
    1 U 146/12
    In dem Rechtsstreit
    gegen
    wegen Forderung
    erlässt das Oberlandesgericht Bamberg -1. Zivilsenat- durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2013 folgendes
    Urteil
    Tenor:
    I.
    Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 30.10.2012, Az. 23 O 364/11, wird zurückgewiesen.
    II.
    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
    III.
    Dieses Urteil sowie das Endurteil des Landgerichts Coburg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
    IV.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe
    I.
    Die Parteien streiten um klägerische Ansprüche aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Haftpflichtversicherung, die eine Haus- und Grundstückhaftpflichtversicherung umfasst.
    Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB) in der Fassung des Jahres 2000 sowie die "Beschreibung des versicherten Risikos zur Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung" (BVR002) zugrunde (Anl. K 2). Dort ist unter Ziff. I. 2 (Bl. 40 Anl. K 2) folgende Klausel enthalten:
    "Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht
    a) des Versicherungsnehmers als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten (Neubauten, Umbauten, Reparaturen, Abbruch-, Grabearbeiten) bis zu einer veranschlagten Bausumme von EUR 50.000,- je Bauvorhaben. Wird dieser Betrag überschritten, entfällt die Mitversicherung. Es gelten dann die Bestimmungen über die Vorsorge-Versicherung (§ 2 AHB)."
    Der Kläger hat vorgetragen, als Eigentümer des Wohn -und Geschäftshauses X-Straße in A. im Jahr 2009 in unregelmäßigen Etappen Umbauarbeiten durchgeführt zu haben, die am 23.12.2009 wegen Frosts und der abgestellten Heizungsanlage zu einem Bruch des Eckventils einer Trinkwasserleitung und einem Wasseraustritt geführt hätten. Hierdurch seien die im Untergeschoss vermieteten Räume des Ladens "xxx" und die im Nachbaranwesen gelegenen Räume des Ladens "yyy" nebst Inventar in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Kläger wurde von der Versicherung der Inhaberin des Nachbargeschäftes per Vollstreckungsbescheid rechtskräftig mit 2.170,00 Euro in Regress genommen, hinsichtlich des im Bastelladen entstandenen und von der Versicherung der Inhaberin ersetzten Schadens wurde er zur Zahlung von 27.500,00 Euro aufgefordert.
    Der Kläger hat auf Grundlage des zwischen den Parteien bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrags Erstattung der von ihm bezahlten 2.170,00 Euro nebst Verfahrenskosten sowie Freistellung von sonstigen Regressforderungen Dritter im Zusammenhang mit dem Schadensereignis begehrt. Unter Heranziehung eines Kostenvoranschlags der Fa. S. vom 04.10.2010 (Anl. K 9) hat er die Auffassung vertreten, dass die Haftungshöchstgrenze von 50.000,-- Euro durch die veranschlagte Bausumme nicht überschritten werde.
    Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt mit der Begründung,
    die veranschlagten Baukosten überstiegen die Haftungshöchstgrenze.
    Das Erstgericht hat u.a. Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Kosten der vom Kläger durchgeführten und noch durchzuführenden Baumaßnahme. Im Gutachten des Dipl.Ing. B. vom 10.07.2012 wurden Baukosten in Höhe von insgesamt ca. 130.000,-- Euro im Mittelwert ermittelt, auf die Materialkosten in Höhe von ca. 45.000,00 Euro entfielen. Das Landgericht hat auf dieser Grundlage bei Annahme einer Überschreitung der Haftungshöchstgrenze und damit Wegfall der Mitversicherung die Klage mit Endurteil vom 30.10.2012 abgewiesen.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe erster Instanz wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
    Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 05.11.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 22.11.2012, eingegangen am 23.11.2012, Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 29.12.2012, eingegangen am selben Tag, begründet.
    Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche vollumfänglich weiter. Er vertritt die Auffassung, das Erstgericht habe zu Unrecht fiktive Lohnkosten zur veranschlagten Bausumme hinzugerechnet, die wegen beabsichtigter Eigenleistungen tatsächlich nicht entstanden wären, und sei deshalb unzutreffend von einer Überschreitung der in den Versicherungsbedingungen festgelegten Bausumme ausgegangen.
    Der Kläger stellt folgenden Antrag
    1.
    Das Urteil des Landgerichts Coburg vom 30.10.2012 (Az.: 23 O 364/12) wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.787,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 09.02.2011 (endgültige Ablehnung) zu zahlen.
    2.
    Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von künftigen Regressforderungen geschädigter Dritter aus dem Schadensereignis des Leitungswasserschadens vom 23.12.2009 freizustellen.
    3.
    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 316,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
    Die Beklagte beantragt
    Zurückweisung der Berufung.
    Sie verteidigt das Ersturteil unter Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Argumentation und macht darüber hinaus geltend, der Klage auf Freistellung von Regressansprüchen Dritter fehle mittlerweile das Rechtsschutzinteresse, weil solche Ansprüche zwischenzeitlich verjährt seien.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 21.02.2013 Bezug genommen.
    II.
    Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, da das Erstgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Kläger hat gegen die Beklagte auf Grundlage des zwischen Ihnen bestehenden Privat-Haftpflichtversicherungsvertrags keinen Anspruch auf Erstattung entrichteter Schadensersatzleistungen bzw. Freistellung von Regressforderungen Dritter, da die Mitversicherung wegen Überschreitung der in der Vertragsbestandteil gewordenen "Beschreibung des versicherten Risikos zur Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung" festgelegten Bausumme entfallen ist (Ziff. I. 2 BVR002).
    1. Unstreitig ist, dass für die "veranschlagte Bausumme" im Sinne der Risikobeschreibung das gesamte Aus- und Umbauprojekt des Klägers in Bezug auf das Hausanwesen X-Straße in A. als einheitliches und einzelnes Bauvorhaben maßgeblich ist.
    2. Unstreitig ist auch, dass die Materialkosten, die der Sachverständige vorliegend -von der Berufung unbeanstandet -mit ca. 45.000,-- Euro veranschlagt hat, diese Bausumme mitbestimmen.
    3. Die vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung, wonach auch in Eigenleistung erbrachte Arbeiten, für die kein Geldbetrag aufgewendet werden muss, in die Gesamtberechnung der Bausumme einfließen müssen, ist nicht zu beanstanden.
    a) Die Begrenzung der versicherten Bauarbeiten eines Bauherrn auf eine bestimmte Bausumme stellt eine Begrenzung des Versicherungsschutzes dar, die ihren Sinn darin hat, dass die Risiken von Baumaßnahmen nur in gewissem Umfang von der Privathaftpflichtversicherung (mit-)abgedeckt sein sollen, darüber hinausgehende Risiken dagegen durch eine (gesonderte) Vorsorgeversicherung (so auch OLG Düsseldorf ZfSch 2009, 456).
    b) Der Eingrenzung der mit einer Baumaßnahme verbundenen Risiken anhand des objektiven Kriteriums einer "Bausumme" liegt dabei die Sichtweise zugrunde, dass für die mit einem Bauvorhaben einhergehenden Risiken dessen Umfang ausschlaggebend ist: Je umfangreicher ein Bauvorhaben ist, desto größer sind die Risiken, dass Dritte durch die hierfür durchzuführenden Baumaßnahmen geschädigt werden. Auch wenn dem Kriterium der bloßen Bausummenhöhe nur eine begrenzte Aussagekraft für die Risikobewertung eines Bauvorhabens zukommt (so führt etwa das Verbauen von besonders teurem Material schneller an die Grenze des Versicherungsschutzes, obwohl damit keine größeren Risiken einhergehen als beim Verbauen von billigem Material), steht angesichts der Bandbreite der in Betracht kommenden, von der hier vorliegenden Privat-Haftpflichtversicherung mitversicherten Bauvorgänge ein geeigneteres objektives Kriterium nicht zur Verfügung.
    c) Die veranschlagte Bausumme im Sinne der vertragsgegenständlichen Risikobeschreibung dient unter dem Aspekt der Risikoeingrenzung mithin nicht der Bestimmung der einem Bauherrn tatsächlich entstehenden Kosten, sondern der möglichst objektiven Einschätzung des Umfangs eines Bauvorhabens. Dieser Umfang bestimmt sich neben dem Materialaufwand aber auch nach den mit der Baumaßnahme verbundenen Arbeitsleistungen, so dass diese auch dann in die Bausumme einzuberechnen sind, wenn sie für den Bauherren, wie im Fall von Eigenleistungen, keine Kosten in Form von Geldmitteln verursachen. Dem Zweck der Risikoeingrenzung würde es auch nicht entsprechen, einen Bauherrn, der sein Bauvorhaben vollumfänglich von Fachfirmen betreuen lässt, versicherungsrechtlich schlechter zu stellen als einen Bauherren, der Eigenleistungen erbringt.
    d) Eine (Vorab-) Bewertung und Einberechnung von Eigenleistungen ist dem Versicherungsnehmer für die Einschätzung seines Versicherungsschutzes auch möglich und zumutbar. Besteht von Anfang an eine Gesamtplanung, so kann der Bauherr bereits anhand der Materialkosten ersehen, inwieweit er sich der Versicherungsgrenze angenähert hat, das Risiko einer Bausummenüberschreitung abschätzen und den Abschluss einer Vorsorgeversicherung (z.B. einer Bauherren-Haftpflichtversicherung) von vornherein in Erwägung ziehen (will er ganz sicher gehen, ggf. nach Einholung eines Kostenvoranschlags). Ergibt sich im Laufe der Bauarbeiten eine Überschreitung der zuvor bestimmten Bausumme, greift gegebenenfalls der Versicherungsschutz der Vorsorge-Versicherung (§ 2 Ziff. 1 AHB), so dass der Bauherr seinen Versicherungsschutz entsprechend anpassen kann und nicht schutzlos gestellt ist.
    4. Zutreffend und von der Berufung im Übrigen auch unbeanstandet ist das Landgericht zum Ergebnis gekommen, dass die Einberechnung von Handwerkerleistungen in Anbetracht der vom Sachverständigen errechneten Materialkosten von allein rund 45.000,-- Euro vorliegend unabhängig davon, anhand welcher Kriterien solche Leistungen zu bemessen sind, zur Überschreitung der in der Klausel festgelegten Bausumme von 50.000,-- Euro führt.
    Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht im Rahmen des § 287 ZPO als Ausgangspunkt für die Einschätzung der dem Bauvorhaben des Klägers innewohnenden Arbeitsleistungen die vom Sachverständigen errechnete Arbeitszeit in Kombination mit der ortsüblichen Vergütung einer hypothetisch beauftragten Fachfirma heranzieht. Sieht man -wie oben dargelegt -das anhand der Bausumme zu bestimmende Bauvolumen als maßgeblich für die Risikobewertung und -begrenzung an, so kann eine objektive Feststellung desselben nur nach Maßgabe verlässlicher Kriterien erfolgen (so auch OLG Düsseldorf a.a.O.). Ob von diesen so ermittelten Kosten ein Abschlag zu machen ist, weil Eigenleistungen des Bauherrn in jedem Fall kostengünstiger, zudem umsatzsteuerfrei wären, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da die Bausumme auch in einem solchen Fall überschritten wäre. Für einen Abschlag spräche allerdings der Umstand, dass es für die Veranschlagung der Bausumme auf die dem Bauherren entstehenden tatsächlichen Kosten und nicht auf fiktive ortsübliche ankommt (vgl. Prölls/Martin-Lücke, VVG, 28. Aufl., Nr. 1 BesBed PHV Rn. 34), womit, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, die Aussage getroffen wird, dass konkret angebotenen Preisen der Vorzug gegenüber fiktiven, wenn auch objektiv ortsüblichen Preisen zu geben ist.
    5. Da die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts nach alledem zutreffend war, musste der Berufung des Klägers der Erfolg versagt bleiben. Auf die Frage der Verjährung von Regressansprüchen Dritter gegen den Kläger kam es hiernach nicht mehr an.
    III.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
    IV.
    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
    Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
    Verkündet am 21.02.2013

    RechtsgebietAHBVorschriften§ 2 AHB