01.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132357
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 02.05.2013 – 4 UF 33/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
4 UF 33/13
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 12.12.2012 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Brühl – Familiengericht – (32 F 307/11) zum Ausspruch über den Versorgungsausgleich in Absatz 2 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Ein Versorgungsausgleich findet gemäß § 27 VersAusglG nicht statt.
Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1/3.
Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G für die Beschwerde gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich mit einem darauf entfallenden Beschwerdewert von 3120 € bewilligt. Der weitergehende Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird mangels Erfolgsaussichten der inzwischen zurückgenommenen Beschwerde zum Kindesunterhalt zurückgewiesen.
G r ü n d e
Die zulässige Beschwerde hat, soweit sie nicht bezüglich des Kindesunterhalts zurückgenommen wurde, in der Sache Erfolg.
Gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG hat der Senat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, nachdem erstinstanzlich mündlich verhandelt wurde und von einer Verhandlung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren.
Der Versorgungsausgleich ist gemäß § 27 VersAusglG auszuschließen, weil eine Durchführung des Versorgungsausgleichs unter Abwägung aller Umstände grob unbillig wäre.
Nach § 27 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich in Ausnahmefällen nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nach Satz 2 der Vorschrift der Fall, wenn die Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von dem der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs zugrunde liegenden Grundsatz der Halbteilung abzuweichen. Eine grob unbillige Härte liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widerspräche (vgl. BGH, Beschluss vom 18.1.2012, XII ZB 213/11, zitiert nach juris m. w. N..; BGH, Beschluss vom 30.3.2011, XII ZB 54/09, zitiert nach juris). Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise. Die grobe Unbilligkeit muss sich vielmehr wegen des Ausnahmecharakters des § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verh ältnisse beider Ehegatten ergeben (vgl. zum Ganzen auch OLG Köln, Beschluss vom 30.4.2012, 14 UF 272/11, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 2.11.2011, 4 UF 203/11, zitiert nach juris).
Eine grobe Unbilligkeit ergibt sich zunächst daraus, dass der Antragsgegner im Zusammenhang mit der Scheidung und dem einhergehenden Versorgungsausgleich treuwidrig seine ehezeitlichen Versorgungsanwartschaften durch die Kündigung von drei Lebensversicherungen geschmälert hat. Unstrittig hat der Antragsgegner kurz vor der Zustellung des Scheidungsantrags am 10.11.2011 drei Lebensversicherungsverträge zum 1.10.2011 gekündigt. Zumindest zwei der ausgezahlten Lebensversicherungen mit einem Auszahlungsbetrag von insgesamt über 21.000 € hätten dem Versorgungsausgleich unterlegen. Dieser Betrag entspricht in etwa der Ausgleichspflicht der Antragstellerin nach Kapitalwerten in dem angefochtenen Beschluss. Ohne die Kündigung der Lebensversicherungen wäre somit eine Ausgleichspflicht der Antragstellerin nicht entstanden.
Abgesehen von einer beabsichtigten Versorgungsvereitelung ist ein plausibler Grund für die Kündigung der Lebensversicherungen nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass die gekündigten Lebensversicherungen an die vom Antragsgegner betriebene GmbH ausgezahlt wurden und nicht an den Antragsgegner persönlich, vermag die Kündigung der Lebensversicherung nicht sachlich zu rechtfertigen. Der Antragsgegner hat nicht ansatzweise dargetan, dass er rechtlich verpflichtet gewesen ist, das Guthaben aus den Lebensversicherungen kurz vor der zu erwartenden Zustellung des Scheidungsantrags an die von ihm betriebene GmbH auszuzahlen. Nach dem vorgelegten Darlehensvertrag vom 27.10.2011 (Anlage AG 5 in dem Verfahren 32 F 60/12) wäre vielmehr die GmbH verpflichtet, dem Antragsgegner ein Darlehen von 25.000 € auszuzahlen und nicht umgekehrt. Die Auszahlung an die GmbH hat zudem zu Folge, dass die Antragstellerin auch über den Zugewinnausgleich hieran keinen Anteil hat.
Eine wirtschaftliche Notwendigkeit der Kündigung der Lebensversicherungen ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Nach der in dem Verfahren 32 F 60/12 mit Schriftsatz vom 14.3.2012 vorgelegten Berechnung seines Steuerberaters T vom 5.12.2011 erzielte die Einzelfirma des Antragsgegners bis zum 31.12.2011 ein vorläufiges Ergebnis von 86.000 €. Von den 86.000 € wurde dann eine Kaufpreisverbindlichkeit gegenüber der GmbH von 18.000 € abgezogen. Nach Abzug der geschätzten Steuern verblieb dem Antragsgegner ein Jahresnettoeinkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit von über 43.000 €. Eine wirtschaftliche Notwendigkeit zur Auflösung der zur Alterssicherung unterhaltenen Lebensversicherungen ist daher weder im Hinblick auf die GmbH noch bezüglich der GmbH nachvollziehbar.
Hinzu kommt, dass der Antragsgegner spätestens ab Mai 2012, wie er in dem Verfahren 32 F 60/12 vorträgt, Beiträge auf neu abgeschlossene Lebensversicherungen leistet. Die unterhaltsrechtlich geltend gemachte derzeitige monatliche Beitragshöhe von insgesamt 1.188 € entspricht annähernd den während der Ehe geleisteten monatlichen Lebensversicherungsbeiträgen von 1236 €. Nachhaltige Liquiditätsschwierigkeiten des Antragsgegners, die eine Auflösung einer bestehenden Altersvorsorge nach der Trennung der Beteiligten rechtfertigen könnten, sind auch insofern nicht plausibel. Die Auflösung der Lebensversicherungen kurz vor der Zustellung des Scheidungsantrags war treuwidrig.
Für eine grobe Unbilligkeit sprechen auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten. Der Antragsgegner zahlt derzeit monatlich 1.188 € in Lebensversicherungen ein und ist damit in der Lage, bis zum Erreichen des Rentenalters seine private Altersvorsorge auszubauen. Eine Kapitallebensversicherung des Antragsgegners, die nicht dem Versorgungsausgleich unterliegt, wird zum 1.4.2027 fällig mit einem derzeit errechneten Auszahlungsbetrag von 88.556 €. Daneben verfügt er über Immobilienvermögen und erzielt hieraus Mieteinkünfte. Der Antragsteller ist damit auch außerhalb des Versorgungsausgleichs für das Alter abgesichert und bedarf daher nicht der Übertragung der Anrechte der Antragstellerin. Demgegenüber hat die Antragstellerin bei Rechtshängigkeit der Scheidung über ein Arbeitseinkommen von lediglich 1.200 € verfügt. Immobilienvermögen oder sonstiges Vermögen ist nicht vorhanden. Die Antragstellerin ist daher wirtschaftlich wesentlich schlechter als der Antragsgegner in der Lage, eine Absicherung für das Alter aufzubauen, die über die Grundsicherung hinausgeht.
Der Umstand, dass der Antragsgegner während der Ehe Darlehensverbindlichkeiten der Antragstellerin und deren Eltern bezahlt hat, steht einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht entgegen. Der Antragsgegner mag eine mögliche Mehrung des Vermögens der Antragstellerin während der Ehe im Rahmen des Zugewinnausgleichs geltend machen. Ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der freiwilligen Schuldentilgung durch den Antragsgegner während intakter Ehe und der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach dem Scheitern der Ehe besteht nicht. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich durch die Schuldentilgung die dem Versorgungsausgleich unterliegende Alterssicherung des Antragsgegners verschlechtert hätte. Der Antragsgegner hat während der 15-jährigen Ehezeit nur geringe Zahlungen in Alterssicherungssysteme vorgenommen, die dem gesetzlichen Versorgungsausgleich unterliegen. Demgegenüber hat er vornehmlich in Lebensversicherungen investiert, die als Kapitallebensversicherung oder aufgrund der treuwidrigen Kündigung dem Versorgungsausgleich nicht unterfallen.
Unter nochmaliger Abwägung aller Umstände wäre eine Inanspruchnahme der Antragstellerin bei einer Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 150 Abs. 1 und 3 FamFG.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf insgesamt 10.200 Euro festgesetzt.
Davon entfällt auf die Beschwerde bezüglich des Versorgungsausgleichs gemäß §§ 40, 50 Abs. 1 und 3 FamGKG ein Wert von 3120 € ((2 x 10 % x (1.200 € + 4000 €) x 3)). Im Beschwerdeverfahren geht es um zwei Anrechte, deren Ausgleich das Amtsgericht vorgenommen hat.
Die zurückgenommene Beschwerde hinsichtlich des Kindesunterhalts hat einen Wert von 7.080 € (590 € x 12). Ein Unterhaltsrückstand für die Zeit vor Einreichung des Scheidungsantrags im September 2011 wurde nicht geltend gemacht.