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  • 07.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133454

    Landgericht Köln: Urteil vom 04.03.2013 – 26 O 301/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Köln

    26 O 301/12

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

    T A T B E S T A N D :

    Die Klägerin verlangt Rückzahlung der Beiträge, die auf eine mit Wirkung zum 01.07.2003 abgeschlossene Rentenversicherung (Versicherungsschein vom 07.07.2003, Bl. 22 d.A.) geleistet wurden, sowie Ersatz gezogener Nutzungen.

    Auf den Antrag vom 26.06.2003 übersandte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2003 den Versicherungsschein, die zugrundeliegenden „Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung“ (im Folgenden: AVB), eine allgemeine Kundeninformation und weitere Unterlagen. Der Versicherungsschein enthält auf Seite 2, deren Zugang die Klägerin bestreitet, folgende Widerspruchsbelehrung:

    „Widerspruchsrecht

    Sie sind berechtigt, innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins mit den darin enthaltenen weiteren Verbraucherinformationen und den als Anlage zum Versicherungsschein beigefügten Versicherungsbedingungen dem Vertragsabschluss bzw. der Vertragsänderung zu widersprechen.

    (…)

    Zur Wahrung der Frist genügt in beiden Fällen die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“

    § 6 Ziff. 3. AVB „Auszahlung eines Rückkaufswertes bei Kündigung“ lautet:

    „Ist für den Todesfall vor Rentenbeginn eine Leistung vereinbart, so haben wir nach § 176 VVG den Rückkaufswert – soweit bereits entstanden – zu erstatten. (…)

    Die Kündigung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlusskosten nach dem Zillmerverfahren (vgl. § 15) kein Rückkaufswert vorhanden. (…)“

    Vereinbarungsgemäß richtete die Klägerin bei der Beklagten mit einer Einmalzahlung von 40.000,00 € ein verzinsliches Beitragsdepot ein, aus dem die Beiträge über fünf Jahre in jährlichen Beträgen von 8.639,50 € entnommen wurden.

    Die Klägerin kündigte den Vertrag zum 01.09.2011, woraufhin die Beklagte einen Rückkaufswert in Höhe von 43.028,12 € ermittelte und an sie auszahlte.

    Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2012 wurden seitens der Klägerin der Widerspruch nach § 5a VVG a. F. erklärt und die Rückabwicklung des Vertrages verlangt.

    Die Klägerin ist unter näherer Darlegung im Wesentlichen der Ansicht, der Versicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen und gemäß § 5a VVG a.F. wirksam widerrufen worden.

    § 5a VVG a.F. verstoße – ebenso wie das sog. Policenmodell insgesamt – gegen europarechtliche Vorschriften. Insbesondere soweit in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. eine maximale Widerspruchsfrist von einem Jahr vorgesehen gewesen sei, sei diese Fristenregelung europarechtswidrig. Die Jahresfrist komme zur Anwendung, da die Widerspruchsbelehrung nur im Versicherungsantrag enthalten gewesen und überdies formell und inhaltlich fehlerhaft sei.

    Desweiteren stützt die Klägerin den Rückabwicklungsanspruch auf einen Schadensersatzanspruch aus c.i.c. wegen Verstoßes gegen die vorvertraglichen Informations- und Beratungspflichten, weil es üblich sei, dass die Fondsgesellschaft an den Lebensversicherer eine Vergütung für erbrachte Dienstleistungen zahle, die zumindest zum Teil für Verwaltungskosten verwendet und zum Teil in die Überschusskalkulation aufgenommen werde. Nach der „Kick-Back-Rechtsprechung“ des BGH habe der Kunde ein besonderes Interesse daran, über die Höhe dieser Rückvergütungen genauer informiert zu werden, da sich aus der Höhe ablesen lasse, inwiefern die Versicherung ein Interesse an der Vermittlung genau dieses Fonds habe.

    Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, ihr stehe ein Rückzahlungsanspruch aufgrund nicht wirksamer Einbeziehung der AVB sowie Unwirksamkeit der Klauseln über den Rückkaufswert und die Verrechnung von Abschlusskosten wegen Intransparenz und unangemessener Benachteiligung zu.

    Die Klägerin beantragt,

    I die Beklagte zu verurteilen, an sie 24.482,50 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 02.06.2012 zu bezahlen,

    II die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,04 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen,

    hilfsweise eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vereinbarkeit der Regelungen des § 5a VVG a.F. mit europäischem Recht.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hält den Widerruf/Widerspruch aus näher dargelegten Gründen für unwirksam und beruft sich auf Verwirkung.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gereichten Unterlagen Bezug genommen.

    E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

    Die Klage ist nicht begründet.

    Bereicherungsansprüche gemäß §§ 812 ff. BGB bestehen nicht. Die Beklagte hätte die auf die Rentenversicherung entrichteten Versicherungsbeiträge nur dann ohne rechtlichen Grund erlangt, wenn zwischen den Parteien kein Versicherungsvertrag zustande gekommen wäre. Dies wäre wiederum dann zu bejahen, wenn der mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2012 erklärte Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. wirksam wäre.

    Dies ist jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil ein Widerspruch zur Überzeugung der Kammer (r+s 2011, 243) nach einer bereits zuvor ausgesprochenen Kündigung nicht mehr wirksam erklärt werden kann (so auch OLG Stuttgart, VersR 2011, 786; OLG Hamm, VersR 20120, 745). Das Widerspruchs- bzw. Widerrufsrecht soll vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt, ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen ist (Palandt-Grüneberg, 70. Aufl., § 355 Rn 3.). Soweit der Verbraucherschutz dies gebietet, besteht das Widerrufsrecht nach der Rechtsprechung des BGH zwar auch bei einem anfechtbaren oder nichtigen Vertrag, da es in einem solchen Fall der Schutzzweck des Widerrufsrechts gebietet, dem Verbraucher die Möglichkeit zu erhalten, sich durch Ausübung eines an keine materiellen Voraussetzungen gebundenen, einfach auszuübenden Rechts einseitig vom Vertrag zu lösen, ohne mit dem Unternehmer in eine rechtliche Auseinandersetzung über die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit des Vertrages eintreten zu müssen (vgl. BGH NJW 2010, 610). Der BGH führt in dieser Entscheidung aber zugleich aus, dass es in diesem Zusammenhang darum geht, dem Verbraucher die Wahl zu erhalten, ob er den Vertrag mit der Rechtsfolge der Rückabwicklung nach §§ 346 BGB widerruft oder sich für eine Anfechtung bzw. Nichtigkeit des Vertrages mit der daraus resultierenden bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach §§ 812 ff BGB entscheidet. So liegt der Fall hier aber gerade nicht. Die Klägerin hatte sich bereits lange vor der anwaltlichen Widerspruchserklärung für ein anderes Gestaltungsrecht mit anderen Rechtsfolgen, nämlich die Kündigung, entschieden. Sie hatte von ihrem etwaigen Wahlrecht also bereits Gebrauch gemacht und durch die Wahl der Kündigung zugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Bindung nicht ex tunc (wie bei einer Anfechtung oder einem Berufen auf eine Nichtigkeit), sondern nur ex nunc beseitigen will und damit eine Bindung für der Vergangenheit gerade anerkennt. Auf diese Kündigung hin war der Klägerin von der Beklagten folgerichtig (und ohne dass die Klägerin dagegen Einwendungen erhoben hätte) der Rückkaufswert ausgezahlt und das Versicherungsverhältnis vollständig beendet worden. Bei dieser Sachlage besteht auch unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes für die rückwirkende Zulassung eines Widerspruchs- bzw. Widerrufsrechts kein Raum (vgl. OLG Hamm, VersR 2012, 745).

    Ein etwaiges Widerspruchsrecht wäre auch bereits nicht durchsetzbar, weil der Vertrag vollständig vollzogen ist. Ein erfolgreicher Widerspruch hätte gem. § 346 Abs. 1 BGB zur Folge, dass die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren wären. Dies wäre vorliegend indes ausgeschlossen, weil die Beklagte der Klägerin den vertraglich vereinbarten Versicherungsschutz gewährt hat und der hierdurch erlangte Vermögensvorteil von der Klägerin nicht herausgegeben werden kann. Damit die Klägerin nicht ungerechtfertigt bereichert bliebe, müsste sie der Beklagten einen entsprechenden Wertersatz (§ 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB) leisten. Dieser wäre mangels entgegenstehender Anhaltspunkte genau in der Höhe zu beziffern wie die Beitragszahlungen, die mit der Klage zurückverlangt werden. Es müsste also dann die von der Beklagten verlangte Zahlung sofort wieder an sie zurückgegeben werden, was aber den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zuwiderlaufen würde (vgl. LG Bamberg, VersR 2011, 1251).

    Vorliegend ist der erklärte Widerspruch jedoch jedenfalls zu spät erfolgt und mithin unwirksam:

    a) Nach § 5a VVG a.F. gilt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter Frist widerspricht (sog. Policenmodell).

    Gemäß § 5a Absatz 1 und 2 VVG in der Fassung vom 13.07.2001 (gültig vom 01.08.2001 bis 07.12.2004) betrug die Widerspruchsfrist bezogen auf den Versicherungsantrag vom 26.06.2003 und den Versicherungsschein vom 07.07.2003 14 Tage.

    Der Lauf dieser Frist beginnt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.

    Diesbezüglich ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit dem Versicherungsschein auch die – nach dem nachvollziehbaren und durch Vorlage einer Kopie hinreichend belegten Vortrag der Beklagten dort auf Seite 2 abgedruckte – Widerspruchsbelehrung erhalten hat. Soweit der Versicherungsnehmer pauschal den Erhalt der Versicherungsunterlagen mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unzulässig (vgl. OLG Köln, 20 U 90/11, Beschluss vom 23.9.2011; OLG Hamm, 20 U 81/11, Beschluss vom 31.8.2011). Dies gilt umso mehr, wenn wie vorliegend gerade solche Teile der Versicherungsunterlagen nicht zugegangen sein sollen, die der Durchsetzung des Anspruchs entgegenstehen könnten. Schadensersatzansprüche wegen einer unterbliebenen Widerspruchsbelehrung scheiden damit ebenfalls aus.

    Eine hinreichende Verbraucherinformation i.S.d. § 10a VVG a.F. hat die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag erhalten. Dabei war die Beklagte nicht gehalten, auch über die Höhe der Abschlusskosten zu informieren.

    An dem Vorliegen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht bestehen hier keine Zweifel. Zur Überzeugung der Kammer ist die Widerspruchsbelehrung auf Seite 2 des Versicherungsscheins formal und inhaltlich nicht zu beanstanden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 03.02.2012, 20 U 170/11):

    - Sie ist durch Fettdruck der Überschrift und einzelner Abschnitte sowie Absätze zu dem vorstehenden und nachfolgenden Text in einer drucktechnisch deutlichen Form erfolgt, die sich in einer nicht zu übersehenden Weise aus dem übrigen Text hervorhebt. Desweiteren befindet sich die Belehrung über das Widerspruchsrecht unter der fettgedruckten und eingerahmten Seitenüberschrift „Wichtige Hinweise“ an zweiter Stelle.

    - Die Belehrung über Beginn und Dauer der Frist ist ordnungsgemäß erfolgt. Dazu gehört (neben dem unverzichtbaren Hinweis darauf, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt) die Benennung des Ereignisses, das die Frist in Gang setzt ("nach Überlassung des Versicherungsscheins…"). Das konkrete Datum des Fristbeginns muss dabei ebenso wenig mitgeteilt werden wie die Grundsätze der Fristberechnung (vgl. BGH NJW 2010, 3503; OLG Köln a.a.O.).

    - Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Versicherungsscheins auch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm für den Beginn der Widerspruchsfrist vorliegen müssen und dass insbesondere die Überlassung der Verbraucherinformationen Voraussetzung dafür ist. Die Belehrung erwähnt ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den als Anlage beigefügten Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. beginnt.

    - Dass ein Adressat des Widerspruchs nicht in der Belehrung genannt wird, ist unschädlich (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 5.10.2011, 9 U 143/11). Ein solcher lässt sich auf Seite 1 des Versicherungsscheins, in dem die Anschrift der Beklagten unübersehbar enthalten ist, unschwer entnehmen. Auch die unterbliebene Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerspruchs und des Ablaufs der Jahresfrist stehen der Wirksamkeit der Widerspruchsbelehrung nicht entgegen.

    Damit begann die Frist ab Erhalt des Versicherungsscheins zu laufen; der Widerspruch vom 16.05.2012 konnte die Frist deshalb nicht mehr wahren und die ordnungsgemäß in Lauf gesetzte Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist verstrichen.

    Europarechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 5a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bestehen nach der einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht (vgl. etwa OLG Köln, VersR 2011, 245 ff und 248 ff.; OLG Hamm, VersR 2012, 745), wozu auf die dortige Argumentation verwiesen wird. Gleiches gilt für das sog. Policenmodell insgesamt.

    b) Der Widerspruch ist auch bereits deshalb unwirksam, weil die Klägerin die maximale Frist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG versäumt hat. Hiernach erlischt das Recht zum Widerspruch 1 Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. Innerhalb dieser Frist ist ein Widerspruch unstreitig nicht erfolgt. Auch diese Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Oberlandesgerichts Köln (vgl. zuletzt OLG Köln, VersR 2011, 245 ff und 248 ff) sowie der weiteren Oberlandesgerichte (zuletzt OLG Celle, Urteil vom 9.2.2012, 8 U 191/11, mwN, zit. nach juris) vor dem Hintergrund europäischen Rechts nicht zu beanstanden. Auf die dortige Argumentation wird verwiesen. Vereinzelte Revisionszulassungen oder Erwägungen einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof stehen dieser einhelligen rechtlichen Beurteilung nicht entgegen. Anlass zur Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH gem. Art. 234 EGV besteht nach Auffassung der Kammer mangels bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung der fraglichen Richtlinien und mangels Entscheidungserheblichkeit für den vorliegenden Fall nicht (vgl. OLG Stuttgart, VersR 2012, 1373).

    Letztlich steht einem Anspruch der Klägerin unter den konkreten Umständen des Falles die Verwirkung eines Widerspruchsrechts (§ 242 BGB) entgegen:

    Der Vertrag ist von der Klägerin beanstandungslos bis zur Kündigung im Jahr 2011 geführt worden. Sodann ist der Widerspruch erst im Mai 2012 erklärt worden.

    Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, 71. Aufl. § 242 Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggf. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Indem hier aber nach Vertragsbeginn über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg die vereinbarten Prämien gezahlt und nach Kündigung der Rückkaufswert in Empfang genommen wurden, hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie an dem Vertrag festhalten will. Darauf konnte und durfte sich die Beklagte einrichten.

    Daher sind bei einem mehr als 10 Jahre durchgeführten Lebensversicherungsvertrag Ansprüche auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge regelmäßig verwirkt (OLG Köln, Urteile vom 21.10.2011, 20 U 91/11 und 96/11; Urteil vom 13.1.2012, 20 U 108/11). Dies gilt zur Überzeugung der Kammer auch für die vorliegende Zeitdauer von nahezu 9 Jahren.

    Die Beiträge können auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB) hergeleitet werden.

    Soweit beanstandet wird, es sei nicht ordnungsgemäß über den Rückkaufswert und die Verwendung der Abschluss- und Verwaltungskosten und die hiermit verbundenen finanziellen Nachteile aufgeklärt worden, scheidet eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung von vornherein aus. Die gebotene Aufklärung über die Folgen einer vorzeitigen Vertragsauflösung, die Verwendung der Prämien zur Deckung von Abschluss- und Verwaltungskosten in den ersten Jahren mit entsprechenden finanziellen Nachteilen im Falle frühzeitiger Vertragsbeendigung erfolgt über die schriftliche Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F., die Folgen ihres Fehlens ergeben sich abschließend aus § 5a VVG a.F.. Insoweit kommt eine Beratungspflicht nur im Einzelfall in Betracht, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zusätzlicher Beratungsbedarf besteht. Hieran fehlt es vorliegend.

    Eine Beratungspflichtverletzung ergibt sich nicht aus dem behaupteten Versäumnis, nicht auf sogenannte „Kick-Backs“ hingewiesen worden zu sein. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 170, 226; BGH NJW 2009, 2298), die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelt wurde, ist auf die vorliegende Problematik des Abschlusses einer Rentenversicherung nicht anwendbar. Auf die der ständigen Rechtsprechung der Kammer und der Oberlandesgerichte entsprechenden Entscheidungen (OLG Köln, VersR 2011, 248 ff; Urteil vom 25.11.2011, 20 U 126/11 bei juris; Urteil vom 3.2.2012, 20 U 140/11 bei juris; OLG Stuttgart, r+s 2011, 218, OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2011, 20 U 81/11 bei Juris) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen; mit Urteil vom 29.11.2011 hat der BGH selbst klargestellt, dass diese Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten über Innenprovisionen und vereinnahmte Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt (BGH ZIP 2012, 67, Rz 39).

    Ein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung scheidet gleichfalls aus. Die Widerspruchsbelehrung ist wirksam. Neben der abschließenden Regelung in § 5a VVG a.F. ist für eine Schadensersatzhaftung aus c.i.c. zudem kein Raum. Überdies ist von der Klägerin in keiner Weise dargetan worden, aus welchen Gründen sie bei einer von ihr geforderten Widerspruchsbelehrung denn überhaupt fristgerecht einen Widerspruch des statt dessen von ihr jahrelang beanstandungslos geführten Versicherungsvertrages erklärt hätte.

    Die Rückzahlung der Beiträge kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeit einzelner Versicherungsbedingungen nach § 307 Abs. 1 BGB wegen Intransparenz und unangemessener Benachteiligung hergeleitet werden.

    Zwar sind unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteile vom 25.07.2012, IV ZR 201/10, und vom 17.10.2012, IV ZR 202/10) die vorliegend verwendeten Regelungen zur Verrechnung von Abschlusskosten im Wege der Zillmerung im Hinblick darauf unwirksam i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 BGB, dass der dem Versicherungsnehmer bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung zu erstattende Betrag in den ersten Vertragsjahren wesentlich hinter den eingezahlten Prämien zurückbleibt und sogar bei Null liegen kann.

    Eine grundsätzliche Klärung der Frage, welche Folgen die Unwirksamkeit der das Zillmerverfahren betreffenden Regelungen nach sich zieht, ist bislang nicht erfolgt. Die vorstehenden Urteile des Bundesgerichtshofes sind in Verfahren ergangen, die die Wirksamkeit der Klauseln nach § 2 UKlaG zum Gegenstand hatten. Nach Ansicht der Kammer ergibt sich aus der Unwirksamkeit der Klauseln zum Zillmerverfahren ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Auszahlung des sog. Mindestrückkaufswertes, wie dies vom Bundesgerichtshof für die Fälle der Intransparenz von Versicherungsbedingungen im Jahr 2005 bestimmt worden ist (NJW 2005, 3559):

    Infolge der Unwirksamkeit von Klauseln treten grundsätzlich (§ 306 Abs. 2 BGB) die gesetzlichen Regeln an deren Stelle. Bezüglich der „Zillmerklausel“ fehlt es jedoch an einer solchen unmittelbar eingreifenden Gesetzesvorschrift. Die im Zuge der VVG-Reform eingeführte Regelung zum Mindestrückkaufswert (§ 169 Abs. 3 VVG nF) hat nach dem Willen des Gesetzgebers keine Rückwirkung auf Altverträge (Armbrüster, VersR 2012, 3001; Jacob, VersR 2011, 325), für die es bei der früheren Rechtslage verbleiben soll. Diese Rechtslage war zuletzt geprägt durch die vom Bundesgerichtshof in dem angeführten Urteil vom 12.10.2005 (und für die fondsgebundene Lebensversicherung: VersR 2007, 1547) im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung vorgenommene Lückenfüllung, die als Mindestbetrag 50 % des ungezillmerten Deckungskapitals bzw. Fondsguthabens vorsieht. Auch wenn die für Fälle der Unwirksamkeit der Zillmerklausel vorzunehmende ergänzende Auslegung nicht zwangsläufig der vom Bundesgerichtshof bislang vorgenommenen entsprechen muss (vgl. Armbrüster, aaO) und auch eine Anwendung der nunmehr in § 169 Abs. 3 VVG enthaltenen Berechnungsweise in Betracht kommt, erscheint der Kammer die Übertragung der bisherigen Regelung des Mindestrückkaufswertes im Hinblick auf die identische Interessenlage der Beteiligten auch auf Fälle wie den vorliegenden als angemessen und sachgerecht. Diese Regelung entspricht auch dem verfassungsgerichtlich gebilligten Mindeststandard (vgl. BVerfGE NJW 2006, 1783). Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte es überdies vermieden werden, dass die Ersetzung einer intransparenten Klausel zu einem anderen Ergebnis führt als die Ersetzung einer materiell unwirksamen Klausel (vgl. Römer in Römer-Langheid, 3. Aufl., § 169 Rn 60).

    Die von der Klägerin im Wege der Rechtsfolge begehrte Aufhebung bzw. Rückabwicklung des Rentenversicherungsvertrages scheidet daher aus. Ein – grundsätzlich als „Minus“ zu dem Antrag auf Rückzahlung sämtlicher Prämien zu berücksichtigender – Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des sog. Mindestrückkaufswertes kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Beklagte hat einen Rückkaufswert in Höhe von 43.028,12 € an die Klägerin ausgezahlt. Dieser Betrag übersteigt die Einmalzahlung der Klägerin und macht nahezu 100 % der aus dem Beitragsdepot entnommenen jährlichen Beiträge aus, so dass keine weitere Zahlung verlangt werden kann.

    Da ein Bereicherungsanspruch der Klägerin bereits dem Grunde nach nicht besteht, kann sie auf Rechtsfolgenseite nicht Ersatz gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 2 BGB verlangen.

    Mangels Begründetheit der Hauptforderung scheidet auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.

    Streitwert: 24.482,50 €