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  • 17.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140510

    Landgericht Dortmund: Urteil vom 26.09.2013 – 2 S 20/13



    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.05.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund abgeändert:

    Es wird festgestellt, dass der Krankenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer ###.######### für die versicherte Person E nicht wirksam durch das Schreiben der Beklagten vom 23.06.2013 abgeändert wurde.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,86 € zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

    I.

    Der Kläger ist Versicherungsnehmer einer bei der Beklagten seit dem 01.12.2009 bestehenden Krankheitskostenversicherung, in die als versicherte Personen seine Kinder E und L sowie seine Ehefrau einbezogen worden sind. Die Krankenversicherung für die Ehefrau ist seit dem 01.04.2013 nach einem Streit über eine von der Beklagten nachträglich vorgenommene Vertragsänderung beendet. Im Versicherungsantrag vom 28.09.2009 betreffend die Tochter E sind die Gesundheitsfragen im Wesentlichen verneint, auch diejenigen nach Krankheiten, Beschwerden, Unfallfolgen, Fehler körperlicher oder geistiger Art (auch wenn sie nicht behandelt wurden) in den letzten 3 Jahren (Nr. 2 a) und nach stationären Untersuchungen, Operationen oder Behandlungen in einem Krankenhaus in den letzten 5 Jahren (Nr. 2 c). Im Versicherungsantrag vom 28.09.2009 betreffend die Ehefrau wurde die Gesundheitsfrage Nr. 6 a nach fehlenden und nicht ersetzten Zähnen verneint.

    Die Beklagte nahm den Antrag betreffend die Tochter E ohne Änderungen und betreffend die Ehefrau mit einem vereinbarten Risikozuschlag in Höhe von 5,00 € für Sehhilfen an.

    Im Zuge von Leistungsprüfungen erhielt die Beklagte Kenntnis, dass die Tochter E vom 03.06. bis 05.06.2009 stationär aufgenommen worden war. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Ehefrau des Klägers als Grund für den stationären Aufenthalt eine Migräne mit. Die Beklagte nahm deshalb mit Schreiben vom 23.06.2010 eine rückwirkende Vertragsanpassung in Form einer Prämienerhöhung vor. Hinsichtlich der Ehefrau erfuhr die Beklagte, dass dieser zwei Zähne fehlten. Mit Schreiben vom 07.03.2011 fügte sie deshalb rückwirkend eine Leistungsstaffel in den Vertrag ein.

    Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Vertragsänderungen nicht wirksam vorgenommen wurden. Er hat die Auffassung vertreten, dass die von der Beklagten zum Anlass für die Vertragsänderung genommenen Gefahrumstände schon nicht gefahrerheblich waren und deshalb auch nicht angezeigt werden mussten. Die Änderungserklärungen seien verspätet erfolgt. Gesundheitsfragen und die Belehrung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG stammten nicht von der Beklagten, sondern von dem vermittelnden Makler. Im Übrigen sei die Belehrung weder formell noch materiell in Ordnung.

    Die Beklagte hat an ihrer vorgerichtlichen Entscheidung festgehalten und die Gefahrerheblichkeit der nicht angezeigten Umstände anhand ihrer Risikoprüfungsgrundsätze erläutert. Sie hat unter Berufung auf OLG Köln vom 15.02.2013 – 20 U 207/12 (VersR 2013, 745) – die Auffassung vertreten, dass es sich bei den in Makleranträgen enthaltenen Gesundheitsfragen um solche des Versicherers handele. Unter Hinweis auf dieses Urteil und eine Entscheidung des Landgerichts Bayreuth vom 15.10.2010 – 23 O 823/09 – hat sie die Belehrung für formal wie materiell ausreichend erachtet.

    Das Amtsgericht hat zur Gefahrerheblichkeit zwei Sachverständigengutachten eingeholt und den Risikoprüfer der Beklagten als Zeugen vernommen. Nachdem die Parteien die Klage hinsichtlich der Vertragsanpassung betreffend die Ehefrau wegen der im Laufe des Rechtsstreits eingetretenen Vertragsbeendigung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat es die Klage abgewiesen und die Kosten insgesamt dem Kläger auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe grob fahrlässig seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt, indem er die Frage nach stationären Behandlungsaufenthalten in dem Antragsformular der Beklagten verneint habe, so dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, die rückwirkende Änderung des Krankenversicherungsvertrages nach § 19 Abs. 4 VVG von dem Kläger zu verlangen. Der stationäre Behandlungsaufenthalt sei ein gefahrerheblicher Umstand gewesen, was sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen L2, des Risikoprüfer der Beklagten, ergeben habe. Aus der Aussage dieses Zeugen folge auch, dass die Beklagte bei Kenntnis des Gefahrumstandes jedenfalls eine Prämienerhöhung schon beim Abschluss des Vertrages verlangt hätte. Die Beklagte habe auch ihre Belehrungspflichten nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG erfüllt. Der Inhalt des verwendeten Aufklärungsformulars genüge den hieran zu stellenden Anforderungen. Die Belehrung habe den Zweck, dem Versicherungsnehmer die Bedeutung der Anzeigepflicht vor Augen zu führen und ihn über die möglichen Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Pflicht zu informieren. Eine umfassende rechtliche Information des Versicherungsnehmers über die möglichen Folgen einer Pflichtverletzung werde dabei nicht verlangt. Es sei ausreichend, wenn diesem die wesentlichen Folgen einer Pflichtverletzung vor Augen geführt werden. Dabei sehe bereits § 4 Abs. 5 VVG-InfoVO lediglich eine Darstellung der möglichen Rechtsfolgen in knapper Form vor. Diesen Anforderungen werde das von der Beklagten verwendete Aufklärungsformular gerecht. Schließlich sei die Vertragsanpassung der Beklagten auch nicht verspätet erfolgt, da der Beklagten eine Rückfrage zuzubilligen war um abzuklären, ob der Grund für den stationären Aufenthalt tatsächlich einen gefahrerheblichen Umstand darstelle.

    Der Kläger habe auch die Kosten für den erledigten Teil des Rechtsstreites zu tragen, da er ebenfalls grob fahrlässig gehandelt habe, als er das Fehlen von Zähnen bei seiner Ehefrau im Antragsformular nicht angegeben habe.

    Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er rügt, dass das Amtsgericht eine grob fahrlässige Beantwortung der Gesundheitsfragen angenommen hat. Er habe davon ausgehen dürfen, dass kein anzeigepflichtiger Umstand vorgelegen habe. Das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass Maklerfragen gestellt und die Belehrung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG nach der Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund formell wie materiell unzulänglich sei, so dass der Beklagten schon diesem Grund kein Recht zur Vertragsanpassung zugestanden habe. Zudem sei die Vertragsanpassung verspätet erklärt worden.

    Die Klägerin beantragt,

    1. das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 24.05.2013, zuge-

    stellt am 29.05.2013, wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Krankenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer ###.######### für die Tochter E nicht wirksam durch das Schreiben der Beklagten vom 23.06.2013 abgeändert wurde,

    2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche

    Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,86 € zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt zusammenfassend ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie wirft dem Kläger nunmehr sogar Arglist bei der Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen vor, so dass es nach ihrer Auffassung auf etwaige Unzulänglichkeiten der Belehrung nicht ankomme.

    II.

    Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Die Beklagte war nicht berechtigt, mit Schreiben vom 23.06.2010 gemäß § 19 Abs. 4 VVG eine rückwirkende Vertragsanpassung in Form einer Prämienerhöhung vorzunehmen, weil sie nicht dargelegt hat, dass es sich bei den Antragsfragen und der Belehrung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG um solche der Beklagten handelt (1), die dem Kläger erteilte Belehrung nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspricht (2) und sie nicht bewiesen hat, dass der Kläger arglistig gehandelt hat (3).

    1.§ 19 Abs. 1 VVG knüpft die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers an in Textform gestellte Fragen des Versicherers. Damit setzt die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers voraus, dass der Versicherer und nicht irgendein Dritter nach Gefahrumständen gefragt hat. Stammen die Antragsfragen von einem Makler, setzt die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht voraus, dass sich der Versicherer diese Fragen zu eigen gemacht hat (OLG Hamm VersR 2011, 469). Da der Versicherer eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer beweisen muss, obliegt es ihm darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die Antragsfragen von ihm stammen oder er sich diese zu eigen gemacht hat. Lässt bereits das äußere Erscheinungsbild eines Antragsformulars auf die Herkunft vom Versicherer schließen, erübrigt sich in der Regel ein substantiierter Vortrag des Versicherers dazu, von wem die Antragsfragen stammen. Wenn aber – wie im vorliegenden Fall – die Antragsfragen in einem nur auf den vermittelnden Makler hinweisenden Formular enthalten sind und der Versicherungsnehmer bestreitet, dass die Antragsfragen vom Versicherer stammen, obliegt es dem Versicherer nunmehr darzulegen, wie es zu dem Antrag gekommen ist. Dies hat die Beklagte nicht getan, so dass das Gericht nicht davon ausgehen kann, dass die Antragsfragen – wie es § 19 Abs. 1 VVG erfordert – von der Beklagten stammen, so dass die Voraussetzungen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung durch den Kläger nicht vorgetragen sind.

    Das Gericht vermag sich der in VersR 213, 745 veröffentlichten Entscheidung des OLG Köln nicht anzuschließen, die im Widerspruch steht zu der vorerwähnten Entscheidung des OLG Hamm. Nach der Entscheidung des OLG Köln soll es ausreichen, wenn der Versicherungsnehmer annimmt, dass die Antragsfragen vom Versicherer stammen. § 19 Abs. 1 VVG setzt jedoch voraus, dass die Antragsfragen objektiv vom Versicherer stammen, was nicht schon dann der Fall ist, wenn der Versicherungsnehmer annimmt, dass dies der Fall sei. Im Übrigen wäre dem Versicherungsnehmer auch die Kenntnis des vermittelnden Maklers zuzurechnen, so dass dann, wenn es sich um Maklerfragen handelt, die Kenntnis des Maklers davon dem Versicherungsnehmer zugerechnet wird.

    Aus dem Versicherungsantrag erschließt sich dem Versicherungsnehmer nicht, dass es sich bei dem Antrag auf Abschluss der Krankenversicherung um ein Formular der Beklagten handelt, da der Kopf des Formulars nur den vermittelnden Makler benennt, nicht aber die Beklagte. Aus der Tatsache, dass in den Antragsfragen z. B. unter 2 d und 3 verschiedene Versicherer aufgeführt sind, kann der Versicherungsnehmer ebenfalls nicht entnehmen, dass die Antragsfragen in der jeweiligen Variante von den bezeichneten Versicherern stammen und soweit kein Versicherer genannt ist, hier Antragsfragen von der Beklagten stammen sollen. Denn es besteht die Möglichkeit, dass der Makler selbst die Antragsfragen so zusammengestellt hat, weil er der Annahme war, dass die Versicherer entsprechende Fragen beantwortet haben wollen. Allein die Tatsache, dass der Versicherer dieselben Fragen gestellt hätten wie der Makler, reicht indes nicht aus, um die Antragsfragen als solche des Versicherers zu qualifizieren (OLG Hamm, a.a.O.).

    2.Die Berufung des Klägers hätte aber auch dann Erfolg, wenn man davon ausginge, dass die Antragsfragen und der Hinweis nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG von der Beklagten stammt. In diesem Fall würde das Recht der Beklagten, den Vertrag rückwirkend anzupassen daran scheitern, dass die dem Kläger erteilte Belehrung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG den gesetzlichen Erfordernissen nicht genügt. Denn § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG bestimmt, dass dem Versicherer die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zustehen, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.

    a)In formeller Hinsicht ist allerdings nicht erforderlich, dass die Belehrung auf einem eigens für den Hinweis erstellten Dokument (Extrablatt) erteilt wird. Denn durch die Wendung „gesonderte Mitteilung in Textform“ sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass eine anlassbezogene, lediglich von den allgemeinen Vertragsunterlagen, insbesondere dem Versicherungsschein aber auch den Versicherungsbedingungen und dem Produktinformationsblatt getrennte Form des Hinweises erforderlich ist. Deshalb genügt zur Erfüllung der mit dem Hinweis bezweckten Warnfunktion auch eine Belehrung innerhalb eines noch anderen Mitteilungen enthaltenen Schriftstücks, wenn die Belehrung durch ihre Platzierung und drucktechnische Gestaltung sich vom übrigen Text derart abhebt, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist (BGH VersR 2013, 297 zu § 28 Abs. 4 VVG). Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt sich auf den Hinweis nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG wegen des insoweit gleichlautenden Wortlauts der gesetzlichen Vorschriften und des identischen Zwecks der Belehrungen übertragen. Auch die Kammer hat bereits in der Vergangenheit entschieden, dass für eine gesonderte Mitteilung in Textform nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG kein Extrablatt erforderlich ist, sondern es ausreichen kann, wenn der Versicherer im Antragsformular seine Belehrung so platziert, dass sie vom Antragsteller nicht übersehen werden kann (LG Dortmund VersR 2010, 465; Urteil vom 13.06.2013 – 2 O 450/12 -). Diesen Anforderungen genügt die dem Kläger bei Antragstellung erteilte Belehrung. Der Kläger wurde unmittelbar vor den Gesundheitsfragen in Fettdruck auf die Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und die Belehrung hierzu unter Punkt I. der Schlusserklärungen hingewiesen. Dieser Hinweis wurde ebenfalls in Fettdruck vor der Unterschriftsleiste wiederholt. Sodann findet sich in den einseitigen Schlusserklärungen des Antragstellers und der zu versichernden Personen eine ausführliche, halbseitige Erläuterung der Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflicht, die durch eine andersartige farbliche Unterlegung vom übrigen Text der Seite so deutlich abgesetzt ist, dass die Aufmerksamkeit des Betrachters auf den farblich abgesetzten Text gelenkt wird. Dies hält die Kammer in der Summe für so deutlich hervorgehoben, dass sie keine Bedenken gegen die formelle Gestaltung der Belehrung hegt.

    b)

    Inhaltlich fordert § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG eine nicht nur zutreffende, sondern auch unter Berücksichtigung der Warnfunktion des Hinweises möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis des Versicherungsnehmers eindeutige Belehrung (OLG Brandenburg NJW-RR 2010, 385; LG Dortmund a.a.O.). Um seiner Warnfunktion gerecht werden zu können muss der Hinweis nach Auffassung der Kammer gerade auch die den Versicherungsnehmer möglicherweise treffenden Folgen der vom Versicherer ausübbaren Gestaltungsrechte erläutern. Dazu hält es das Gericht für erforderlich, dass der Hinweis einerseits die dem Versicherer nach dem Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers eingeräumten Gestaltungsrechte (Rücktritt, Kündigung und Vertragsanpassung) erwähnt. Zum anderen müssen die dem Versicherungsnehmer nachteiligen Folgen der Ausübung von Rücktritts-, Kündigungs- oder Vertragsanpassungsrecht aufgezeigt werden, dass es insbesondere möglich ist, dass der Versicherungsnehmer bei einem Versicherungsfall schutzlos sein und er den Versicherungsschutz sogar rückwirkend verlieren kann.

    Diesen Anforderungen genügt die dem Kläger erteilte Belehrung nicht. Sie hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

    „Welche Folgen können eintreten, wenn eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wird?

    1. Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes



    2. Kündigung



    3. Vertragsänderung

    Kann der Versicherer nicht zurücktreten oder kündigen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen geschlossen hätte, werden die anderen Bedingungen auf sein Verlangen Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil. Wenn Sie die Anzeigepflicht schuldlos verletzt haben, steht ihm das Recht zur Vertragsänderungen nicht zu. Erhöht sich durch die Vertragsänderung der Beitrag um mehr als 10 % oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, können Sie den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang seiner Mitteilung über die Vertragsänderung fristlos kündigen. Auf dieses Recht wird der Versicherer Sie in seiner Mitteilung hinweisen.“

    Die Belehrung lässt nicht mit der hinreichenden Klarheit für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennen, dass es bei einer leicht fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung zum rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes kommen kann, wenn der Versicherer den Vertrag durch Einfügung eines Risikoausschlusses anpasst. Bereits die Überschrift zu den dem Versicherer zustehenden Gestaltungsrechten erweckt den Eindruck, dass nur bei Ausübung des Rücktrittsrechts der Verlust des Versicherungsschutzes droht, da in den Überschriften nur beim Rücktritt diese Rechtsfolge hervorgehoben wird. Dadurch, dass dieser Hinweis auf den Verlust des Versicherungsschutzes in der Überschrift zum Gestaltungsrecht der Vertragsänderung fehlt, vermittelt die Belehrung dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Eindruck, es könne bei einer Vertragsanpassung gerade nicht zu einem rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes kommen. Ohnehin wird der Versicherungsnehmer hinter einer Vertragsänderung eher eine Prämienerhöhung vermuten als die Einfügung eines Risikoausschlusses mit Rückwirkung, welcher den Risikoschutz für den schon eingetretenen Versicherungsfall gefährden kann. Auch der Text, mit dem der Versicherungsnehmer auf die Rechtsfolgen einer Vertragsänderung hingewiesen wird, erwähnt die rückwirkende Einfügung eines Risikoausschlusses mit der Folge des Verlustes des Versicherungsschutzes nicht. Dabei hat der Gesetzgeber selbst die Einfügung eines Risikoausschlusses durch eine vom Versicherer berechtigt vorgenommene Vertragsänderung als einen den Versicherungsnehmer besonders hart treffende Rechtsfolge angesehen. Dies folgt aus § 19 Abs. 6 Satz 1 VVG, wonach der Versicherungsnehmer berechtigt ist, den Vertrag innerhalb eines Monats u. a. dann zu kündigen, wenn der Versicherer durch eine Vertragsänderung die Gefahrabsicherung durch den nicht angezeigten Umstand ausschließt. Der damit durch den Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Bedeutung eines nachträglich eingefügten Risikoausschlusses für das versicherte Interesse des Versicherungsnehmers ist nach Auffassung der Kammer im Rahmen der Belehrung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG dadurch Rechnung zu tragen, dass der Versicherungsnehmer unmissverständlich auf diese Rechtsfolge der Vertragsänderung hingewiesen wird. Die durch die Überschrift zu Gestaltungsrechten vermittelte Irreführung des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, die durch die im ersten Teil der Belehrung zur Vertragsanpassung unterbliebene Erwähnung der Möglichkeit eines rückwirkenden Verlustes des Versicherungsschutzes durch Einfügung eines Risikoausschlusses noch verstärkt wird, wird nicht dadurch beseitigt, dass der Versicherer die Möglichkeit einer Ausschließung der Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand im Satz 3 der Erläuterungen zur Vertragsänderung erwähnt. Denn diese Erwähnung erfolgt im Kontext mit der dem Versicherungsnehmer dann eingeräumten Möglichkeit, den Vertrag fristlos zu kündigen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer müsste nun folgern, dass die Möglichkeit der Gefahrausschließung eine der im ersten Satz der Erläuterung ausgesprochenen Varianten der Vertragsänderung ist, die zudem mit Rückwirkung erfolgen kann. Mit einer solchen Gedankenfolge ist der durchschnittliche Versicherungsnehmer, wie ihn die Kammer wöchentlich bei ihren Anhörungen erlebt, überfordert, zumal er sich ohnehin mit einem Belehrungstext befassen muss, der sich vom Umfang her über eine halbe DIN A 4-Seite erstreckt. Der erforderlichen Warnfunktion wäre die Belehrung nur gerecht geworden, wenn sie unmissverständlich und ohne das Erfordernis von Gedankenkombinationen darauf hingewiesen hätte, dass auch bei leicht fahrlässiger Verletzung von Anzeigepflicht und einer darauf folgenden Vertragsänderung der Verlust des Versicherungsschutzes droht, wenn der Versicherer von der Möglichkeit Gebrauch macht, rückwirkend eines Risikoausschluss in den Vertrag einzufügen.

    c)Die inhaltlich unzureichende Belehrung über die Rechtsfolgen einer Vertragsänderung führt dazu, dass es der Beklagten verwehrt war, den Krankenversicherungsvertrag zu ändern. Denn ohne eine formell wie materiell einwandfreie Belehrung steht dem Versicherer die Ausübung der § 19 Abs. 2 bis 4 genannten Rechte nicht zu.

    3.Entgegen der erst im Berufungsrechtszug geäußerten Auffassung der Beklagten ist eine Belehrung des Klägers nicht deswegen entbehrlich gewesen, weil dieser arglistig gehandelt hätte. Zwar ist auch die Kammer der Auffassung, dass der arglistig Handelnde nicht schutzwürdig ist, so dass es in Fällen der Arglist zur Ausübung der Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 keiner Belehrung bedarf. Allerdings hat die Beklagte nicht bewiesen, dass der Kläger arglistig gehandelt hat, als er den stationären Krankenhausaufenthalt seiner Tochter im Antragsformular nicht erwähnt hat. Eine arglistige Täuschung nach § 123 BGB setzt voraus einer Vorspielung falscher oder ein Verschweigen unwahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, in dem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Allerdings rechtfertigen falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein nicht den Schluss auf eine arglistige Täuschung. Denn einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf dem Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde. Außerdem muss die arglistige Täuschung für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (ständige Rechtsprechung zuletzt BGH VersR 2011, 337).

    Für den Vorsatz reicht auch im Rahmen der Arglist und unter Geltung des VVG 2008 dolus eventualis aus (OLG Hamm VersR 2011, 469). Daran gemessen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger mit der unterlassenen Angabe des stationären Aufenthaltes seiner Tochter auf die Entschließung der Beklagten einwirken wollte, den Versicherungsvertrag anzunehmen oder er auch nur mit dieser Möglichkeit gerechnet hat. Zwar lag der Krankenhausaufenthalt zeitlich nur wenige Monate vor Antragstellung. Das Gericht vermag aber nicht auszuschließen, dass der Kläger die bei seiner damals 13jährigen Tochter aufgetretenen Beschwerden auf eine Sinusitis zurückgeführt hat, deren Vorliegen und Behandlung er für nicht maßgebend für den Abschluss des Versicherungsvertrages erachtet hat, weil es sich um Beschwerden gehandelt hat, die bei Kindern im Alter der Tochter des Klägers nicht selten vorkommen. Zudem war der Krankenhausaufenthalt nur kurz und blieb ohne eindeutige Krankheitsdiagnose.

    4.Somit war auf die Berufung des Klägers das angefochtene Urteil abzuändern und den noch zuletzt gestellten Anträgen des Klägers stattzugeben. Gemäß § 280 BGB hat die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Verzugs auch die nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägers zu erstatten.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a ZPO. Auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits hat die Beklagte die Kosten zu tragen, weil auch die hinsichtlich der Ehefrau des Klägers vorgenommene Vertragsanpassung wegen fehlerhafter Belehrung unwirksam war, so dass die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses erfolgreich gewesen wäre.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

    Das Gericht hat sowohl wegen der Problematik der Maklerfragebögen als auch hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Belehrung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zugelassen, da zu beiden Problemkreisen die Instanzgerichte unterschiedlich entschieden haben.