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  • 09.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141402

    Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 27.09.2013 – 20 U 87/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Köln

    20 U 87/13

    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. April 2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen ‑ 9 O 510/12 – wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

    Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung. Mitversichert ist ihr Sohn U; für diesen besteht u.a. eine Krankenhaustagegeldversicherung mit einem Ersatzkrankenhaustagegeld von 50, -- € kalendertäglich. Dem Versicherungsvertrag liegen die MB/KK 94 zugrunde. In deren § 5 heißt es:

    „1. Keine Leistungspflicht besteht



    g) für eine durch Pflegebedürftigkeit oder Verwahrung bedingte Unterbringung.“

    U befand sich seit dem 19. April 2007 aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Düren vom Vortag zunächst einstweilig sowie vom 4. Dezember 2007 bis zum 11. April 2012 aufgrund des Urteils des Landgerichts Aachen vom 4. Dezember 2007 – 68 Kls 26/07 - im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus, nachdem er seine damalige Freundin im Zustand der Schuldunfähigkeit tätlich angegriffen hatte.

    Die Klägerin begehrt Ersatzkrankenhaustagegeld für 1.820 Tage in Höhe von insgesamt 91.000, -- €. Sie hat erstinstanzlich vorgetragen: Der stationäre Aufenthalt ihres Sohnes sei eine medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich um eine Sicherungsverwahrung im Maßregelvollzug gehandelt habe, da eine solche gerade die Behandlungsbedürftigkeit des Betroffenen voraussetze. Der Leistungsausschluss des § 5 Nr. 1 lit. g) MB/KK 94 greife nicht ein. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Sie habe diese am 10. April 2007 telefonisch bei der Beklagten angemeldet. Ihr sei jedoch mitgeteilt worden, dass sie sich nach Beendigung des stationären Aufenthaltes wieder melden solle, erst dann könne endgültig abgerechnet werden.

    Die Klägerin hat beantragt,
    die Beklagte zu verurteilen, an sie 91.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2012 zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat eingewandt: Es liege kein Versicherungsfall vor, da die Unterbringung im Maßregelvollzug nicht der Heilbehandlung, sondern dem Schutz der Allgemeinheit vor der Begehung von Straftaten diene. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch auf Krankenhaustagegeld nach den Tarifbedingungen nur dann, wenn für die Kosten der stationären Heilbehandlung kein Ersatz beansprucht werde; Wahlleistungen seien jedoch nicht in Anspruch genommen worden. Jedenfalls sei ihre Leistungspflicht nach § 5 Ziffer 1 lit. g) MB/KK 94 ausgeschlossen. Hinsichtlich der Ansprüche für die Jahre 2007 bis 2009 hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

    Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für einen Krankenhaustagegeldanspruch lägen nicht vor. Der Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik sei nicht medizinisch indiziert gewesen, sondern habe auf dem Strafurteil beruht. Jedenfalls sei aber die Leistungspflicht der Beklagten nach § 5 Nr. 1 lit. g) der AVB ausgeschlossen. Der Begriff der Verwahrung umfasse jede Unterbringung, die nach der vorsätzlichen Begehung einer Straftat staatlich angeordnet werde.

    Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 22. April 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Mai 2013 eingelegte und mit einem am 21. Juni 2013 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Klägerin, mit der diese ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Sie macht geltend: Die medizinische Indikation des stationären Aufenthaltes entfalle nicht deswegen, weil dieser gerichtlich angeordnet worden sei. Die Leistungspflicht der Beklagten sei auch nicht nach § 5 Nr. 1 lit. g) MB/KK 94 ausgeschlossen. Eine durch Pflegebedürftigkeit oder Verwahrung bedingte Unterbringung liege nicht vor. Hierunter seien nur die Fälle zu subsumieren, in denen Heilbehandlungs- oder Therapiemöglichkeiten nicht bestehen würden.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,
    die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 91.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2012 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
    Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen. Die Akten 401 Js 272/07 StA Aachen = 68 Kls 26/07 LG Aachen haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

    II.

    Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

    1.

    Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Ersatzkrankenhaustagegeld für den streitgegenständlichen Zeitraum.

    Insoweit kann dahin gestellt bleiben, ob ein Versicherungsfall im Sinne von § 1 Abs. 2 MB/KK 94 auch dann vorliegt, wenn im Rahmen einer Unterbringung im Maßregelvollzug auch eine medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung erfolgt.

    Jedenfalls greift der Leistungsausschluss des § 5 Nr. 1 lit. g) MB/KK 94 ein. Danach besteht keine Leistungspflicht für eine durch Pflegebedürftigkeit oder Verwahrung bedingte Unterbringung. Die Voraussetzungen der Ausschlussklausel sind erfüllt, wenn die dauerhafte Hilflosigkeit des Kranken für Verrichtungen des täglichen Lebens oder die Abwehr drohender Gefahren für den Patienten und seine Umgebung im Vordergrund stehen (Bach/Moser/Kalis, Private Krankenversicherung, 4. Aufl.,§ 5 MB/KK Rn. 32), wie es auch bei der Unterbringung im Maßregelvollzug nach § 63 StGB der Fall ist (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 18. September 2009, 20 U 68/09; Bach/Moser/Kalis, a.a.O., § 5 MB/KK Rn. 33; Veith/Gräfe/Wendt, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl., § 11 Rn. 209; LG Dortmund NJOZ 2009, 4738, 4741).

    Versicherungsbedingungen sind objektiv auszulegen; maßgebend sind hierbei die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und verständig würdigt (vgl. Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vorbemerkung III. Rn. 2 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Auszugehen ist vom Wortlaut der Bedingung, wie er aus der Sicht der typischerweise beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 10 Rn. 167).

    Der durchschnittliche, verständige Versicherungsnehmer wird dem § 5 Nr. 1 lit. g) MB/KK 94 entnehmen, dass für bestimmte Formen der Unterbringung, unter der er jedenfalls die Aufnahme einer Person in eine bestimmte Einrichtung verstehen wird, kein Versicherungsschutz besteht, nämlich für solche, die auf Pflegebedürftigkeit des Betroffenen oder Verwahrung beruhen. Unter „Verwahrung“ wird nach dem Duden im allgemeinen Sprachgebrauch die zwangsweise Unterbringung einer Person an einem bestimmten Ort verstanden, wo sie unter Kontrolle ist. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird bei Zugrundelegung dieses Verständnisses erkennen, dass auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB unter die Klausel fällt. Denn diese wird zum Einen im allgemeinen Sprachgebrauch als „Sicherungsverwahrung“ bezeichnet und bereits deshalb von dem Begriff der „Verwahrung“ erfasst. Zum anderen ist dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer aber auch bekannt, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gerichtlich nur dann angeordnet werden kann, wenn von einer Person, die eine rechtswidrige Tat begangen hat, eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Er wird daher erkennen, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auch nach ihrer Zielsetzung eine „Verwahrung“ im Sinne des § 5 Nr. 1 lit. g) MB/KK 94 ist, weil sie dazu dient, zum Schutz der Allgemeinheit die Kontrolle über die betreffende Person zu behalten.

    Soweit die Klägerin sich demgegenüber darauf beruft, dass bei einer auf Pflegebedürftigkeit beruhenden Unterbringung nach einer verbreiteten Auffassung der Leistungsausschluss nur dann greifen soll, wenn es sich um eine „schlichte“ Unterbringung nebst Grundpflege handelt, die auch von nichtmedizinischem Personal erbracht werden kann, dagegen eine Eintrittspflicht bei einem stationären Aufenthalt, der vor allem zur Linderung von Krankheitsfolgen dient und ärztliches Personal erfordert, für die Kosten der so genannten „Behandlungspflege“ bestehen soll (OLG Hamm NJW-RR 1995, 1498 = VersR 1995, 822; Beckmann/Matusche-Beckmann/Müller, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 44 Rn. 179; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Rogler, VVG, 2. Aufl., § 5 MB/KK Rn. 14), bedarf es keiner Entscheidung, ob entsprechendes auch für die durch Verwahrung bedingte Unterbringung gilt. Denn Erstattung etwaig angefallener Behandlungskosten beansprucht die Klägerin nicht.

    Die weitere Argumentation der Klägerin, aus der Gleichstellung der Verwahrung mit der Pflegebedürftigkeit folge, dass lediglich die Fälle ausgegrenzt werden sollten, die zum Bereich der Pflegeversicherung gehören würden, kann bereits deshalb nicht überzeugen, weil der Wortlaut des § 5 Ziffer 1 lit. g) MB/KK 94 zwischen der durch Pflegebedürftigkeit und der durch Verwahrung bedingten Unterbringung differenziert; daraus ergibt sich für den verständigen Versicherungsnehmer, dass die Verwahrung des Betroffenen nicht auf einer Pflegebedürftigkeit beruhen kann, da die Unterscheidung anderenfalls überflüssig wäre.

    Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus dem Wortlaut der Klausel auch nicht geschlossen werden, dass der Versicherungsschutz nur für die Kosten der Unterbringung ausgeschlossen sei, während der Anspruch auf Ersatzkrankenhaustagegeld hiervon unberührt bleibe. Denn § 5 Ziffer 1 lit. g) MB/KK 94 beschränkt den Leistungsausschluss seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich auf die Kosten der Unterbringung, vielmehr besteht danach keine Leistungspflicht für „eine durch … Verwahrung bedingte Unterbringung“. Hinzu kommt, dass die Erstattungspflicht bei der Krankenhaustagegeldversicherung eine bedingungsgemäße stationäre Heilbehandlung voraussetzt, mithin dass der Versicherer für die Kosten der stationären Unterbringung einzutreten hätte. Sind die Kosten der stationären Unterbringung aber vom Versicherungsschutz ausgenommen, so ist damit zugleich einem Anspruch auf (Ersatz-)Krankenhaustagegeld die Grundlage entzogen.

    2.

    Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 9. September 2013, der lediglich Rechtsausführungen enthält, gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO.

    3.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    4.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere wird die Frage, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB eine auf Verwahrung beruhende Unterbringung im Sinne der Versicherungsbedingungen ist, in Literatur und Rechtsprechung nicht unterschiedlich beurteilt, sondern wird von denjenigen, die sich hiermit befasst haben, ausnahmslos bejaht.

    Berufungsstreitwert: 91.000,00 €

    Vorschriften§ 5 MB/KK 94