10.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142047
Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 17.04.2014 – 7 U 253/13
1. Ein Versicherer erfüllt die formalen Voraussetzungen eines Hinweises gem. § 19 Abs. 5 VVG n. F. nicht, wenn eine inhaltlich zutreffende Belehrung für den Versicherungsnehmer nicht in unmittelbarer Nähe zu den gestellten Gesundheitsfragen drucktechnisch hervorgehoben wiedergegeben und dort auch nicht präzise und unübersehbar auf den Fundort der Belehrung hingewiesen wird.
2. Die Aufnahme der Belehrung in ein umfangreiches Bedingungswerk ist keine gesonderte Mitteilung gem. § 19 Abs. 5 VVG n. F.
Im Berufungsrechtsstreit
- Klägerin / Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagte / Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
wegen Feststellung der Unwirksamkeit der Vertragsanpassung u.a.
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2014 unter Mitwirkung von
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Tübingen - 4 O 290/12 - vom 26.11.2013
abgeändert und neu gefasst:
a)
Es wird festgestellt, dass der Versicherungsvertrag der Klägerin bei der Beklagten mit der Nr. 1014 149 848-01 durch die Anfechtungserklärung vom 11.06.2012 nicht beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
b)
Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende Versicherungsvertrag mit der Nr. 1014 149 848-01 nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom 03.08.2011 rückwirkend zum 01.11.2010 angepasst worden ist.
c)
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird
zurückgewiesen.
3.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 6.300 €
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Tübingen, mit dem ihre Klage teilweise abgewiesen wurde, soweit die von der Beklagten vorgenommene Vertragsanpassung hinsichtlich der zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen "Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit zusätzlicher Risikoversicherung und Dynamik" als wirksam erkannt sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.761,08 € nebst Zinsen geltend gemacht wurden.
Die Klägerin beantragte Ende 2010 bei der Beklagten den Abschluss einer Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Anlage K 3, Bl. 21 ff.: Antrag vom 10.10.2010). Die Beklagte policierte die beantragte Versicherung mit der Versicherungsscheinnummer 1014 149 848-01 mit Versicherungsschein vom 01.11.2010 (Anlage K 1, Bl. 8 ff.). Für die "Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung BR-Plus BG1" ist eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsrente von 18.000,00 €/Jahr vereinbart (Anlage K 1, Bl. 8). Die Jahresprämie für die Risikoversicherung und für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) betrug 812,67 € (Anlage K 1, Bl. 8 f.).
Die Beklagte verwendete unter anderem für den hier streitgegenständlichen Versicherungsvertrag mit der Versicherungs-Nr. 1014 149 848-01 den "Antrag", den die Klägerin, insbesondere die "Risiko- und Gesundheitserklärung der zu versichernden Person", ausgefüllt und unterschrieben hat (Anlage K 3, Bl. 21 ff.). Der 8-seitige Antrag enthält auf Seite 2 unter der Rubrik "Risiko- und Gesundheitserklärung der zu versichernden Person" vor den Gesundheitsfragen folgenden Hinweis (Anlage K 3, Bl. 21 ff., 22):
"Wichtiger Hinweis für die versicherte Person zur Anzeigepflicht: Im Rahmen der Antragsprüfung bitten wir Sie, uns einige Fragen zu beantworten. Wichtig dabei ist, dass Sie uns alle Ihnen bekannten Gefahrumstände vollständig und richtig angeben, auch wenn Sie ihnen keine oder nur eine geringe Bedeutung beimessen. Um Ihnen einen bedarfsgerechten Versicherungsschutz bieten zu können, fragen wir Sie daher nachfolgend nach Umständen, die Einfluss auf einen möglichen Eintritt des versicherten Risikos haben könnten. Wenn wir Sie nach Ihrer Vertragserklärung, aber vor Vertragsannahme in Textform nach Gefahrumständen fragen, sind auch diese Fragen vollständig und richtig zu beantworten. Falls Sie die gestellten Fragen falsch oder unvollständig beantworten, kann die H. Leben vom Vertrag zurücktreten, ihn anfechten, ihn kündigen, ihn anpassen oder die Leistung verweigern (bitte beachten Sie dazu die ausführlichen Hinweise in der Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht). Wir möchten dies gerne vermeiden, müssten aber bei Verletzung Ihrer vorvertraglichen Anzeigepflicht im Interesse der anderen Versicherungsnehmer davon Gebrauch machen. Bitte tragen Sie durch Ihre Antworten zu einem für Sie dauerhaft wirksamen Versicherungsschutz bei.
..."
Seite 3:
"Bitte lesen Sie unbedingt die Schlusserklärung sowie die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht, die wichtiger Bestandteil dieses Vertrages ist. Sie machen sie mit Ihrer Unterschrift zum Inhalt dieses Antrages."
Seite 7 und 8:
"Schlusserklärung, wichtig für die Antragstellung
Diese Erklärungen gelten für alle Versicherungen:
Datenschutz
..."
In den Versicherungsvertrag sind die "Bedingungen und Informationen BED10A" einbezogen (Bl. 166 ff.).
Das Blanko-Lebensversicherungsbedingungsheft der Beklagten ("BEDINGUNGEN UND INFORMATIONEN BED10A - LEBENSVERSICHERUNG - Bedingungen / Steuerinformationen / Lexikon / Information Anzeigepflicht-Verletzung - Stand 07/2010", Bl. 166 ff.), das auch bei der Klägerin Verwendung fand, ist wie folgt aufgebaut:
- Deckblatt
"BEDINGUNGEN UND INFORMATIONEN BED10A"
- 2. Seite:
"INHALTSVERZEICHNIS"
- 3. Seite:
"KLEINES LEXIKON DER VERSICHERUNGSBEGRIFFE"
- Seite 4 bis 9:
"ALLGEMEINE BEDINGUNGEN FÜR DIE LEBENSVERSICHERUNG / ALB10A"
...
- Seite 67:
"MITTEILUNG NACH § 19 ABS. 5 VVG ÜBER DIE FOLGEN EINER VERLETZUNG DER GESETZLICHEN ANZEIGEPFLICHT"
Das von der Beklagten verwendete Blanko-Bedingungsheft (Bl. 166 ff.) lautet auf Seite 67 auszugsweise wie folgt:
Seite 67:
"MITTEILUNG NACH § 19 ABS. 5 VVG ÜBER DIE FOLGEN EINER VERLETZUNG DER GESETZLICHEN ANZEIGEPFLICHT"
Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde,
...
Welche Folgen können eintreten, wenn eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wird?
1. Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes
...
2. Kündigung
...
3. Vertragsänderung
Können wir nicht zurücktreten oder kündigen, weil wir den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen (Risikoausschluss oder Beitragszuschlag), geschlossen hätten, werden diese auf unser Verlangen Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil. Ein Risikoausschluss des nicht angezeigten Umstands führt insoweit zum Verlust des Versicherungsschutzes. Bei einer schuldlosen Verletzung der Anzeigepflicht verzichten wir auf unser Recht zur Vertragsänderung.
Erhöht sich durch die Vertragsänderung der Beitrag um mehr als 10 % oder schließen wir die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, können Sie den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang unserer Mitteilung über die Vertragsänderung fristlos kündigen. Auf dieses Recht werden wir Sie in unserer Mitteilung hinweisen.
4. Ausübung unserer Rechte
..."
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe im Risikolebensversicherungsvertrag mit BUZ unzutreffende Angaben gemacht. Es liege deshalb eine Anzeigepflichtverletzung gem. § 19 Abs. 1 VVG n.F. vor, weshalb die Beklagte den Versicherungsvertrag nicht zu den Konditionen vom 01.11.2010 (Anlage K 1, Bl. 8 ff.: Versicherungsschein) geschlossen hätte. Die Beklagte sei deshalb berechtigt gewesen, mit Schreiben vom 03.08.2011 eine rückwirkende Vertragsanpassung zum 01.11.2010 gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F. durchzuführen (Anlage K 6, Bl. 31).
Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 23.05.2012 (Anlage K 7, Bl. 37 ff.) die Vertragsanpassung der Beklagten vom 03.08.2011 (Anlage K 6, Bl. 31) zurückgewiesen hatte, focht die Beklagte mit Schreiben vom 17.07.2012 (Anlage K 8, Bl. 36 f.) den Versicherungsvertrag zusätzlich wegen behaupteter arglistiger Täuschung gem. § 22 VVG n.F. i.V.m. § 123 BGB an, weil die Klägerin hinsichtlich ihres psychischen Zustands falsche Angaben gemacht habe, obwohl die Klägerin die unterlassene Angabe aus freien Stücken nachträglich mit Schreiben vom 26.05.2011 (Anlage K 4, Bl. 29) richtiggestellt habe.
Im Übrigen wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung des Fortbestands der Versicherung wegen unwirksamer arglistiger Anfechtungserklärung der Beklagten stattgegeben. Es hat - ohne Antrag der Beklagten im Wege einer Widerklage o. ä. - weiter festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende BUZ-Versicherungsschutz wirksam durch die Vertragsänderung vom 03.08.2011 rückwirkend zum 01.11.2010 angepasst worden ist und die Klage, auch wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin verfolgt die negative Feststellungsklage bezüglich des Versicherungsvertrags hinsichtlich der von der Beklagten erklärten Vertragsanpassung vom 03.08.2011 (Anlage K 6, Bl. 31) weiter, verlangt folglich die Feststellung der unwirksamen Vertragsanpassung und ferner die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.761,08 € nebst Zinsen. Die Vertragsanpassung gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F. sei unwirksam, weil die Beklagte mit Verwendung des Antragsformulars und dem Bedingungsheft "Bedingungen und Informationen BED10A", welches dem von der Beklagten vorgelegten Blanko-Bedingungs- und Informationsheft (Bl. 166 ff.) entspricht, entgegen den Anforderungen in § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. weder formell noch inhaltlich ausreichend über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt habe.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 26. November 2013 (4 O 290/12) wird - soweit es die Klage abgewiesen hat - abgeändert:
1.
Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende Versicherungsvertrag mit der Nr. 1014 149 848-01 nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom 03.08.2011 rückwirkend zum 01.11.2010 angepasst worden ist.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.761,08 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung der Beklagten Bezug genommen (Bl. 223 ff.).
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet, mit Ausnahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung gem. § 256 Abs. 1 ZPO hinsichtlich des Fortbestands des Versicherungsvertrags mit der Nr. 1014 149 848-01, weil dieser nicht durch die Anfechtungserklärung vom 11.06.2012 wirksam beendet wurde.
Der Beklagten stand kein Anfechtungsrecht gem. § 22 VVG n.F. i.V.m. § 123 BGB zu, weshalb der Versicherungsvertrag nicht aufgrund der Anfechtungserklärung der Beklagten vom 11.06.2012 von Anfang an als nichtig anzusehen ist, § 142 Abs. 1 BGB.
Der negative Feststellungstenor des Landgerichts ist hinsichtlich des Fortbestands der Versicherung - der Beklagten stand kein Anfechtungsrecht zu - in Rechtskraft erwachsen; die Beklagte hat gegen ihre teilweise Verurteilung keine Berufung eingelegt. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im landgerichtlichen Urteil zur nicht bestehenden Arglist Bezug genommen.
2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf negative Feststellung gem. § 256 Abs. 1 ZPO, weil die Beklagte den Risikolebensversicherungsvertrag mit BUZ-Versicherung nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom 03.08.2011 (Anlage K 6, Bl. 31) rückwirkend zum 01.11.2010 anpassen durfte. Die Belehrung zu den Anzeigepflichten gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. ist formell unwirksam, weshalb der Beklagten sämtliche Rechte aus einer behaupteten Anzeigepflichtverletzung, insbesondere das Recht einer Vertragsanpassung gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F., nicht zustehen.
a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Belehrung gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. nur dann formell ausreichend, wenn sie durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung in drucktechnisch ausreichendem Maße hervorgehoben hinweist.
Dem Erfordernis einer gesonderten Mitteilung in Textform im Sinne von § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. genügt es, wenn der Versicherer die Belehrung des Versicherungsnehmers in einen Antragsformularbogen aufnimmt, in welchem dem Versicherungsnehmer Fragen zur Aufklärung des Gesundheitszustandes gestellt werden. Die Platzierung und drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text muss sich derart abheben, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist.
Bereits nach altem Versicherungsvertragsrecht war allgemein anerkannt, dass die Belehrung sowohl drucktechnisch als auch hinsichtlich ihrer Platzierung so ausgestaltet werden musste, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen war, sich insbesondere vom übrigen Text desselben Dokuments durch eine andersartige drucktechnische Gestaltung ausreichend abhob. Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Anforderungen bei Übernahme des Belehrungserfordernisses in das neue Versicherungsvertragsgesetz abschwächen wollte. Vielmehr weisen die Gesetzesmaterialien - insbesondere auch zu dem Belehrungserfordernis des § 19 Abs. 5 VVG n.F. - aus, dass die Formerfordernisse der Belehrung mit dem Gebot einer gesonderten Mitteilung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verschärft werden sollten (BGHZ 196, 67 ff., Rn. 24 mit Nachw.; Leverenz, VersR 2008, 709 f.). Lässt man die Aufnahme des Belehrungstextes in ein Fragebogenformular oder ein anderes - Fragen des Versicherers enthaltendes - Schreiben oder Ähnliches zu, ist im Gegenzug weiterhin und vermehrt zu fordern, dass die Belehrung drucktechnisch so gestaltet sein muss, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann (BGHZ 196, 67 ff., Rn. 24; Senat, Urteil vom 13.03.2014 - 7 U 216/13; Senat, Beschluss vom 09.07.2012 - 7 U 23/12 mit NZB-Beschluss des BGH vom 11.09.2013 - IV ZR 253/12; Senat, Urteil vom 26.09.2013 - 7 U 101/13; OLG Naumburg, VersR 2012, 973 f. [OLG Naumburg 23.06.2011 - 4 U 94/10]; OLG Karlsruhe, VersR 2010, 507 ff.; OLG Karlsruhe VersR 2010, 1448 f.; OLG Hamm VersR 2011, 469 ff., Rn. 72 ff.; LG Dortmund, VersR 2010, 465, 467, jeweils zu § 19 Abs. 5 VVG; MünchKomm, VVG, § 28, Rn. 340).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen genügt die hier in Rede stehende Belehrung der Beklagten nicht.
Das von der Beklagten verwendete Antragsformular (Anlage K 3, Bl. 21 ff.) verfügt zwar auf der zweiten Seite über einen Hinweis bezüglich der Folgen einer Anzeigepflichtverletzung und ist mit Fettdruck hervorgehoben. Sie stehen auch im notwendig räumlichen Zusammenhang mit der "Risiko- und Gesundheitserklärung der zu versichernden Person" auf der gleichen Seite.
Insbesondere ist der Hinweis im Antrag auf der zweiten Seite (Bl. 22) nicht zu übersehen:
"Falls Sie die gestellten Fragen falsch oder unvollständig beantworten, kann die H. Leben vom Vertrag zurücktreten, ihn anfechten, ihn kündigen, ihn anpassen oder die Leistung verweigern (bitte beachten Sie dazu die ausführlichen Hinweise in der Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht).
..."
Jedoch ist dieser bei den Gesundheitsfragen nicht zu übersehende Hinweis gem. § 19 Abs. 5 VVG nicht ausreichend, weil er für sich genommen inhaltlich auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung nicht ausreichend hinweist und belehrt.
Der weitere Hinweis vor der Unterschriftsleiste (Seite 3), der ebenfalls fettgedruckt ist, reicht inhaltlich ebenfalls nicht aus:
"Bitte lesen Sie unbedingt die Schlusserklärung sowie die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht, die wichtiger Bestandteil dieses Vertrages ist. Sie machen sie mit Ihrer Unterschrift zum Inhalt dieses Antrages."
Eine materiell und inhaltlich ausreichende Belehrung gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. zur vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung ist auf der dritten Seite des Antragsformulars nicht zu finden.
Der inhaltlich unzureichende Hinweis auf der dritten Seite des Antrags, der wohl auf die "Bedingungen und Informationen BED10A" (Bl. 166 ff.) verweisen soll, ist als Weiterverweisungshinweis jedoch auch in formeller Hinsicht nicht ausreichend. Dieser Weiterverweisungshinweis in Fettdruck ist in keiner Weise geeignet, einen Antragsteller zum Fundort der "Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht" zu führen. Die "Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht" auf der S. 67 des umfangreichen Bedingungswerks "Bedingungen und Informationen BED10A" könnte zwar noch inhaltlich ausreichend sein. Unverzichtbar ist jedoch, dass deutlich im räumlichen Bereich und Zusammenhang der Gesundheitsfragen oder an einer hinreichend exponierten Stelle im Antrag mit genauem Fundort hingewiesen wird.
Die (Weiter-)Verweisungen im Antragsformular sind nicht ausreichend, weil sie den Fundort nicht konkret nennen. Die Verweisung auf der 3. Seite des Antragsformulars, unmittelbar über der Unterschriftszeile für alle Vertragserklärungen des Antragstellers, enthält darüber hinaus zusätzlich weitere Informationen zu anderen wichtigen Erklärungen, hier der "Schlusserklärung" (vgl. im Antrag Seite 7 und 8). Der Weiterverweisungshinweis auf der dritten Seite des Antragsformulars reicht nicht ansatzweise aus, um die Aufmerksamkeit des Lesers in gebotenem Maße auf die 67. Seite des Bedingungswerks "Bedingungen und Informationen BED10A" zu lenken. Diese Weiterverweisung ist aufgrund ihrer äußeren Gestaltung und aufgrund der fehlenden konkreten Benennung des Fundortes nicht einer gesonderten Mitteilung, wie sie das Gesetz fordert, gleichzusetzen.
Auch die Aufführung im "Inhaltsverzeichnis" der "Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht" im Bedingungswerk "Bedingungen und Informationen BED10A" führt zu keiner formellen ausreichenden Belehrung, weil dieser Hinweis ebenfalls nicht hinreichend ist, den ohnehin zweifelhaften und unklaren Weiterverweisungshinweis im Antrag, dort auf S. 3, zu kompensieren. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die "Bedingungen und Informationen BED10A" eine Vielzahl von Versicherungsbedingungen und sonstiger Informationen enthält, weshalb von einer, wenn überhaupt zulässigen, Weiterverweisung in ausreichend drucktechnischer Form keinesfalls auszugehen ist.
An eine Belehrung zu der für einen Versicherungsnehmer zentralen und rechtlich bedeutsamen Belehrung wegen der einschneidenden Rechtsfolgen bei Verletzung von Anzeigepflichten sind bei "Weiterverweisungshinweisen" gesteigerte Anforderungen zu stellen. Der Versicherungsnehmer muss in einem für ihn unbekannten Versicherungsantrag die für ihn wichtigen Hinweise nicht selbst mühsam suchen.
Nach der einhelligen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Belehrung nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n. F. - wie auch bei § 28 Abs. 4 VVG n. F. - so zu platzieren, drucktechnisch zu gestalten und vom übrigen Text hervorzuheben, dass sie für den Versicherungsnehmer "nicht zu übersehen ist". Dies kann bei einer Weiterverweisung auf sonstige Hinweise, wie von der Beklagten gestaltet, nicht ansatzweise gewährleistet werden.
3. Der Klägerin stehen die mit der Klage geltend gemachten Nebenforderungen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.761,08 € gem. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB beziehungsweise gem. § 280 Abs. 1 BGB nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, nicht zu.
a) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist unstreitig nach dem unwirksamen Vertragsanpassungsschreiben der Beklagten vom 03.08.2011 (Anlage K 6, Bl. 31) beauftragt worden. Verzugsvoraussetzungen für einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB zugunsten der Klägerin lagen zur Zeit der Mandatierung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin unstreitig nicht vor, weshalb die Klägerin Ansprüche aus Verzug gem. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB nicht mit Erfolg geltend machen kann. Die Klägerin hätte als Fachkundige das verzugsbegründende Schreiben an die Beklagte selbst fertigen können.
b) Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen eines durch die Beklagte ausgeübten und nicht bestehenden Gestaltungsrechts zu.
Hinreichendes für einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen einer unwirksamen und nicht vertretbaren Ausübung eines Gestaltungsrechts ist im ersten Rechtszug nicht dargetan. Ferner ergeben sich aus der Berufungsbegründung insoweit keine hinreichenden Darlegungen und Angriffe.
Im Übrigen besteht in der Sache keine schadensersatzauslösende und unwirksame Ausübung eines nicht existierenden Gestaltungsrechts. Ein Versicherer hat die Pflichtwidrigkeit gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu vertreten, wenn er die Ausübung des Gestaltungsrechts und damit seine Rechtsposition als plausibel ansehen durfte (vgl. BGHZ 179, 238 f. Rn. 20 ff.). Gemessen an den genannten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung durfte die Beklagte die Ausübung ihrer Gestaltungsrechte als plausibel ansehen. Auf die Ausführungen im landgerichtliche Urteil wird - für die bestehende Plausibilität der geltend gemachten Gestaltungsrechte - Bezug genommen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
Der Berufungsstreitwert in Höhe von 6.300,-- € ergibt sich aus einem auf die Hälfte geschätzten Anteil eines 20 %-igen 3,5-fachen Jahresbetrags der Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsrente in Höhe von 63.000,-- € (18.000,-- €/Jahr x 3,5 Jahre = 63.000,-- €; hieraus 20 % x 1/2 = 6.300,-- €).
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bemisst sich die Beschwer und hier dieser folgend der Gebührenstreitwert bei einer Klage auf Feststellung des Bestehens eines angefochtenen Vertrages über eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, wenn der Versicherungsnehmer keine Ansprüche aus einem Versicherungsfall zur Berufsunfähigkeit geltend macht, in Höhe von 20 % des für eine Klage auf Leistung aus der Versicherung maßgeblichen Werts (BGH VersR 2001, 601 f., [BGH 13.12.2000 - IV ZR 279/99] Rn. 10 a. E.). Die Klägerin macht mit ihrer Berufung jedoch weniger als den Fortbestand der ganzen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wegen unwirksamer Anfechtungserklärung der Beklagten mit der Berufung geltend, weil sie insoweit im ersten Rechtszug bereits obsiegt hat, sondern nur noch einen geringfügigeren Teil wegen der unwirksamen Vertragsanpassung durch die Beklagte. Der Senat bemisst den Streitwert auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dort bei einer Klage auf Feststellung des Bestehens eines angefochtenen Vertrags über Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, auf die Hälfte des der sonst angemessenen 20 % aus der Versicherungssumme bzw. des 3,5-fachen Rentenjahresbetrags (vgl. BGH VersR 2001, 601 f. [BGH 13.12.2000 - IV ZR 279/99] unter Fortführung BGH NJW-RR 1997, 1562).
Der auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.761,08 € nebst Zinsen gerichtete Berufungsantrag erhöht als Nebenforderung den Streitwert nicht.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Rechtsgrundsätze, insbesondere zu drucktechnisch ausreichenden Hinweisen gem. § 19 Abs. 5 und § 28 Abs. 4 VVG n.F., sind durch die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats ausreichend geklärt.