14.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143241
Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 05.05.2014 – 3 U 1543/13
1. Bei Kautionsverpflichtungen handelt es sich um eine versicherungsvertragliche Verpflichtung des Versicherers zugunsten des Gläubigers des Versicherungsnehmers Sicherheiten in Form von Bürgschaften zu gewähren. Er ist grundsätzlich als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 06.07.2006 - IX ZR 121/05 - NJW-RR 2007, 50 = ZIP 2006, 1781ff. = BB 2006,2101ff. = WM 2006, 1814-1817 = ZInsO 2006, 1055 ff., [...] Rn. 8 m.w.N.). Als Geschäftsbesorgung ist jede selbst ändige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen anzusehen, für die ursprünglich der Geschäftsherr selbst zu sorgen hatte, die ihm aber durch den Geschäftsbesorger abgenommen wird.
2. Hat der Kautionsversicherer nach seinen eigenen AVB den Versicherungsnehmer (VN) bei Inanspruchnahme durch den Bürgschaftsgläubiger unverzüglich davon zu unterrichten und ihn aufzufordern, zur Abwehr der Inanspruchnahme innerhalb einer Woche gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen und kommt der VN einer diesbezüglichen Aufforderung nicht nach, ist der Kautionsversicherer berechtigt, Zahlung zu leisten, ohne prüfen zu müssen, ob der geltend gemachte Anspruch gegen den Versicherungsnehmer besteht oder diesem Einwendungen gegen den Anspruch zustehen, sofern nicht die Inanspruchnahme für jedermann offensichtlich oder liquide beweisbar rechtsmissbräuchlich ist. Dem Kautionsversicherer steht ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den VN zu.
Oberlandesgericht Koblenz
Beschl. v. 05.05.2014
Az.: 3 U 1543/13
in dem Rechtsstreit
K. Büro für Bautechnik GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer ...
Beklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...-
gegen
U. GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer ...
Klägerin und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...-
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grünewald, den Richter am Oberlandesgericht
Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Haberkamp am 5. Mai 2014
e i n s t i m m i g
beschlossen:
Tenor:
Der Senat erwägt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 26. November 2013 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
Der Senat erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Der Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 27. Mai 2014. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 KV zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Rückgriffanspruch in Höhe von 9.539,76 € geltend.
Die Klägerin ist gewillkürte Prozessstandschafterin der R. Allgemeine Versicherung AG (im Folgenden: R. Versicherung), des Kautionsversicherers der Beklagten, und macht im eigenen Namen Rechte geltend. Es handelt sich bei ihr, ebenso wie bei der R+V Versicherung, um ein im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 6 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) i.V.m. § 15 AktG mit der R. Versicherung verbundenes Unternehmen. Die R. Versicherung führt die Regressverfahren gegenüber dem Schuldner nicht selber durch, sondern hat diese einschließlich der Zwangsvollstreckung und Langzeitverfolgung an die Klägerin durch fiduziarische Abtretung abgegeben.
Die Beklagte schloss am 14.11.2006 als Auftragnehmerin mit der Bauherrengemeinschaft Axel Holz und Rosemarie Lang als Auftraggeberin einen Bauvertrag für das Bauvorhaben "D. in M." ab. Im Rahmen eines zwischen der Beklagten und der R. Versicherung geschlossenen Kautionssicherungsvertrages, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der R. Versicherung (Anlage K 3, Bl. 45 f. GA) zugrunde lagen, stellte die R. Versicherung der Auftraggeberin der Beklagten am 28.08.2007 eine Bürgschaft für etwaige Mängelansprüche aus dem vorgenannten Bauvertrag in Höhe von 10.000,00 € (Anlage K 2, GA 19). Die Auftraggeberin nahm mit Schreiben vom 14.09.2009 die R. Versicherung wegen nach Abnahme vorhandener Mängel an dem Bauvorhaben in Anspruch. Die R. Versicherung informierte mit Schreiben vom 06.10.2009 die Beklagte darüber und teilte unter Fristsetzung zum 20.10.2009 mit, dass sie den angeforderten Betrag auszahlen müsse, falls die Beklagte die Forderung nicht gerichtlich abwenden würde. Die Beklagte setzte sich daraufhin mit ihrer Auftraggeberin in Verbindung und teilte dies der R. Versicherung mit Schreiben vom 10.10.2009 (GA 41 GA) mit der Bitte mit, die Bürgschaft nicht auszuzahlen.
Die R. Versicherung zahlte nach fruchtlosem Ablauf ihrer gesetzten Frist die Bürgschaftssumme in Höhe von 9.539,76 € aufgrund nachgewiesener Mängelbeseitigungskosten an die Auftraggeberin der Beklagten aus und forderte anschließend die Beklagte vergeblich zur Zahlung des Betrages auf.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob die R. Versicherung die Bürgschaftssumme an die Auftraggeberin der Beklagten hat auszahlen dürfen oder nach dem Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 2009 eine Einigung zwischen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin hätte abwarten müssen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.539,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 4. Januar 2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgem äß verurteilt und zur Begründung seines Urteils ausgeführt, der Klägerin stehe ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsbesorgungsvertrag in Höhe von 9.539,76 € zu. Die R. Versicherung habe einen Rückgriffsanspruch gegen die Beklagte, da sie die Erfüllung der übernommenen Bürgschaft durch Auszahlung an die Auftraggeberin aufgrund des Kautionsversicherungsvertrages für erforderlich halten durfte. Die Auszahlung des Betrages sei aufgrund nachgewiesener Mängelbeseitigungskosten an die Auftraggeberin vorgenommen worden. Es sei nicht ersichtlich, dass die R. Versicherung etwaige Einreden der Beklagten der Auftraggeberin entgegenhalten können. Es habe allerdings keine Bürgschaft auf erste Anforderung ohne Prüfung der materiellen Berechtigung der Auftraggeberin vorgelegen. Die R. Versicherung habe die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung aufgefordert, zur Abwehr der Ansprüche gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen. Diese sei zu der verbürgten Verbindlichkeit angehört worden und habe Gelegenheit gehabt, substantiiert zu etwaigen Einreden vorzutragen, die die R. Versicherung der Auftraggeberin hätte entgegenhalten können. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen. Vielmehr hätten die behaupteten und in der Verantwortung der Beklagten liegenden Mängel unstreitig vorgelegen. Die Beklagte habe im Verlaufe des Rechtsstreits nicht substantiiert vorgetragen, dass der Zahlungsanspruch der Auftraggeberin unbegründet gewesen sei.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Die Beklagte trägt nunmehr unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor,
die R. Versicherung habe mit der Auszahlung des Bürgschaftsbetrages gegen die Pflichten aus dem Kautionsversicherungsvertrag verstoßen. Die R. Versicherung hätte prüfen müssen, ob neben der formellen Ordnungsgemäßheit der Zahlungsaufforderung der Bürgschaftsgläubiger nicht ernsthafte Zweifel an der materiellen Berechtigung der Bauherrengemeinschaft bestanden hätten, um die Gefahr eines Missbrauchs zu ihren, der Beklagten, Lasten auszuschließen. Da es an einer materiellen Berechtigung hinsichtlich der Zahlungsaufforderung gegenüber der Bürgin gefehlt habe, was ohne Weiteres hätte bewiesen werden können, sei die R. Versicherung verpflichtet gewesen, die Zahlung zu verweigern. Die Bauherrengemeinschaft habe sich eines Schadensersatzanspruchs berühmt, ohne ihr, der Auftragnehmerin, Gelegenheit zur Nachbesserung zu gewähren, worauf die R. Versicherung hingewiesen worden sei. Die R. Versicherung hätte das Begehren der Bauherrengemeinschaft zumindest als der derzeit unbegründet zurückweisen müssen.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das Urteil für zutreffend.
II.
Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht hat der Klägerin als Prozessstandschafterin der R. Versicherung zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsbesorgung gemäß §§ 675, 670 BGB zugesprochen.
Bei Kautionsverpflichtungen handelt es sich um eine versicherungsvertragliche Verpflichtung des Versicherers zugunsten des Gläubigers des Versicherungsnehmers Sicherheiten in Form von Bürgschaften zu gewähren. Er ist grundsätzlich als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 06.07.2006 - IX ZR 121/05 - NJW-RR 2007, 50 = ZIP 2006, 1781ff. = BB 2006,2101ff. = WM 2006, 1814-1817 = ZInsO 2006, 1055 ff., [...] Rn. 8 m.w.N.). Als Geschäftsbesorgung ist jede selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen anzusehen, für die ursprünglich der Geschäftsherr selbst zu sorgen hatte, die ihm aber durch den Geschäftsbesorger abgenommen wird (BGH, Urteil vom 06.07.2006, a.a.O, m.w.N.).
Die R. Versicherung stellte der Auftraggeberin der Beklagten (Versicherungsnehmerin) eine Bürgschaft für Ausführungs- und Mängelbeseitigungsansprüche zur Verfügung. Seiner wirtschaftlichen Funktion nach ist der Kautionsversicherungsvertrag mit dem Avalkreditvertrag vergleichbar, der als Geschäftsbesorgungsvertrag einzuordnen ist, soweit sich die Bank zur Übernahme einer Bürgschaft verpflichtet (BGH, Urteil vom 06.07.2006, aaO; BGHZ 95, 375, 380 f. = WM 1985,1387 ff. = ZIP 1985, 1380 ff. = NJW 1986, 310-314 = DB 1986, 323 ff. = BB 1986, 215-220 = MDR 1986, 229 f.). Darüber hinaus dient der Kautionsversicherungsvertrag dazu mit der von ihm zu stellenden Sicherheit für den Versicherungsnehmer den Liquiditätsspielraum bei dessen Hausbank freizustellen.
Der R. Versicherung steht ein Rückgriffsanspruch gegen die Beklagte aus der unter dem 28.08.2007 übernommenen Bürgschaft nach Auszahlung an die Auftraggeberin unter Beachtung des Kautionsversicherungsvertrages zu.
Gemäß § 6 Nr. 1 a AVB KTV-plus (im Folgenden: AVB) hat der Kautionsversicherer den Versicherungsnehmer bei Inanspruchnahme durch den Bürgschaftsgläubiger unverzüglich davon zu unterrichten und ihn aufzufordern, zur Abwehr der Inanspruchnahme innerhalb einer Woche gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen. Kommt der Versicherungsnehmer dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach oder sind die ergriffenen Maßnahmen erfolglos geblieben, ist die R. Versicherung berechtigt, Zahlung zu leisten, ohne prüfen zu müssen, ob der geltend gemachte Anspruch gegen den Versicherungsnehmer besteht oder diesem Einwendungen gegen den Anspruch zustehen, sofern nicht die Inanspruchnahme für jedermann offensichtlich oder liquide beweisbar rechtsmissbräuchlich ist.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die R. Versicherung hat die Auszahlung des Betrages aufgrund nachgewiesener Mängelbeseitigungskosten (GA 16) an die Auftraggeberin der Beklagten vorgenommen. Sie hatte der Beklagten zuvor erfolglos mit Schreiben vom 06.10.2009 eine Frist bis zum 20.10.2009 gesetzt, Ansprüche der Bauherrengemeinschaft gerichtlich abzuwehren. Dem war die Beklagte nicht nachgekommen.
Hinzu kommt, dass gemäß § 6 Nr. 2 AVB der Versicherungsnehmer ausdrücklich gegenüber dem Kautionsversicherer auf Einwendungen gegen Grund, Höhe und Bestand der geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Bereits deshalb vermag die Beklagte mit ihren Einwendungen nicht durchzudringen und bestand auf der Grundlage der AVB von den Fällen des Rechtsmissbrauchs abgesehen keine Verpflichtung der R. Versicherung sich damit auseinanderzusetzen.
Ungeachtet dessen enthält das Schreiben der Beklagten vom 10.10.2009 (GA 41) keinen substantiierten Vortrag hinsichtlich Einwendungen, die die R. Versicherung
der Bauherrengemeinschaft Axel H. und Rosemarie L. gemäß § 768 Abs.1 S. 1 BGB hätte erfolgreich entgegensetzen können. Die in der Verantwortung der Beklagten stehenden Mängel lagen unstreitig vor. Die Ankündigung der Beklagten im Schreiben vom 10.10.2009, dass sie die Arbeiten ausführen lassen werde, ist ohne Benennung des ausführenden Unternehmens und einer zeitlichen Vorgabe zu unbestimmt. Darauf musste sich die R. Versicherung nicht einlassen. Der Hinweis in dem vorgenannten Schreiben, dass man urlaubsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, die Arbeiten ausführen zu lassen, enthält keine erfolgversprechende Einwendung, die die R. Versicherung der Bauherrengemeinschaft hätte entgegenhalten können. Nach den AVB war sie dazu auch nicht verpflichtet.
Die Berufung (BB 2, GA 97) rügt deshalb ohne Erfolg, dass die Bauherrengemeinschaft ihr keine Gelegenheit zur Nachbesserung gewährt habe. Dem Schreiben der Beklagten vom 10.10.2009 ist diese Einwendung zudem schon gar nicht zu entnehmen. Es heißt dort lediglich allgemein, dass ein Angebot eines hiesigen Unternehmens vorliege und dass man die Arbeiten ausführen lasse.
Dass die Inanspruchnahme der R. Versicherung für jedermann offensichtlich oder liquide beweisbar rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 6 a) AVB war, ist dem Vortrag der Beklagten nicht ansatzweise zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.
Die Berufung der Beklagten hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.
Der Senat beabsichtigt den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 9.539,76 € festzusetzen.