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  • 21.01.2015 · IWW-Abrufnummer 143670

    Verwaltungsgericht Aachen: Beschluss vom 04.06.2014 – 2 L 294/14

    Niederschrift des Urkundsbeamten erhoben werden kann.

    Keine Verpflichtung der Straßenverkehrsbehörde zur Nachforschung, wenn ein Versicherungsunternehmen das Erlöschen einer bislang bestehenden Haftpflichtversicherung anzeigt


    Verwaltungsgericht Aachen

    2 L 294/14

    Tenor:

    I. Der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung wird abgelehnt.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

    II. Der Streitwert wird auf 1.250.- € festgesetzt.

    Gründe:

    2

    I.

    3

    Der Antragsteller ist Halter des PKW E. -D. mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX, das zunächst bei der S. B. Versicherung AG versichert war. Mit Schreiben vom 16. April 2014 teilte das Versicherungsunternehmen dem Antragsgegner mit, dass am 12. April 2014 der Versicherungsschutz für das in Rede stehende Fahrzeug erloschen ist.

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    Mit Ordnungsverfügung vom 16. April 2014, die dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde am 19. April 2014 persönlich ausgehändigt wurde, wurde ihm der Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr mit sofortiger Wirkung untersagt und ihm aufgegeben, dem Straßenverkehrsamt unverzüglich den Fahrzeugschein/Zulassungsbescheinigung Teil I und die Kennzeichenschilder für das Fahrzeug zur Abmeldung vorzulegen. Die Maßnahme werde eingestellt, wenn die Versicherung eine Bestätigung über den neuen Versicherungsschutz elektronisch übermittle. Falls der Antragsteller diese Ordnungsverfügung nicht innerhalb von 8 Tagen ab Ausstellungsdatum befolge, werde mit Blick auf den fehlenden Versicherungsschutz die Zwangsstillegung durch Entstempelung der Kennzeichen erfolgen sowie die Entwertung des Fahrzeugscheins/der Zulassungsbescheinigung Teil I durchgeführt. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet, weil die Benutzung eines unversicherten Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Bei einem Unfall hafte die Versicherungsgesellschaft eventuell nicht und den Geschädigten würde der ihnen entstandene Schaden nicht erstattet. Es sei Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde, die anderen Verkehrsteilnehmer vor dieser Gefahrensituation zu schützen.

    5

    Am 6. Mai 2014 wurde das Fahrzeug um 14.20 Uhr vom Außendienst des Straßenverkehrsamtes des Antragsgegners vor dem Haus des Antragstellers entstempelt. Anschließend wurde das Fahrzeug von Amts wegen abgemeldet.

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    Mit Gebührenbescheid vom 8. Mai 2014, der dem Antragsteller durch Niederlegung am 9. Mai 2014 zugestellt wurde, setzte der Antragsgegner die Gebühren für die Ordnungsverfügung vom 16. April 2014 und die Vollstreckungsmaßnahmen auf 118,56 € fest.

    7

    Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 23. April 2014 um Eilrechtsschutz gegen den nur mit dem Aktenzeichen bezeichneten Verwaltungsakt nachgesucht. Er hat trotz wiederholter Aufforderung weder die angegriffene Ordnungsverfügung noch eine Begründung für sein Rechtsschutzbegehren vorgelegt. Nach Eingang des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners am 19. Mai 2014 hat die für das Straßenverkehrsrecht zuständige 2. Kammer die Sache am 22. Mai 2014 in ihren Zuständigkeitsbereich übernommen.

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    Der Antragsteller beantragt,

    9

    die Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 16. April 2014.

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    Der Antragsgegner beantragt,

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    den Antrag abzulehnen.

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    Er ist der Auffassung, das ordnungsbehördliche Verfahren habe sich mit der Entstempelung der Kennzeichen und der Abmeldung des Fahrzeugs von Amts wegen erledigt. Im Übrigen hält er die angefochtene Ordnungsverfügung vom 16. April 2014 für rechtmäßig.

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    Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und die Gerichtsakte Bezug genommen.

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    II.

    15

    Der Antrag hat keinen Erfolg.

    16

    Die Kammer versteht das nicht begründete Antragsbegehren dahin, dass der Antragsteller um Rechtsschutz gegen die in der Ordnungsverfügung vom 16. April 2014 nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnete (sofortige) Vollziehung nachsucht. Bei verständiger Würdigung des Rechtsschutzgesuchs geht es dem Antragsteller wohl darum, dass die in der Ordnungsverfügung getroffenen Regelungen - wie die Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr mit sofortiger Wirkung sowie die Entstempelung der Kennzeichen und die Abmeldung des Fahrzeugs - keine sofortige Wirksamkeit entfalten und vor dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheides die Behörde keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn ergreifen kann. In solchen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels gegen den streitigen Verwaltungsakt wiederherstellen.

    17

    Es ist dabei ohne Bedeutung, dass der Antragsteller bislang keine Anfechtungsklage gegen die Ordnungsverfügung vom 16. April 2014 erhoben hat. Denn der vorliegende Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 2 schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig.

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    Dem Rechtsschutzgesuch des Antragstellers kann auch nicht der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses entgegengehalten werden, weil die angegriffene Ordnungsverfügung bestandskräftig geworden sei. Denn die Rechtsmittelfrist läuft wegen der Fehlerhaftigkeit der der Ordnungsverfügung vom 16. April 2014 beigefügten Rechtsmittelbelehrung nach § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr nach Zustellung des genannten streitbefangenen Bescheides. Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel nur zu laufen, wenn der Adressat über die in dieser Vorschrift zwingend genannten Voraussetzungen des einzulegenden Rechtsbehelfs zutreffend belehrt worden ist. Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft, wenn ihr ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die (formellen und materiellen) Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsmittels hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf einzulegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehört dazu die Formulierung in der Rechtsbehelfsbelehrung der Ordnungsverfügung vom 16. April 2014 "Die Klage ist schriftlich … einzulegen", ohne den Hinweis, dass nach § 81 Abs. 1 VwGO die Klage auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts erhoben werden kann.

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    Vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Dezember 1978 - 6 C 77/78 -, BVerwGE 57 , 188 ff. = NJW 1979, 1670.

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    Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Antragsgegners, die streitbefangene Ordnungsverfügung habe sich durch die Entstempelung der Kennzeichen und die Abmeldung des Fahrzeugs von Amts wegen erledigt, zutreffend ist. Es kann weiter offen bleiben, ob mit dieser Erledigung für das vorliegende Rechtsschutzgesuch das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist.

    21

    Denn selbst wenn man die Frage der Erledigung des Verfahrens zu Gunsten des Antragstellers verneinen würde, so wäre der Antrag letztlich nicht begründet, weil bei der im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes und dem Individualinteresse des Betroffenen an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung vorliegend das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt. Die angefochtene Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 16. April 2014 ist bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung offensichtlich rechtmäßig.

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    Die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16. April 2014 getroffenen Anordnungen der Betriebsuntersagung und zur Vorlage der Zulassungsbescheinigung und des Kennzeichens zum Zwecke der Außerbetriebsetzung beruhen auf §§ 5 i.V.m. 25 Abs. 4 und 3 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV). Diese Anordnungen waren auch rechtmäßig. Gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 FZV ist die Zulassungsbehörde verpflichtet, unverzüglich die Außerbetriebsetzung eines Fahrzeugs anzuordnen, wenn sie durch eine Anzeige des Haftpflichtversicherers nach § 25 Abs. 1 FZV oder auf andere Weise erfährt, dass für das fragliche Kraftfahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Haftpflichtversicherung mehr besteht. Die Pflicht, Maßnahmen zur Stilllegung eines nicht oder nicht mehr versicherten Fahrzeugs zu ergreifen, wird bereits durch den Eingang der Mitteilung des Versicherungsunternehmens ausgelöst, bei dem das Fahrzeug nach dem Kenntnisstand der Zulassungsbehörde zuletzt versichert war. Im Interesse der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer hat die Behörde in diesem Fall unverzüglich einzuschreiten. Sie ist grundsätzlich weder verpflichtet, die objektive Richtigkeit der Mitteilung zu überprüfen, noch den Halter vor Erlass der Stilllegungsverfügung anzuhören. Diese Grundsätze sind in der Rechtsprechung geklärt,

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    vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1992 ‑ 3 C 2/90 ‑, NJW 1993, 1217 (zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 29 d StVZO); Bay.VGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2008 ‑ 11 ZB 08/188 ‑ und vom 9. November 2009 ‑ 11 C 09/2579 ‑, jeweils juris; OVG Saarland, Beschluss vom 3. Februar 2009 ‑ 1 B 10/09 ‑, juris; Nds.OVG, Beschluss vom 27. Juni 2006 ‑ 12 LA 204/05 ‑, juris.

    24

    Danach und nach dem vorliegenden Verwaltungsvorgang ist die Ordnungsverfügung vom 16. April 2014 nicht zu beanstanden. Dem Antragsgegner war bekannt, dass der Antragsteller bei der S. B. Versicherung AG versichert war. Mit Eingang der weiteren Mitteilung bzw. Übermittlung der Daten der S. B. Versicherung, wonach seit dem 12. April 2014 keine Versicherung mehr bestand, war der Antragsgegner zum Tätigwerden verpflichtet. Die Pflicht der Behörde, Maßnahmen nach § 25 Abs. 4 FZV zu ergreifen, wird grundsätzlich auch durch irrtümliche bzw. unrichtige Mitteilungen eines Haftpflichtversicherers ausgelöst. Die Behörde braucht deshalb grundsätzlich nicht durch Rückfrage beim Versicherer oder beim Fahrzeughalter zu überprüfen, ob die Anzeige zu Recht erstattet worden ist,

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    vgl. obige Rechtsprechungsnachweise und BVerwG, Beschluss vom 24. September 1991 ‑ 3 B 45/91 ‑ und vom 29. November 1974 ‑ 7 C 66/72 ‑, jeweils juris.

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    Das Einschreiten der Behörde nach § 25 Abs. 4 Satz 1 FZV setzt im Übrigen nicht eine Anzeige in der in Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift beschriebenen Form (Muster in Anlage 11 Nr. 5) voraus. Die Anzeige kann nach § 25 Abs. 1 Satz 2 FZV auch entsprechend § 23 Abs. 3 Satz 1 – 4 FZV elektronisch übermittelt werden. Im Übrigen ist ausreichend, dass die Behörde „auf andere Weise“ Kenntnis von der fehlenden Haftpflichtversicherung erlangt. Die von der S. B. Versicherung im elektronischen Verfahren übermittelten Daten waren eindeutig und bezogen sich auf die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung des Antragstellers. Ihnen war ein fehlender Versicherungsschutz ab den 12. April 2014 zu entnehmen.

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    Schließlich ist es für den Ausgang des Verfahrens ohne Bedeutung, das zum Zeit-punkt der Durchsetzung der Ordnungsverfügung vom 16. April 2014, das war am 6. Mai 2014, der vorliegende Eilantrag schon rechtshängig war. Denn das Gericht konnte vor der Umsetzung der Vollstreckungsmaßnahmen den streitbefangenen Bescheid nicht einer vorherigen rechtlichen Überprüfung unterziehen, da der Antragsteller trotz entsprechender Aufforderung und Erinnerung weder den angegriffenen Bescheid vorgelegt noch sein Begehren in irgendeiner Form erläutert hatte.

    28

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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    Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Sie richtet sich an der Praxis der Kammer in vergleichbaren Fällen aus und entspricht den Vorgaben der Zif. 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dort ist für das Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 2.500 € vorgesehen; in Eilverfahren ist dieser Betrag auf die Hälfte zu reduzieren, da die Beteiligten nur um eine vorläufige Regelung streiten.

    RechtsgebieteVwGO, FZVVorschriftenVWGO § 58; VwGO § 80 Abs 5; FZV § 5; FZV § 25 Abs 3; FZV § 25 Abs 4; FZV § 25 Abs 1