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  • 10.08.2016 · IWW-Abrufnummer 187872

    Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 25.04.2016 – 7 U 215/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Aktenzeichen: 7 U 215/15
    3 O 201/15 LG Stuttgart
                   
    Oberlandesgericht Stuttgart
    7. ZIVILSENAT

    Im Namen des Volkes         

    Urteil

    In dem Rechtsstreit
    xxx
    wegen Forderung

    hat das Oberlandesgericht Stuttgart - 7. Zivilsenat - durch

    den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht              ,
    den Richter am Oberlandesgericht            und
    den Richter am Landgericht

    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2016

    für Recht erkannt:

    1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.11.2015 (Az. 3 O 201/15) abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.366,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.04.2015 sowie weitere 4.781,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.04.2015 zu bezahlen
     
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

    2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    4. Die Revision wird nicht zugelassen.

    5. Streitwert in beiden Instanzen: 5.366,90 €.

    G r ü n d e :

    I.

    Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

    II.

    Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache weitgehend Erfolg.

    1.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Deckung hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Abwehr der gegen die Klägerin vor dem Landgericht München I erhobenen Ansprüche aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag über eine Betriebshaftpflichtversicherung zu.

    a.
    Gemäß Ziff. I 1.1, 3.1.1 der dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB; Anl. K 1) i.V.m. Ziff. I der Besonderen Bedingungen und Erläuterungen zur Haftpflichtversicherung von Betrieben des produzierenden Gewerbes / der Industrie (RBE; Anl. K 1) ist die gesetzliche Haftpflicht aus den im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Risiken des Versicherungsnehmers aus dessen Betrieb versichert.

    Hier liegt sowohl ein vom Versicherungsschutz umfasster Anspruch als auch ein versichertes Risiko vor.

    aa.
    Die Klägerin wird vom                                      vor dem Landgericht München I auf Zahlung von 793.636,53 € mit der Behauptung in Anspruch genommen, die seitens der Klägerin zur Ausführung der gemäß Ziff. 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses (Anl. K 6) geschuldeten

    Fassadeneinmessungsarbeiten als Subunternehmerin eingesetzte           GbR habe das Flachdach eines anderen, ebenfalls im Eigentum des                                stehenden Gebäudes beschädigt.

    Hierbei handelt es sich um einen vom Versicherungsschutz umfassten Anspruch. Ein Ausschluss gemäß Ziff. I 1.2.1 AHB besteht nicht. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Der Ausschluss gemäß Ziff. I 1.2 AHB erfasst nicht Schäden, die über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, etwa weil sie wegen mangelhafter Leistung an anderen Rechtsgütern des Vertragspartners des Versicherungsnehmers oder eines Dritten entstanden sind (vgl. BGHZ 43, 88; Prölss/Martin: VVG. 29. Aufl. 2015. Ziff. 1 AHB Rn. 48). Da das angeblich beschädigte Flachdach nicht zu dem vom Auftrag der Klägerin umfassten Gebäude gehörte, liegt eine Beschädigung des sonstigen Eigentums der Auftraggeberin bei der Ausführung des Bauvertrages vor, weshalb eine Haftung auf Schadensersatz neben der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 278 BGB bzw. aus § 831 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Gemäß Ziff. III 1.11 RBE ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus der Beauftragung von Subunternehmern mitversichert.

    bb.
    Die als schadensursächlich behaupteten Vermessungsarbeiten stellen auch ein versichertes Risiko dar.

    aaa.
    Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH VersR 2016, 45; ständige Rechtsprechung).

    Das versicherte Risiko einer Betriebshaftpflichtversicherung bilden grds. nur die im Versicherungsschein angegebenen Eigenschaften, Rechtsverhältnisse oder Tätigkeiten des Versicherungsnehmers. In den Schutzbereich fallen insoweit alle Tätigkeiten, die in innerem ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten Betrieb stehen, wenn das zu deckende Wagnis betriebsbezogen ist (vgl. BGH VersR 1987, 1181; OLG München VersR 1982, 665; Prölss/Martin a.a.O. Ziff. 3 - 7.1.1 BetrH AT Rn. 3). Zu berücksichtigen ist, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der seine betriebliche Tätigkeit gegen Haftpflichtrisiken versichert, mit seinem Versicherungsantrag regelmäßig zum Ausdruck bringen will, dass nicht ein bestimmtes Berufsbild oder Betriebsmodell unabhängig von seiner tatsächlichen Ausgestaltung versichert werden soll, sondern seine gewöhnliche Tätigkeit bzw. sein realer Betrieb (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2010, 1589).

    bbb.
    Im Versicherungsschein vom 21.01.2010 (Anl. B 1) sind als versicherte Risiken hinsichtlich des Betriebs der Klägerin angegeben:

    „Herstellung, Lieferung, Montage von und Handel mit Betonfertigteilen und Betonwaren; Kranarbeiten; Generalunternehmer“.

    Dies darf der Versicherungsnehmer so verstehen, dass auch die fraglichen Vermessungsarbeiten als notwendige Vorarbeiten vom Versicherungsschutz umfasst sind.

    Der von der Klägerin übernommene Bauauftrag gegenüber dem umfasste die Herstellung einer Fertigteilfassade für ein Gebäude (vgl. Anl. K 6). Nach Ziff. 1.2 des Leistungsverzeichnisses gehörten hierzu „vorbereitende Leistungen“, insbesondere gemäß Ziff. 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses die Fassadeneinmessung. Diese ist u. a. beschrieben als „Vermessung der Bestandsfassade am gesamten Gebäude zur exakten Darstellung der Lage von bestehenden Loggienrahmen als Grundlage für die Planung der Fertigteilelemente ...“.

    Aus dem Wortlaut dieser Beschreibung ergibt sich, dass es sich hierbei nicht um eine allgemeine, von Herstellung und Montage der Betonfertigteile losgelöste Planungsleistung handelt, sondern um eine vorbereitende Tätigkeit, die dem Zweck der passgenauen Herstellung der klägerseits geschuldeten Betonfertigteile dient. Auch gehört nach der - inhaltlich nicht bestrittenen - Stellungnahme des Fachverbandes
    vom 26.10.2015 (Anl. K 10) zur erforderlichen Planung des Fertigteilwerks im Vorfeld zwingend auch ein Aufmaß des Bestandes, um die Geometrie der Teile sowie die tragenden Verankerungen am Bestand technisch richtig planen zu können. Diese Vermessungs- und Planungsleistungen stellen danach notwendige Vorarbeiten zur Herstellung eines Betonfertigteiles dar, welche üblicherweise von den Herstellwerken mit ausgeführt werden.

    Nachdem somit die Fassadeneinmessung gemäß Leistungsverzeichnis zwingend erforderlich ist, um die vom versicherten Risiko ausdrücklich umfassten Tätigkeiten der Herstellung, Lieferung und Montage der Betonfertigteile erbringen zu können, steht die Vermessung nach ihrem Zweck in innerem Zusammenhang mit den beschriebenen Risiken. Daher muss der Versicherungsnehmer die Beschreibung im Versicherungsschein so verstehen, dass zur Ausführung der ausdrücklich genannten Tätigkeiten zwingend notwendige Vorbereitungsarbeiten ebenfalls vom Versicherungsschutz umfasst sind.

    ccc.
    Soweit unter Ziff. 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses die dort beauftragte Fassadeneinmessung nicht nur als Grundlage für die Planung der Fertigteilelemente, sondern auch als „weiterführende Planungsgrundlage für das Gewerk vorgehängte Faserzementfassade ...“ beschrieben wird, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Denn nach dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses sollen die zu ermittelnden Maße lediglich als weiterführende Planungsgrundlage für ein anderes Gewerk, jedoch nicht selbst als Planung desselben dienen.

    ddd.
    Dass die Klägerin die Vermessungsarbeiten nicht selbst durchgeführt, sondern hierfür mit der   GbR eine Subunternehmerin eingesetzt hat, ist unschädlich, da gemäß Ziff. III 1.11 RBE die Betriebshaftpflichtversicherung auch die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus der Beauftragung von Subunternehmern deckt.

    eee.
    Auch die Höhe der für die Vermessungsarbeiten gemäß Ziff. 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses vorgesehenen Vergütung von 29.550,00 € netto bzw. 35.164,50 € brutto spricht nicht für die Annahme einer nicht vom Versicherungsschutz umfassten eigenständigen Planungsleistung. Zu sehen ist, dass sich das gesamte Auftragsvolumen der Klägerin auf 2.578.935,67 € brutto beläuft. Die Bruttoauftragssumme für die Fassadeneinmessung von 35.164,50 € stellt lediglich 1,36 % der gesamten Auftragssumme dar.

    b.
    Nachdem die fragliche Vermessungstätigkeit somit bereits von den versicherten Risiken der Herstellung, Lieferung und Montage von Betonfertigteilen umfasst ist, kann dahinstehen, ob daneben das versicherte Risiko der Tätigkeit als Generalunternehmer eingreift.

    c.
    Ein Ausschluss der als schadensursächlich behaupteten Vermessungstätigkeit vom Versicherungsschutz besteht im Ergebnis nicht.

    aa.
    Zwar greift der Ausschlusstatbestand der Ziff. I 7.7.2 AHB ein. Danach sind Schäden an fremden Sachen - also an solchen, die nicht dem Versicherungsnehmer gehören (vgl. Prölss/Martin a.a.O. Ziff. 7 AHB Rn. 38) - ausgeschlossen, die dadurch entstehen, dass der Versicherungsnehmer diese Sachen zur Durchführung seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit benutzt hat.

    Hier hat der Versicherungsnehmer über den zur Ausführung der Vermessungstätigkeit eingeschalteten Subunternehmer das Flachdach eines im Eigentum der Auftraggeberin stehenden Gebäudes benutzt, um seinen sich auf ein anderes Gebäude der Auftraggeberin beziehenden Bauauftrag auszuführen, da das beschädigte Flachdach als Standort zur Durchführung der Vermessung des vom Auftrag umfassten Gebäudes verwendet worden war.

    Eine solche Tätigkeit fällt unter den Anwendungsbereich der Ziff. I 7.7.2 AHB. Diese Ziffer ist zwar nicht anwendbar, wenn Böden, Treppen oder Wege durch ihre gewöhnliche Benutzung geschädigt werden, die dem Einzelnen nicht als besonderer Vorgang ins Bewusstsein dringt, z. B. durch Begehen mit genagelten Schuhen (vgl. Späte/Schimikowski: AHB. 2. Aufl. 2015. Ziff. 7 AHB Rn. 218). Ist hingegen bei natürlicher Betrachtungsweise eine instrumentale Verwendung der fremden Sache anzunehmen, so kommt Ziff. I 7.7.2 AHB bei Beschädigung der Sache zum Zuge. Wird insbesondere ein Gebäudedach als Arbeitsbühne benutzt und dabei beschädigt, so ist es Ausschlussobjekt (vgl. OLG München VersR 1975, 608; Späte/Schimikowski a.a.O. Rn. 219 + 221; Prölss/Martin a.a.O. Ziff. 7 AHB Rn. 76).

    Letzteres ist hier der Fall. Die Subunternehmerin der Klägerin soll bei ihrer Vermessungstätigkeit ihre mit langen Dornen bewehrten Vermessungsgeräte (Theodoliten) in das Flachdach des Gebäudes             gebohrt und dieses dadurch beschädigt haben. Eine derartige Tätigkeit geht über die gewöhnliche Benutzung eines Flachdaches hinaus und stellt vielmehr eine instrumentale Verwendung dar.

    bb.
    Abweichend von Ziff. I 7.7.2 AHB ist jedoch diese Tätigkeit gemäß Ziff. III 8.3.1 zweiter Spiegelstrich RBE vom Versicherungsschutz umfasst, wobei gemäß Ziff. III 8.3.4 RBE in Verbindung mit den Besonderen Vereinbarungen und Bestimmungen gemäß S. 5 des Versicherungsscheins (Anl. B 1) die Höchstersatzleistung für derartige Tätigkeitsschäden auf 250.000,00 € je Versicherungsfall begrenzt ist.

    d.
    Die geltend gemachten gerichtlichen Anwaltsgebühren (eine 1,3-Verfahrensgebühr nebst 20,00 € Pauschale netto) in Höhe von 5.366,90 € sind als Kosten der Abwehr unberechtigter Ansprüche gemäß Ziff. I 5.1 AHB zu erstatten.

    aa.
    Unstreitig hat die Klägerin im Verfahren vor dem Landgericht München I bereits die o. g. Anwaltsgebühren in Höhe von 5.366,90 € aufgewandt. Diese werden von der Deckungspflicht der Beklagten erfasst, nachdem es im Deckungsprozess auf die Frage, ob die erhobenen Schadensersatzansprüche tatsächlich im Ergebnis unberechtigt sind, nicht ankommt. Vielmehr wird nur geprüft, ob der Geschädigte gegen den Versicherungsnehmer von der Versicherung umfasste Schadensersatzansprüche geltend macht und diese in den zeitlichen, räumlichen und sachlichen Umfang des versicherten Risikos fallen. Dabei ist auf die Behauptung eines Haftpflichtfalles abzustellen, ohne dass dabei geprüft werden darf, ob ein Anspruch des Geschädigten begründet ist oder nicht (vgl. BGH VersR 2001, 90; OLG Hamm VersR 2012, 985).

    bb.
    Eine Kürzung der geltend gemachten Kosten ist nicht vorzunehmen.

    aaa.
    Zwar bestimmt Ziff. I 6.6 AHB, dass der Versicherer die Prozesskosten im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der Ansprüche trägt, wenn die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen.

    Dies ist hier jedoch - derzeit - nicht der Fall. Ziff. I 6.6 AHB regelt die Kostentragungspflicht für Prozesskosten nur für den Fall, dass die begründeten Haftpflichtansprüche aus einem Versicherungsfall die Versicherungssumme übersteigen. Sie stellt damit klar, dass eine Quotierung nur in Betracht kommt, wenn die begründeten - nicht die erhobenen - Ansprüche die Versicherungssumme übersteigen. Nur in einem solchen Fall sind die Kosten zu quotieren (vgl. Prölss/Martin a.a.O. Ziff. 6 AHB Rn. 20; van Bühren: Handbuch Versicherungsrecht. 5. Aufl. 2012. § 9 Rn. 68). Dies bedeutet, dass in dem Fall, in dem die an den Versicherungsnehmer herangetragenen, noch nicht als berechtigt feststehenden Schadensersatzansprüche die Versicherungssumme übersteigen, der Versicherer zunächst gleichwohl Rechtsschutz in vollem Umfang gewähren muss. Bleibt die Rechtsverteidigung im Ergebnis erfolglos, ist eine anteilige Kürzung der Rechtsverteidigungskosten bei der Gesamtabrechnung des Schadens vorzunehmen (vgl. van Bühren a.a.O. § 9 Rn. 68).

    Dass gegen die Klägerin vor dem Landgericht München I Schadenersatzansprüche in Höhe von knapp 800.000,00 € erhoben werden, für die eine Deckung gemäß den Besonderen Vereinbarungen und Bestimmungen auf S. 5 des Versicherungsscheines auf 250.000,00 € je Versicherungsfall begrenzt ist (s. o. Ziff. II 1 c bb), spielt somit keine Rolle, da noch nicht feststeht, ob und ggf. in welcher Höhe die erhobenen Schadensersatzansprüche begründet sind.

    bbb.
    Einen Selbstbehalt muss sich die Klägerin nicht anrechnen lassen. Zwar ist gemäß Ziff. III 8.3.5 RBE i.V.m. Ziff. I 6.4 AHB für Tätigkeitsschäden ein Selbstbehalt des Versicherungsnehmers von 10 %, mindestens 100,00 €, höchstens 2.500,00 €, vereinbart. Nach der ausdrücklichen Formulierung dieser Ziffern betrifft der Selbstbehalt jedoch nur eine Schadensersatzleistung und gilt daher nicht für Kosten. Für die Abwehr der Zahlung einer Schadensersatzleistung muss der Versicherer daher auch bei Vereinbarung eines Selbstbehaltes die Kosten in vollem Umfang übernehmen (vgl. Prölss/Martin a.a.O. Ziff. 6 AHB Rn. 17).

    2.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte ferner ein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 3, 286 Abs. 1, 249 ff. BGB zu, jedoch nicht im beantragten Umfang, sondern lediglich in Höhe von 4.781,90 €.

    a.
    Nachdem die Beklagte mit E-Mail vom 27.01.2015 (Anl. K 4) die Gewährung von Versicherungsschutz gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ernsthaft und endgültig verweigert hatte, befand sie sich mit ihrer Pflicht zur Gewährung von Deckungsschutz aus dem Versicherungsvertrag ohne weitere Mahnung in Verzug. Unstreitig wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin danach außergerichtlich mit der Prüfung des Deckungsumfanges beauftragt. Die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltsgebühren hierfür in Höhe einer 1,3 - Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale netto sind daher dem Grunde nach als Verzugsschaden erstattungsfähig.

    b.
    Der Höhe nach besteht lediglich ein Anspruch auf Ersatz von 4.781,90 €.

    Maßgeblich für die Gebührenhöhe ist der zutreffende Gegenstandswert. Nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften, soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 RVG gelten diese Wertvorschriften entsprechend für

    die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte.

    Letzteres ist hier der Fall. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war außergerichtlich mit der Prüfung des Deckungsumfangs nach zuvor erfolgter Ablehnung der Deckung seitens der Beklagten gegenüber der Klägerin beauftragt worden. Die Prüfung des Deckungsumfangs bezog sich auf den Prozess vor dem Landgericht München I, welcher die Veranlassung für die abgelehnte Deckungsanfrage der Klägerin bei der Beklagten bildete. In diesem Prozess werden gegen die Klägerin Ansprüche in Höhe von 793.636,53 € geltend gemacht. Die Prüfung des Deckungsumfanges könnte im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 3 RVG in ein gerichtliches Verfahren einmünden und damit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Im gegenwärtigen Stadium, in welchem noch keine rechtskräftige Entscheidung über Bestehen oder Nichtbestehen der gegen die Klägerin seitens des                             erhobenen Forderung vorliegt, könnte ein solches gerichtliches Verfahren jedoch allenfalls eine Klage der Klägerin gegen die Beklagte auf Feststellung sein, dass die Beklagte wegen der vor dem Landgericht München I gegen die Klägerin erhobenen Forderung Versicherungsschutz zu gewähren habe (vgl. BGH VersR 1981, 173; van Bühren a.a.O. § 9 Rn. 129). Der Streitwert einer solchen Feststellungsklage beläuft sich auf die Höhe der gegen die Klägerin erhobenen Hauptforderung abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 % (vgl. OLG Hamm VersR 2012, 985; Schneider/Herget: Streitwertkommentar. 14. Aufl. 2016 Rn. 2413; Prölss/Martin a.a.O. § 100 VVG Rn. 57).

    Nachdem gegen die Klägerin eine Hauptforderung in Höhe von 793.636,53 € erhoben wird, beliefe sich der Streitwert einer entsprechenden Feststellungsklage gegen den Versicherer auf 634.909,22 €. Eine 1,3 - Geschäftsgebühr aus diesem Gegenstandswert zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,00 € ergibt ersatzfähige außergerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 4.781,90 € netto.

    3.
    Die Verzinsung der ersatzfähigen Beträge hatte gemäß §§ 291, 288 Abs. 2 BGB jeweils ab dem 07.04.2015 zu beginnen. Rechtshängigkeit trat gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift am 02.04.2015 (GA I hinter 10) ein. Gemäß §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 193 BGB begann der Zinslauf aufgrund der dazwischen liegenden

    Osterfeiertage am 07.04.2015.

    Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 2 BGB. Eine Verurteilung zu einem höheren Zinssatz kam wegen § 308 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.

    4.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, nachdem die Beschwer der Berufungsklägerin sowie die sich aus dem vorliegenden Urteil ergebende Beschwer der Berufungsbeklagten jeweils unterhalb der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO liegt.

    Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

    5.
    Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

    Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren stellen eine nicht streitwerterhöhende Nebenforderung gemäß § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO dar. Denn es handelt sich hierbei um eine von der eingeklagten Hauptsache abhängige, mit ihr in demselben Rechtsstreit von derselben Partei gegen denselben Gegner verfolgte, wenn auch getrennt von der Hauptsache berechnete Forderung (vgl. Zöller: ZPO. 31. Aufl. 2016. § 4 Rn. 8). Insbesondere handelt es sich um vorprozessuale Kosten zur Durchsetzung des Anspruches, welche als Nebenforderungen - unabhängig von der Formulierung des Klageantrags - nicht werterhöhend wirken (vgl. BGH NJW-RR 2008, 374; BGH NJW 2007, 3289; Zöller a.a.O. § 4 Rn. 13). Dies gilt auch für die Beschwer (vgl. BGH MDR 2011, 811; Zöller a.a.O. § 4 Rn. 13).

    Dass die Klägerin gegen die Beklagte in der Hauptsache nicht die vollumfängliche Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Versicherungsschutz in Ansehung der vor dem Landgericht München I gegen die Klägerin erhobenen Schadensersatzforderung geltend macht, sondern lediglich eine Versicherungsleistung von der Beklagten hinsichtlich der im Prozess vor dem Landgericht München I bereits angefallenen anwaltlichen Verfahrensgebühr nebst Pauschale erstrebt, ändert hieran nichts.
             
    Vorsitzender Richter
    am Oberlandesgericht    Richter
    am Oberlandesgericht    Richter
    am Landgericht      
                 
    Verkündet am 25.04.2016