Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 04.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208103

    Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 22.08.2018 – 5 U 201/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Köln


    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das am 28.11.2017 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 10/17 - wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

    Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

    1

    G r ü n d e :

    2

    I.

    3

    Der Kläger ist Zahnarzt. Die Beklagte ist ein privater Krankenversicherer.

    4

    Die Patientin F2 G, die bei der Beklagten krankenversichert ist, war im Jahr 2016 bei dem Kläger in zahnärztlicher Behandlung. Laut Behandlungsplan vom 19.04.2016 sollten in den Regionen 35-37 und 46 insgesamt vier Implantate gesetzt werden. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 30.06.2016 eine Leistung für das Implantat 36 mit der Begründung ab, dass diese Region durch ein Brückenglied zu versorgen sei. Die Patientin ließ die Behandlung wie geplant mit vier Implantaten durchführen. Als sie der Beklagten die Rechnung des Klägers vom 08.07.2016 zur Erstattung vorlegte, lehnte die Beklagte eine Erstattung der Kosten für das Implantat 36 ab. Die Patientin legte der Beklagten daraufhin ein Schreiben des Klägers vom 24.06.2016 vor, in dem dieser die Notwendigkeit eines Implantates im Bereich des Zahnes 36 damit begründete, dass der Kaudruck durch die Gegenbezahnung hoch sei und bei einer Versorgung mit nur zwei Implantaten und einer Brücke der Druck auf die Implantatsuprakonstruktionen so hoch sei, dass man eine verkürzte Lebensdauer riskieren würde. Die Beklagte ließ von der Patientin angeforderte Unterlagen (Situationsmodelle, Röntgenaufnahmen etc.) durch die sie beratenden Zahnärzte Dres. F überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung teilte die Beklagte der Patientin G mit Schreiben vom 07.09.2016 mit, in dem es unter anderem wie folgt heißt:

    5

    „In der Region 36/37 zeigt sich auf allen vorgelegten Einzelröntgenaufnahmen ein nicht entfernter Wurzelrest. Auch die postoperative Einzelröntgendiagnostik vom 27.06.2016 dokumentiert, dass die Implantate in den Kieferknochen des 3. Quadranten eingebracht wurden, ohne dass der Wurzelrest entfernt wurde. Somit besteht ein erhöhtes Risiko hinsichtlich eines dauerhaften Erfolges der dargestellten implantologischen und auch prothetischen Maßnahmen im linken Unterkiefer.

    6

    Hinzu kommt, dass unter Berücksichtigung der dokumentierten Ausgangssituation und der aufwändig abgerechneten knochenvermehrenden Leistungen auch eine medizinische Notwendigkeit für das 3. Implantat im linken Unterkiefer in der Region 36 nicht zu bestätigen ist. Ihr Kauorgan hätte fachgerecht und ohne Nachteile mit Hilfe von zwei Implantaten in den Regionen 35 und 36 sowie dem Eingliedern einer entsprechenden implantatgetragenen Brückenkonstruktion prothetisch saniert werden können.“

    7

    Der Kläger forderte die Beklagte vorgerichtlich erfolglos zu Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

    8

    Der Kläger hat behauptet, er sei Spezialist für Parodontologie und schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Implantologie tätig. Aufgrund regelmäßiger Vorträge im deutschsprachigen Raum habe er in den entsprechenden Fachkreisen eine große Bekanntheit erlangt. Der seitens der Beklagten erhobene Vorwurf eines gravierenden Kunstfehlers sei offensichtlich falsch und in erheblichem Maße geeignet, seine Reputation sowie das Patientenverhältnis zu Frau G zu schädigen. Auf den Röntgenbildern sei deutlich erkennbar, dass es sich nicht um einen Wurzelrest, sondern um implantiertes Knochenersatzmaterial (sog. socket preservation) gehandelt habe. Dies sei für jeden Fachmann erkennbar gewesen, zumal eine socket preservation auch abgerechnet worden sei. Die Beklagte habe bewusst unwahre Tatsachen verbreitet. Der Kläger ist der Auffassung gewesen, die Beklagte habe in rechtswidriger Weise in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen.

    9

    Der Kläger hat beantragt,

    10

    die Beklagte zu verurteilen,

    11

    1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, jeweils bis zu sechs Monate, zu unterlassen, gegenüber Dritten zu behaupten, der Kläger habe bei einer Implantatbehandlung der Patientin F2 G einen Wurzelrest nicht entfernt, insbesondere, wenn dies geschieht wie durch die folgende Textpassage, in einem Schreiben der B Krankenversicherung AG an die Patientin:

    12

    „In der Region 36/37 zeigt sich auf allen vorgelegten Einzelröntgenaufnahmen ein nicht entfernter Wurzelrest. Auch die postoperative Einzelröntgendiagnostik vom 27.06.2016 dokumentiert, dass die Implantate in den Kieferknochen des 3. Quadranten eingebracht wurden, ohne dass der Wurzelrest entfernt wurde.“

    13

    2. den Kläger von den Gebührenansprüchen der Kanzlei M Rechtsanwälte in Höhe von 597,74 Euro freizustellen.

    14

    Die Beklagte hat beantragt,

    15

    die Klage abzuweisen.

    16

    Sie hat die Auffassung vertreten, es fehle jedenfalls an einer offensichtlich unrichtigen Tatsachbehauptung. Sie hat – insoweit unwidersprochen – vorgetragen, dass sich Wurzelreste und eingebrachtes Knochenersatzmaterial nach Extraktion röntgenologisch in ähnlicher Weise darstellten. Die röntgenologische Veränderung habe nicht durchgängig bis zum Kieferkamm gereicht, was für einen Wurzelrest gesprochen habe. Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, dass selbst für den Fall, dass sich die behauptete Tatsache als unwahr herausstelle, die Äußerung vom Recht auf Meinungsäußerung erfasst sei. Außerhalb des Schutzbereiches von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG lägen nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststehe. Jedenfalls fehle es an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs. Die Beklagte habe berechtigte Interessen wahrgenommen, denn sie sei ihrem Prüfungsrecht aus § 14 VVG i.V.m. § 1 Abs. 2, 5 Abs. 2 S. 1 MB/KK 2009 nachgekommen. Es sei ihr Recht und ihre Pflicht, die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung zu überprüfen, um sich vor überhöhten oder nicht vom Versicherungsfall gedeckten Kosten zu schützen.

    17

    Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 108 ff d.A.) Bezug genommen.

    18

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klage sei unbegründet. Der Klage auf Unterlassung fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die Beklagte habe in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt. Ein betriebsbezogener Eingriff liege nicht vor, weil der Kläger durch das Schreiben der Beklagten vom 07.09.2016 nur mittelbar betroffen sei.

    19

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

    20

    Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Er ist der Auffassung, die zu sog. privilegierten Verfahren ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Bundesgerichtshof habe zwar in einem in GRUR 2013, 305 ff veröffentlichten Urteil entschieden, dass auch vorprozessuale Äußerungen geschützt seien, wenn diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Rechtsverteidigung in einem Prozess stünden. Für den Haftpflichtversicherer habe der Bundesgerichtshof den Zusammenhang mit der Vorschrift des § 100 VVG begründet. Die Anspruchsbegründung in einem Haftpflichtversicherungsfall sei mit der vorliegenden Konstellation aber nicht vergleichbar. Eine dem § 100 VVG entsprechende gesetzliche Pflicht zur Schadensabwehr, aus der der Bundesgerichtshof die Einheit der außerprozessualen und prozessualen Schadensabwehr hergeleitet habe, bestehe im Fall einer privaten Krankenversicherung nicht. Selbst wenn man davon ausginge, dass schlicht unwahre, außergerichtliche Äußerungen der Beklagten zur Abwehr von Ansprüchen grundsätzlich privilegiert seien, rechtfertige der vorliegende Fall eine Ausnahme von der Privilegierung. Die Unrichtigkeit der Äußerung habe auf der Hand gelegen. Ein durchschnittlich qualifizierter Gutachter hätte erkennen können, dass der Kläger keinen Wurzelrest vergessen hatte. Die Beklagte habe aufgrund der Abrechnung der durchgeführten socket preservation positive Kenntnis davon gehabt, dass es sich nicht um einen vergessenen Wurzelrest gehandelt habe. Gerade weil der Kläger an dem Erstattungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei, habe die Beklagte besonders gründlich prüfen müssen, ob ihre schwerwiegende, rufbeeinträchtigende Äußerung tatsächlich haltbar war. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, es fehle an einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs. Darauf, dass sich der Eingriff nicht gezielt auf den Gewerbebetrieb des Klägers richtete, komme es nicht an. Entscheidend sei allein, dass sich die Äußerung direkt und nicht nur mittelbar auf den Gewerbebetrieb des Klägers bezogen habe. Die Beklagte habe die Rufbeeinträchtigung des Klägers wissentlich in Kauf genommen.

    21

    Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

    22

    Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

    23

    II.

    24

    1.

    25

    Die Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung wird auf den Beschluss des Senats vom 25.06.2018 (Bl. 174 ff. d.A.) Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO. Die dagegen gerichteten Einwände des Klägers in seinen Stellungnahmen vom 23.07.2018 und 25.07.2018 führen auch nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu einer anderen Beurteilung.

    26

    Der Senat hat sich in seinem Hinweisbeschluss sehr eingehend mit der Frage befasst, ob die von der Beklagten getätigte und von dem Kläger beanstandete Äußerung privilegiert ist. Das Argument des Klägers, es habe sich nicht um ein „privilegiertes Verfahren“ gehandelt, es hätten im Zeitpunkt der Äußerung keine Indizien gegeben, die auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hingedeutet hätten, überzeugt nicht. Die Abwehr unbegründeter Ansprüche ist als Einheit zu sehen. Der Aufspaltung des Sachverhaltes in eine außergerichtliche Abwehr unbegründeter Ansprüche und einer Abwehr von Ansprüchen in einem gerichtlichen Verfahren hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19.07.2012 eine deutliche Absage erteilt (vgl. BGH, Az. I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 ff, Rn. 21 – zitiert nach juris).

    27

    Soweit der Kläger auf eine Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2005 – GSZ 1/04 –, BGHZ 164, 1-11) Bezug nimmt, folgt daraus nichts anderes. Diese Entscheidung ist zu der Frage ergangen, ob eine unbegründete Verwarnung des Inhabers eines Kennzeichenrechts bei schuldhaftem Handeln zur Zahlung von Schadensersatz verpflichten kann. Der Große Senat hat eine Schadensersatzpflicht unter anderem mit der Erwägung bejaht, dass im Falle einer unberechtigten außergerichtlichem Abmahnung durch den Schutzrechtinhaber wegen des schützenswerten Interesses des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, ein Sanktionsbedürfnis bestehe. Aus diesem Grund sei die Privilegierung der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht auf die außer- oder vorgerichtliche Abmahnung zu erstrecken. Mit der Situation einer unberechtigten, die Freiheit des Wettbewerbs einschränkenden Inanspruchnahme eines Schutzrechts hat eine möglicherweise unwahre Tatsachenbehauptung, die im Rahmen einer außergerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Krankenversicherer und Patient über das Bestehen oder Nichtbestehen von Erstattungsansprüchen erfolgt ist, ersichtlich nichts zu tun.

    28

    Die beanstandete Äußerung, in der Region 36/37 befinde sich ein nicht entfernter Wurzelrest, diente der Rechtsverteidigung der Beklagten. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass die Beklagte allein die Übernahme der das Implantat 36 und nicht auch der das Implantat 37 betreffenden Kosten ablehnte. Zur Begründung, warum die Implantatsetzung in der Region 36 nicht indiziert war, war es gerechtfertigt, den Befund als Ganzes zu beschreiben. Ebenso unschädlich ist es, dass die Beklagte ihre Entscheidung, die Kosten für das Implantat 36 nicht zu übernehmen, ursprünglich damit begründet hatte, dass eine implantatgetragene Brückenkonstruktion ausgereicht hätte. Der Beklagten war es nicht versagt, ihre Entscheidung auf ein weiteres Argument, nämlich die Durchführung einer medizinisch nicht indizierten Maßnahme zu stützen.

    29

    Die Äußerung der Beklagten war auch nicht auf der Hand liegend unrichtig. Mit seiner neuerlichen Stellungnahme wiederholt der Kläger im Kern lediglich seine bereits dargelegte Auffassung, es hätte für einen durchschnittlichen Zahnmediziner auf Grundlage der vorhandenen Informationen auf der Hand gelegen, dass es sich bei dem röntgenologisch festgestellten Befund nicht um vergessene Wurzelreste, sondern um die socket preservation handeln musste. Hierzu hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss bereits hinreichend Stellung genommen.

    30

    2.

    31

    Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist. Die streitentscheidenden Rechtsfragen sind durch den Bundesgerichtshof bereits entschieden worden.

    32

    3.

    33

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    34

    4.

    35

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt bis zu 20.000 EUR. Der Kläger hat in der Klageschrift sein Interesse an der künftigen Unterlassung mit 20.000 EUR bewertet. Dieser Wert erscheint dem Senat nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die beanstandete Äußerung ausschließlich gegenüber einer Patientin und nicht gegenüber einem größeren Personenkreis erfolgt ist, eher zu hoch als zu niedrig angesetzt. Für eine Anhebung des Streitwertes auf 20.000,01 EUR, wie sie der Kläger offenbar allein im Hinblick auf die ihm dann eröffnete Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, was bei der Bewertung des Interesses an der begehrten Unterlassung allerdings keine Bedeutung haben kann, besteht kein Anlass.

    RechtsgebieteBGB, ZPO, VVGVorschriften§ 823 Abs. 1 BGB; § 1004 Abs. 1 BGB; § 256 Abs. 1 ZPO; § 14 VVG; § 100 VVG