18.07.2019 · IWW-Abrufnummer 209980
Bundesgerichtshof: Urteil vom 03.07.2019 – IV ZR 111/18
Auch im Passivprozess des Versicherungsnehmers einer Rechtsschutzversicherung ist bei der zeitlichen Festlegung des Rechtsschutzfalles (hier nach § 14 (3) ARB 1975/95) nur auf denjenigen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften abzustellen, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner im Ausgangsrechtsstreit anlastet (Fortführung des Senatsurteils vom 30. April 2014 - IV ZR 47/13 , BGHZ 201, 73, 77 Rn. 15 ff. ).
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Felsch, Prof. Dr. Karczewski, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2019
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. März 2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rechtsschutz für die Abwehr einer Darlehensforderung aus einer bis zum 1. Januar 2015 gehaltenen Rechtsschutzversicherung.
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Dem Versicherungsvertrag lagen die "Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1975/95)" (im Folgenden: ARB 1975/95) des Versicherers zugrunde. Darin heißt es unter anderem:
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Im Jahre 2008 erhielt die Klägerin ein zinsloses Darlehen über 35.000 €, auf das sie lediglich bis einschließlich März 2011 die vereinbarten monatlichen Raten in Höhe von 200 € leistete. Unstreitig bestand die Rechtsschutzversicherung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt.
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Nach dem Tod des Darlehensgebers erklärten dessen Erben im September 2015 die Kündigung des Darlehens wegen Zahlungsverzugs. Die Klägerin verweigerte die Rückzahlung des nach Berechnung der Erben noch offenen Betrags von 25.500 € mit der Begründung, der Anspruch sei verjährt, der Darlehensgeber habe das Darlehen bereits im Jahre 2011 gekündigt.
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Der von seinen Erben angestrengte Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beigelegt. Die Klägerin hatte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 6.754,98 € zu tragen.
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Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil der Versicherungsfall erst nach Beendigung der Rechtsschutzversicherung eingetreten sei.
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Die auf Gewährung von Deckungsschutz und Zahlung der 6.754,98 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Landgericht als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Rechtsschutzfall nicht in der versicherten Zeit eingetreten.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheide über die zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalles allein der Tatsachenvortrag, mit dem der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründe. Das gelte im Vertragsrechtsschutz unabhängig davon, ob sich der Versicherungsnehmer in einer Aktiv- oder Passivrolle befinde. Eine im Schrifttum diskutierte Differenzierung zwischen Aktiv- und Passivprozessen sei nicht geboten. Es liege aus der Sicht des Versicherungsnehmers nahe, dass er weder in der einen noch der anderen Konstellation seine berechtigten Rechtsschutzinteressen mit eigenem Fehlverhalten begründe. Maßgebend seien allein seine Behauptungen, die er im Ausgangsverfahren aufgestellt habe.
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Die Klägerin habe sich dort ausschließlich damit verteidigt, der Darlehensrückzahlungsanspruch sei verjährt. Auch ihre Behauptung, der Darlehensgeber habe das Darlehen schon zu Lebzeiten gekündigt, habe nur den Erfolg der Verjährungseinrede bezweckt. Der maßgebliche Tatsachenvortrag der Klägerin erstrecke sich damit auf den Vorwurf an die Kläger des Ausgangsverfahrens, im Jahre 2015 (mithin nach Beendigung der Rechtsschutzversicherung) trotz Erhebung der Verjährungseinrede am Rückzahlungsanspruch festgehalten zu haben. Ihr weiterer Tatsachenvortrag im Ausgangsverfahren sei für sich genommen nicht geeignet gewesen, die Klage abzuwehren.
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II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, der Rechtsschutzfall sei nicht bereits durch die Einstellung der Zahlung von Darlehensraten durch die Klägerin in versicherter Zeit, sondern erst nach Beendigung der Rechtsschutzversicherung mit der Geltendmachung des nach Auffassung der Klägerin verjährten Rückzahlungsanspruchs durch die Erben des Darlehensgebers eingetreten.
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1. Ob der Rechtsschutzfall in versicherter Zeit eingetreten ist, ist hier nach § 14 (3) ARB 1975/95 zu bestimmen.
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a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. nur Senatsurteil vom 6. Juli 2016 - IV ZR 44/15 , BGHZ 211, 51 Rn. 17 m.w.N.; st. Rspr.).
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b) Unter Zugrundelegung dieses Auslegungsmaßstabes hat der Senat in jüngerer Zeit an seiner früheren Rechtsprechung zur Auslegung des § 14 (3) ARB 75 (vgl. Senatsurteil vom 14. März 1984 - IVa ZR 24/82 , VersR 1984, 530 unter I 3 [juris Rn. 14 ff.]; zustimmend: OLG Koblenz VersR 2013, 99, 100 [OLG Koblenz 09.03.2012 - 10 U 863/11] [juris Rn. 25 f.]) in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer Ansprüche gegen einen anderen erhob (so genannte Aktivprozess-Fälle), aber auch in einem Fall, in dem sich der Versicherungsnehmer im Streit um Krankenversicherungsleistungen unter anderem gegen eine Aufrechnung seiner Anspruchsgegnerin mit Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung wehrte, nicht mehr festgehalten (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14 , r+s 2015, 193 Rn. 14, 15 m.w.N.; vgl. dazu R. Wendt, r+s 2014, 328, 334).
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Er hat in mehreren Entscheidungen geklärt, wie der Rechtsschutzfall zu bestimmen ist und darauf gestützt die zeitliche Einordnung und Begrenzung des versprochenen Versicherungsschutzes erfolgt (vgl. dazu die Senatsurteile vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14 , r+s 2015, 193, Rn. 12 ff., 14 ff.; vom 30. April 2014 - IV ZR 47/13 , BGHZ 201, 73, 77 Rn. 15 ff.; IV ZR 60/13; IV ZR 61/13; IV ZR 62/13, jeweils unter I 2 a [juris Rn. 15 ff.]; vom 24. April 2013 - IV ZR 23/12 , r+s 2013, 283 Rn. 12 ff.; vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07 , BGHZ 178, 346 Rn. 20 ff.; Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 - IV ZR 37/07 , VersR 2008, 113 Rn. 3; Senatsurteile vom 28. September 2005 - IV ZR 106/04 , VersR 2005, 1684 unter I 2 a [juris Rn. 19 ff.]; vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01 , VersR 2003, 638 unter 1 a [juris Rn. 8 f.]; vgl. auch R. Wendt, r+s 2006, 1, 4; 2014, 328, 334).
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Danach entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer zum einen dem Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers, dass dieser es übernimmt, die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu unterstützen. Zum anderen erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass mit der Anknüpfung des § 14 (3) ARB 75 (hier ARB 1975/95) an die erste adäquate Ursache des Ausgangsstreits der Bedingungswortlaut die Gefahr einer uferlosen Rückverlagerung des für die zeitliche Bestimmung des Versicherungsfalles maßgeblichen Geschehens in sich birgt, welche in der Mehrzahl der Fälle seinen berechtigten Interessen widerspricht (vgl. dazu Senatsurteil vom 5. November 2014 - IV ZR 22/13 , r+s 2015, 16 Rn. 19 m.w.N.). Deshalb kommt es für die Festlegung des Versicherungsfalles allein auf die Tatsachen an, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtschutzbegehren begründet ( vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07 , BGHZ 178, 346 Rn. 20 ff; Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 - IV ZR 37/07 , VersR 2008, 113 Rn. 3; Senatsurteile vom 28. September 2005 - IV ZR 106/04 , VersR 2005, 1684 unter I 2 a [juris Rn. 20]; vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01 , VersR 2003, 638 unter 1 a [juris Rn. 8 f.]; vgl. auch R. Wendt, r+s 2006, 1, 4).
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Dabei wird der Versicherungsnehmer bei der Verfolgung eigener vertraglicher Ansprüche einen den Rechtsschutzfall im Sinne von § 14 (3) Satz 1 ARB 1975/95 auslösenden Verstoß allein in dem Fehlverhalten sehen, das er seinem Gegner zur Last legt und auf das er seinen Anspruch stützt. Der Senat hat dazu angenommen, aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ließen sich seine Ansprüche auf eigenes Fehlverhalten nicht stützen ( Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14 , r+s 2015, 193 Rn. 15). Anderenfalls hätte es der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers in der Hand, durch die Wahl seiner Verteidigung dem Versicherungsnehmer den Deckungsanspruch aus der Rechtsschutzversicherung zu entziehen (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 2015 aaO Rn. 16). Nach allem hat es der Senat in Fällen des Rechtsschutzes für Aktivprozesse des Versicherungsnehmers als für die Bestimmung des Versicherungsfalles unerheblich angesehen, wa s der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers gegen dessen Begehren einwendet (Senat aaO). Stattdessen richte sich die Festlegung des "verstoßabhängigen" Rechtsschutzfalles im Sinne von § 14 (3) Satz 1 ARB 75 (hier ARB 1975/95) allein nach den vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzungen seines Anspruchsgegners, wobei dieses Vorbringen (erstens) einen objektiven Tatsachenkern enthalten müsse, mit dem der Versicherungsnehmer (zweitens) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbinde, der den Keim für die rechtliche Auseinandersetzung enthalte und auf den der Versicherungsnehmer (drittens) seine Interessenverfolgung stütze, wobei es nicht auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder die Entscheidungserheblichkeit dieser Behauptungen ankomme ( Senatsurteil vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07 , BGHZ 178, 346 Leitsatz b und Rn. 20 ff., so genannte Drei-Säulen-Theorie).
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c) Ob und wie sich diese Senatsrechtsprechung auf Fälle übertragen lässt, in denen sich der Versicherungsnehmer im Ausgangsstreit gegen Ansprüche verteidigt, die sein Anspruchsgegner gegen ihn erhebt (Passivprozesse), ist - soweit diese Senatsrechtsprechung nicht ohnehin insgesamt abgelehnt wird (vgl. dazu OGH Wien VersR 2017, 1106, 1107 f.; Urteil vom 20. April 2018 - 7 Ob 36/18x, RIS; MünchKomm-VVG/Obarowski, 2. Aufl. Rechtsschutzversicherung Rn. 298, 299; Schneider in Handbuch Versicherungsrecht, 7. Aufl. § 13 Rn. 413) - in Rechtsprechung und Literatur umstritten (offen gelassen von OLG Düsseldorf r+s 2016, 514 Rn. 19).
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aa) Nach einer Auffassung sollen die vom Senat entwickelten Grundsätze auf den Passivprozess des Versicherungsnehmers - spiegelbildlich - in der Weise übertragen werden, dass für die Festlegung des Versicherungsfalles nach § 14 (3) ARB 75 allein auf die Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Rechtspflichten abzustellen ist, die der Anspruchsgegner dem Versicherungsnehmer anlastet (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 30. Aufl. § 4 ARB 2010 Rn. 55 a; Armbrüster, NJW 2017, 3660 [BGH 27.09.2017 - IV ZR 385/15] ; Cornelius-Winkler, VersR 2015, 1476, 1480 f.). Das stützt sich vor allem auf den Bedingungswortlaut und insbesondere die Überlegung, dass anderenfalls die dort getroffene Regelung, nach der auch ein Verstoß des Versicherungsnehmers gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften als für die Bestimmung des Versicherungsfalles maßgeblich angesprochen werde, leerliefe.
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Nach dieser Auffassung wäre der Versicherungsfall hier mit der - der Klägerin von ihren Anspruchsgegnern vorgeworfenen - Einstellung der Darlehensrückzahlung noch in versicherter Zeit eingetreten.
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bb) Eine vermittelnde Auffassung (Schaltke/Weidner, r+s 2016, 225, 227; Schaltke, NJW 2018, 581, 584 f.; VersR 2018, 1041, 1044 ff.) möchte abweichend von den im Aktivprozess des Versicherungsnehmers nach der Senatsrechtsprechung geltenden Maßstäben im Passivprozess im Grundsatz Verstöße beider Seiten für die Bestimmung des Versicherungsfalles heranziehen. Dafür spreche neben dem Wortlaut des § 14 (3) ARB 75, dass in Passivprozessen der Gegner des Versicherungsnehmers das Streitverfahren in Gang setze und dieser Streit deshalb primär durch den Vorwurf der Gegenseite geprägt werde. Mitunter erlaube auch nur der Vortrag des Anspruchsgegners die Einordnung des Ausgangsverfahrens unter eine in der Rechtsschutzversicherung versicherte Leistungsart (Schaltke, NJW 2018, 581, 584).
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Auch diese Meinung führte im Streitfall zur Annahme eines Versicherungsfalles in versicherter Zeit, weil danach auch die der Klägerin von den Erben des Darlehensgebers vorgeworfene Einstellung der Darlehensratenzahlung noch während des Laufs der Rechtsschutzversicherung einen ersten für den Ausgangsstreit adäquat kausalen Pflichtenverstoß im Sinne von § 14 (3) Satz 1 ARB 1975/95 darstellte, auf den nach § 14 (3) Satz 2 ARB 1975/95 abzustellen wäre.
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cc) Die dritte Auffassung, der sich die Vorinstanzen im Streitfall angeschlossen haben, tritt dafür ein, die neuere Senatsrechtsprechung unmittelbar auch auf den Passivprozess des Versicherungsnehmers zu übertragen, so dass sich eine Unterscheidung von Aktiv- und Passiv-rechtsstreit erübrige, weil für die Bestimmung des Versicherungsfalles in jedem Falle allein das Vorbringen des Versicherungsnehmers und der Verstoß entscheidend sei, den er seinem Gegner anlaste (LG Frankfurt am Main r+s 2018, 652 [juris Rn. 18 ff.] mit zust. Anm. Maier; LG Stade, Anerkenntnisurteil vom 24. Juli 2018 - 3 S 20/18, juris Rn. 20 ff.; Maier, r+s 2017, 574, 578; Happel, VersR 2019, 193, 200). Hierzu hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass es dem Versicherungsnehmer auch im Passivprozess darum gehe, den Versicherungsschutz wegen einer seiner Auffassung nach unberechtigten Inanspruchnahme, d.h. wegen eines Rechtsverstoßes seines Gegners, zu erhalten und er in keinem Falle sein berechtigtes Interesse an Rechtsschutz mit eigenem Fehlverhalten begründe. Danach liegt - wie das Berufungsgericht im Berufungsurteil dargelegt hat - der nach § 14 (3) ARB 1975/95 maßgebliche, den Gegnern des Ausgangsverfahrens von der Klägerin angelastete Verstoß im Streitfall allein in der Geltendmachung des verjährte n Darlehensrückzahlungsanspruchs nach Beendigung der Rechtsschutzversicherung.
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d) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Für die zeitliche Festlegung des Rechtsschutzfalles gemäß § 14 (3) ARB 1975/95 ist auf denjenigen Verstoß abzustellen, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlastet (ebenso Maier, r+s 2017, 574, 578; siehe auch Heither, NJW 2017, 693, 694; Gellwitzki, AnwBl 2015, 48, 52). Auf die prozessuale Parteirolle oder eine anderweitig begründete Unterscheidung zwischen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung kommt es insoweit nicht an.
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aa) Wenngleich nach dem Bedingungswortlaut der Versicherungsfall unter anderem dann eintritt, wenn der Versicherungsnehmer selbst begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen, erkennt er auch im Falle eines Passivprozesses, dass eine wortlautkonforme Anwendung des § 14 (3) ARB 1975/95 die Gefahr einer uferlosen Rückverlagerung des für die zeitliche Bestimmung des Rechtsschutzversicherungsfalles maßgeblichen Geschehens in sich birgt (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2014 - IV ZR 22/13 , r+s 2015, 16 Rn. 19).
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Da bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen auch die Interessen des Versicherungsnehmers in den Blick zu nehmen sind, ist seiner Erwartung Rechnung zu tragen, dass der Rechtsschutzversicherer es übernehme, die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu unterstützen. Deshalb kann es auch dann, wenn der Versicherungsnehmer im Ausgangsstreit von seinem Anspruchsgegner in Anspruch genommen wird, für die Festlegung des Versicherungsfalles allein auf die Tatsachen ankommen, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründet (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2014 - IV ZR 22/13 , r+s 2015, 16 f. m.w.N.). Auch insoweit darf es der Anspruchsgegner nach der Erwartung des Versicherungsnehmers nicht in der Hand haben, dem Versicherungsnehmer mittels seiner Behauptungen den Deckungsanspruch aus der Rechtsschutzversicherung zu entziehen (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14 , r+s 2015, 193 Rn. 16). Denn der Versicherungsnehmer wird dem Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers erforderlichen Leistungen zu erbringen, eine Solidaritätszusicherung entnehmen, dass der Versicherer ihn gegen Vorwürfe des Gegners unterstütze (vgl. Maier, r+s 2015, 489, 492). Deshalb erwartet er, dass der Rechtsschutzversicherer von seiner, des Versicherungsnehmers, Darstellung und Bewertung des Geschehens ausgeht und nicht vom Vorbringen seines Anspruchsgegners, zumal die Bestimmung des Versicherungsfalles nicht der Ort ist, den Wahrheitsgehalt einander widersprechender Darstellungen der Parteien des Ausgangsrechtsstreits oder den Widerstreit unterschiedlicher Rechtsauffassungen zu klären.
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Demzufolge wird er den in § 14 (3) Satz 1 ARB 1975/95 erwähnten eigenen Verstoß allenfalls als Umschreibung der - von ihm selbst für zulässig, vom Gegner jedoch als pflichtwidrig erachteten - Weigerung verstehen, den gegen ihn erhobenen Anspruch zu erfüllen. Dass es aber ungeachtet der ihm vom Versicherer zugesagten Unterstützung für den Eintritt des Versicherungsfalles auf Verstöße ankommen soll, die der Gegner des Ausgangsstreits ihm zur Begründung seines - aus Sicht des Versicherungsnehmers unberechtigten - Begehrens vorwirft, wird der Versicherungsnehmer mit Blick auf sein Rechtsschutzinteresse dem Bedingungstext nicht entnehmen und jedenfalls bei einem privatrechtlichen Streit nicht in Erwägung ziehen, dass ein eigenes, ihm vom Gegner nach seiner Auffassung zu Unrecht vorgeworfenes Fehlverhalten den ersten maßgeblichen Verstoß im Sinne dieser Bedingung darstellen kann .
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Wie auch die Revisionserwiderung der Beklagten zu Recht darlegt, lassen sich die als so genannte Drei-Säulen-Theorie bezeichneten Grundsätze aus dem Senatsurteil vom 19. November 2008 (IV ZR 305/07 , BGHZ 178, 346 Rn. 20 ff. ) mithin auf den Passivrechtstreit des Versicherungsnehmers übertragen. Denn was die Rechtsverstöße anbelangt, die der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlastet, unterscheidet sich seine Interessenlage im Passivrechtsstreit nicht von derjenigen in Aktivfällen (vgl. dazu schon R. Wendt in Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV - Hrsg. - Homburger Tage 2014 S. 35, 59).
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bb) Der Versicherungsnehmer wird sein Klauselverständnis auch nicht an dem Interesse des Rechtsschutzversicherers ausrichten, mittels der Rechtsschutzfallklauseln etwaige Manipulationsmöglichkeiten , insbesondere so genannte Zweckabschlüsse, zu unterbinden (abw. OGH Wien VersR 2017, 1106, 1107 f.). § 14 (3) Satz 1 ARB 1975/95 stellt schon nicht darauf ab, ob sich die Verwirklichung eines Risikos für den Versicherungsnehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits abgezeichnet hat. Ob die Klausel vor allem so genannten Zweckabschlüssen, d.h. der Möglichkeit begegnen soll, Versicherungsschutz für bereits bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung eingetretene Lebenssachverhalte zu erlangen, die schon eine adäquate Ursache für eine spätere rechtliche Auseinandersetzung gesetzt haben (vgl. Senatsurteil vom 4. Juli 2018 - IV ZR 200/16 , r+s 2018, 425 Rn. 49), ist zweifelhaft. Denn je nach den zeitlichen Umständen des Einzelfalles kann sie zu einem für den Versicherungsnehmer günstigen oder nachteiligen Ergebnis führen. Eine zeitliche Vorverlegung des Versicherungsfalles kann - je nach versicherter Zeit - vielfach auch eine den Interessen des Versicherers zuwiderlaufende Ausweitung seiner Nachhaftung zur Folge haben. Zudem hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass von einem Zweckabschluss nur dort die Rede sein kann, wo der Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages vom Versicherungsnehmer gezielt darauf gerichtet ist, Versicherungsschutz für rechtliche Auseinandersetzungen zu erlangen, deren Ursache bereits in vorversicherter Zeit gesetzt wurde. Das setzt jedoch eine Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Streitursache voraus (vgl. Senatsurteil vom 4. Juli 2018 - IV ZR 200/16 , r+s 2018, 425 Rn. 49), auf die der Wortlaut des § 14 (3) ARB 1975/95 gerade nicht abstellt.
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2. Ist damit im Streitfall derjenige Verstoß maßgeblich, den die Klägerin den Erben des Darlehensgebers anlastet, hat das Berufungsgericht zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Versicherungsschutz verneint. Ob der Rechtsschutzfall bereits mit der Geltendmachung der angeblich verjährten Forderung (vgl. AG Bielefeld VersR 1991, 97, 98 [AG Bielefeld 21.11.1989 - 13 C 269/89] ) oder erst mit der Weiterverfolgung des Anspruchs nach Erhebung der Verjährungseinrede eingetreten ist (vgl. KG VersR 2010, 1445 [KG Berlin 20.04.2010 - 6 U 195/09] [juris Rn. 7 ff.]; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 30. Aufl. § 4 ARB 2010 Rn. 70; Schaltke, VersR 2016, 573), kann dahinstehen. In jedem Fall hat sich der maßgebliche Verstoß hier im Jahre 2015 und mithin in nicht mehr versicherter Zeit ereignet.
Felsch
Prof. Dr. Karczewski
Lehmann
Dr. Brockmöller
Dr. Bußmann
Von Rechts wegen