19.06.2020 · IWW-Abrufnummer 216349
Amtsgericht Münster: Urteil vom 23.01.2020 – 48 C 3675/19
1. Eine Vollmacht die nur den Schädiger aber nicht die Haftpflichtversicherung, als Gegner aufführt, genügt im Prozess des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung (ohne prozessuale Beteiligung des Schädigers) nicht.
2. An die Bestimmtheit einer Vollmacht sind zum Schutz der Rechtssicherheit strenge Anforderungen zu stellen.
3. Dem vollmachtlosen (anwaltlichen) "Bevollmächtigten" des Klägers können nach dem sogenannten Veranlassungsprinzip die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden.
Amtsgericht Münster
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Kanzlei L Rechtsanwalts GmbH,….
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 313a Abs. 1 ZPO.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unzulässig.
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Die Klage wurde bereits nicht wirksam erhoben. Es liegt keine ordnungsgemäße Vertretung des Klägers vor, womit eine Prozesshandlungswirksamkeitsvoraussetzung fehlt (vgl. Piekenbrock in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 34. Edition Stand 01.09.2019, ZPO § 80 Rn. 11). Auf Grund der nicht ordnungsgemäßen Bevollmächtigung sind die Prozesshandlungen der Vertreter ex-tunc unwirksam (vgl. Weth in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Auflage 2019, § 80 Rn. 18). Damit ergreift der Mangel der Vollmacht bereits die Erhebung der Klage, so dass diese als unzulässig abzuweisen ist (vgl. GmS, Beschluss vom 17.04.1984, - GmS-OBG 2/83 -, NJW 1984, 2149).
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Die von den als Bevollmächtigte des Klägers auftretenden vollmachtlosen Vertretern vorgelegte Vollmacht ist nicht geeignet, die Bevollmächtigung durch den Kläger nachzuweisen. Die Vollmacht lautet auf „D ./. Z“; keine der Parteien trägt jedoch den Namen Z oder firmiert darunter. Es ist mithin in keiner Weise erkennbar, dass die vorgelegte Vollmacht sich auch auf den hiesigen Rechtsstreit, insbesondere die Inanspruchnahme des Beklagten, bezieht.
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§ 80 ZPO, der der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (vgl. Piepenbrock, a.a.O., Rn. 1) und damit gerade auch dem Schutz vor einer unberechtigten Vertretung durch nicht ordnungsgemäß bevollmächtigte bzw. vor einer unberechtigten Inanspruchnahme durch nicht ordnungsgemäß bevollmächtigte dient, ist im Hinblick auf die an die Bestimmtheit der Vollmacht zu stellenden Anforderungen streng auszulegen. Bereits aus dem Umstand, dass die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten zu reichen ist (vgl. § 80 ZPO), lässt sich die Bedeutung der Vollmacht ableiten. Erforderlich ist, dass aus der Vollmacht selbst unzweifelhaft die Bevollmächtigung für das Verfahren hervorgeht. Daran fehlt es hier bereits deshalb, da die Beklagte in der Vollmachtsurkunde weder genannt wird, noch aus der Bezeichnung des Gegners hervorgeht, dass die Bevollmächtigung sich auf mehrere Gegner bezieht (z.B. durch die Angabe „u.a.“).
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Soweit die als Bevollmächtigte des Klägers auftretenden vollmachtlosen Vertreter vortragen, dass Herr Z der Unfallverursacher und Versicherungsnehmer des Beklagten sei, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen, da sich auch bei Unterstellung dieses Vortrages als zutreffend keine Erstreckung der Bevollmächtigung im Hinblick auf eine Inanspruchnahme des Beklagten ableiten lässt. Aus der in der Vollmacht enthaltenen Ziffer 4, wonach die Vollmacht „erteilt [wird] zur Vertretung in sonstigen Verfahren auch bei außergerichtlichen Verhandlungen aller Art (insbesondere Unfallsachen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und deren Versicherer)“, lässt sich keine Bevollmächtigung für eine Inanspruchnahme des hiesigen Beklagten ableiten. Ziffer 4 ist im Kontext der gesamten Vollmacht zu betrachten. Während es in Ziffer 1 heißt, dass die Vollmacht „erteilt [wird] zur Prozessführung (u.a. nach §§ 81 ff. ZPO)“, bezieht sich Ziffer 4 auf „sonstige Verfahren auch bei außergerichtlichen Verhandlungen“, also gerade nicht auf die Prozessführung. Ziffer 1, die hinsichtlich zivilgerichtlicher Verfahren maßgeblich ist, enthält die in Ziffer 4 explizit enthaltene Erweiterung auch auf Versicherer gerade nicht, weshalb in der Gesamtschau die Klausel nur so verstanden werden kann, dass bezüglich der Bevollmächtigung zur Prozessführung keine nicht in der Vollmacht genannten Gegner umfasst sind.
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Die strengen Anforderungen an die Bestimmtheit der Vollmacht führen auch nicht zu einer Benachteiligung des Klägers und sind in keiner Weise lediglich als „bloße Formalität“ anzusehen. Schließlich wird, wie dargelegt, gerade das Interesse des Klägers, nicht von einem von ihm nicht bevollmächtigten vertreten zu werden, geschützt. Dies bewahrt den Kläger vor dem einem Prozess stets innewohnenden Kostenrisiko sowie materiell der Rechtskraft fähigen (für ihn nachteiligen) Entscheidungen über den Streitgegenstand. Demgegenüber sind die mit der Anforderung einer ordnungsgemäßen und bestimmten Vollmacht verbundenen Unannehmlichkeiten für den Kläger lediglich marginal. So hätte hier der Kläger ohne Weiteres eine weitere, nunmehr hinreichend bestimmte, Vollmacht vorlegen können, um sämtliche Zweifel an der Bevollmächtigung zu beseitigen. Indem dies hier unterbleibt, führt das Verhalten des Klägers bzw. der als Bevollmächtigte des Klägers auftretenden vollmachtlosen Vertreter natürlich erst recht dazu, dass Zweifel an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung entstehen bzw. diese verstärkt werden.
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Schließlich führt die Abweisung der Klage als unzulässig auch nicht dazu, dass für den Kläger nachteilige Wirkungen mit dem Urteil verbunden wären. So ist die Entscheidung nicht der materiellen Rechtskraft, vgl. § 322 Abs. 1 ZPO, fähig, so dass der Kläger die Ansprüche jederzeit wieder gegen den Beklagten geltend machen kann. Des Weiteren sind, da hier die als Bevollmächtigte des Klägers auftretenden vollmachtlosen Vertreter das Auftreten der vollmachtlosen Vertreter verursacht haben, die Kosten des Rechtsstreits nicht dem Kläger, sondern den vollmachtlosen Vertretern aufzuerlegen.
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Sollte der Kläger gleichwohl in Folge des Auftretens der vollmachtlosen Vertreter einen Schaden erleiden, ist er zudem ausreichend geschützt. Der ‒ insoweit besteht für das Gericht kein Zweifel ‒ Anspruch des Klägers besteht; die Verteidigung des Beklagten ist, da sich vorliegend das sog. „Werkstattrisiko“ verwirklich hat, bezogen auf die Begründetheit der Klage offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Der Kläger unterliegt einzig, da keine ordnungsgemäße Vollmacht vorgelegt wurde. Dabei dürfte es sich ‒ darauf kommt es im Ergebnis jedoch nicht an ‒ um eine Pflichtverletzung der vollmachtlosen Vertreter handeln, da auch auf den ausdrücklichen Hinweis des Gerichts nicht der sicherste und naheliegende Weg, den eine auf eine sorgfältige Prozessführung bedachte Partei bzw. Vertreter gewählt hätte ‒ nämlich die Vorlage einer ordnungsgemäßen Vollmacht ‒, beschritten wurde. Etwaige Schäden wird der Kläger daher nötigenfalls bei den vollmachtlosen Vertretern (auch, sofern sie bevollmächtigt wurden) regredieren können, vgl. §§ 675, 611, 280 BGB.
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Infolge der Weigerung, eine ordnungsgemäße Vollmachtsurkunde vorzulegen, bedurfte es keiner weiteren Fristsetzung oder eines weiteren Hinweises.
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Die Kosten des Rechtsstreits sind den als Bevollmächtigten auftretenden vollmachtlosen Vertretern aufzuerlegen. Hat ‒ wie vorliegend ‒ der Vollmachtsmangel die Abweisung der Klage zur Folge, so sind die Kosten des Rechtsstreits abweichend von §§ 91 ff. ZPO demjenigen aufzuerlegen, der das Auftreten des vollmachtlosen Vertreters veranlasst hat (sog. Veranlassungsprinzip, vgl. Weth in: Musielak/Voit, a.a.O., § 88 Rn. 14). Dies ist hier der vollmachtlose Vertreter selbst, da er in Kenntnis des Vollmachtsmangels handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.1997, - XI ZB 15/97, NJW-RR 1998, 63; Beschluss vom 04.03.1993, - V ZB 5/93 -, NJW 1993, 1865; Beschluss vom 18.11.1982, - III ZR 113/79 -, NJW 1983, 883, 884) und insbesondere, da er ‒ ungeachtet des eindeutigen Hinweises des Gerichts ‒ sich weigert, eine ordnungsgemäße Vollmachtsurkunde zum Nachweis seiner Bevollmächtigung vorzulegen, obgleich dies ‒ der Argumentation der vermeintlich bevollmächtigten folgend ‒ eigentlich unproblematisch möglich wäre.
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Die Berufung war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund (vgl. § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO) vorliegt. Dass ‒ die Richtigkeit dieser Behauptung unterstellt ‒ bisher keine andere Abteilung des Amtsgerichts Vollmachten der Mandanten der hiesigen vollmachtlosen Vertreter „beanstandet“ hat, führt nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung. Allein daraus, dass keine Beanstandung erfolgte, kann nicht abgeleitet werden, dass auch in anderen Verfahren eine inhaltliche Prüfung der Vollmachten erfolgte und ‒ entgegen der vorliegenden Entscheidung ‒ die Nennung allein des Unfallgegners, nicht aber des Versicherers, in der Vollmachtsurkunde für eine isolierte Inanspruchnahme des Versicherers als ausreichend erachtet wurde. Schließlich erfolgt die diesbezügliche Behauptung auch unsubstantiiert und ohne Nennung entsprechender Verfahren, obgleich auch dies den vermeintlich bevollmächtigten unproblematisch möglich gewesen wäre, so es diese Verfahren tatsächlich gibt.
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Rechtsbehelfsbelehrung:
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A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
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1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
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2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
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Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
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Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.
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Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
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Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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B) Gegen die Kostengrundentscheidung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig, wenn der Wert der Hauptsache 600,00 EUR und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Münster, Gerichtsstr. 2 - 6, 48149 Münster oder dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.
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Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
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Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Münster oder dem Landgericht Münster eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
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Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
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Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de