04.10.2023 · IWW-Abrufnummer 237618
Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 26.07.2023 – 1 U 520/23
Eine durch Austrocknung des Bodens erfolgende Bodenabsenkung mit der Folge von Gebäudeschäden ist weder als Erdfall noch als Erdrutsch anzusehen.
Oberlandesgericht Dresden
Urteil vom 26.07.2023
1 U 520/23
In dem Rechtsstreit
xxx
wegen Versicherungsleistung
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Richter am Oberlandesgericht Dr. W...... als Einzelrichter
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2023 am 26.07.2023für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 23.02.2023, Az. 5 O 1780/21, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig voll-streckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung gel-tend. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug ge-nommen. Mit Urteil vom 23.02.2023 hat das Landgericht Chemnitz die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 24.02.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.03.2023 Berufung ein-gelegt und diese am 24.04.2023 begründet.
Der Kläger macht mit seiner Berufung geltend, ein Versicherungsfall liege vor. Versichert sei-en Schäden durch Erdfall und Erdrutsch. Erdfall sei in den Versicherungsbedingungen defi-niert als "Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen, dessen Ursache ausschließlich naturbedingt ist". Als Erdrutsch werde bezeichnet: "ein plötzliches Abrutschen oder Abstür-zen von Gesteins- oder Erdmassen, dessen Ursache ausschließlich naturbedingt ist." Dass es Hohlräume im Untergrund gegeben habe, ergebe sich allein schon aus dem Umstand, dass nach dem Schadens-ereignis 687 kg Harz mittels Injektionslanzen in den Baugrund einge-bracht worden seien. Damit seien offensichtlich vorhandene Hohlräume verfüllt worden. Der erstinstanzlich angehörte Sach-verständige habe zwar die Gründungssituation nicht als Scha-densursache ausschließen können, habe für maßgeblich aber eine temporäre Austrocknung der Böden gehalten.
Der Begriff der naturbedingten Absenkung des Erdbodens sei aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers auszulegen. Danach wären auch Senkungen des Bodens in Folge einer Schrumpfung durch Austrocknung erfasst. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer er-schließe sich nicht, dass eine Bewegung der Erdmasse eine Mindestgeschwindigkeit auf-weisen müsse. Es könne für das Vorliegen eines Versicherungsfalls nicht entscheidend sein, ob das Schadensereignis plötzlich (Erdrutsch) oder langsam und kaum wahrnehmbar (Erdkrie-chen) erfolge. Eine Plötzlichkeit des Ereignisses werde von den Bedingungen nicht gefordert. Mithin könne eine Erdsenkung oder ein Erdfall im Sinne der Versicherungsbedingungen auch dann vorliegen, wenn der Absenkungsprozess mehrere Jahre dauere. Entscheidend sei nur, dass der Erdboden über natürlichen Hohlräumen in Bewegung gerate. Die Größe dieser Hohl-räume spiele keine Rolle. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus den Versicherungsbedin-gungen.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz,
das am 23.02.2023 verkündete und am 24.02.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts Chem-nitz wird aufgehoben und
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 14.535,85 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag mit der Vers-cherungsnummer xxx hinsichtlich der Schäden, welche mit Schreiben des Klägers vom 12.11.2018 angezeigt wurden, Versicherungsschutz zu gewähren hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Nach den Feststellungen des Sachverständigen seien die Witterungsbedingungen im Jahr 2018, konkret die Austrocknung des Bodens, eine denk-bare Ur-sache für die Schäden. Das Verschwinden der im Boden enthaltenen Feuchtigkeit habe dazu geführt, dass das Bodenvolumen geschrumpft sei. Selbst wenn sich in diesem Zu-sammenhang Hohlräume bilden sollten, wären sie mikroskopisch klein. Der Sachverständige habe im Rahmen seiner ergänzenden Anhörung einen Mikrometerbereich angesprochen. Derart winzige Lücken im Erdmaterial mit dem Begriff Hohlraum zu umschreiben, wäre lebens-fremd. Selbst der Kläger habe ursprünglich unter dem Begriff Hohlraum weit größere Lücken im Boden verstanden, was auch seine Ausführungen in der Klageschrift (Seite 3) zeigen wür-den. Schließlich stütze die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.11.2022 (VI ZR 62/22) das Verständnis des Klägers nicht. Es komme danach allein auf den allgemeinen Sprachgebrauch an und nicht auf Fachterminologie. Ein Erdfall könne schon aus sprachlicher Sicht nicht mit einer Erdsenkung gleichgesetzt werden. Erdsenkungen seien nicht versichert. Zudem sei es für einen Erdfall charakteristisch, dass eine Plötzlichkeit gegeben sei. Dies sähen auch die Versicherungsbedingungen so vor.
Unabhängig davon, was unter Erdrutsch und Erdfall zu verstehen sei, habe das Landgericht die Klage schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil der Gutachter neben einer Austrocknung des Bodens auch die Gründungssituation als Ursache für die Rissbildung nicht habe aus-schließlichen können. Der Sachverständige habe festgestellt, dass ursprünglich der Mockritzer Bach diagonal über das Grundstück des Klägers verlaufen sei. Diese Grundstücksteile seien aufgeschüttet worden. Dass sich die Bodenstruktur nach Austrocknung ändere, lasse sich nicht auf ein ausschließlich naturbedingtes Ereignis zurückführen. Auch deshalb sei kein Ver-sicherungsfall anzunehmen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Kla-ge ab-gewiesen.
Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch ist auf der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachengrundlage eine dem Kläger günstigere Beurteilung geboten (§ 513 ZPO). Nach den Versicherungsbedingungen, wie sie unstreitig Inhalt des Versicherungsvertrags geworden sind, liegt kein Versicherungsfall vor.
1. Auszugehen ist von dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen, wie sie von einem durch-schnittlichen Versicherungsnehmer zu verstehen sind.
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (BGH, Urteil vom 26.01.2022 - VI ZR 144/21, Rn. 10, juris). Dabei kommt es auf die Verständnis-möglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (BGH, a.a.O.), der allgemeine Sprachgebrauch ist maßgeblich (BGH, Urteil vom 09.11.2022 - IV ZR 62/22, Rn. 13, juris). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen; der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind aber zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 26.01.2022, Az. VI ZR 144/21, Rn. 10).
b) Zu klären ist daher, was aus Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Ver-sicherungsnehmerunters unter einem "Erdfall" und einem "Erdrutsch" zu verstehen ist. Diese Begriffe sind in Ziffer 1.2.5 der Versicherungsbedingungen (Anlage K19) näher erläutert.
Ein Erdrutsch ist nach den Versicherungsbedingungen ein "plötzliches Abrutschen oder Ab-stürzen von Gesteins- oder Erdmassen, dessen Ursache ausschließlich naturbedingt ist". Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor, wenn sich der Boden unter einem Gebäude aufgrund von Aus-trocknung langsam senkt und dies zu Rissen an einer Terrasse führt. Es fehlt jedenfalls an der ausdrücklich vorausgesetzten Plötzlichkeit, was auch einem durch-schnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffällt. Abzu-grenzen ist dies von der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 09.11.2022, denn dort lag nach den einschlägigen Klauseln eine andere Definition des Erdrutsches zu Grunde ("Erd-rutsch ist ein naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen", BGH, Urteil vom 09.11.2022 - IV ZR 62/22, Rn. 1, juris). Dass ein so definierter Begriff des Erdrut-sches auch Schäden am Versicherungsobjekt erfasst, die durch allmähliche, nicht augenschein-liche naturbedingte Bewegungen von Gesteins- oder Erdmassen verursacht werden (BGH, a.a.O. Rn. 8), ist nachvollziehbar. Vorliegend ist hingegen lediglich ein plötzliches Ab-rutschen oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen versichert.
Ein Erdfall ist "ein Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen, dessen Ursache aus-schließlich naturbedingt ist". Auch diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Schon unter dem Begriff "Ein-sturz" kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht verstehen, dass sich der Erdboden unter dem Gebäude über einen längeren Zeitraum hinweg absenkt und dies zu Rissen an einem Bau-werk führt. Das Wort Einsturz leitet sich ab vom "Sturz", worunter gemeinhin ein jäher Fall verstanden wird (Duden, 26. Aufl. 2013, Stichwort "Sturz"). Dem Begriff des Einsturzes ist also ein Element der Plötzlichkeit immanent. Ganz anders ist es bei einer Absenkung. Ein Bauwerk, dass sich über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg lang-sam absenkt, stürzt über diesen Zeitraum hinweg nicht ständig ein. Anders als die Berufung meint, kann daher eine Erdsenkung nicht als Erdfall im Sinne der Versicherungsbedingungen verstanden werden. Soweit die Berufung insoweit noch geltend macht, der Begriff der "na-turbedingten Absenkung" des Erdbodens sei aus Sicht eines verständigen Versicherungsneh-mers auszulegen, führt dieser Einwand nicht weiter. Dass eine naturbedingte Absenkung des Erdbodens ein Versicherungsfall sein könnte, lassen die Versicherungsbedingungen nicht an-satz-weise erkennen.
Unabhängig davon kann es als "natürlicher Hohlraum" im Boden aufgefasst werden, wenn zuvor feuchter Boden schlicht austrocknet. Physikalisch ist es durchaus so - wie auch der Sachverständige erläutert hat - dass anstelle des Wassers zwischen einzelnen Bodenpartikeln in diesem Fall dann unter Umständen Luft zwischen den Bodenpartikeln ist, weshalb der Bo-den sich senken kann. Dies wäre aber kein "Hohlraum" im Boden, sondern die völlig normale Zusammensetzung von trockenem Bo-den. Anders als der Kläger meint, ist ein Hohlraum im Boden nicht deswegen bewiesen, weil eine Fachfirma in seinem Auftrag über 600 kg Harz in den Boden gepumpt hat, um diesen zu stabilisieren. Selbstverständlich passt flüssiges Harz ebenso wie Wasser in einen normalen Boden, ohne dass dieser Boden dafür Hohlräume im Sinne der Versicherungsbedingungen aufweisen müsste. Nach den vom Kläger selbst einge-reichten Unterlagen können Harze zur Stabilisierung in jeden "normalen Bo-den" eingebracht werden, wobei etwaige Hohlräume sogar als "Anomalien" angesehen werden (An-lage K20, Seite 11, rechte Spalte unter [1]). Das Harz wurde im Übrigen nach der Absenkung des Ge-bäudes eingebracht und kann von daher den Beweis, dass die Senkung des Bodens aufgrund eines Einsturzes vorhandener Hohlräume erfolgte, auch deshalb nicht erbringen.
Im Ergebnis ist ein Erdfall nicht gegeben, wenn der Bodenuntergrund sich infolge einer Aus-trocknung langsam senkt (ebenso bereits OLG Koblenz, Beschluss vom 03.03.2011 - 10 U 1319/10, juris).
Unabhängig von den oben dargestellten Erwägungen wären die Umstände hier auch nicht allein naturbedingt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. W...... hat in seinem Gutachten vom 18.10.2022 herausgearbeitet, dass es sich um aufgeschütteten Boden handelte, der sich im Rahmen einer längeren Trockenperiode nach einer ungewöhnlich starken Aus-trocknung des Bodens gesenkt hat. Dies ist nicht ausschließlich naturbedingt. Einwendungen gegen die gutachterlichen Feststellungen sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der Sachverständige ist von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und hat seine fachlichen Feststellungen gut nachvollziehbar und plausibel aufbereitet.
2. Beweisbelastet für das Vorliegen eines Versicherungsfalls ist der Versicherungsnehmer. Der Kläger konnte - unabhängig von der Frage, ob sein Fall von der Definition in den Versi-cherungsbedingungen erfasst wird - nicht beweisen, dass die Risse auf einem versicherten Ereignis beruhen. Denn der Sachverständige Dipl.-Ing. W...... konnte nicht ausschließlichen, dass eine mangelhafte Gründung des Gebäudes bzw. der Terrasse für den Schaden ursächlich ist. Bleiben hier Zweifel, ist ein Versicherungsfall nicht anzunehmen.
Soweit das vorab eingeholte Parteigutachten davon ausging, dass natürliche Hohlräume als Ursache "nicht auszuschließen" seien, hilft dem Kläger dies nicht weiter. Er muss beweisen, dass ein Erdfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorlag.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreck-barkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen nicht vor-liegen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich nicht. Ebenso wenig ist abweichende höchstrichterliche oder obergerichtliche Rechtsprechung zu vergleichbaren Klauseln in Versicherungsbedingungen ersichtlich.
Urteil vom 26.07.2023
1 U 520/23
In dem Rechtsstreit
xxx
wegen Versicherungsleistung
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Richter am Oberlandesgericht Dr. W...... als Einzelrichter
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2023 am 26.07.2023für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 23.02.2023, Az. 5 O 1780/21, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig voll-streckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung gel-tend. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug ge-nommen. Mit Urteil vom 23.02.2023 hat das Landgericht Chemnitz die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 24.02.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.03.2023 Berufung ein-gelegt und diese am 24.04.2023 begründet.
Der Kläger macht mit seiner Berufung geltend, ein Versicherungsfall liege vor. Versichert sei-en Schäden durch Erdfall und Erdrutsch. Erdfall sei in den Versicherungsbedingungen defi-niert als "Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen, dessen Ursache ausschließlich naturbedingt ist". Als Erdrutsch werde bezeichnet: "ein plötzliches Abrutschen oder Abstür-zen von Gesteins- oder Erdmassen, dessen Ursache ausschließlich naturbedingt ist." Dass es Hohlräume im Untergrund gegeben habe, ergebe sich allein schon aus dem Umstand, dass nach dem Schadens-ereignis 687 kg Harz mittels Injektionslanzen in den Baugrund einge-bracht worden seien. Damit seien offensichtlich vorhandene Hohlräume verfüllt worden. Der erstinstanzlich angehörte Sach-verständige habe zwar die Gründungssituation nicht als Scha-densursache ausschließen können, habe für maßgeblich aber eine temporäre Austrocknung der Böden gehalten.
Der Begriff der naturbedingten Absenkung des Erdbodens sei aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers auszulegen. Danach wären auch Senkungen des Bodens in Folge einer Schrumpfung durch Austrocknung erfasst. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer er-schließe sich nicht, dass eine Bewegung der Erdmasse eine Mindestgeschwindigkeit auf-weisen müsse. Es könne für das Vorliegen eines Versicherungsfalls nicht entscheidend sein, ob das Schadensereignis plötzlich (Erdrutsch) oder langsam und kaum wahrnehmbar (Erdkrie-chen) erfolge. Eine Plötzlichkeit des Ereignisses werde von den Bedingungen nicht gefordert. Mithin könne eine Erdsenkung oder ein Erdfall im Sinne der Versicherungsbedingungen auch dann vorliegen, wenn der Absenkungsprozess mehrere Jahre dauere. Entscheidend sei nur, dass der Erdboden über natürlichen Hohlräumen in Bewegung gerate. Die Größe dieser Hohl-räume spiele keine Rolle. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus den Versicherungsbedin-gungen.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz,
das am 23.02.2023 verkündete und am 24.02.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts Chem-nitz wird aufgehoben und
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 14.535,85 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag mit der Vers-cherungsnummer xxx hinsichtlich der Schäden, welche mit Schreiben des Klägers vom 12.11.2018 angezeigt wurden, Versicherungsschutz zu gewähren hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Nach den Feststellungen des Sachverständigen seien die Witterungsbedingungen im Jahr 2018, konkret die Austrocknung des Bodens, eine denk-bare Ur-sache für die Schäden. Das Verschwinden der im Boden enthaltenen Feuchtigkeit habe dazu geführt, dass das Bodenvolumen geschrumpft sei. Selbst wenn sich in diesem Zu-sammenhang Hohlräume bilden sollten, wären sie mikroskopisch klein. Der Sachverständige habe im Rahmen seiner ergänzenden Anhörung einen Mikrometerbereich angesprochen. Derart winzige Lücken im Erdmaterial mit dem Begriff Hohlraum zu umschreiben, wäre lebens-fremd. Selbst der Kläger habe ursprünglich unter dem Begriff Hohlraum weit größere Lücken im Boden verstanden, was auch seine Ausführungen in der Klageschrift (Seite 3) zeigen wür-den. Schließlich stütze die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.11.2022 (VI ZR 62/22) das Verständnis des Klägers nicht. Es komme danach allein auf den allgemeinen Sprachgebrauch an und nicht auf Fachterminologie. Ein Erdfall könne schon aus sprachlicher Sicht nicht mit einer Erdsenkung gleichgesetzt werden. Erdsenkungen seien nicht versichert. Zudem sei es für einen Erdfall charakteristisch, dass eine Plötzlichkeit gegeben sei. Dies sähen auch die Versicherungsbedingungen so vor.
Unabhängig davon, was unter Erdrutsch und Erdfall zu verstehen sei, habe das Landgericht die Klage schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil der Gutachter neben einer Austrocknung des Bodens auch die Gründungssituation als Ursache für die Rissbildung nicht habe aus-schließlichen können. Der Sachverständige habe festgestellt, dass ursprünglich der Mockritzer Bach diagonal über das Grundstück des Klägers verlaufen sei. Diese Grundstücksteile seien aufgeschüttet worden. Dass sich die Bodenstruktur nach Austrocknung ändere, lasse sich nicht auf ein ausschließlich naturbedingtes Ereignis zurückführen. Auch deshalb sei kein Ver-sicherungsfall anzunehmen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Kla-ge ab-gewiesen.
Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch ist auf der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachengrundlage eine dem Kläger günstigere Beurteilung geboten (§ 513 ZPO). Nach den Versicherungsbedingungen, wie sie unstreitig Inhalt des Versicherungsvertrags geworden sind, liegt kein Versicherungsfall vor.
1. Auszugehen ist von dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen, wie sie von einem durch-schnittlichen Versicherungsnehmer zu verstehen sind.
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (BGH, Urteil vom 26.01.2022 - VI ZR 144/21, Rn. 10, juris). Dabei kommt es auf die Verständnis-möglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (BGH, a.a.O.), der allgemeine Sprachgebrauch ist maßgeblich (BGH, Urteil vom 09.11.2022 - IV ZR 62/22, Rn. 13, juris). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen; der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind aber zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 26.01.2022, Az. VI ZR 144/21, Rn. 10).
b) Zu klären ist daher, was aus Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Ver-sicherungsnehmerunters unter einem "Erdfall" und einem "Erdrutsch" zu verstehen ist. Diese Begriffe sind in Ziffer 1.2.5 der Versicherungsbedingungen (Anlage K19) näher erläutert.
Ein Erdrutsch ist nach den Versicherungsbedingungen ein "plötzliches Abrutschen oder Ab-stürzen von Gesteins- oder Erdmassen, dessen Ursache ausschließlich naturbedingt ist". Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor, wenn sich der Boden unter einem Gebäude aufgrund von Aus-trocknung langsam senkt und dies zu Rissen an einer Terrasse führt. Es fehlt jedenfalls an der ausdrücklich vorausgesetzten Plötzlichkeit, was auch einem durch-schnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer ohne Weiteres auffällt. Abzu-grenzen ist dies von der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 09.11.2022, denn dort lag nach den einschlägigen Klauseln eine andere Definition des Erdrutsches zu Grunde ("Erd-rutsch ist ein naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen", BGH, Urteil vom 09.11.2022 - IV ZR 62/22, Rn. 1, juris). Dass ein so definierter Begriff des Erdrut-sches auch Schäden am Versicherungsobjekt erfasst, die durch allmähliche, nicht augenschein-liche naturbedingte Bewegungen von Gesteins- oder Erdmassen verursacht werden (BGH, a.a.O. Rn. 8), ist nachvollziehbar. Vorliegend ist hingegen lediglich ein plötzliches Ab-rutschen oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen versichert.
Ein Erdfall ist "ein Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen, dessen Ursache aus-schließlich naturbedingt ist". Auch diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Schon unter dem Begriff "Ein-sturz" kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht verstehen, dass sich der Erdboden unter dem Gebäude über einen längeren Zeitraum hinweg absenkt und dies zu Rissen an einem Bau-werk führt. Das Wort Einsturz leitet sich ab vom "Sturz", worunter gemeinhin ein jäher Fall verstanden wird (Duden, 26. Aufl. 2013, Stichwort "Sturz"). Dem Begriff des Einsturzes ist also ein Element der Plötzlichkeit immanent. Ganz anders ist es bei einer Absenkung. Ein Bauwerk, dass sich über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg lang-sam absenkt, stürzt über diesen Zeitraum hinweg nicht ständig ein. Anders als die Berufung meint, kann daher eine Erdsenkung nicht als Erdfall im Sinne der Versicherungsbedingungen verstanden werden. Soweit die Berufung insoweit noch geltend macht, der Begriff der "na-turbedingten Absenkung" des Erdbodens sei aus Sicht eines verständigen Versicherungsneh-mers auszulegen, führt dieser Einwand nicht weiter. Dass eine naturbedingte Absenkung des Erdbodens ein Versicherungsfall sein könnte, lassen die Versicherungsbedingungen nicht an-satz-weise erkennen.
Unabhängig davon kann es als "natürlicher Hohlraum" im Boden aufgefasst werden, wenn zuvor feuchter Boden schlicht austrocknet. Physikalisch ist es durchaus so - wie auch der Sachverständige erläutert hat - dass anstelle des Wassers zwischen einzelnen Bodenpartikeln in diesem Fall dann unter Umständen Luft zwischen den Bodenpartikeln ist, weshalb der Bo-den sich senken kann. Dies wäre aber kein "Hohlraum" im Boden, sondern die völlig normale Zusammensetzung von trockenem Bo-den. Anders als der Kläger meint, ist ein Hohlraum im Boden nicht deswegen bewiesen, weil eine Fachfirma in seinem Auftrag über 600 kg Harz in den Boden gepumpt hat, um diesen zu stabilisieren. Selbstverständlich passt flüssiges Harz ebenso wie Wasser in einen normalen Boden, ohne dass dieser Boden dafür Hohlräume im Sinne der Versicherungsbedingungen aufweisen müsste. Nach den vom Kläger selbst einge-reichten Unterlagen können Harze zur Stabilisierung in jeden "normalen Bo-den" eingebracht werden, wobei etwaige Hohlräume sogar als "Anomalien" angesehen werden (An-lage K20, Seite 11, rechte Spalte unter [1]). Das Harz wurde im Übrigen nach der Absenkung des Ge-bäudes eingebracht und kann von daher den Beweis, dass die Senkung des Bodens aufgrund eines Einsturzes vorhandener Hohlräume erfolgte, auch deshalb nicht erbringen.
Im Ergebnis ist ein Erdfall nicht gegeben, wenn der Bodenuntergrund sich infolge einer Aus-trocknung langsam senkt (ebenso bereits OLG Koblenz, Beschluss vom 03.03.2011 - 10 U 1319/10, juris).
Unabhängig von den oben dargestellten Erwägungen wären die Umstände hier auch nicht allein naturbedingt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. W...... hat in seinem Gutachten vom 18.10.2022 herausgearbeitet, dass es sich um aufgeschütteten Boden handelte, der sich im Rahmen einer längeren Trockenperiode nach einer ungewöhnlich starken Aus-trocknung des Bodens gesenkt hat. Dies ist nicht ausschließlich naturbedingt. Einwendungen gegen die gutachterlichen Feststellungen sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der Sachverständige ist von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und hat seine fachlichen Feststellungen gut nachvollziehbar und plausibel aufbereitet.
2. Beweisbelastet für das Vorliegen eines Versicherungsfalls ist der Versicherungsnehmer. Der Kläger konnte - unabhängig von der Frage, ob sein Fall von der Definition in den Versi-cherungsbedingungen erfasst wird - nicht beweisen, dass die Risse auf einem versicherten Ereignis beruhen. Denn der Sachverständige Dipl.-Ing. W...... konnte nicht ausschließlichen, dass eine mangelhafte Gründung des Gebäudes bzw. der Terrasse für den Schaden ursächlich ist. Bleiben hier Zweifel, ist ein Versicherungsfall nicht anzunehmen.
Soweit das vorab eingeholte Parteigutachten davon ausging, dass natürliche Hohlräume als Ursache "nicht auszuschließen" seien, hilft dem Kläger dies nicht weiter. Er muss beweisen, dass ein Erdfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorlag.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreck-barkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen nicht vor-liegen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich nicht. Ebenso wenig ist abweichende höchstrichterliche oder obergerichtliche Rechtsprechung zu vergleichbaren Klauseln in Versicherungsbedingungen ersichtlich.
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