04.10.2023 · IWW-Abrufnummer 237622
Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 29.06.2023 – 4 U 826/23
Wird dem Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung der Mechanismus einer Beitragsanpassung in einer verständlichen und seinem Informationsbedürfnis tragenden Weise erläutert, ist es unschädlich, wenn hierfür eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Terminologie verwendet wird.
Oberlandesgericht Dresden
Beschluss vom 29.06.2023
4 U 826/23
In dem Rechtsstreit
Xxx
wegen Forderung und Feststellung
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S......,Richterin am Oberlandesgericht P...... und Richterin am Oberlandesgericht W......ohne mündliche Verhandlung am 29.06.2023 beschlossen:
Tenor:
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung allein noch gegen die Feststellungen des Landgerichts in Bezug auf die formellen Voraussetzungen der Beitragsanpassungsmitteilungen für die Jahre 2015 und 2017 bis 2020. Soweit er in seinem Berufungsantrag unter Ziffer 2 b) noch die Beitragsanpas-sung zum 01.04.2014 erwähnt, geht der Senat von einem redaktionellen Versehen aus, denn die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger mit seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen. Hinsichtlich der weiteren Beitragsanpassungen bleiben seine Berufungsrügen ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die formelle Rechtmäßigkeit bejaht.
1.Die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 in den Tarifen 2007 und 722 ist formell rechtmäßig.
a)Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeb-lich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforder-lichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwel-lenwerte übersteigt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen nicht entscheidend (so BGH, a.a.O., Rdnr. 35). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang er über-schritten wird (vgl. hierzu Urteil Senat vom 14.12.2021 - 4 U 1693/21 - juris).
Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung waren, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände diese aufgrund gesetzlicher Rege-lungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechnungsgrundlage des geltenden Schwellenwertes oder die genaue Hö-he der Veränderung der Rechtsgrundlage mitzuteilen (so BGH, a.a.O.). Die Mitteilungspflicht hat auch nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (so BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.).
b)In dem an den Kläger gerichteten Mitteilungsschreiben vom 18.11.2017 (Anlage BLD 3 BAK_01-2018, I. Instanz) heißt es unter anderem zunächst:
Der Gesetzgeber verpflichtet uns, für jeden Tarif jährlich die medizinischen Ausgaben zu prüfen und gegebenenfalls die Beiträge anzupassen. Diese Prüfung hat ergeben, dass in Ihrem Tarif bzw. Ihren Tarifen eine Anpassung notwendig ist. Dadurch kann es auch zu wiederholten Erhöhungen kommen.
Die Medizin bietet heute Heilungs- und Behandlungschancen, die vor wenigen Jahren noch wie Zu-kunftsmusik schienen: So können viele chronisch Kranke durch weiter entwickelte Medikamente bes-ser leben. Dank computergestützter Methoden operieren Ärzte präziser als je zuvor. Viele Krankhei-ten lassen sich früher erkennen. In kürzester Zeit hat die Medizin einen enormen Schub bekommen.
Diese fortschrittliche Medizin geht einher mit höheren Ausgaben, die alle Versicherten in Ihrem Tarif gemeinsam tragen. Das Geld fließt dorthin, wo es gebraucht wird: In Therapien und Behandlungen und in den Erhalt der Gesundheit.
H}
Die durch die medizinische Ausgabensteigerung notwendige Beitragssteigerung konnten wir durch unsere Finanzkraft abmildern und auf das jetzige Niveau reduzieren. ....
Im beigefügten Nachtrag zum Versicherungsschein heiß es dann ausdrücklich im Bezug auf die hier streitgegenständlichen Tarife:
Herr W...... H...... (geb. xx.xx.19xx).
Ambulante Heilbehandlung (2007) [ANPASSUNG] :E
Auslösender Faktor für die Beitragsanpassung: Versicherungsleistungen (+23,63%)*
Stationäre Heilbehandlung (722) [ANPASSUNG]
Auslösender Faktor für die Beitragsanpassung: Versicherungsleistungen (+34,88%)*
In der Spalte rechts daneben werden die neuen dazugehörigen Beiträge genau beziffert. Weiter heißt es dann:
*Der Auslösende Faktor ist lediglich der Auslöser für die Überprüfung der Beiträge in Ihrer Versicher-tengemeinschaft. Die Höhe der Beitragsanpassung hängt von vielen verschiedenen Rechnungsgrund-lagen ab. Weitere ausführliche Informationen hierzu finden Sie in den beiliegenden "Zusatzinformati-onen zu Ihrer Beitragsanpassung".
Schließlich heißt es in den unstreitig beigefügten Zusatzinformationen unter anderem:
Für den Auslösenden Faktor "Versicherungsleistungen" wird auf Basis der Leistungsausgaben der vergangenen drei Jahre nach einem vorgeschriebenen Verfahren der zukünftige Bedarf berechnet. Dieser wird mit den einkalkulierten Leistungsausgaben verglichen. Ergibt sich dabei eine Abweichung, die über einem festgelegten Schwellenwert liegt, und ist diese Abweichung nicht nur als vorüberge-hend anzusehen, so ist eine Anpassung der Beiträge vorgeschrieben. Der Schwellenwert liegt in den meisten Fällen bei 10%, kann aber je nach Tarif auch 5% betragen. Welcher Schwellenwert für Ihren Tarif gilt, können Sie Ihren Versicherungsbedingungen entnehmen.
Durch diese Formulierungen wird dem Versicherungsnehmer unter Verwendung der im Gesetz vor-gesehenen Terminologie deutlich vor Augen geführt, welcher auslösende Faktor für die Beitragsan-passung im jeweiligen Tarif "angesprungen" ist und dass die Beitragsanpassung nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Schwellenwertmechanismus zu erfolgen hat und somit der Willkür des Versicherers entzogen ist. Dies genügt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es unschädlich ist, wenn die zahlreichen, von der Beklagten dem Kläger überlassenen Informationen an einigen Stellen eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Terminologie in Bezug auf den auslösenden Faktor und die Beitragsüberprüfung (z.B. "medizinische Ausgaben") verwenden. Dies ist nicht irreführend. Entscheidend ist, dass in den Unterlagen in einer für den Versicherungsnehmer verständlichen und seinem Informationsbedürfnis Rechnung tragen-den Weise die Mechanismen der Beitragsanpassung erläutert werden (vgl. Senatsurteil vom 08.03.2022 - 4 U 1999/21, Beck-online).
2.Ob die Prämienanpassungen zum 01.01.2015 und zum 01.01.2017 wirksam waren, kann offen bleiben, denn die wirksame Prämienanpassung zum 01.01.2018 bildet ungeachtet vorheriger un-wirksamer Anpassungserklärungen ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner gesamten Höhe und umfasst auch Prämienanteile aus vorherigen unwirksamen Prämienanpassungen (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 353/19 - juris; vgl. Se-nat, Urteil vom 15.02.2022 - 4 U 1672/21 - juris; vgl. Urteil vom 28.06.2022 - 4 U 212/22 - juris).
3.Für die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 und zum 01.01.2020 ist auf die obenstehenden Aus-führungen zu verweisen, sie unterscheiden sich in den maßgeblichen Formulierungen und im Aufbau nicht von derjenigen vom 18.11.2017. Der auslösende Faktor wird unter Verwendung der im Gesetz gewählten Terminologie (Leistungsausgaben) im Nachtrag ausdrücklich benannt und zwar konkret bezogen auf die einzelnen betroffenen Tarife und der Schwellenwertmechanismus ist in den beigefüg-ten allgemeinen Informationen, auf die ausdrücklich hingewiesen wird, klar erläutert (vgl. Anlagen BLD 3 BAK01-2019 und BLD 3 BAK_01-2020).
4.Soweit der Kläger in der Klage- und auch in der Berufungsschrift in den Anträgen selbst eine Anpas-sung zum 01.05.2019 erwähnt, so findet dies in seinem Vortrag keine Stütze, der Kläger bezieht sich vielmehr ersichtlich auf die von der Beklagten für die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 vorgeleg-ten Unterlagen. Der Senat geht daher insoweit von einem redaktionellen Versehen aus.
Der Senat rät zu einer Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.
Beschluss vom 29.06.2023
4 U 826/23
In dem Rechtsstreit
Xxx
wegen Forderung und Feststellung
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S......,Richterin am Oberlandesgericht P...... und Richterin am Oberlandesgericht W......ohne mündliche Verhandlung am 29.06.2023 beschlossen:
Tenor:
- Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
- Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
- Der auf Dienstag, 01.08.2023, 16.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
- Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 7.599,28 € festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung allein noch gegen die Feststellungen des Landgerichts in Bezug auf die formellen Voraussetzungen der Beitragsanpassungsmitteilungen für die Jahre 2015 und 2017 bis 2020. Soweit er in seinem Berufungsantrag unter Ziffer 2 b) noch die Beitragsanpas-sung zum 01.04.2014 erwähnt, geht der Senat von einem redaktionellen Versehen aus, denn die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger mit seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen. Hinsichtlich der weiteren Beitragsanpassungen bleiben seine Berufungsrügen ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die formelle Rechtmäßigkeit bejaht.
1.Die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 in den Tarifen 2007 und 722 ist formell rechtmäßig.
a)Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeb-lich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforder-lichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwel-lenwerte übersteigt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen nicht entscheidend (so BGH, a.a.O., Rdnr. 35). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang er über-schritten wird (vgl. hierzu Urteil Senat vom 14.12.2021 - 4 U 1693/21 - juris).
Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung waren, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände diese aufgrund gesetzlicher Rege-lungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechnungsgrundlage des geltenden Schwellenwertes oder die genaue Hö-he der Veränderung der Rechtsgrundlage mitzuteilen (so BGH, a.a.O.). Die Mitteilungspflicht hat auch nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (so BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.).
b)In dem an den Kläger gerichteten Mitteilungsschreiben vom 18.11.2017 (Anlage BLD 3 BAK_01-2018, I. Instanz) heißt es unter anderem zunächst:
Der Gesetzgeber verpflichtet uns, für jeden Tarif jährlich die medizinischen Ausgaben zu prüfen und gegebenenfalls die Beiträge anzupassen. Diese Prüfung hat ergeben, dass in Ihrem Tarif bzw. Ihren Tarifen eine Anpassung notwendig ist. Dadurch kann es auch zu wiederholten Erhöhungen kommen.
Die Medizin bietet heute Heilungs- und Behandlungschancen, die vor wenigen Jahren noch wie Zu-kunftsmusik schienen: So können viele chronisch Kranke durch weiter entwickelte Medikamente bes-ser leben. Dank computergestützter Methoden operieren Ärzte präziser als je zuvor. Viele Krankhei-ten lassen sich früher erkennen. In kürzester Zeit hat die Medizin einen enormen Schub bekommen.
Diese fortschrittliche Medizin geht einher mit höheren Ausgaben, die alle Versicherten in Ihrem Tarif gemeinsam tragen. Das Geld fließt dorthin, wo es gebraucht wird: In Therapien und Behandlungen und in den Erhalt der Gesundheit.
H}
Die durch die medizinische Ausgabensteigerung notwendige Beitragssteigerung konnten wir durch unsere Finanzkraft abmildern und auf das jetzige Niveau reduzieren. ....
Im beigefügten Nachtrag zum Versicherungsschein heiß es dann ausdrücklich im Bezug auf die hier streitgegenständlichen Tarife:
Herr W...... H...... (geb. xx.xx.19xx).
Ambulante Heilbehandlung (2007) [ANPASSUNG] :E
Auslösender Faktor für die Beitragsanpassung: Versicherungsleistungen (+23,63%)*
Stationäre Heilbehandlung (722) [ANPASSUNG]
Auslösender Faktor für die Beitragsanpassung: Versicherungsleistungen (+34,88%)*
In der Spalte rechts daneben werden die neuen dazugehörigen Beiträge genau beziffert. Weiter heißt es dann:
*Der Auslösende Faktor ist lediglich der Auslöser für die Überprüfung der Beiträge in Ihrer Versicher-tengemeinschaft. Die Höhe der Beitragsanpassung hängt von vielen verschiedenen Rechnungsgrund-lagen ab. Weitere ausführliche Informationen hierzu finden Sie in den beiliegenden "Zusatzinformati-onen zu Ihrer Beitragsanpassung".
Schließlich heißt es in den unstreitig beigefügten Zusatzinformationen unter anderem:
Für den Auslösenden Faktor "Versicherungsleistungen" wird auf Basis der Leistungsausgaben der vergangenen drei Jahre nach einem vorgeschriebenen Verfahren der zukünftige Bedarf berechnet. Dieser wird mit den einkalkulierten Leistungsausgaben verglichen. Ergibt sich dabei eine Abweichung, die über einem festgelegten Schwellenwert liegt, und ist diese Abweichung nicht nur als vorüberge-hend anzusehen, so ist eine Anpassung der Beiträge vorgeschrieben. Der Schwellenwert liegt in den meisten Fällen bei 10%, kann aber je nach Tarif auch 5% betragen. Welcher Schwellenwert für Ihren Tarif gilt, können Sie Ihren Versicherungsbedingungen entnehmen.
Durch diese Formulierungen wird dem Versicherungsnehmer unter Verwendung der im Gesetz vor-gesehenen Terminologie deutlich vor Augen geführt, welcher auslösende Faktor für die Beitragsan-passung im jeweiligen Tarif "angesprungen" ist und dass die Beitragsanpassung nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Schwellenwertmechanismus zu erfolgen hat und somit der Willkür des Versicherers entzogen ist. Dies genügt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es unschädlich ist, wenn die zahlreichen, von der Beklagten dem Kläger überlassenen Informationen an einigen Stellen eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Terminologie in Bezug auf den auslösenden Faktor und die Beitragsüberprüfung (z.B. "medizinische Ausgaben") verwenden. Dies ist nicht irreführend. Entscheidend ist, dass in den Unterlagen in einer für den Versicherungsnehmer verständlichen und seinem Informationsbedürfnis Rechnung tragen-den Weise die Mechanismen der Beitragsanpassung erläutert werden (vgl. Senatsurteil vom 08.03.2022 - 4 U 1999/21, Beck-online).
2.Ob die Prämienanpassungen zum 01.01.2015 und zum 01.01.2017 wirksam waren, kann offen bleiben, denn die wirksame Prämienanpassung zum 01.01.2018 bildet ungeachtet vorheriger un-wirksamer Anpassungserklärungen ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner gesamten Höhe und umfasst auch Prämienanteile aus vorherigen unwirksamen Prämienanpassungen (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 353/19 - juris; vgl. Se-nat, Urteil vom 15.02.2022 - 4 U 1672/21 - juris; vgl. Urteil vom 28.06.2022 - 4 U 212/22 - juris).
3.Für die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 und zum 01.01.2020 ist auf die obenstehenden Aus-führungen zu verweisen, sie unterscheiden sich in den maßgeblichen Formulierungen und im Aufbau nicht von derjenigen vom 18.11.2017. Der auslösende Faktor wird unter Verwendung der im Gesetz gewählten Terminologie (Leistungsausgaben) im Nachtrag ausdrücklich benannt und zwar konkret bezogen auf die einzelnen betroffenen Tarife und der Schwellenwertmechanismus ist in den beigefüg-ten allgemeinen Informationen, auf die ausdrücklich hingewiesen wird, klar erläutert (vgl. Anlagen BLD 3 BAK01-2019 und BLD 3 BAK_01-2020).
4.Soweit der Kläger in der Klage- und auch in der Berufungsschrift in den Anträgen selbst eine Anpas-sung zum 01.05.2019 erwähnt, so findet dies in seinem Vortrag keine Stütze, der Kläger bezieht sich vielmehr ersichtlich auf die von der Beklagten für die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 vorgeleg-ten Unterlagen. Der Senat geht daher insoweit von einem redaktionellen Versehen aus.
Der Senat rät zu einer Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.
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