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  • 09.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239001

    Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 26.10.2023 – 4 U 1070/23

    1. Die Mitteilung im Beitragsanpassungsschreiben eines privaten Krankenversicherers, wonach "gesetzliche Vorgaben Einfluss auf den Beitrag haben" enthält keinen Hinweis auf einen vorgesehenen Schwellenwert und genügt damit nicht den gesetzlichen Begründungsanfordernissen.

    2. Eine wirksame Prämienanpassung bildet fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in der Gesamthöhe.

    3. Ein Feststellungsantrag, dass der Versicherer zur Herausgabe von Nutzungen aus zu Unrecht erfolgten Beitragsanpassungen verpflichtet ist, ist auf den Zeitraum bis zur Rechtshängigkeit zu begrenzen.

    4. Der Anspruch auf Nutzungsersatz aus gezahlten Erhöhungsbeträgen verjährt mit dem zugrunde liegenden Rückzahlungsanspruch.

    5. Die Sachdienlichkeit für die Zulassung einer im Berufungsverfahren erklärten Aufrechnung ist nicht gegeben, wenn die Aufrechnungsforderung aufgrund gerichtlicher Hinweise erst noch substantiiert werden müsste.

    6. Bei einer negativen Feststellungsklage ist kein Feststellungsabschlag vorzunehmen.


    Oberlandesgericht Dresden 

    Urteil vom 26.10.2023


    In dem Rechtsstreit
    D...... K......, ...
    - Kläger und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte W...... B...... S......, ...
    gegen
    ...... Krankenversicherung a.G., ...
    vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden ......
    - Beklagte und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    B...... L...... D...... Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, ...

    wegen Forderung und Feststellung

    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
    Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S......,
    Richterin am Oberlandesgericht P...... und
    Richterin am Oberlandesgericht W......

    im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO, in dem Schriftsätze bis zum 19. Oktober 2023 eingereicht werden konnten für Recht erkannt:

    Tenor:

    I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19. Mai 2023 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass folgende Prämienerhöhungen bis zum 31.10.2022 unwirksam waren: im Tarif AEB 50 zum 01.01.2010 um 0,77 €, im Tarif SB-W 30 zum 01.01.2017 um 1,15 € und im Tarif SB-W 20 V zum 01.01.2017 um 0,11 € und der Kläger daher im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.10.2022 nicht zur Zahlung der Erhöhungsbeträge verpflichtet war.

    2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.643,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 16.07.2022 zu bezahlen.

    3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 15.07.2022 aus den

    a) vom 01.01.2019 bis 31.12.2020 erfolgten Zahlungen des Klägers auf nachfolgende Beitragsanpassungen gezogen hat: Im Tarif AB 30 zum 01.01.2010 um 14,75 €, im Tarif AB 30 zum 01.01.2018 um 15,67 €, im Tarif AB 20 V zum 01.01.2010 um 6,87 EUR, im Tarif AB 20 V zum 01.01.2018 um 8,60 €, im Tarif SB-R 30 zum 01.01.2010 um 2,68 €, im Tarif SB-R 30 zum 01.01.2012 um 3,57 €, im Tarif SB-R 30 zum 01.01.2017 um 5,80 €, im Tarif SB-R 30 zum 01.01.2018 um 1,79 €, im Tarif SB-R 20 V zum 01.01.2010 um 1,14 € im Tarif SB-R 20 V zum 01.01.2012 um 1,71 €, im Tarif SB-R 20 V zum 01.01.2017 um 1,87 €, im Tarif SB-R 20 V zum 01.01.2018 um 0,57 €,

    und

    b) vom 01.01.2019 bis 15.07.2022 erfolgten Zahlungen des Klägers auf nachfolgende Beitragsanpassungen gezogen hat: im Tarif AEB 50 zum 01.01.2010 um 0,77 €, im Tarif SB-W 30 zum 01.01.2017 um 1,15 € und im Tarif SB-W 20 V zum 01.01.2017 um 0,11 €.

    4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

    III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 85 % und die Beklagte 15 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

    IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    V. Die Revision wird nicht zugelassen.

    und beschlossen:

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.932,26 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen.

    II.

    Die Berufung der Beklagten hat lediglich in geringem Umfang Erfolg.

    1.

    Das Landgericht hat der Leistungsklage unter Ziff. 2. des Tenors des angefochtenen Urteils zu Recht stattgegeben. Entgegen der Auffassung der Beklagten, die selbst nicht die Berechnungen des Landgerichts (vgl. Ziffer 18. der Entscheidungsgründe) der Höhe nach angreift, sind die Beitragsanpassungen zum 01.01.2010, 01.01.2012, 01.01.2017 und 01.01.2018 in den jeweiligen Tarifen formell unwirksam gewesen.

    a)

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 - juris; Urteil vom 20.10.2021, Az. IV ZR 148/20 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/16, Rdnr. 26 - juris). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern lediglich die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlagen, der Umfang der Überschreitung des Schwellenwerts oder die Angabe, ob sich der überschrittene Schwellenwert aus dem Gesetz oder den Versicherungsbedingungen ergibt, zur Information des Versicherungsnehmers nicht erforderlich (vgl. BGH a.a.O.; BGH, Urteil vom 21.07.2021, Az. IV ZR 191/20 - juris; OLG Celle, Urteil vom 13.01.2022, Az. 8 U 134/21 - juris). Ferner ist über die Angabe der Rechnungsgrundlage hinaus ein ausdrücklicher Hinweis auf eine nicht nur vorübergehende Veränderung dieser nicht geboten (vgl. dazu nur OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.02.2022, Az. 12 U 202/21; OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021, Az. 7 U 204/21 - juris). Vielmehr gehört neben der veränderten Rechnungsgrundlage lediglich die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist, zum notwendigen Begründungsumfang einer Mitteilung nach § 203 Abs.5 VVG (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2021, a.a.O.; Senat, Urteil vom 08.02.2022, Az. 4 U 1728/21; OLG Celle, a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Beklagten geht dieses Erfordernis aus einer Vielzahl von Entscheidungen des BGH eindeutig hervor (vgl. nur Urteil vom 11.01.2023, Az.: IV ZR 3/21 - juris, Urteil vom 26.04.2023, Az.: IV ZR 17/22 - juris, Urteil vom 31.08.2022, Az.: IV ZR 252/20 - juris; s. auch OLG Dresden, Urteil vom 30.06.2023, Az.: 3 U 428/23 - juris - m.w.N.). Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung waren, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Dagegen hat die Mitteilungspflicht nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (so BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.).

    b)

    Den dargestellten Anforderungen werden die Beitragsanpassungen der Beklagten zum 01.01.2010, 01.01.2012, 01.01.2017 und 01.01.2018 aus den zutreffenden Gründen der landgerichtlichen Entscheidung unter 4. bis 9., denen sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, nicht gerecht. Ergänzend dazu ist im Hinblick auf die Berufungsbegründung der Beklagten lediglich noch Folgendes auszuführen:

    aa) Beitragsanpassung zum 01.01.2010

    Die Beitragsanpassung enthält weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn des Schreibens im Ansatz eine Mitteilung dazu, dass die Überschreitung eines gesetzlich oder nach den Versicherungsbedingungen vorgegebenen Schwellenwertes die Beitragsanpassung bedingt. Der Mitteilung kann lediglich entnommen werden, dass es gesetzliche Vorgaben zur jährlichen Prüfung der Versicherungsleistungen gibt.

    bb) Beitragsanpassung zum 01.01.2012

    Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Der Mitteilung kann ebenfalls nur entnommen werden, dass in regelmäßigen Abständen eine Prüfung der Beiträge vorgenommen wird.

    cc) Beitragsanpassung zum 01.01.2017

    In dem Anschreiben vom November 2016 wird lediglich auf den jährlich durchgeführten Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen hingewiesen und im Übrigen nur allgemein erwähnt, dass "gesetzliche Vorgaben Einfluss auf ... Beitrag" haben. Damit ist aber nicht im Ansatz - auch nicht sinngemäß - die Erklärung verbunden, dass die Beitragsanpassung durch die Überschreitung eines nach dem Gesetz oder den Versicherungsbedingungen vorgegebenen Schwellenwertes bedingt ist.

    In dem beigefügten "Muster-Scheck" ist zwar ein Hinweis auf die nach dem Gesetz bestehende Verpflichtung enthalten, "eine Beitragsanpassung vorzunehmen, wenn die erbrachten Versicherungsleistungen von den kalkulierten Werten hinreichend genug abweichen". Es kann dahinstehen, ob ein derartiger Hinweis in einem Musterscheck zur Information des Versicherungsnehmers genügt; jedenfalls lässt sich aber auch aus dieser Formulierung für den Versicherungsnehmer nicht ausreichend deutlich entnehmen, dass ein im Voraus gesetzlich oder vertraglich festgelegter Wert überschritten sein muss (vgl. nur OLG Hamm, Urt. v. 23.06.2023, Az.: 20 U 29/23 - juris). Vielmehr legt die Formulierung ("hinreichend genug") einen insoweit bestehenden Beurteilungsspielraum nahe.

    dd) Beitragsanpassung zum 01.01.2018

    Hier gelten die vorstehenden Ausführungen unter cc) entsprechend.

    2.

    Der Feststellungsklage hinsichtlich der Nichtleistungspflicht hat das Landgericht unter Ziffer 1. des Tenors der angefochtenen Entscheidung jedoch teilweise zu Unrecht stattgegeben.

    a)

    Denn diese war bezüglich der Beitragsanpassungen in den Tarifen AB 30, AB 20V, SB-R 30 und SB-R 20V bereits unzulässig.

    Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass aufgrund der wirksamen Beitragsanpassung in den vorgenannten Tarifen zum 01.01.2021 ab dem Zeitpunkt ein Anspruch ihrerseits auf Zahlung der Prämie in der durch die letzte Anpassung festgesetzten Höhe bestand. Denn eine wirksame Prämienanpassung, die hier jedenfalls zum 01.01.2021 in den vorgenannten Tarifen vorlag, bildet fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe (vgl. nur BGH, Urteil vom 11.01.2023, Az.: IV ZR 3/21 - juris). Stand damit bereits bei Klageerhebung im Jahr 2022 fest, dass sich aus den als unwirksam gerügten Beitragsanpassungen bezogen auf die vorgenannten Tarife keinerlei Rechtsfolgen mehr für die Zukunft ergeben können, so fehlte dem Feststellungsantrag insoweit das Rechtsschutzbedürfnis.

    b)

    Bezüglich der Beitragsanpassungen in den Tarifen AEB 50, SB-W30 und SB-W 20V hat das Landgericht der Feststellungsklage dagegen zu Recht stattgegeben.

    Denn bezogen auf die Beitragsanpassungen in den Tarifen AEB 50, SB-W 30 und SB-W 20V ist erst nach Zustellung der Klageerwiderung, die am 20.09.2022 erfolgt ist, am 01. 11. 2022 (§ 203 Abs.5 VVG) eine Heilung der Beitragsanpassung eingetreten. Zwar könnten ab diesem Zeitpunkt die Ansprüche ebenfalls durch den Kläger abschließend beziffert werden, jedoch braucht der Kläger nicht zur Leistungsklage überzugehen, wenn eine Feststellungsklage zunächst zulässig erhoben worden ist und erst im Laufe des Rechtsstreits der gesamte Anspruch bezifferbar wird.

    3.

    Darüber hinaus hat das Landgericht der Feststellungsklage wegen Herausgabe gezogener Nutzungen unter Ziffer 3. des Tenors der angefochtenen Entscheidung teilweise zu Unrecht stattgegeben.

    Zwar hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe gezogener Nutzungen verpflichtet ist (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az.: IV ZR 294/19 - juris). Allerdings ist diese Pflicht bis zu dem Eintritt der Rechtshängigkeit (hier 15.07.2022) im vorliegenden Fall zu begrenzen. Prozess- und Verzugszinsen sollen den Nachteil ausgleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen (vgl. BGH, a.a.O.). Das Landgericht hat ferner nicht berücksichtigt, dass bei den Beitragsanpassungen in den Tarifen AB30, AB 20V, SB-R 30 und SB-R 20 V - anders als bei denen in den Tarifen AEB50, SB-W 30 und SB-W 20V - bereits zu einem Zeitpunkt vor dem 31.10.2022 eine wirksame Prämienanpassung, nämlich jeweils zum 01.01.2021, aufgrund der entsprechenden Mitteilung der Beklagten vorlag (s. dazu auch oben unter 2.). Darüber hinaus verjährte der Anspruch auf Nutzungen aus den zuvor gezahlten Erhöhungsbeträgen mit dem jeweils zugrunde liegenden Rückzahlungsanspruch (§ 217 BGB), so dass der Anspruch bezogen auf alle Tarife nur im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zur Wirksamkeit bzw. Heilung der jeweiligen Beitragsanpassung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2023, Az.: IV ZR 293/20 - juris).

    4.

    Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, ist diese allerdings nicht zuzulassen.

    Die Zulässigkeit der Aufrechnungserklärung richtet sich nach § 533 ZPO, wenn sie - wie vorliegend - in der Berufungsinstanz neu ist. Die Zulässigkeit der Aufrechnungserklärung hängt damit einerseits von der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit und andererseits von der zulässigen Einführung der Tatsachengrundlage nach § 529 ZPO ab (§ 533 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

    Der Kläger hat seine Einwilligung bezüglich der Aufrechnungserklärung der Beklagten nicht erteilt.

    Darüber hinaus fehlt es aber auch an der Sachdienlichkeit der Aufrechnung. In diesem Zusammenhang sind die berechtigten Interessen an der Entscheidung über die Aufrechnungsforderung, aber auch am Abschluss des ansonsten entscheidungsreifen Verfahrens gegeneinander abzuwägen. Ist der Rechtsstreit ohne die Aufrechnungsforderung entscheidungsreif, ist die Sachdienlichkeit eher zu verneinen. Demgegenüber ist die Sachdienlichkeit in der Regel zu bejahen, wenn die Aufrechnung ohne weiteres als durchgehend oder als unbegründet erscheint (vgl. Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 533 Rn. 28 ff.). Von einer fehlenden Sachdienlichkeit ist danach insbesondere auszugehen, wenn die Aufrechnungsforderung aufgrund gerichtlicher Hinweise erst noch substantiiert werden müsste (vgl. nur Zöller, a.a.O., § 533 Rn. 29). Dies ist hier der Fall, da die Gegenforderung nicht bestimmbar ist, so dass sich die Hilfsaufrechnung derzeit als unzulässig darstellt. Denn die Beklagte hat keine näheren Angaben zum Aufrechnungsbetrag bzw. zu dessen Zusammensetzung gemacht (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 21.09.2022, Az.: IV ZR 2/21 - juris).

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1, Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    Es besteht keine Veranlassung, die Revision mit Blick auf abweichende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder die Rechtsprechung des BGH zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Insbesondere hat der BGH in mehreren Entscheidungen (s. oben unter 1.a) bestätigt, dass die Angabe zur Überschreitung eines vorab festgelegten Schwellenwertes zum notwendigen Begründungsumfang einer Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG gehört, so dass auch bezüglich der Klärung dieser Frage eine Revisionszulassung nicht geboten ist.

    Für die Streitwertfestsetzung waren die §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO maßgeblich. Bei der Streitwertbemessung in Höhe von 1.932,26 € war zum einen der (tenorierte) Leistungsbetrag in Höhe von 1.643,71 € und zum anderen der Wert des (tenorierten) Feststellungsbegehrens bezogen auf die Nichtleistungspflicht zu berücksichtigen. Für die Feststellung der künftigen Nichtleistungspflicht ist zwar grundsätzlich nach § 9 ZPO analog der Zeitraum von 3,5 Jahren anzusetzen (§ 9 Satz 1 ZPO). Hier war das Feststellungsbegehren aufgrund des tenorierten Zeitpunktes (31.10.2022) jedoch zeitlich begrenzt (§ 9 Satz 2 ZPO). Darüber hinaus erhöht der mit der Leistungsklage wirtschaftlich identische Feststellungsantrag den Streitwert nicht, soweit er sich auf denselben Zeitraum wie der Zahlungsantrag bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2021, Az.: VI ZR 353/19 - juris). Für den Feststellungsantrag verbleibt daher nur der Zeitraum von der Anhängigkeit der Klage am 20.06.2022 bis zum tenorierten Datum der Nichtleistungspflicht - hier: 31.10.2022. Das sind vier Monate. Nachdem das Feststellungsbegehren die Beitragserhöhungen von insgesamt 67,40 € monatlich umfasst, folgt daraus ein Betrag in Höhe von insgesamt 269,60 €. Ein Feststellungsabschlag ist bei einer negativen Feststellungsklage nicht vorzunehmen (BGH, Urteil vom 15.03.2023 - IV ZR 322/20 - juris). Schließlich war noch der Wert des Feststellungsantrages wegen der Herausgabe der Nutzungen, der vom Senat regelmäßig mit 1 % des Streitwertes aus Leistungs- und Feststellungsbegehren wegen der Nichtleistungspflicht (zusammen) bemessen wird und daher vorliegend 19,13 € beträgt, zu addieren.

    RechtsgebieteVVG, ZPOVorschriften§ 203 Abs. 5 VVG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 533 ZPO