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  • 30.04.2024 · IWW-Abrufnummer 241249

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 21.03.2024 – 4 U 1975/23

    1. Wird im Antragsformular für eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nach neurologischen Erkrankungen gefragt, ist der Antragsteller auch nicht verpflichtet, eine ihm bekannte Erkrankung an M. Parkinson "spontan" anzugeben.

    2. Allerdings hat er hieraus resultierende Einschränkungen der Beweglichkeit und Feinmotorik mitzuteilen, wenn der Versicherer nach "Erkrankungen und Beschwerden des Bewegungsapparates" fragt.

    3. Das Verschweigen derartiger Beschwerden indiziert Arglist.


    Oberlandesgericht Dresden 

    Beschluss vom 21.03.2024


    Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in dem Verfahren 4 U 1975/23 am 21. März 2024 beschlossen:

    Tenor:
    1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
    2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
    3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2024 wird aufgehoben.
    4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 62.517,50 € festzusetzen.

    Gründe

    I.

    Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestands einer nach Vorschlagsanforderung vom 07.07.2015 mit Wirkung zum 01.08.2022 bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

    Der 1962 geborene Kläger war bis zum 30.06.2022 als Autoverkäufer im Außendienst bei der D...... AG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag beendet.

    Nachdem der Kläger (wohl) im Jahr 2013 Beweglichkeitsstörungen des rechten Armes und des rechten Beins bemerkte, die sich seither schleichend verschlechterten, stellte er sich lt. Arztbrief vom 02.06.2015 (Anl. BLD 3) im Mai 2015 "zur Einholung einer Zweitmeinung und zur weiteren Therapieberatung" im Universitätsklinikum L...... zur ambulanten Untersuchung vor. Die Uniklinik teilte dem Kläger die Diagnose "Idiopathisches Parkinson-Syndrom HOEHN und YAHR Stadium I mit (vgl. Anl. BLD3).

    Über seinen Arbeitgeber erhielt er im Juli 2015 von der D...... Vorsorge und Versicherungsdienst GmbH (im folgenden D...... VVD) eine "Vorschlagsanforderung für eine Berufsunfähigkeitsvorsorge Klassik" (Anl. K4). Darin wird die Beklagte als Risikoträger benannt. In dem Formular heißt es:

    "Bitte beachten Sie vor Abgabe der nachfolgenden Erklärung und Angaben die "wichtige Mitteilung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung nach § 19 Abs. 5 VVG" (S. 2). (= Anl. BLD1)

    ...

    Erklärung der zu versichernden Person

    Hiermit erkläre ich,

    - dass ich zur Zeit voll arbeitsfähig bin und dass ich in den letzten 2 Jahren nicht länger als 2 Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig war und

    - dass in diesem Zeitraum auch keine der folgenden Erkrankungen bei mir festgestellt oder behandelt wurde: Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Schlaganfall, Nierenversagen, Zucker und Lebererkrankungen, psychische Erkrankungen, HIV-Infektion/Aids, Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparates (z.B. Rücken, Knie, Hüfte). ..."

    Auf S. 2 des Formulars unter "Erklärung zur Beratung im Rahmen der Berufsunfähigkeitsvorsorge" kreuzte der Kläger "Beratungsverzicht" an. Handschriftlich vermerkte er daneben: "Beratung erfolgte telefonisch mit Herrn F...... am 7.7.2015!". Den weiteren Passus:

    "... Mit meiner Unterschrift fordere ich die ...... Lebensversicherung-AG auf, mir anhand meiner Angaben und gewählten Leistungen einen Vorschlag für eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu unterbreiten. Zugleich gebe ich die Gesundheitserklärung sowie meine Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten sowie zur Schweigepflichtentbindung ab. Die "Wichtige Mitteilung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung" habe ich zur Kenntnis genommen. ..."

    unterschrieb der Kläger unter dem 07.07.2015 und übersandte das Formular an die D...... VVD.

    Unter dem 13.07.2015 erstellte die D...... VVD eine Beratungsdokumentation, in der sich der Hinweis "Mehrfachagentur" findet. Demnach fand die Beratung über die Berufsunfähigkeitsversicherung mit den Kläger an diesem Tag telefonisch statt und ging vom Kunden aus. Der Inhalt dieses Telefongesprächs ist zwischen den Parteien streitig.

    Am 22.07.2015 übersandte die Beklagte dem Kläger das "Angebot/Versicherungsschein" zur ergänzenden Berufsunfähigkeitspolice, Vers.-Nr. 0/000000/0002 mit Versicherungsbeginn zum 01.08.2015 und monatlichen Rentenleistungen bei Berufsunfähigkeit längstens bis zum 31.07.2027 in Höhe von monatlich 1.750 € sowie Beitragsbefreiung. Im Rahmen eines Nachtrags wurden am 26.06.2017 Leistungen und Beitrag erhöht.

    Im Juli 2022 beantragte der Kläger mit der Begründung, dass er an Parkinson leide, Leistungen aus der Versicherung (vgl. Anl. BLD 2). Mit Schreiben vom 24.08.2022 (vgl. Anl. K5) lehnte die Beklagte ihre Leistungspflicht ab und erklärte die Anfechtung. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Kläger die Gesundheitserklärung falsch beantwortet habe, da er die bestehenden Beweglichkeitsstörungen des rechten Arms bzw. rechten Beins nicht angegeben habe, die 2015 als idiopathisches Parkinsonsyndrom diagnostiziert worden seien.

    Das Landgericht hat die auf Feststellung des Fortbestehens der Versicherung und auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage nach Beweisaufnahme durch Anhörung des Klägers und Einvernahme des bei der D...... VVD angestellten Zeugen F...... mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei wegen der im Rahmen der Antragstellung vom Kläger erfolgten arglistigen Täuschung von der Leistungspflicht befreit. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Zur Begründung führt er aus, das Landgericht habe sich in seinem Urteil nicht mit den tatsächlich gestellten Klageanträgen auseinandergesetzt. Der Kläger habe weder seine vorvertragliche Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten verletzt noch arglistig gehandelt. Vielmehr habe er wahrheitsgemäß erklärt, dass bei ihm in den letzten 2 Jahren keine Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparates festgestellt oder behandelt worden sein. Bei der diagnostizierten Parkinsonerkrankung, die er mit Nichtwissen bestreite, handele es sich demgegenüber um eine neurologische Erkrankung. Die Beklagte habe auch nicht nach der Ursache für eventuelle Bewegungseinschränkungen oder nach Bewegungseinschränkungen als solchen "gefragt", das Formular enthalte vielmehr nur Feststellungen. Die Ansicht des Landgerichts, er hätte die Gesundheitserklärung nicht uneingeschränkt abgeben dürfen, sei fehlerhaft, da ein Versicherungsnehmer im Vorfeld des Vertragsschlusses gegenüber dem Versicherer nicht verpflichtet sei, spontan Angaben zu seiner Gesundheit, bzw. ungefragt zu seinen vorhandenen körperlichen Einschränkungen zu machen. Der Bewegungsapparat des Klägers habe in den Jahren vor Antragstellung einwandfrei funktioniert, seine Parkinsonerkrankung habe darauf keine negativen Auswirkungen gehabt. Zumindest habe er die Beklagte im Vorfeld des Vertragsschlusses nicht arglistig getäuscht. Er habe zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Erklärung nichts von seiner Parkinsonerkrankung gewusst. Er habe lediglich an einer sehr kurzfristig verminderten Beweglichkeit des rechten Arms und einer hin und wieder auftretenden kurzzeitigen Unterbrechung seiner feinmotorischen Bewegungen gelitten, die seinen Alltag allerdings nicht eingeschränkt hätten und für Außenstehende nicht sichtbar oder bemerkbar gewesen seien. Diese Einschränkungen habe die Beklagte jedoch nicht erfragt. Gegen eine Arglist spreche zudem, dass der Kläger bei dem Zeugen F...... angerufen habe, um sich danach zu erkundigen, ob auch neurologische Krankheiten im Rahmen der Gesundheitserklärung erwähnt werden müssen. Der Zeuge habe dem Kläger bestätigt, dass nicht erfragte körperliche Leiden - wie neurologische Erkrankungen - nicht angegeben werden müssen. Das Landgericht habe die Angaben des Zeugen in der mündlichen Verhandlung unzutreffend gewürdigt.

    Er beantragt,

    das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 19.10.2023 abzuändern und

    1.
    festzustellen, dass der Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag Nr. 0/000000/0002 vom 22.07.2015 in der Fassung des Nachtrages vom 26.06.2017 ungeachtet der schriftlichen Anfechtungserklärung der Beklagten vom 24.08.2022 bis längstens 31.07.2027 fortbesteht.

    2.
    die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von den ihm vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten des Herrn Rechtsanwalt S...... K...... mit Sitz in Zwenkau in Höhe von 2.474,61 € freizustellen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Zwar enthalte das Formular keine "Fragen", der Kläger habe aber gewusst, dass ein Vertrag nicht zustande kommen würde, wenn er die streitgegenständliche Erklärung nicht abgäbe Der Kläger habe zudem von seinen Bewegungseinschränkungen Kenntnis gehabt. Diese wären anzugeben gewesen, da es nicht entscheidend sei, welche Ursachen die vorhandenen Beschwerden des Bewegungsapparates hätten. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Untersuchung und Antragstellung sowie wegen der Schwere der den Beschwerden des Bewegungsapparates zugrunde liegende Erkrankung sei auch von Arglist auszugehen. Der Kläger habe zudem nicht einmal in seiner Anhörung angegeben, er habe gegenüber dem Zeugen F...... von Parkinson oder Parkinsonsyndrom berichtet und sich nach der Anzeigepflichtigkeit dieser Erkrankung erkundet.

    II.

    Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die auf Fortbestand des Versicherungsverhältnisses gerichtete Klage abgewiesen.

    Die durch die Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2022 erklärte Anfechtung führt ex tunc zur Nichtigkeit des Vertragsverhältnisses. Die Beklagte hat die Anfechtung zu Recht darauf gestützt, dass der Kläger bei Antragstellung arglistig falsche Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht hat, § 22 VVG, § 123 BGB.

    1.

    Die Möglichkeit der Anfechtung ist dem Versicherer nach § 22 VVG i.V.m. §§ 123 ff. BGB eröffnet, wenn der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann (statt aller: Senatsbeschluss vom 18.09.2020 - 4 U 1059/20, juris Rz. 4 m.w.N.). Der künftige Versicherungsnehmer hat die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen grundsätzlich erschöpfend zu beantworten (BGH, Urteil vom 19.03.2003 - IV ZR 67/02). Er darf sich daher bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gesicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen. Es sind daher auch solche Beeinträchtigungen anzugeben, die noch keinen Krankheitswert haben, denn die Bewertung der Gesundheitsbeeinträchtigung ist Sache des Versicherers. Diese weit gefasste Pflicht zur Offenbarung findet ihre Grenze nur bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen. Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen. Abzustellen ist auf das Gesamtbild, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers vermittelten (Senatsbeschluss vom 18.09.2020 - 4 U 1059/20 - juris, Rz. 4).

    2.

    Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger bei seiner Gesundheitserklärung die ihm obliegenden Offenbarungspflichten arglistig verletzt.

    a) Dass zum Zeitpunkt der Antragstellung aufgrund der wohl seit 2013 bestehenden Parkinson-Erkrankung bereits eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers vorlag, was die Beklagte - einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - mit der Formulierung nach dem ersten Spiegelstrich erfragt hat, wird von der Beklagten nicht behauptet. Ob die Beschwerden im rechten Arm und gelegentlich im rechten Bein schon so erheblich waren, dass der Kläger entgegen der Feststellung in dem Formular nicht mehr "voll arbeitsfähig" war, kann mangels Sachvortrag der hierzu beweisbelasteten Beklagten nicht festgestellt werden.

    b) Der Kläger war nicht verpflichtet, seine zu diesem Zeitpunkt unstreitig bereits diagnostizierte Parkinson-Erkrankung - sein Bestreiten mit Nichtwissen ist unerheblich - als neurologische Erkrankung im Rahmen einer spontanen Anzeigepflicht anzugeben, denn die Beklagte hat hiernach nicht in Textform gefragt, § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG. Zwar kann sich über die Anzeigepflicht hinaus aus Treu und Glauben auch eine Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers in Bezug auf nicht oder nicht ordnungsgemäß in Textform erfragte Umstände ergeben. Grundsätzlich darf sich aber der Versicherungsnehmer darauf verlassen, dass der Versicherer die aus seiner Sicht gefahrerheblichen Umstände erfragt. Es kann dem Versicherungsnehmer daher in der Regel nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, wenn er den Fragenkatalog des Versicherers als abschließend ansieht und keine weitergehenden Überlegungen dazu anstellt, welche Umstände für den Versicherer darüber hinaus von Interesse sein könnten. Nach der gesetzlichen Wertung obliegt zunächst dem Versicherer die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansieht. Eine spontane Anzeigepflicht besteht daher nur bei Umständen, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden kann (vgl. OLG Celle, Urteil vom 9. November 2015 - 8 U 101/15 -, juris, so auch jedenfalls im Ergebnis, aber mit etwas anderer Begründung: OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. April 2018 - 12 U 156/16 -, Rn. 54, juris). Diese Umstände bestehen bei neurologischen Erkrankungen, zu denen auch Parkinson gehört, gerade nicht, da diese nicht ungewöhnlich sind. Darüber hinaus bezieht sich die Erklärung, deren Abgabe die Beklagte in dem Versicherungsantrag verlangt hat, auf unterschiedliche Krankheitsbilder, darunter aber nicht Erkrankungen des Nervensystems. Der Kläger musste daher nicht davon ausgehen, dass er ungefragt Angaben zum Parkinson als neurologische Erkrankung zu machen hatte. Denn die Gestaltung der Erklärungen war für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Sicht es insoweit ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 84), so zu verstehen, dass die Beklagte eine entsprechende Erkrankung dann nicht interessierte, wenn die vorformulierte Erklärung abgegeben werden konnte. Die Beklagte konnte umgekehrt nicht erwarten, dass Fragen, die sie nur unter bestimmten Umständen stellte, durch Antragsteller von sich aus auch dann beantwortet würden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorlagen.

    c) Gleichwohl hat der Kläger bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen die ihm obliegenden Offenbarungspflichten objektiv verletzt und die Beklagte insoweit über seinen Gesundheitszustand arglistig getäuscht.

    aa) Denn die Beklagte hat im Formular auch nach "Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparates" gefragt; solche hat der Kläger aber wissentlich verschwiegen. Denn ausweislich des Arztberichts der Uniklinik vom 02.06.2015 lagen bei dem Kläger seit 2013 bemerkbare und sich seither schleichend verstärkende Beschwerden im rechten Arm und im rechten Bein im Sinne einer verminderten Beweglichkeit und Unterbrechungen bei feinmotorischen Bewegungen sowie ein Rigor im rechten Handgelenk und Ellbogengelenk vor. Die Falschbeantwortung der Frage nach "Beschwerden des Bewegungsapparates" innerhalb der letzten 2 Jahre ist auch relevant, weil die vom Kläger verschwiegenen Umstände von ihm offensichtlich nicht als belanglos eingeschätzt wurden und einzustufen sind. Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen. Abzustellen ist auf das Gesamtbild, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers vermitteln (Senat, Beschluss vom 18.09.2020 - 4 U 1059/20 - juris, Rz. 4, Urteil vom 10. Oktober 2023 - 4 U 789/23 -, Rn. 31, juris). Die beim Kläger unter anderem während des Skifahrens aufgetretenen Beschwerden des Bewegungsapparates waren immerhin so erheblich, dass er zur Abklärung bei seinem Hausarzt, einem Neurologen und auch - zur Einholung einer Zweitmeinung - bei der Uniklinik vorstellig wurde und Untersuchungen in einem erheblichen Umfang hat vornehmen lassen. Dass die von ihm wahrgenommenen Beschwerden letztlich auf die Diagnose "Parkinson" zurückgeführt wurden, vermag ihn von der Anzeigepflicht nicht zu entlasten, da die Beklagte allgemein nach "Beschwerden des Bewegungsapparates" und nicht nach deren Ursache oder Diagnose gefragt hat. Da er nicht einmal behauptet hat, den Versicherungsvermittler, den Zeugen F......, über seine bestehenden Arm- und Beinbeschwerden informiert zu haben, kommt es für die Frage der Anzeigepflichtverletzung insoweit nicht auf den Inhalt des Beratungsgesprächs mit dem Zeugen an.

    bb) Der Kläger hat seine Offenbarungspflichten arglistig verletzt.

    Erforderlich hierfür ist nicht nur das objektive Verschweigen offenbarungspflichtiger Umstände, sondern auch ein Täuschungsvorsatz. Dieser setzt neben der Kenntnis der Gefahrerheblichkeit des betreffenden Umstandes die Billigung der Erkenntnis voraus, dass der Versicherer, der den Antrag in Kenntnis des wahren Sachverhalts entweder gar nicht oder nur zu anderen Konditionen angenommen hätte, durch das Vorgehen getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst wird (vgl. Senat, Beschluss vom 18. September 2020 - 4 U 1059/20 -, Rn. 11 - 12, m.w.N., - juris). Es gibt zwar keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung dahingehend, dass eine unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand immer oder nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen (BGH, Urteil vom 24.11.2010 - IV ZR 252/08 und Senatsbeschluss, a.a.O.). Umgekehrt gilt aber auch, dass es sich bei der Arglist und dem Arglistvorsatz um eine innere Tatsache handelt, so dass der Beweis nur durch Indizien geführt werden kann. Dabei ist auf die konkreten Umstände und insbesondere auf die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, den Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen, die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung abzustellen (OLG Brandenburg, Urteil vom 11.12.2018 - 11 U 72/16; OLG München, Urteil vom 30.03.2012 - 25 U 5453/09; Senatsbeschluss vom 18.09.2020, a.a.O. und Senatsbeschluss vom 18.11.2018 - 4 U 927/18). Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziert die Arglist hierbei ebenso, wie das Verschweigen entweder schwerer oder chronischer Erkrankungen (Nachweise bei Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 22 Rz. 15/16). Steht fest, dass Angaben beim Vertragsschluss objektiv falsch gewesen sind, trifft den Versicherungsnehmer zudem eine sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen er substantiiert und nachvollziehbar vortragen muss, wie und weshalb es dazu gekommen ist (OLG Dresden, Beschluss vom 29. April 2021 - 4 U 2453/20 -, Rn. 15 - 18, juris).

    Vorliegend ist mit dem Landgericht von einem objektiven Verschweigen mit Täuschungsvorsatz hinsichtlich dieser Einschränkungen auszugehen. Der Kläger kannte die maßgeblichen Umstände unstreitig und entschied sich nach eigenem Vortrag willentlich dafür, diese der Beklagten nicht anzuzeigen. Für den Schluss auf Arglist spricht der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Vorstellung in der Uniklinik L...... wegen "sich stetig verschlechternden Beschwerden" im Mai, der Mitteilung der Diagnose mit Schreiben vom 02.06.2015 und der Vorschlagsanforderung zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung Anfang Juli. Hinzu kommt, dass es sich bei einem idiopathischen Parkinson-Syndrom um eine chronische, in der Symptomatik fortschreitende schwere Erkrankung ohne Heilungschancen handelt, die insbesondere Auswirkungen auf den Bewegungsapparat hat, was bei der konkreten Berufstätigkeit im Außendienst mit Kundenkontakt maßgeblich ist. Der Kläger kann zu seiner Entlastung auch nicht geltend machen, dass er sich nach eigener Einlassung zum Umfang der Offenbarungspflicht durch den Versicherungsvermittler, den Zeugen F......, beraten lassen wollte. Mit dem Landgericht ist der Senat - nicht zuletzt aufgrund der langjährigen Erfahrung im Versicherungsrecht - davon überzeugt, dass der Zeuge im Rahmen des Telefongesprächs dem Kläger keineswegs "grünes Licht" gegeben und bestätigt habe, nicht erfragte körperliche Leiden - wie neurologische Erkrankungen - müsse der Kläger nicht angeben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Zeuge, schon um einer eigenen Haftung aus dem Weg zu gehen, seiner steten Übung entsprechend dem Kläger geraten hat, sämtliche Krankheiten oder Beschwerden wahrheitsgemäß anzugeben. Dass der Kläger behauptet, er hätte den Vertrag nicht abgeschlossen, wenn er seine Parkinson-Erkrankung hätte angeben müssen, belegt zudem, dass ihm die Gefahrerheblichkeit dieser Erkrankung und seiner darauf beruhenden Beschwerden bewusst gewesen ist. Dem Kläger muss aber auch klar gewesen sein, dass es für die Entscheidung der Beklagten, ihm Versicherungsschutz zu gewähren, von wesentlicher Bedeutung war, ob er an erheblichen Arm- und Beinbeschwerden litt unabhängig davon, ob diese Einschränkungen auf einer orthopädischen oder einer neurologischen Erkrankung beruhten. Der weitere fett gedruckte Zusatz,

    "Falls diese Erklärung nicht abgegeben werden kann, ist eine Gesundheitserklärung E-0109ZD erforderlich. Bitte rufen Sie uns unter ... an"

    macht zudem deutlich, dass bei wahrheitsgemäßer Nichterteilung der Erklärung weitere Formularfragen zu beantworten sind, was im Falle des Klägers aller Voraussicht nach zur Offenbarung seiner schwerwiegenden Erkrankung und auf diese Weise zu einer weiteren Gefährdung des Vertragsabschlusses geführt hätte. Indem sich der Kläger vorsätzlich dieser Erkenntnis verschloss, billigte er zugleich, dass die Beklagte seinen Antrag u.U. bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen würde.

    d) Die vorsätzliche Täuschung war kausal für den Vertragsschluss, was der Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt hat. Einer Belehrung über die Folgen einer arglistigen Falschbeantwortung der Antragsfragen bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 12.3.2014 - IV ZR 306/13; Senat, Beschluss vom 5.4.2022 - 4 U 172/22 Rn 12 - juris).

    Der Senat rät daher zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

    RechtsgebieteVVG, BGBVorschriften§ 22 VVG; § 19 VVG; § 123 ff. BGB