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  • 21.05.2024 · IWW-Abrufnummer 241611

    Oberlandesgericht Braunschweig: Beschluss vom 04.12.2023 – 11 U 646/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Braunschweig

    Hinweisbeschluss

    11 U 646/20
    5 O 21/20 Landgericht Göttingen    

    In dem Rechtsstreit

    der Frau K., ….,

    Klägerin und Berufungsklägerin,

    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte F, ….,

    gegen

    die B. Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden ……,

    Beklagte und Berufungsbeklagte,

    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte C, …..,

    hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht X, die Richterin am Oberlandesgericht Y und den Richter am Oberlandesgericht Z am 7.  September 2022 beschlossen:

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28.10.2020 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.

    Gründe:

    I.
    Die Klägerin begehrt Feststellung, dass die Beklagte aus einem zwischen den Parteien geschlossenem Unfallversicherungsvertrag zur vertragsgemäßen Zahlung der Versicherungsleistungen dem Grunde nach verpflichtet sei.

    Zwischen den Parteien besteht seit 1998 ein Unfallversicherungsvertrag. In den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (D.-AUB 2008; im Folgenden: AUB), die unstreitig Bestandteil des Vertrags sind, heißt es bezüglich der Voraussetzungen für Invaliditätsleistungen der Beklagten u.a.:

    „2.1.1.1
    Die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person ist unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt (Invalidität). Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als 3 Jahre bestehen wird, und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann.

    Die Invalidität ist
    -    innerhalb von 24 Monaten nach dem Unfall eingetreten
      und
    -    innerhalb dieser Frist von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.
    (…)“

    In der Nacht vom 14.07.2016 auf den 15.07.2016 stürzte die Klägerin in dem von ihr bewohnten Haus eine Treppe hinunter, wobei sie sich nicht unerheblich verletzte. Eine bei der Klägerin bei ihrer Einlieferung in das Klinikum K. entnommene Blutprobe wies einen Alkoholgehalt von 0,8 Promille auf.

    Die Mutter der Klägerin zeigte in Vertretung ihrer Tochter am 20.07.2016 bei der Beklagten den Unfall an (Anlage B3).

    Mit Schreiben vom 26.09.2016 (Anlage A2) lehnte die Beklagte die Erbringung von Versicherungsleistungen ab und begründete dies u.a. damit, dass die vorliegenden Informationen darauf hindeuten würden, dass eine erhebliche alkoholbedingte Bewusstseinsstörung bei der Klägerin vorgelegen habe, die ursächlich für den Schadensfall gewesen sein müsse.

    Auf die mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.10.2016 (Anlage B9) an die Beklagte ergangene Aufforderung seitens der Klägerin, ihre Einstandspflicht mitzuteilen, bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2016 (Anlage B10) die der Klägerin mit Schreiben vom 26.09.2016 mitgeteilte Entscheidung.

    Die Klägerin behauptet, spätestens Ende 2017 habe aus ärztlicher Sicht festgestanden, dass ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit unfallkausal dauerhaft beeinträchtigt sei und ihre zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden erheblichen kognitiven und körperlichen unfallbedingten Einschränkungen jedenfalls länger als drei Jahre bestehen bleiben würden, ohne dass eine Änderung dieses Zustandes habe erwartet werden können.

    Sie ist u.a. der Ansicht, einer Berufung der Beklagten auf die vertraglichen Pflichten zum Eintritt und zum Nachweis einer unfallbedingten Invalidität durch schriftliche Feststellung eines Arztes stehe im Hinblick auf die endgültige Leistungsablehnung nur ca. 2 Monate nach dem Unfalltag der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegen. Die Beklagte habe auch nach dem Erhalt des Entlassungsberichts des Klinikums K. vom 08.08.2016 und des Berichts der neurochirurgischen Klinik W. vom 30.08.2016 keinesfalls davon ausgehen können, dass innerhalb der vertraglichen 24-Monatsfrist keine unfallbedingte Invalidität der Klägerin eintreten würde.

    Das Landgericht Göttingen hat mit Urteil vom 28.10.2020 (Bl. 166 ff. d.A.) die Klage abgewiesen.
    Wegen des weiteren Sachverhalts und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug auf die Ausführungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils genommen.

    Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin scheitere an Ziff. 2.1.1.1 der zwischen den Parteien geltenden AUB 2008, da die Klägerin eine etwaige Invalidität nicht ärztlich habe feststellen lassen. Eine solche ärztliche Feststellung werde durch die Klägerin bereits nicht vorgetragen. Auch aus den von der Beklagten vorgelegten Berichten der Klinik für Neurochirurgie, der Klinikum K. gGmbH vom 09.09.2016 oder dem Zwischenbefund des Zentrallaboratoriums der Klinikum K. gGmbH ergebe sich keine hinreichende Feststellung einer Invalidität im Sinne eines bedingungsgemäßen Dauerschadens. Das gelte auch für den Bericht der Klinik für Neurochirurgie der Klinikum K. gGmbH vom 08.08.2016 und das Schreiben der Neurologischen Klinik W. vom 30.08.2016. Die in den Unterlagen mitgeteilten Einschränkungen der Klägerin würden aus Sicht der Kammer nicht ausreichen, dass sich der Beklagten eine unfallbedingte Invalidität habe aufdrängen müssen.

    Die Auffassung der Klägerin, dass die endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten dazu führe, dass sie sich nach Treu und Glauben nicht auf die unterbliebene fristgemäße ärztliche Feststellung der Invalidität berufen könne, teile die Kammer nicht.

    Die Beklagte habe nach dem Vortrag der Klägerin die Leistung unter Berufung auf eine Obliegenheitsverletzung sowie eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung abgelehnt, ohne sich gleichzeitig dazu zu äußern, wie der Anspruch ohne diese Ausschlussgründe zu beurteilen wäre. Damit habe es der Klägerin oblegen, jedenfalls vorsorglich die erforderliche Invaliditätsfeststellung vorzunehmen.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

    Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.10.2020 (Bl. 122 d.A.) zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.11.2020 Berufung eingelegt (Bl. 184 f. d.A.) und diese am 28.12.2020 (Bl. 191 ff. d.A.) begründet.
    Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, einer Berufung der Beklagten auf die vertraglichen Fristen zum Eintritt und zum Nachweis einer unfallbedingten Invalidität durch schriftliche Feststellung eines Arztes stehe der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB im Sinne eines venire contra factum proprium entgegen. Durch ihre endgültige und ernsthafte Leistungsablehnung nur ca. 2 Monate nach dem Unfalltag habe die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie den gegenständlichen Versicherungsvertrag als Grundlage gegenseitiger Ansprüche nicht (mehr) gelten lasse, so dass der nun ins Feld geführte Vorwurf fehlender Vertragstreue der Klägerin im Hinblick auf deren vertragliche Mitwirkungspflichten nur als Paradoxie zu behaupten sei. Nach Treu und Glauben hänge die Durchsetzbarkeit fremder Pflichten ‒ auch konstitutiver vertraglicher Mitwirkungspflichten ‒ davon ab, inwiefern der Gläubiger selbst das ihm obliegende Pflichtenprogramm des Vertrages grundsätzlich anerkenne. Die Beklagte habe hier frühzeitig deutlich gemacht, den Vertrag im Hinblick auf die Erbringung ihrer Hauptpflicht, nämlich der Versicherungsleistung als Teil der essentialia negotii, jedenfalls abzulehnen.

    Soweit die Beklagtenseite sich auf das Urteil des BGH vom 07.03.2007, Az., IV ZR 137/06, berufe, liege dem ein gänzlich abweichender Sachverhalt zugrunde.

    Vielmehr verhalte es sich mit der Leistungsablehnung des beklagten Versicherers im hiesigen Fall wie in dem vom BGH am 27.02.2002, Az. IV ZR 238/00, entschiedenen Fall. In Anlehnung an eine gesetzeskonforme, den Grundsätzen von Treu und Glauben genügende Lesart der Rechtsprechung des BGH habe es vorliegend der Klägerin nicht verwehrt werden können, ihre Invalidität erst im Rahmen des Prozesses anspruchsbegründend darzulegen und unter Beweis zu stellen. Hätte die Beklagte sich nicht frühzeitig auf die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung berufen, wären ihr die ärztlichen Invaliditätsfeststellungen fristgerecht von der Klägerin vorgelegt worden.

    Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

    Die Klägerin beantragt,
    unter Abänderung des am 28.10.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Göttingen, Az. 5 O 21/20,
    1.    festzustellen, dass die Beklagte aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag unter der Vers.-Nr. ….. bzw. Schadensnummer …… im Hinblick auf das Unfallereignis vom 14./15. Juli 2016 in L. (Treppensturz) zur vertragsgemäßen Zahlung der Versicherungsleistungen dem Grunde nach verpflichtet ist;
    2.    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 887,43 € (Nebenforderung) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

    II.
    Die zulässige Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

    Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO).

    1.
    Ob im vorliegenden Fall das Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf den von der Klägerin gestellten Feststellungsantrag zu 1. zu bejahen ist, kann dahingestellt bleiben.

    Denn das Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2018 ‒ XI ZR 572/18 -, juris, Rn. 15).

    2.
    Der Klägerin stehen Ansprüche gegen die Beklagte aus dem hier streitgegenständlichen Unfallversicherungsvertrag wegen des Unfallereignisses in der Nacht vom 14.07. auf den 15.07.2016 schon deshalb nicht zu, weil es an der fristgerechten schriftlichen ärztlichen Feststellung einer unfallbedingten Invalidität der Klägerin als Anspruchsvoraussetzung fehlt und der Beklagten die Berufung hierauf auch nicht nach den Geboten von Treu und Glauben verwehrt ist.

    a.
    Die Fristenregelungen in Ziff. 2.1.1.1, an deren Wirksamkeit weder unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit noch unter demjenigen der Transparenz Zweifel bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 ‒ IV ZR 39/11 ‒, Rn. 12 ff., juris m.w.N. zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in Nr. 2.1.1.1 AUB 2002), zielen darauf ab, dem Versicherer eine Grundlage für die Überprüfung seiner Leistungspflicht zu bieten; außerdem sollen schwer aufklärbare Spätschäden ausgegrenzt werden. Das Versäumen der Fristen, deren Einhaltung nach den Bedingungen als Anspruchsvoraussetzung ausgestaltet ist, führt daher selbst dann zum Leistungsausschluss, wenn den Versicherungsnehmer daran kein Verschulden trifft (BGH, Urteil vom 1. April 2015 ‒ IV ZR 104/13 ‒, Rn. 21, juris; Urteil vom 7. März 2007 ‒ IV ZR 137/06 ‒, Rn. 10, juris; Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 22. Februar 2022 ‒ 5 U 37/21 ‒, Rn. 32, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Dezember 2020 ‒ 7 U 600/19 ‒, Rn. 8, juris).

    Nach dem dargestellten Zweck der Fristenregelung richtet sich auch der notwendige Inhalt der Invaliditätsfeststellung, an welche keine hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH, Urteil vom 7. März 2007, a.a.O., Rn. 10). Die ärztliche Invaliditätsfeststellung muss die Schädigung und den Bereich, auf den sich diese auswirkt, sowie die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungspflicht erstrecken muss (BGH, Urteil vom 1. April 2015 ‒ IV ZR 104/13, Rn. 21 f, juris; OLG Hamm, Urteil vom 12. Mai 2017 ‒ I-20 U 197/16 ‒, Rn. 63, juris). Gemessen an diesem Zweck muss die Invaliditätsfeststellung aber weder präzise Angaben zu Umfang und Ursache des Dauerschadens enthalten, noch braucht sie hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens überhaupt richtig zu sein (BGH, Urteil vom 1. April 2015, a.a.O., Rn 21; Urteil vom 7. März 2007, a.a.O., Rn. 10, juris) und dem Versicherer auch nicht innerhalb der Frist zuzugehen, sofern sie nur fristgerecht getroffen worden ist (BGH, Urteil vom 7. März 2007, a.a.O., Rn. 10; Urteil vom 16. Dezember 1987 ‒ IVa ZR 195/86 ‒, Rn. 19, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5. Februar 2018 ‒ 3 U 235/16 ‒, Rn. 18, juris). Allerdings muss sie in der Sache bestätigen, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung voraussichtlich auf Dauer bestehen bleiben wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2007, a.a.O., Rn. 12; Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 22. Februar 2022, a.a.O., Rn. 33); eine Bestätigung, aus der sich allenfalls die Möglichkeit eines Dauerschadens ergibt, genügt nicht (OLG Hamm, Beschluss vom 10. Dezember 2020 ‒ I-6 U 72/20 ‒, Rn. 26, juris; Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 27. April 2016 ‒ 5 U 36/15 ‒, Rn. 36, juris).

    b.
    Eine diesen Anforderungen genügende fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung liegt ‒ was auch die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung nicht mehr behauptet ‒ nicht vor.

    Sowohl dem Bericht der Klinikum K. GmbH vom 08.08.2016 (Anlage B11) als auch dem Bericht der Neurologischen Klinik W. (Anlage B12) fehlt es an einer Aussage zur Dauerhaftigkeit der dort festgehaltenen Beeinträchtigungen der Klägerin.

    Die Bestätigungen des Dipl.-Psych. K. vom 15.04.2020 (Anlage K9; Bl. 134 d.A.) und des Arztes P. vom 17.03.2020 (Anlage K10; Bl. 136 d.A.) sind erst deutlich nach Ablauf der Frist von 24 Monaten zur ärztlichen Invaliditätsfeststellung erstellt worden und vermögen daher die diesbezügliche Anspruchsvoraussetzung nicht zu erfüllen. Auf die Frage, ob es sich bei der Bescheinigung des Dipl.-Psych. K. überhaupt um eine ärztliche Feststellung im Sinne von 2.1.1.1 AUB 2008 handelt (vgl. dazu: OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Dezember 2020 ‒ 7 U 600/19 ‒, Rn. 14, juris), kommt es daher vorliegend nicht (mehr) an.

    Aus der Anerkennung einer Schwerbehinderung durch das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie vom 14.02.2018 (Anlage K8) kann für die Frage der Invalidität im Sinne der Unfallversicherung nichts hergeleitet werden, da diese an andere Voraussetzungen gebunden ist (vgl. dazu: OLG Frankfurt, Urteil vom 9. Oktober 2002 ‒ 7 U 224/01 ‒, Rn. 19, juris); im Übrigen handelt es sich insoweit auch nicht um eine ärztliche Feststellung im Sinne der Versicherungsbedingungen.

    Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht auf das erstinstanzlich angebotene Zeugnis des Herrn Dr. J. berufen, dass spätestens Ende 2017 eine unfallbedingte, dauerhafte Invalidität bei der Klägerin vorgelegen habe.
    Die Invaliditätsfeststellung muss nämlich innerhalb der Frist ausweislich der Versicherungsbedingungen schriftlich erfolgen, so dass auch eine spätere Vernehmung des Arztes als Zeuge, was er festgestellt habe und wie er sich gegebenenfalls mündlich gegenüber dem Patienten geäußert habe, nicht in Betracht kommt (vgl. dazu: OLG Celle, Urteil vom 12. März 2009 ‒ 8 U 200/08 ‒, Rn. 8, juris).

    c.
    Die Beklagte handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich, indem sie sich nunmehr nach Erhebung der Klage auf den Ablauf der Frist zur Geltendmachung des Anspruches beruft.

    Dem steht - anders als die Klägerin meint - nicht entgegen, dass die Beklagte die Leistung ursprünglich aus Gesichtspunkten abgelehnt hatte, die in keinem Zusammenhang mit der Einhaltung der Frist standen. Dies berechtigte die Klägerin nicht zu der Annahme, die Beklagte werde sich auch in Zukunft nicht auf das Fehlen einer fristgerechten Feststellung berufen.

    aa.
    Das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung der Invalidität ist eine Anspruchsvoraussetzung, deren Nichtvorliegen nicht entschuldigt werden kann (BGHZ 137, 174, 177; 162, 210, 215 = Urteil vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03 - VersR 2005, 639 unter II 3 a). Auch eine Leistungsablehnung ändert nichts daran, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht entsteht, wenn Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt wird (BGH, Urteil vom 7. März 2007 ‒ IV ZR 137/06 ‒, Rn. 10, juris; Beschluss vom 23. Oktober 2002 ‒ IV ZR 154/02 ‒, Rn. 7, juris).

    Zwar kann sich das Berufen des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich erweisen, wie der BGH in seinem Urteil vom 23. Februar 2005 klargestellt hat (a.a.O. unter II 4).
    Das ist etwa dann anzunehmen, wenn dem Versicherer ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Rechtsfolgen der Fristversäumnis deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt. Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt. Gleiches kommt in Betracht, wenn der Versicherer nach Geltendmachen von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist zur ärztlichen Feststellung ein ärztliches Gutachten einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu sorgen habe.

    bb.
    Ein derartiger Fall treuwidrigen Verhaltens der Beklagten liegt hier aber nicht vor, denn auch wenn der Versicherer - wie hier - seine Leistungspflicht aus einem Gesichtspunkt ablehnt, der in keinem Zusammenhang mit der Einhaltung der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung steht, berechtigt dies den Versicherungsnehmer nicht zu der Annahme, dass sich der Versicherer auf das Fehlen einer fristgerechten Feststellung nicht berufen werde (BGH, Urteil vom 30. November 2005 ‒ IV ZR 154/04 ‒, BGHZ 165, 167-172, Rn. 10).

    Im vorliegenden Fall war die insoweit nach den Bedingungen einzuhaltende Frist von 24 Monaten im Zeitpunkt der Ablehnung des Versicherungsschutzes noch längst nicht abgelaufen. Schon deshalb hatte die Beklagte keinen Anlass, zugleich mit ihrer Leistungsablehnung auf den Ablauf dieser Frist hinzuweisen. Ungeachtet dessen lässt sich einer Leistungsablehnung im Allgemeinen nicht entnehmen, dass der Versicherer den geltend gemachten Anspruch allein aus den dort angegebenen Gründen für nicht gegeben hält (BGH, Urteil vom 30. November 2005, a.a.O., Rn. 10; OLG Köln, Urteil vom 28. April 2006 ‒ 19 U 195/05 ‒, Rn. 46, juris) Mit seiner Leistungsablehnung legt der Versicherer kein treuwidriges oder sonst zu missbilligendes Verhalten an den Tag, denn er weckt gerade kein schützenswertes Vertrauen des Versicherungsnehmers in seine Leistungsbereitschaft, die es rechtfertigen würde, die fristgerechte Invaliditätsfeststellung als Anspruchsvoraussetzung zu vernachlässigen (OLG Köln, Urteil vom 28. April 2006; a.a.O.; Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2011, Ziff. 2.1 AUB 2008, Rn. 139). Zu der Frage, wie der Anspruch zu beurteilen wäre, wenn sich die in der Leistungsablehnung angegebenen Gründe nicht als zutreffend erweisen sollten, hat sich die Beklagte in ihrer Leistungsablehnung hier ersichtlich nicht geäußert. Dazu war sie auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht verpflichtet (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 30. November 2005, Rn. 10; OLG Köln, Urteil vom 28. April 2006, a.a.O.).

    Die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.02.2002 (IV ZR 238/00 - juris) betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt und ist vorliegend nicht einschlägig. Dort hatte die Versicherung zwar bereits einen Monat nach dem dort streitgegenständlichen Unfall Leistungen aus der Unfallversicherung abgelehnt, die Invalidität war aber in der Folgezeit ärztlich festgestellt worden, so dass zu diesem Zeitpunkt die Fälligkeit des Leistungsanspruchs der dortigen Klägerin eingetreten war, ohne dass es angesichts der vorhergehenden Leistungsablehnung weiterer Mitwirkungshandlungen der Versicherungsnehmerin bedurft hätte.

    Hier liegt der Fall aber anders, denn in Ermangelung einer fristgemäßen ärztlichen Feststellung der Invalidität der Klägerin ist hier ein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten (anders als in dem vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27.02.202 entschiedenen Fall) gar nicht erst entstanden.

    3.
    Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kann die Klägerin auch nicht die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen verlangen.

    4.
    Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

    Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

    III.

    Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen Stellung zu nehmen oder die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

    Oberlandesgericht Braunschweig

    Beschluss

    11 U 646/20
    5 O 21/20 Landgericht Göttingen    

    In dem Rechtsstreit

    der Frau K., …..,

    Klägerin und Berufungsklägerin,

    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte F….,

    gegen

    die B. Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden ….,

    Beklagte und Berufungsbeklagte,

    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte C. ……,

    hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht X, die Richterin am Oberlandesgericht Y und den Richter am Oberlandesgericht Z am 4. November 2022 beschlossen:

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28.10.2020 wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    Das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28.10.2020 ist für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 185.000,00 € festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Wegen des Sachverhalts und der in der Berufungsinstanz gestellten Anträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellung im Hinweisbeschluss des Senats vom 07.09.2022 (Bl. 215 ff. d. A.) Bezug genommen.

    II.

    1.
    Die zulässige Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 07.09.2022 verwiesen. Eine Stellungnahme der Klägerin zu den erteilten Hinweisen ist nicht erfolgt.

    Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts oder die Zulassung der Revision.

    2.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Der Streitwert war gemäß §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf eine Wertstufe bis 185.000,00 € festzusetzen. Bei der Bemessung des Streitwerts hat der Senat dabei die ‒ unter Berücksichtigung der vereinbarten Progression - unstreitige Invaliditätssumme in Höhe von 222.750,00 € zugrunde gelegt. Aufgrund des gestellten Feststellungsantrags war insoweit ein Abschlag in Höhe von 20% vorzunehmen.