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  • 13.09.2024 · IWW-Abrufnummer 243797

    Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 26.04.2024 – 3 U 79/23

    Ein Versicherungsmakler ist ohne besondere Gründe nicht gehalten, seinem Kunden den Abschluss einer Risikolebensversicherung anzuraten. Kommt es nicht zum Abschluss und wurde das Gespräch entgegen § 61 Abs. 1 VVG nicht dokumentiert, führt dies nicht zu einer Beweislastumkehr dergestalt, dass der Versicherungsmakler sämtliche Behauptungen des potentiellen Kunden zum Gesprächsinhalt widerlegen müsste.


    In dem Rechtsstreit
    Dr. M...... H......, ......
    - Klägerin, Berufungsbeklagte u. Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte J...... & R......, ......
    gegen
    A...... G......, ......
    - Beklagter, Berufungskläger u. Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte:
    B...... L...... D...... Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, ......
    wegen Schadensersatz
    hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
    Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H......,
    Richter am Amtsgericht W...... und
    Richterin am Oberlandesgericht S......
    aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2024 am 23.04.2024
    für Recht erkannt:
    Tenor:

        1.

        Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 21.12.2022 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
        2.

        Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
        3.

        Die Klägerin hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens zu tragen.
        4.

        Das Urteil und, soweit es aufrechterhalten bleibt, das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
        5.

        Die Revision wird nicht zugelassen.

    Beschluss:

    Der Streitwert wird auf 500.000 € festgesetzt.
    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer klägerseits als fehlerhaft erachteten Beratung über den Abschluss einer Risikolebensversicherung.

    Im Jahre 2017 schlossen die Klägerin und ihr später verstorbener Ehegatte zur Regelung ihrer gemeinsamen Zusammenarbeit einen schriftlichen Maklervertrag über Versicherungsleistungen mit dem Beklagten. Der Beklagte vermittelte und verwaltete in der Folgezeit mehrere Versicherungsverträge der Eheleute. Im Mai 2020 versandte der Beklagte einen als "Jahrescheck 2020" betitelten Erfassungsbogen an die Eheleute, in welchem diese ihre etwaigen weiteren Beratungswünsche angeben konnten. Die Eheleute machten hiervon Gebrauch und gaben dabei an, Beratungsbedarf bestehe in den Bereichen "Planung der Altersversorgung", "Steuern sparen", "Ausbildungssparen für Kinder", "Berufsunfähigkeits-Absicherung"; "Hinterbliebenen/Familien-Absicherung", "Lebens- und Rentenversicherungen" und "Unfallversicherung".

    Es kam sodann am 16.07.2020 zu einem persönlichen Beratungsgespräch in den Wohnräumen der Eheleute. In diesem Zusammenhang erneuerten die Parteien zunächst den bestehenden Maklervertrag. Festgelegt wurde dabei auch, dass sich der Maklervertrag u.a. (neben Haftpflicht, Hausrat etc.) auch auf die Sparten "Leben/ Rente/ BU/ Pflege" beziehe. Der Ehemann der Klägerin war zum damaligen Zeitpunkt seit mehreren Jahren Hauptverdiener in der Ehe, während sich die Klägerin vorwiegend der Erziehung der beiden 2017 und 2018 geborenen Kinder widmete. Für seine Tätigkeit als Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin erhielt der Ehemann der Klägerin in den letzten Jahren ein Jahresbruttogehalt in Höhe von ca. 75.000 €. Außerdem bestand damals noch eine offene Darlehensverbindlichkeit in Höhe von ca. 20.000 € aus dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs.

    Inhalt des Gesprächs war, neben einer Berufsunfähigkeitsversicherung auch für die Klägerin, der Abschluss einer Risikolebensversicherung für den Fall des Todes des Hauptverdieners. Die Einzelheiten des nicht dokumentierten Beratungsgesprächs sind zwischen den Parteien zum Teil streitig. Insoweit wird auf den Inhalt der jeweiligen informatorischen Anhörung vor dem Landgericht im Protokoll vom 01.09.2022 verwiesen.

    Am 05.12.2020 verstarb der Ehemann der Klägerin im Alter von 39 Jahren unvermittelt an einem durch Streptokokken induzierten Toxic-Schock-Syndrom.

    Die Klägerin stellte fest, dass die Unfallversicherung keine Todesfallabsicherung beinhaltete und das bislang angesparte Guthaben der Rentenversicherungen nicht ausreichte, um hieraus im Todesfall eine Rente zu bilden. Sie konfrontierte den Beklagten in einem gemeinsamen Gespräch am 10.12.2020 mit diesen Umständen. Der Beklagte wies in diesem Gespräch eine Schadensersatzpflicht von sich.

    Mit anwaltlichem Schreiben und erfolgloser Fristsetzung zum 10.05.2021 forderte die Klägerin den Beklagten auf, 500.000 € Schadensersatz zu leisten; diese Summe hätte sie für den Todesfall abgesichert und er wäre von der Lebensversicherung ausgezahlt worden (Quasideckung).

    Der Beklagte reagierte persönlich mit Schreiben vom 10.05.2021, wies die Forderung zurück und führte aus, dass die Eheleute keinen Anlass zum Abschluss der Versicherung gesehen hätten, weil kein Eigenheimerwerb anstand bzw. die Klägerin angegeben habe, nötigenfalls selbst wieder arbeiten zu können.

    Mit ihrer Klage machte die Klägerin vor dem Landgericht geltend, dass sich ein Anspruch aus § 63 VVG, hilfsweise aus § 280 BGB ergebe und, soweit sie nicht aus eigenem Recht über einen solchen Anspruch verfügen sollte, ihr dieser hilfsweise auch als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns nach §§ 63 VVG, 1922 BGB zustehe. Als Sachwalter des Versicherungsnehmers treffe den Versicherungsmakler eine weitgehende Verpflichtung zur Prüfung des zu versichernden Risikos; dabei habe er Risiken zu erfragen und den Versicherungsnehmer zu beraten, welche Risiken dieser absichern sollte. Der Beklagte habe das von den Eheleuten geschilderte Todesfallrisiko des Ehemanns und Versorgungsrisiko ohne den Alleinverdiener nicht hinreichend untersucht und daher falsch eingeschätzt. Selbst wenn der Beklagte den Sachvortrag bestreite, obläge ihm und nicht etwa der Klägerin die Beweislast, denn der Beklagte habe es versäumt, eine hinreichende Beratungsdokumentation zu fertigen. Hieraus folge eine Umkehr der Beweislast zugunsten des Versicherungsnehmers. Eine adäquate Absicherung des Todesfallrisikos läge beim 3- bis 5-fachen des Jahresbruttoeinkommens, wie sich aus einem Artikel der Stiftung Warentest 2019 (Anlage KJR 19) ergebe, was 375.000 € entspräche. Außerdem habe der Beklagte selbst in seinem Jahrescheck 2020 die Ausbildungskosten je Kind mit durchschnittlich 55.000 € angegeben und habe es gegolten, den noch offenen Kredit für den Erwerb des Kraftfahrzeugs in Höhe von ca. 20.000 € abzusichern, weshalb insgesamt 500.000 € abgesichert worden wären.

    Der Beklagte trat dem entgegen. Er sei seinen Beratungspflichten vollumfänglich nachgekommen. Davon abgesehen habe sich ein unterstellter Beratungsfehler auch nicht ausgewirkt. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass ein grundsätzlich gesunder Akademiker im Alter von 39 Jahren plötzlich versterbe und wäre reine "Geschäftemacherei" gewesen, ohne weitere Indikation eine Risikolebensversicherung für die nächsten 20 Jahre zu vermitteln. Wären die Erwägungen der Klägerin richtig, müssten Versicherungsmakler allen Ehepaaren mit klassischer Rollenverteilung eine solche Versicherung "aufzwängen". Es treffe nicht zu, dass als Versicherungssumme regelmäßig das dreifache Jahresbrutto des Versicherungsnehmers vereinbart werde. Darlegungs- und beweisbelastet für ihre Behauptung, der Beklagte habe vom Abschluss einer Risikolebensversicherung abgeraten, sei die Klägerin. Daran ändere das Fehlen einer Beratungsdokumentation nichts, denn dies könne zwar zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr führen, betreffe aber lediglich die Frage, ob eine bestimmte - nicht dokumentierte - Beratung erfolgt sei oder nicht. Für die Vermutung, dass der Makler von einem Abschluss abgeraten hätte, sei dagegen kein Raum.

    Das Landgericht hat nach informatorischer Anhörung beider Parteien den Beklagten mit Urteil vom 21.12.2022 verurteilt, an die Klägerin 375.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2021 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 7.189,98 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2021 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Anspruch folge aus § 63 VVG, da der Beklagte bei dem Beratungsgespräch am 16.07.2020 seine aus § 61 VVG folgende Pflicht als Versicherungsmakler gegenüber der Klägerin und dem verstorbenen Ehemann der Klägerin verletzt habe, indem er ohne ausreichende Analyse nicht zum Abschluss einer Risikolebensversicherung zugeraten habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob er sogar abgeraten habe. Zu den Einzelheiten des Gesprächs stehe Aussage gegen Aussage. Die Angaben der Klägerin unterstellt, habe es sich nicht um eine bedarfsgerechte Beratung gehandelt, da unter Berücksichtigung der geschilderten Umstände der Beklagte zum Abschluss einer Risikolebensversicherung in angemessener Höhe hätte anraten müssen, zumal der Kapitaleinsatz zum Abschluss einer solchen Versicherung relativ gering sei. Ganz sicherlich stelle es keine bedarfsgerechte Beratung dar, wenn er davon noch abgeraten hätte. Nach den Angaben des Beklagten habe er zumindest ansatzweise die Klägerin und ihren Ehemann zu dem Abschluss einer Risikolebensversicherung angeraten, aber ohne umfassende Analyse und fehlender Weiterverfolgung nach Abblocken durch den verstorbenen Ehegatten. Dass er diesen Hinweis gegeben habe, könne er aber nicht nachweisen. Grundsätzlich habe zwar der Schadensersatz begehrende Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, dass der Versicherungsvermittler seine Beratungspflicht verletzt habe. Hier sei aber zu berücksichtigen, dass es an einer Dokumentation des Beratungsgespräches vollständig fehle. Die Empfehlung zum Abschluss einer Risikolebensversicherung wäre im vorliegenden Fall bedarfsgerecht gewesen, egal ob die Klägerin wieder hätte arbeiten wollen oder nicht; auch im Hinblick auf die beiden noch sehr jungen Kinder und dass der Ehemann der Hauptverdiener gewesen sei und auf einer "Covidstation" als Intensivmediziner gearbeitet habe. Insoweit habe es auch ein erhöhtes erkennbares Risiko gegeben, dass sich der Ehemann anstecken und versterben könne. Der Vermittler hafte, sofern er sich nicht exkulpieren könne. Sofern der Beklagte darauf abstelle, dass der Ehemann bei dem Gespräch den Abschluss einer Risikolebensversicherung nicht gewollt habe, könne er dies nicht nachweisen. Es sei allerdings von einem Schaden nur i.H.v. 375.000 € auszugehen, § 287 ZPO. Eine zusätzliche Erhöhung aufgrund der Ausbildungskosten sei auch unter Berücksichtigung der Halbwaisenrenten der Kinder nicht zwingend und auch unter Berücksichtigung des Darlehens sei dieser fünffache Wert des Jahreseinkommens als ausreichend anzusehen.

    Gegen dieses der Klägerseite am 09.01.2023 und der Beklagtenseite am 11.01.2023 zugestellte Urteil richten sich sowohl die am 03.02.2023 eingegangene und am 07.03.2023 mit einer Begründung versehene Berufung der Klägerin als auch die am 13.01.2023 eingegangene und innerhalb der Fristverlängerung am 11.04.2023 mit einer Begründung versehene Berufung des Beklagten.

    Die Klägerin wendet sich gegen die Teilabweisung und damit gegen die vom Landgericht angenommene Schadenshöhe. Witwen- und Halbwaisenrenten seien zu versteuern und die Witwenrente auch sozialversicherungspflichtig. Mit Zinsen aus 375.000 € (4 % = 2.250,67 €) und den Netto-Renten werde nicht das ursprünglich vorhandene monatliche Nettogehalt des verstorbenen Ehemannes in Höhe von ca. 4.000 € erreicht. Die Eheleute hätten daher eine höhere Versicherungssumme als das 5-fache Jahresbruttogehalt des Ehemannes gewählt.

    Die Klägerin beantragt,

    das angefochtene Urteil des Landgerichts Dresden, Az.: 8 O 1530/21, teilweise abzuändern und

        1.

        den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 500.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2021 zu zahlen sowie
        2.

        den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von € 8.446,62 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2021 zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

    Er rügt das gesamte Berufungsvorbringen der Klägerseite als verspätet. Ungeachtet dessen habe das Landgericht, ausgehend von einer Haftung dem Grunde nach, schon mehr als das Maximum zugesprochen. Eine Risikolebensversicherung für den Hinterbliebenenschutz diene nicht dazu, der versicherten Person für den Eintritt des Versicherungsfalls ein von allen finanziellen Sorgen befreites Leben zu ermöglichen. Ein monatlicher Entnahmeplan oder eine Berechnung dahingehend, was die Familie im Monat brauche, werde daher in der Praxis regelmäßig nicht angestellt. Es gebe keine Gründe, warum hier der Faktor 3 bis 5 des Bruttojahreseinkommens des Verdieners ausgereizt worden wäre, gerade unter Berücksichtigung einer nicht unerheblichen Witwenrente und einer außerordentlich guten Ausbildung der Klägerin.

    Mit seiner eigenen Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung dem Grunde nach. Schon im Ansatzpunkt könne dem vom Landgericht aufgestellten Rechtssatz nicht gefolgt werden, dass es eine Pflichtverletzung eines Versicherungsmaklers darstelle, einer jungen Familie mit klassischer "Rollenverteilung" nicht zum Abschluss einer Risikolebensversicherung zu raten. Intensivmediziner hätten statistisch gesehen kein höheres Versterbensrisiko als der Schnitt der Gesamtbevölkerung, woran auch "Corona" nichts geändert habe. Es sei "allen" bewusst gewesen, dass die bisher abgeschlossenen Rentenversicherungen nicht ausreichten bzw. auch nur geeignet seien, ein potentielles baldiges Ableben des Ehemanns finanziell "abzufedern". Das Landgericht habe die Beweislastverteilung verkannt und daher streitrelevanten Sachvortrag und Beweisangebote des Beklagten übergangen. Nachdem es auf der Hand liege, dass der Beklagte als auf Provisionsbasis tätiger Versicherungsmakler von der Vermittlung von Versicherungsprodukten lebe, spreche die allgemeine Lebenserfahrung und damit der Beweis des ersten Anscheins nicht nur gegen ein Abraten, sondern auch dafür, dass der Sachvortrag des Beklagten richtig sei, dass der Ehemann eben keine Risikolebensversicherung habe abschließen wollen. Ein anderer sachlicher Grund für den Nichtabschluss sei nicht ersichtlich. Verkannt worden sei vom Landgericht, dass die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet dafür gewesen wäre, wie und wo konkret sie sich mit welchem Versicherungsprodukt eingedeckt hätte. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Quasi-Deckung entbinde den Geschädigten nicht von seiner Darlegungs- und Beweislast.

    Der Beklagte beantragt,

    das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 21.12.2022, Az. 8 O 1530/21 abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, was die Haftung dem Grunde nach betrifft. Der Beklagte verkenne weiterhin den Absicherungsbedarf einer Familie mit "klassischer Rollenverteilung". Auch ohne monatliche Mehrbelastungen durch eine Immobilienfinanzierung bestehe bei einer Familie, die lediglich zur Miete wohne, ein Absicherungsbedarf. Selbst wenn sich die Corona-Sterblichkeit im Nachhinein nur als geringfügig erhöht herausgestellt habe, so hätte ex ante betrachtet ein Versicherungsmakler jedenfalls eine weiterführende Absicherung empfehlen müssen. Der Gesetzgeber habe durch die entsprechende Formulierung klar zum Ausdruck gebracht, dass sich die Beratung eben nicht nur nach dem objektiven Absicherungsbedürfnis, sondern auch nach den subjektiven Absicherungswünschen zu richten habe. Der Beklagte sei seiner Analyse- und Objektprüfungspflicht nicht nachgekommen. Er sei verpflichtet gewesen, den Umfang der bestehenden Rentenversicherungen zu prüfen und die Eheleute darauf hinzuweisen, dass das angesparte Kapital noch nicht ausreichend sei, um im Todesfall eine Rentenzahlung zu bewirken. Selbst wenn der verstorbene Ehemann der Klägerin keine Risikolebensversicherung hätte abschließen wollen, so wäre ein solcher Wunsch irrelevant gewesen, da lediglich aufgrund der falschen Risikoanalyse des Beklagten zustande gekommen. Der Versicherungsmakler dürfe keine sachwidrigen Weisungen akzeptieren.

    Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Berufung des Beklagten ist erfolgreich und führte zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und vollständigen Abweisung der Klage. Die ebenfalls zulässige Berufung der Klägerin hat demgegenüber in der Sache keinen Erfolg.

    1. Die Klägerin hat weder aus eigenem noch ererbtem (§ 1922 BGB) Recht einen Anspruch gegen den Beklagten aus § 63 VVG bzw. §§ 60, 61 VVG i.V.m. § 280 BGB.

    Gemäß § 63 VVG ist der Versicherungsvermittler zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch die Verletzung einer Pflicht nach § 60 oder § 61 entsteht, was nicht gilt, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Vorliegend handelte der Beklagte zwar als Versicherungsmakler und somit Versicherungsvermittler, § 59 Abs. 1 VVG. Eine schadensverursachende Pflichtverletzung jedoch ist nicht ersichtlich bzw. nicht nachgewiesen.

    a) Eine Verletzung einer Pflicht aus § 60 VVG (Auswahl der Versicherungsunternehmen) kommt nicht in Betracht, weil es zu keinem Abschluss gekommen ist und dies nicht auf einer Auswahl beruhte.

    b) Eine Verletzung der Dokumentationspflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG liegt zwar vor, denn der Beklagte hat unstreitig keine Dokumentation der Beratung vorgenommen. Die Funktion der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Dokumentationspflicht liegt vornehmlich darin, dass der Versicherungsnehmer mit einer Beratungsdokumentation die wesentlichen Inhalte der Beratung vor Augen geführt und an die Hand bekommt; hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Entscheidung des Näheren zu überprüfen und den ihm sonst kaum möglichen Nachweis über den Inhalt der Beratung zu führen. Wird ihm diese Nachweismöglichkeit durch das Fehlen einer Dokumentation abgeschnitten, so hat dies zu seinen Gunsten Auswirkungen auf die Verteilung der Beweislast. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist (BGH, Urteil vom 13. November 2014 - III ZR 544/13 -, BGHZ 203, 174-179, Rn. 18).

    Diese Pflichtverletzung kann zwar Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr mit sich bringen (BGH, aaO), vermag aber allein für einen wie hier geltend gemachten, aus einer Falschberatung resultierenden Schaden nicht kausal zu sein. Eine Verletzung der Dokumentationspflicht führt für sich genommen noch nicht zu einem Schadenersatzanspruch, da diese Pflicht lediglich dazu dient, das Vermittlergespräch auch zu Beweiszwecken festzuhalten und dem Versicherungsnehmer die Gründe der Entscheidung für ein bestimmtes Produkt nochmals vor Augen zu führen (OLG Dresden, Urteil vom 21. Februar 2017 - 4 U 1512/16 -, Rn. 15, juris).

    c) Von einer Verletzung der Beratungspflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG ist nicht auszugehen.

    aa) Das fehlende Zuraten zu dem Abschluss einer Risikolebensversicherung stellt in der vorliegenden Konstellation keine Pflichtverletzung dar.

    Unstreitig hatte der Beklagte nicht zum Abschluss einer Risikolebensversicherung zugeraten. Dies wäre schon unnötig, folgte man den Angaben des Beklagten anlässlich seiner informatorischen Anhörung, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin "abgeblockt" habe. Hat der Versicherungsnehmer einen klar abgegrenzten Wunsch artikuliert, ist nicht nur die Befragungs-, sondern auch die Beratungspflicht auf ein Minimum reduziert (OLG Celle, Beschluss vom 16. September 2019 - 11 U 74/19 -, Rn. 50, juris), sofern nicht die Entscheidung erkennbar sachwidrig ist oder erkennbar auf falschen Annahmen beruht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30. März 2011 - 3 U 192/10 -, Rn. 46, juris), was hier nicht der Fall war. Indes vermag der Beklagte diese streitige Darstellung nicht zu beweisen und macht die Klägerin (auch) geltend, sie selbst hätte bei richtiger Ermittlung des Todesfallrisikos eine Risikolebensversicherung auf den Tod ihres Ehemanns abgeschlossen.

    Unabhängig davon stellt das fehlende Zuraten - entgegen der Auffassung des Landgerichts - vorliegend keinen Beratungsfehler dar.

    (1) Die Absicherung des Todesfallrisikos ist im Privatkundengeschäft in der Regel keine objektive Frage, sondern eine subjektive Frage der Vorstellungen des Versicherungsnehmers. Ob und inwieweit der Abschluss einer Risikolebensversicherung zweckmäßig oder erforderlich ist, hängt normalerweise allein davon ab, welche Vorstellungen ein Versicherungsnehmer vom Risiko seines Todes hat und inwieweit er persönlich Prioritäten für eine bestimmte Vorsorge für nahe Angehörige setzen möchte. Ein Versicherungsmakler ist daher im Privatkundengeschäft in der Regel nicht ohne Weiteres verpflichtet, jedem Kunden - unabhängig von dessen Einstellungen und Vorstellungen - den Abschluss einer Risikolebensversicherung vorzuschlagen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 15 W 59/05 -, Rn. 20, juris).

    Eine Pflicht zum Zuraten kann sich demgegenüber dann ergeben, wenn sich der Versicherungsschutz quasi aufdrängt, zum Beispiel weil er absolut üblich ist oder aus objektiver Sicht eine besondere Gefährdungssituation vorliegt. Sie ist im Einzelfall auch aus allein subjektiven Gründen denkbar.

    (2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war der Beklagte in vorliegender Konstellation nicht gehalten, Position zur Frage des "ob" eines Abschlusses zu beziehen und konnte dies der freien Entscheidung seiner Kunden überlassen, weshalb das fehlende Zuraten keinen Beratungsfehler darstellt.

    (a) Absolut üblich ist das Innehaben einer Risikolebensversicherung nicht. Der Beklagte hat plausibel angegeben, dass lediglich ca. 20 % seiner Mandantschaft eine Risikolebensversicherung haben und selbst bei Haushalten von Paaren mit Kindern verfügt die Mehrheit nicht über eine Risikolebensversicherung.

    (b) Vorliegend war auch keine objektive, besondere Gefährdungssituation gegeben. Diese kann sich sowohl aus einer besonderen Anfälligkeit für die Stabilität der Lebenssituation der Begünstigten ergeben als auch aus einem erhöhten Todesfallrisiko. Ersteres könnte etwa angenommen werden, wenn eine Familie in einem weitgehend noch nicht abbezahlten Eigenheim wohnt und mit dem Versterben des Hauptverdieners mangels weiterer Bedienung des Darlehens der Notverkauf bzw. die Zwangsversteigerung und damit der Verlust der Wohnstätte droht. Eine solche Situation lag hier nicht vor. Allein das Leben mit jüngeren Kindern in einem Familienmodell, in welchem ein Ehepartner Alleinverdiener ist, begründet ohne weitere Anhaltspunkte keine besondere Gefährdungssituation, zumal vorliegend die Klägerin als promovierte Akademikerin jedenfalls mittelfristig in der Lage gewesen wäre, durch eigenes Erwerbseinkommen für den Unterhalt der Familie aufzukommen. Dass der finanzielle Lebensstandard mit dem Versterben eines arbeitenden Elternteils sinkt, ist eine regelmäßige Folge und begründet für sich genommen keine besondere Gefährdungssituation.

    Aber auch ein erhöhtes Todesfallrisiko war hier nicht gegeben, weshalb keine Pflichtverletzung infolge falscher Ermittlung des Todesfallrisikos vorliegt. Weder waren lebensbedrohliche Vorerkrankungen festzustellen noch handelte es sich bei dem seinerzeit ausgeübten Beruf des verstorbenen Ehegatten als Facharzt einer Klinik um eine erkennbar gefahrgeneigte Tätigkeit mit deutlich überdurchschnittlichem Todesfallrisiko, wie es etwa bei einem Bombenentschärfer oder Soldaten im Fronteinsatz der Fall sein mag. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass er seinerzeit - inmitten der Corona-Pandemie - auf einer Covid-Station tätig war. Dass derart tätiges medizinisches Personal eine signifikant überdurchschnittliche Sterbewahrscheinlichkeit hatte, behauptet auch die Klägerseite nicht. Soweit sie richtigerweise ausführt, dass Mitte 2020 insoweit Unsicherheit bestand, führt das indes nicht zu einem objektiv erhöhten Risiko. Eine Unsicherheit aufgrund (noch) unzureichender Einschätzbarkeit des Risikos ist demgegenüber zwar in die Analyse einzubeziehen, führt aber noch nicht zu einer Pflicht, den Abschluss einer Risikolebensversicherung anzuraten, denn es ist eine allein persönliche Entscheidung, ob man vorsorglich aufgrund unsicherer Tatsachenlage eine Versicherung abschließt, die sich - bezogen auf den Gesichtspunkt erhöhter Sterbewahrscheinlichkeit als ausschlaggebendes Motiv - im Nachhinein als überflüssig erweisen könnte.

    (c) Schließlich ist auch nicht von einer Pflichtverletzung vor dem Hintergrund der subjektiven Wünsche und Vorstellungen der Klägerin oder ihres Ehemanns auszugehen. So kann den beratenden Versicherungsmakler im Einzelfall auch dann eine Pflicht zum Zuraten treffen, wenn objektive Gründe weder für noch gegen den Abschluss einer Risikolebensversicherung sprechen, die zu beratende Person aber im Gespräch erkennbar hohen Wert auf die Absicherung legt, weil sie sich oder ihrem Partner etwa einem erhöhten Todesrisiko ausgesetzt wähnt oder weil sie generell kein Risiko eingehen möchte und die Hinterbliebenen im Todesfall vollständig abgesichert wissen will. Eine Zuratenspflicht aufgrund "subjektiver Einstellungen und Vorstellungen" setzt indes voraus, dass diese im Beratungsgespräch dezidiert geäußert werden bzw. deutlich wird, dass die Absicherung sehr gewünscht ist. Die persönlichen oder situationsgebundenen Umstände des Versicherungsnehmers müssen für den Vermittler offenbar geworden sein (Langheid/Wandt/Reiff, 3. Aufl. 2022, VVG § 61 Rn. 9). Die Klägerin ist darlegungs- und beweisbelastet für einen derartigen Gesprächsinhalt, denn grundsätzlich hat der den Schadensersatz begehrende Kunde bzw. Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, dass der Versicherungsvermittler seine Beratungspflicht verletzt hat, wobei den Versicherungsvermittler allerdings eine sekundäre Darlegungslast trifft (BGH, Urteil vom 25. September 2014 - III ZR 440/13 -, Rn. 34, juris).

    Zutreffend führt die Klägerseite zwar aus, dass es für die Beurteilung der Beratungsleistung des Beklagten nicht nur auf die Absicherungswünsche des verstorbenen Ehemannes der Klägerin ankam, sondern auch auf ihre eigenen. Allerdings darf insoweit nicht verkannt werden, dass eine behauptete Pflichtverletzung darin bestanden haben soll, dem Ehemann nicht zum Abschluss einer Risikolebensversichung mit der Klägerin als Bezugsberechtigte zugeraten zu haben. Vertragspartner dieser Versicherung und - in förmlicher Hinsicht - Entscheider über den Abschluss wäre allein der verstorbene Ehemann gewesen. Der im Beratungsgespräch anwesenden Klägerin hätte es freigestanden, auf diesen einzuwirken und ihre Absicherungsinteressen nachdrücklich einzubringen. Erst Recht hätte es ihr freigestanden, selbst eine Risikolebensversicherung auf den Tod ihres Ehemanns abzuschließen und "lediglich" dessen Zustimmung gemäß § 150 Abs. 2 VVG zu erbitten, was nicht erfolgt war.

    Dabei ist schon fraglich, ob allein ausgehend von den Aussagen der Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung angenommen werden kann, dass die Eheleute in Zusammenhang mit der Risikolebensversicherung eine erhebliche Angst schilderten, der Ehemann könne sich arbeitsbedingt mit Covid-19 infizieren und daran versterben. Aus den Angaben, dass sie und ihr Mann Angst gehabt hätten, dass er sich infizieren könnte, ergibt sich nicht ohne weiteres, dass diese Angst auch konkret im Zusammenhang mit einer Risikolebensversicherung artikuliert worden war. Unabhängig davon aber hat die Beklagtenseite bestritten, dass die Klägerin oder ihr Ehemann die ernsthafte Sorge geäußert hätten, der Ehemann könnte aufgrund seiner Tätigkeit als Mediziner an Covid-19 sterben; hiervon sei in den Gesprächen mit dem Beklagten überhaupt keine Rede gewesen. Dies hat der Beklagte in seiner informatorischen Anhörung bestätigt, indem er aussagte, dass Covid, wie damals üblich, ein allgemeines Thema gewesen sei und es der Ehemann auch nicht so dargestellt habe, dass er Angst vor Covid und in der Folge daran zu sterben gehabt habe.

    (3) Es ergibt sich vorliegend kein anderes Ergebnis als Folge einer Beweislastumkehr. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte seine Dokumentationspflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG verletzt hatte und sich hieraus Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers bzw. Beratungskunden bis hin zu einer Beweislastumkehr ergeben können (BGH, Urteil vom 25. September 2014 - III ZR 440/13 -, Rn. 34, juris). Dies hat aber nicht zur Folge, dass der (potentielle) Versicherungsnehmer praktisch jedweden Inhalt des Gesprächs behaupten könnte und es sodann an dem Versicherungsmakler wäre, einen widerlegenden Inhalt - meist chancenlos - zu beweisen.

    So kann die Rechtsfolge von vornherein nur einen streitigen Inhalt betreffen, der als solcher auch dokumentationspflichtig gewesen wäre. Schon aus dem Wortlaut des § 61 Abs. 1 VVG ergibt sich, dass der Umfang der Beratung und Dokumentation ("dies") abhängt von der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, und von dem Anlass (Lebensumstände des Kunden). Der Umfang der Fragepflicht ist anlass- und damit einzelfallabhängig (Langheid/Wandt/Reiff, 3. Aufl. 2022, VVG § 61 Rn. 6). Die Dokumentation muss umso ausführlicher ausfallen, je komplizierter und wirtschaftlich bedeutender die Versicherung ist (Langheid/Wandt/Reiff, 3. Aufl. 2022, VVG § 61 Rn. 26). Weil der Schwerpunkt der Maklerberatung auf einem Produktvergleich liegt (Prölss/Martin/Dörner, 31. Aufl. 2021, VVG § 61 Rn. 23), das Gesetz Beratungs- und Dokumentationspflicht, wie an § 62 VVG erkennbar, auf den Abschluss eines Vertrages ausgerichtet hat und es sich bei einer Risikolebensversicherung um ein vergleichsweise einfaches Versicherungsprodukt handelt, ist bereits fraglich, ob sich, wird wie hier trotz Verständlichkeit des Versicherungsproduktes gar kein Produkt ausgewählt bzw. empfohlen, die Dokumentation darauf beschränken darf, dass über den etwaigen Abschluss einer entsprechenden Versicherung gesprochen wurde. Dies aber ist unstreitig.

    Aber auch wenn der Beklagte gehalten gewesen wäre, trotz Nichtabschlusses das Motiv seiner Kunden für den etwaigen Abschluss einer Risikolebensversicherung zu dokumentieren, hält der Senat in vorliegender Konstellation allenfalls Beweiserleichterungen, nicht aber eine Umkehr der Beweislast für geboten. Die mögliche Beweiserleichterung betrifft lediglich die Frage, ob eine bestimmte - nicht dokumentierte - Beratung erfolgt ist oder nicht. Ergibt sich ein solcher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht aus der Dokumentation oder fehlt eine solche gar völlig, kann der Vermittler für seine Behauptung, er habe in bestimmter Weise beraten, beweisbelastet sein (OLG Hamm, Beschluss vom 28. Juni 2019 - I-20 U 70/19 -, Rn. 42, juris). Eine vollständige Umkehr der Beweislast ist damit zuvorderst dann geboten, wenn es der Vermittler selbst ist, der sich auf einen bestimmten, ihm günstigen Beratungsaspekt beruft, dessen Dokumentation er trotz wesentlicher Bedeutung aber unterlassen hatte. Dies sind zuvorderst Konstellationen, in denen sich ein gewähltes Produkt oder ein Produktwechsel später als nachteilig herausstellt und sich der Makler darauf beruft, hierüber bzw. über das Risiko aufgeklärt zu haben. Vorliegend jedoch ist es nicht der Beklagte, welcher behauptet, in bestimmter (ihn entlastender) Weise beraten zu haben. Er bestreitet vielmehr ihn belastende Behauptungen der Klägerin. Käme es hier regelmäßig zu einer Beweislastumkehr, könnten einem Makler, der keine Dokumentation vorgenommen hatte, theoretisch jedweder Beratungsinhalt "untergeschoben" werden, was zu einer faktisch uferlosen Haftung führen würde. Es ist vorliegend außerdem nicht lebensnah, dass die Eheleute, als im Rahmen des Beratungsgesprächs nach der Berufsunfähigkeitsversicherung eine Risikolebensversicherung angesprochen wurde, ihre Angst vor einem pandemiebedingten Ableben des Ehemanns und damit den Wunsch einer Versicherung auf dessen Todesfall zum Ausdruck gebracht hätten und es dennoch - obwohl die monatlichen Prämien für eine derartige Versicherung überschaubar sind und zudem der Beklagte eine Provision für den Abschluss erhalten hätte - nicht zum Abschluss einer Risikolebensversicherung kam, weder durch den Ehemann noch durch die Klägerin selbst. Einen triftigen Grund dafür konnte auch die Klägerin nicht angeben, mit Ausnahme eines Verweises auf abgeschlossene private Rentenversicherungen und der bestehenden Unfallversicherung des Ehemanns seitens des Beklagten (hierzu nachfolgend).

    bb) Auch von einer Pflichtverletzung wegen Verweises auf ausreichenden anderen Schutz ist vorliegend nicht auszugehen.

    Soweit die Klägerseite eine Pflichtverletzung auf Grundlage ihres Vortrags sieht, dass sich die Eheleute eines erhöhten Risikos, selbst an Covid-19 zu erkranken, ausgesetzt sahen und die eigene Absicherung klären wollten, woraufhin der Beklagte auf eine damals bestehende Unfallversicherung und den Todesfallschutz zweier damals ebenfalls bestehender Rentenversicherungen verwiesen habe und, konkret auf die Sinnhaftigkeit des Abschlusses einer weiterführenden Risikolebensversicherung angesprochen, erklärt habe, dies sei erst sinnvoll, sobald die Eheleute eine Immobilie erworben hätten, ist unstreitig, dass die Rentenversicherungen als Absicherung erörtert worden waren, als es um die Risikolebensversicherung ging. Dass man bei der Beratung über den Abschluss einer Risikolebensversicherung prüft, welche andere finanziellen Ressourcen im Todesfall zur Verfügung stünden, ist auch sachgerecht. Der Verweis auf die Rentenversicherungen könnte nur dann eine Pflichtverletzung darstellen, wenn der Beklagte damit fälschlich erklärt oder suggeriert hätte, dass der Lebensstandard im Todesfall damit bereits weitgehend abgesichert sei. Dies ist so konkret jedoch selbst nach den eigenen Angaben der Klägerin nicht der Fall gewesen und wäre auch völlig lebensfremd. Über die konkrete Höhe einer potentiellen Risikolebensversicherung und den seinerzeitigen Wert der Rentenversicherungen wurde unstreitig nicht einmal gesprochen. Dass eine Risikolebensversicherung erst "sinnvoll" sei, wenn die Eheleute eine Immobilie erwerben würden, durfte nicht so verstanden werden, dass im Übrigen für den Todesfall bereits der Lebensstandard abgesichert sei, sondern so, dass dann im Todesfall das Darlehen nicht mehr bedient werden kann und der möglicherweise verlustreiche Auszug aus der Wohnstätte droht. Es musste den Eheleuten - zumal beide Akademiker - auch ohne finanzielles Grundwissen aufgrund ihrer Kenntnis der bisherigen Größenordnung der Einzahlungen in die privaten Rentenversicherungen vollkommen klar gewesen sein, dass diese Versicherungen nicht ansatzweise ausreichen würden, ein potentiell wegfallendes Einkommen des Ehemanns von 4.000 € netto/Monat dauerhaft zu kompensieren. Selbst wenn die Klägerin, auf welche die Rentenversicherungen nicht liefen, seinerzeit nicht einmal ansatzweise eine Vorstellung von der Größenordnung des damit bereits angesparten Vermögens gehabt hätte, wäre dieser Schluss bestenfalls eine krasse Fehlvorstellung, die aber der Beklagte nicht hervorgerufen hätte und zu deren Richtigstellung er mangels Kenntnis einer solchen Fehlvorstellung auch keinen Anlass gehabt hätte.

    Ein Hinweis, dass man ohne Risikolebensversicherung im Todesfall des Ehegatten nicht ausreichend abgesichert wäre, wäre ferner kein Hinweis von "wesentlicher Bedeutung", sondern eine Banalität, weshalb er auch nicht zu dokumentieren gewesen wäre.

    In der Gesamtschau verfügte der Beklagte weder über einen Wissensvorsprung noch über Informationen, die erkennen ließen, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehegatte falsche Vorstellungen über den Umfang ihres Versicherungsschutzes hatten.

    cc) Schließlich ist von einer Pflichtverletzung wegen Abratens bezüglich des Abschlusses einer Risikolebensversicherung ebenfalls nicht auszugehen.

    Es ist bereits unklar, ob bzw. ab welcher Deutlichkeit im konkreten Fall von einem Abraten ausgegangen werden könnte. Entsprechende Beratungsgespräche verlaufen, zumal der Beklagte den verstorbenen Ehemann seit Studienzeiten kannte, nicht selten in lockerer Atmosphäre, und ob etwa ein "Wichtig wird es erst, wenn ihr ein Haus kauft" o.ä. bereits ein Abraten darstellt, wenn sich die Kundschaft mit dieser Auskunft begnügt, ist fraglich. Es handelt sich hier, anders als bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2014 - III ZR 544/13 -, Rn. 12, juris), um ein leicht verständliches Versicherungsprodukt und die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann wären ohne weiteres und insbesondere ohne größere Erläuterungen von Details in der Lage gewesen, auch eine Entscheidung für einen Abschluss zu fällen - die anhand der persönlichen Einschätzungen von Risiko und Absicherungswunsch zu treffen war. Schon vor diesem Hintergrund hätte ein Abraten hier nur dann das "Gewicht" eines Beratungsfehlers, wenn es nachdrücklich erfolgt wäre, der Kunde also geradezu erst überzeugt worden wäre, von dem geplanten Abschluss einer Risikolebensversicherung abzulassen. Solch ein "deutliches Abraten" liegt aber unstreitig nicht vor.

    Im Übrigen wäre aus den bereits genannten Gründen auch zur Frage des Abratens, selbst wenn dies hier der Dokumentationspflicht unterliegen würde, eine Beweislastumkehr nicht geboten, weil es sich nicht um einen den Beklagten entlastenden Gesichtspunkt handelt und die Behauptung der Klägerseite nicht lebensnah ist. Die Klägerin hat keinerlei überzeugenden Grund angegeben, der ein Abraten nahelegen würde.

    2. Mangels Anspruchs dem Grunde nach schuldet der Beklagte keine außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und ist die auf eine höhere Summe Schadensersatz in der Hauptsache gerichtete Berufung der Klägerin unbegründet.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 und § 91 ZPO.

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung der zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen auf den vorliegenden Sachverhalt.