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  • 20.12.2013 · IWW-Abrufnummer 134058

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 20.02.2013 – 7 U 229/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Frankfurt 7. Zivilsenat

    7 U 229/11

    Tenor

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.9.2011 abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.

    Gründe

    I)

    1

    Der Kläger unterhält bei der Beklagten für sein Einfamilienhaus ... in Stadt1 eine Wohngebäudeversicherung auf der Grundlage der VGB 96.

    2

    Er begehrt von der Beklagten weitere Entschädigung wegen eines Wasserschadens, der auf Leckagen von Wasserleitungen infolge Frosteinwirkungen beruhte.

    3

    Das Haus des Klägers stand seit September 2009 „leer“ und wurde zum Verkauf angeboten. Der vom Kläger beauftragte Makler A suchte das Objekt einmal wöchentlich auf. Ebenso schaute die Nachbarin des Klägers einmal in der Woche nach dem Rechten. Der Kläger selbst suchte das Haus alle zwei Wochen auf. Ein weiterer von ihm eingeschalteter Makler, der in unregelmäßigen Abständen vorbeischaute, entdeckte am 6.2.2010 den Wasserschaden. Die Thermostate der Heizkörper waren während der Wintermonate, in denen teilweise starker Frost (- 15 °) herrschte, auf die Stufe 1 eingestellt gewesen.

    4

    Nach telefonischer Schadensmeldung übersandte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 6.2.2010 eine Schadensanzeige, welche der Kläger am 20.2.2010 ausfüllte. Hinsichtlich der Frage: „ Wie viele Personen leben regelmäßig in der versicherten Wohnung?“ trug er die Zahl 1 ein.

    5

    Der Kläger beauftragte die Fa. B mit der Ortung der Leckagen. Im Auftrag der Beklagten führte ihr Schadensregulierer C einen Ortstermin durch. Ebenso traf der von ihr beauftragte Sachverständige SV1 Feststellungen vor Ort und ermittelte den Zeitwertschaden mit insgesamt 36.117,58 Euro brutto. Mit Schreiben vom 22.3.2010 hatte der Sachverständige den Kläger um Beantwortung ergänzender Fragen zum Leerstand des Gebäudes und dessen Kontrolle gebeten. Die Beklagte bot dem Kläger mit Schreiben vom 29.6.2010 einen Vergleich dergestalt an, 50 % des Zeitwertschadens zu zahlen, was der Kläger ablehnte.

    6

    Die Beklagte zahlte daraufhin 30 % des Zeitwertschadens an den Kläger; weitere Zahlung lehnte sie ab.

    7

    Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung des restlichen Zeitwertschadens in Höhe von 25.282,31 Euro von der Beklagten begehrt.

    8

    Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit wegen Falschangaben, hilfsweise auf das Recht zur Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls, Verstoßes gegen die vereinbarten Sicherheitsvorschriften sowie Gefahrerhöhung in Folge des Leerstandes berufen.

    9

    Das Landgericht hat durch Urteil vom 27.9.2011 – auf dessen Inhalt (Bl. 208 ff d.A.) wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird – der Klage stattgegeben. Eine Leistungskürzung komme nicht in Betracht, da die Beklagte – unstreitig – keine Vertragsanpassung vorgenommen habe. Die Regelungen in § 11 Ziffer 2 VGB sowie § 20 Ziffer 2 VGB, die im Falle einer Obliegenheitsverletzung (Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften / falsche Auskünfte) den Versicherer zur Kündigung oder zur Leistungsfreiheit nach § 6 VVG a.F. berechtigten, seien unwirksam, da sie mit § 28 II, III VVG n.F. nicht vereinbar seien.

    10

    Die Beklagte könne sich auch nicht auf Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung berufen. Der Kläger habe die Frage danach, wie viele Personen regelmäßig in der versicherten Wohnung lebten, nicht falsch beantwortet. Ob der Kläger die Wohnung nur aufgesucht oder aber auch dort übernachtet habe, sei unerheblich. Sofern er nicht in seinem Haus übernachtet habe, könne darin zwar eine Gefahrerhöhung gesehen werden, diese sei aber nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls geworden.

    11

    Das quotale Leistungskürzungsrecht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls setze zwar keine Vertragsanpassung voraus. In Hinblick auf die vorgenommenen Kontrollen sowie die auf Stufe 1 gestellten Heizungsthermostate seien die Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit jedoch nicht gegeben. Soweit die Beklagte diese Maßnahmen als unzureichend erachtet und sich auf Sachverständigenbeweis bezogen habe, sei dem mangels weiteren Sachvortrags nicht nachzugehen gewesen.

    12

    Eine Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung komme mangels Darlegung weiterer Einzelheiten zur Dauerhaftigkeit und der Gefahrenkompensation nicht in Betracht.

    13

    Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

    14

    Sie rügt fehlerhafte Rechtsanwendung sowie unvollständige Tatsachenfeststellung.

    15

    Das Landgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung gemäß § 21 VGB verneint. Ausweislich des Versicherungsscheines gelte ein „ständig bewohntes“ Einfamilienhaus als versichert. Auf dieser Grundlage habe der Kläger die eindeutige Frage in der Schadensmeldung nach den in der versicherten Wohnung regelmäßig lebenden Personen falsch beantwortet, um auf ihre Regulierungsentscheidung Einfluss zu nehmen. Soweit der Kläger behauptet habe, das Objekt in zweiwöchigen Abständen regelmäßig aufgesucht zu haben, stelle dies kein regelmäßiges Leben im versicherten Gebäude dar. Regelmäßig bedeute dauerhaft. Ein abweichendes Verständnis der Frage dahingehend, dass, wenn er das Objekt regelmäßig aufsuche, er dieses bewohne und nutze, sei mit deren Sinnzusammenhang nicht vereinbar. Im Übrigen habe sie bereits in erster Instanz darauf hingewiesen, dass ein Bewohnen/Nutzen des Hauses objektiv – wegen Leerstandes – nicht möglich gewesen sei. Wie der Sachverständige SV1 vor Ort festgestellt habe, habe es sich um ein ungenutzt leerstehendes Gebäude gehandelt. Dass das Gebäude leer gestanden habe, habe der Kläger selbst im ergänzenden Fragebogen angegeben. Auf die Frage der Kausalität komme es bei arglistigen Falschangaben nicht an. Im Übrigen liege es auf der Hand, dass die Nichtbewohnung des Objektes für die Frage des Schadensumfanges – nämlich den Zeitpunkt der Entdeckung des Wasserschadens – ursächlich gewesen sei.

    16

    Des Weiteren sei sie auch berechtigt, sich auf Leistungsfreiheit gemäß § 20 Ziffer 1 d) VGB wegen Verletzung der Auskunftsobliegenheit zu berufen. Der Kläger sei auch über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung ordnungsgemäß belehrt worden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12.10.2011 (VersR 2011, 1550), wonach der Versicherer sich mangels Anpassung der Bedingungen nicht auf ein Leistungskürzungsrecht wegen Verletzung vertraglicher Obliegenheiten berufen könne, sei erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils und zudem zu einem anderen Bedingungswerk ergangen.

    17

    Zuvor sei es ganz herrschende Meinung in sämtlichen Großkommentaren gewesen, dass auch ohne Bedingungsanpassung die Lücke hinsichtlich der Rechtsfolgen durch ergänzende Vertragsauslegung bzw. nach § 306 II BGB geschlossen werden könne. Ihr sei es daher nicht verwehrt, sich nunmehr auf die tatsächlich erfolgte Bedingungsanpassung zu berufen. Das Anpassungsschreiben vom August 2008 habe der Kläger auch erhalten.

    18

    Darüber hinaus sei sie zumindest zur Leistungskürzung berechtigt.

    19

    Unabhängig von den vertraglich vereinbarten Obliegenheiten stehe ihr jedenfalls ein gesetzliches Leistungskürzungsrecht aus § 81 II VVG zu. Dies habe auch das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt. Es habe jedoch rechtsfehlerhaft wesentlichen Sachvortrag zum Leerstand des Objektes, den herrschenden Temperaturen und zur Kontrolldichte unberücksichtigt gelassen bzw. zu Unrecht als unsubstantiiert bewertet und sei ihrem Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachgegangen. In einem vergleichbaren Fall habe die Einzelrichterin eine wöchentliche Kontrolle in einem unbewohnten Objekt gerade als unzureichend erachtet (Urteil vom 29.11.2011 Az 2-08 O 206/11).

    20

    Auch unter dem Gesichtspunkt der Gefahrerhöhung stehe ihr ein gesetzliches Leistungskürzungsrecht zu. Sie habe unter Beweisantritt vorgetragen, dass das Objekt seit September 2009 unbenutzt leer gestanden habe, nach den Angaben des Maklers D sogar seit einem Jahr. Angesichts dessen sei es nicht nachvollziehbar, dass das Landgericht ihren Vortrag zur Dauerhaftigkeit als unsubstantiiert bezeichnet habe.

    21

    Ein Leistungskürzungsrecht stehe ihr auch wegen Verletzung der Sicherheitsvorschriften zu. Eine Vertragsanpassung sei – wie in der Berufung vorgetragen – erfolgt.

    22

    Die Beklagte beantragt,

    23

    unter Abänderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.9.2011 (Az.: 2-08 O 66/11) die Klage abzuweisen.

    24

    Der Kläger beantragt,

    25

    die Berufung zurückzuweisen.

    26

    Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

    27

    Die Frage in der Schadensanzeige sei objektiv nicht falsch beantwortet worden, da nicht danach gefragt worden sei, wie viele Personen ständig in der versicherten Wohnung lebten. Vielmehr sei nur nach einer Regelmäßigkeit gefragt worden. Abzustellen sei auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Regelmäßig und dauerhaft könne nicht gleich gesetzt werden.

    28

    Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ein Bewohnen/ Nutzen des Hauses, das über ein funktionierendes Badezimmer sowie eine Einbauküche verfügt habe und beheizt gewesen sei, auch objektiv möglich gewesen. Geschlafen habe er (der Kläger) auf einer aufblasbaren Schlafmatratze. Eine Möblierung sei nicht entscheidend. Er sei davon ausgegangen, die Frage richtig beantwortet zu haben.

    29

    Soweit nunmehr eine Bedingungsanpassung behauptet werde, werde dies bestritten und als verspätet gerügt. Bemerkenswert sei, dass die Beklagte lediglich ein Musterschreiben – nicht aber ein konkret an ihn gerichtetes Schreiben – vorlege. Dass ein entsprechendes Schreiben an ihn überhaupt auf den Postweg gebracht worden sei, werde daher bestritten. Zugegangen sei ihm ein solches Schreiben jedenfalls nicht.

    30

    Das Landgericht habe zu Recht beanstandet, dass es an einem hinreichend konkreten Vortrag zu den Voraussetzungen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles fehle. Die auch in der Berufung wiederholten Gründe rechtfertigten einen derartigen Vorwurf nicht. Schließlich sei das Objekt von ihm und mehreren anderen Personen regelmäßig besucht und kontrolliert worden.

    II)

    31

    Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

    32

    Zwar ist ein bedingungsgemäßer Leitungswasserschaden eingetreten, die Beklagte ist jedoch gemäß § 21 VGB leistungsfrei, weil der Kläger versucht hat, die Beklagte durch eine Falschangabe in der Schadensanzeige arglistig zu täuschen.

    33

    Nach § 21 Ziffer 1 VGB ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer versucht, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Arglist setzt insoweit ein bewusstes Einwirken des Versicherungsnehmers auf die Entscheidungen des Versicherers durch unrichtige oder unvollständige Angaben voraus. Eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht ist hingegen nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr die Absicht, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden oder die Regulierung zu beschleunigen oder allgemein auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen zu wollen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 31 VHB 2000 Rz. 1). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben in Hinblick auf die Falschbeantwortung der Frage Ziffer 2 c in der Schadensanzeige vom 20.2.2010.

    34

    Der Kläger hat die Frage Ziffer 2 c „Wie viele Personen leben regelmäßig in der versicherten Wohnung ?“ mit „1“ beantwortet. Dies stellt nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse objektiv eine Falschbeantwortung dar. Die Frage Ziffer 2 c war auch für die Einstandspflicht der Beklagten dem Grund nach von Bedeutung.

    35

    Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Frage im Rahmen der Schadensanzeige nach einem Leistungswasserschaden erschließt sich eindeutig, dass die Frage darauf abzielt, von wie vielen Personen das versicherte Objekt regelmäßig im Sinne von dauerhaft bewohnt war, was auch die Frage einschließt, ob es überhaupt bewohnt war. Die Formulierung „leben regelmäßig“ in der Wohnung beinhaltet, dass die Personen im versicherten Objekt Tätigkeiten des privaten Lebens wie Essen, Schlafen und sonstige Aktivitäten – im Sinne von Wohnen – entfalten, und zwar dauerhaft und nicht nur sporadisch. Dies ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Frage. In der Schadensanzeige wird zunächst gefragt, von wem der Schaden entdeckt wurde (Ziffer 1b). Anschließend folgen in Ziffer 2 Fragen zur Anzahl der Personen, die im versicherten Objekt regelmäßig leben, zur Austrittsstelle (Ziffer 2 g, h) sowie zur Person, die diesen Raum benutzt hat. Soweit der Kläger in erster Instanz vorgetragen hat, dass er das Haus regelmäßig - im Sinne von regelhaft - jedes zweite Wochenende aufgesucht und es „bewohnt und genutzt“ habe, stellt dies kein regelmäßiges Leben bzw. Wohnen im versicherten Objekt dar. Im Übrigen hat der Kläger selbst im ergänzenden Fragebogen vom 22.3.2010 das Haus als leerstehend seit September 2009 bezeichnet.

    36

    Leer stehend bedeutet nicht nur unmöbliert, sondern nach allgemeinem Sprachgebrauch auch unbewohnt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger - wie in der Berufung ernsthaft behauptet – an jenen Wochenenden alle 14 Tage auf einer aufblasbaren Matratze in seinem leer stehenden Haus genächtigt hat, steht außer Frage, dass objektiv eine Falschbeantwortung der Frage Ziffer 2 c vorliegt. Dass unter „versicherter Wohnung“ auch ein Einfamilienhaus fällt, ergibt sich aus der in Ziffer 2 b) wahlweise anzukreuzenden Möglichkeit „eigenes Einfamilienhaus“.

    37

    Weil das Vorliegen von Arglist eine innere Tatsache betrifft, kann der vom Versicherer zu führende Beweis, dass der Versicherungsnehmer mit der Abgabe einer objektiv falschen Erklärung das Regulierungsverhalten bewusst beeinflussen wollte, zwar nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Liegt jedoch objektiv eine Falschangabe vor, dann ist es Aufgabe des Versicherungsnehmers eine nachvollziehbare Erklärung dafür anzugeben, wie es hierzu gekommen ist. Eine plausible Erklärung für die Falschbeantwortung der Frage Ziffer 2 c hat der Kläger jedoch weder schriftsätzlich noch anlässlich seiner Anhörung vor dem Senat abgegeben.

    38

    Seine Behauptung, dass er die Frage Ziffer 2 c so verstanden habe, dass auch ein regelmäßiges Aufsuchen – alle 2 Wochen – genüge, ist nicht nachvollziehbar. Bei einem solchen Verständnis hätte er hinsichtlich der Frage nach dem Leerstand des Hauses im Ergänzungsfragebogen ebenfalls auf seine Anwesenheit hinweisen müssen, was nicht geschehen ist. Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat der Kläger zwar darauf beharrt, nicht arglistig getäuscht zu haben. Wie er selbst bekundet hat, hat er sich alle 14 Tage zum versicherten Objekt begeben und „nach seinem Eigentum geschaut“, was kein regelmäßiges Wohnen, sondern eine bloße Kontrollmaßnahme darstellt. Im Übrigen zeichneten sich seine weitergehenden Erklärungen dadurch aus, dass er bemüht war, seinen sporadischen, alle 14 Tage stattfindenden Besuchen Wohncharakter beizumessen. Der Kläger hat insoweit bekundet, er habe etwas gegessen, im Garten gearbeitet oder sonst etwas getan. Abgesehen davon, dass seine diesbezüglichen Bekundungen unglaubhaft waren, da sie blass und ohne Details vorgetragen wurden, sind sie auch nicht geeignet, sein angebliches Verständnis der Frage 2 c plausibel erscheinen zu lassen.

    39

    Ein nur alle 14 Tage stattfindendes Aufsuchen einer leerstehenden Immobilie kann selbst bei Entfaltung rudimentärer Aktivitäten nicht als regelmäßiges Leben im versicherten Objekt verstanden werden.

    40

    Die Falschangabe lässt auch nur den Schluss zu, dass der Kläger Rückfragen wegen des Leerstandes seines Hauses – nämlich hinsichtlich der Beheizung und etwaiger Kontrollen - vermeiden und insofern Einfluss auf die Entscheidung der Beklagten nehmen wollte. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen SV1 war dieser erst am 19.3.2010 vor Ort. Die Schadensanzeige hat der Kläger bereits am 20.2.2010 ausgefüllt und darin auf den Bericht der von ihm selbst mit der Ortung der Leckagen beauftragten Fa. B verwiesen. Auch der Umstand, dass der Kläger selbst sofort ein Unternehmen mit der Untersuchung des Schadens beauftragte, belegt seine Absicht, den Schaden möglichst schnell und ohne weitere Nachfragen abzuwickeln.

    41

    Auf die Frage der Kausalität der Täuschung für die Entscheidung des Versicherers kommt es nach der vereinbarten Klausel nicht an. Es genügt bereits der Versuch einer arglistigen Täuschung.

    42

    Ebenso ist es unerheblich, dass vorliegend der Versuch einer arglistigen Täuschung im Rahmen der Schadensanzeige zugleich eine Verletzung der Auskunftsobliegenheit gemäß § 20 Ziffer 1 d) VGB darstellt.

    43

    Mangels Vertragsanpassung kann die Beklagte sich zwar nicht auf die Verletzung der Auskunftsobliegenheit berufen. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12.10.2011 (VersR 2011, 1550) entschieden hat, führt die Abweichung vom Sanktionensystem des § 28 II, III VVG n.F. zum Nachteil des Versicherungsnehmers zur Unwirksamkeit der Klausel, da die Folgen der Verletzung einer Auskunftsobliegenheit einer Vereinbarung im Versicherungsvertrag bedürfen. Soweit die Beklagte nunmehr erstmals in zweiter Instanz behauptet hat, doch eine Vertragsanpassung vorgenommen zu haben, handelt es sich um neuen, gemäß § 531 II Ziffer 3 ZPO nicht zuzulassenden Vortrag. Der Kläger hat den Zugang des Vertragsanpassungsschreibens bestritten. Das Landgericht hatte die Beklagte auf die Bedenken an der Wirksamkeit der Klausel mit Schreiben vom 17.5.2011 hingewiesen.

    44

    § 21 Ziffer 1 VGB stellt jedoch eine Verwirkungsvorschrift mit Strafcharakter dar, der eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BGH VersR 2001, 1020).

    45

    Ob es sich insoweit um einen gesetzlichen Verwirkungstatbestand handelt, der selbst ohne entsprechende Abrede in den allgemeinen Versicherungsbedingungen eingreifen würde, mag dahingestellt bleiben. Vorliegend ist jedenfalls eine entsprechende Klausel ausdrücklich vereinbart worden. Die Unwirksamkeit der Regelung über die Auskunftsobliegenheit in § 20 VGB berührt daher nicht den besonderen Verwirkungsgrund der arglistigen Täuschung gemäß § 21 VGB. Soweit sich inhaltlich Überschneidungen ergeben und eine arglistige Täuschung zugleich eine Verletzung der Auskunftsobliegenheit darstellt, weichen die Rechtsfolgen gemäß § 21 VGB auch nicht von den gesetzlichen Vorgaben in § 28 II, III VVG n.F. zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab. Im Falle der arglistigen Verletzung der Aufklärungspflicht ist auch gemäß § 28 II 1 VVG n.F. vollständige Leistungsfreiheit vorgesehen. Ebenso ist es im Falle der Arglist gemäß § 28 III 1 VVG n.F. nicht erforderlich, dass der Versicherer durch die Falschangabe einen Feststellungsnachteil erlitten hat.

    46

    Eine vorherige Belehrung über die Folgen einer arglistigen Täuschung ist nicht erforderlich, da der arglistig Täuschende nicht schutzwürdig ist.

    47

    Auch im Rahmen des § 28 VVG n.F. bedarf es nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2010, 507 m.w.N.) im Falle der Arglist keiner Belehrung. Eine solche Einschränkung des Belehrungserfordernisses ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 28 IV VVG n. F., jedoch aus der Gesetzesbegründung zum neuen Versicherungsvertragsgesetz (vgl. BT-Drucksache 16/3945 S. 69). Dort heißt es ausdrücklich zu § 28 IV VVG, dass es im Falle der Arglist keiner Belehrung bedürfe, was auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. VersR 2009, 968 m.w.N.). zum alten VVG entspricht. Da - wie es in der Gesetzesbegründung eingangs heißt – die Regelung in § 28 IV VVG n.F. auf die Rechtsprechung zum Belehrungserfordernis des Versicherers bei Verletzung vertraglich bestimmter Aufklärungs- oder Auskunftsobliegenheiten zurückgeht, hat der Gesetzgeber offensichtlich in Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur fehlenden Schutzbedürftigkeit des arglistig Täuschenden keine Veranlassung zu einer ausdrücklichen Klarstellung im Gesetzeswortlaut gesehen.

    48

    Der Wille des Gesetzgebers, der im Rahmen der Auslegung auch dann zu berücksichtigen ist, wenn er keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden hat (vgl. BGH JR 2008, 255), ist insofern eindeutig.

    49

    Ob die in der Schadensanzeige über der Unterschriftsleiste angebrachte Belehrung den Anforderungen des § 28 IV VVG n.F. entspricht, was zweifelhaft erscheint, da sie drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben sein dürfte (vgl. BGH Urteil vom 9.1.2013 Az.: IV ZR 197/11), kann daher dahingestellt bleiben.

    50

    Danach ist die Beklagte gemäß § 21 VGB leistungsfrei. Besondere Umstände, die eine Inanspruchnahme der völligen Leistungsfreiheit ausnahmsweise als treuwidrig erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor.

    51

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    52

    Der Schriftsatz der Beklagten vom 19.2.2013 gab keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, da er sich auf Rechtsausführungen beschränkt.

    53

    Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 543 II ZPO nicht gegeben sind. Dass im Falle der Arglist keine Belehrung erforderlich ist, ist nach dem Ergebnis der Auslegung von § 28 IV VVG unter Beachtung des gesetzgeberischen Willens eindeutig. Divergierende obergerichtliche Entscheidungen, die in entscheidungserheblicher Weise ein Belehrungserfordernis auch für den Fall der Arglist bejahen würden, liegen nicht vor (vgl. nur OLG Karlsruhe VersR 2010, 1448; OLG Naumburg, Urt. v. 16.2.2012 – 4 U 32/11 in juris).

    RechtsgebieteVGB 1996, VVGVorschriften§ 20 VGB 1996, § 21 Nr 1 VGB 1996, § 28 Abs 2 VVG vom 23.11.2007, § 28 Abs 3 VVG vom 23.11.2007