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  • 02.07.2014 · IWW-Abrufnummer 141915

    Amtsgericht Dülmen: Urteil vom 20.06.2013 – 3 C 377/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Dülmen

    3 C 377/12

    In dem Rechtsstreit XXX

    hat das Amtsgericht Dülmen auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2013durch die Richterin am Amtsgericht Klich

    für Recht erkannt:

    Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.323,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2012 zu zahlen.

    Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 186,24 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2012 zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldner auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Beklagten können die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Tatbestand:

    Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 28.05.2012. Beteiligt an dem Unfall waren die Ehefrau des Klägers, die Zeugin ZZ, als Fahrerin des klägerischen Pkw des Fabrikats Seat (amtliches Kennzeichen MMM) sowie der Beklagte zu 3) als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen NNN, welches bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist. Die Beklagte zu 2) ist die Halterin des Fahrzeugs.

    Die Zeugin ZZ beabsichtigte am Unfalltage, rückwärts in eine parallel zur August-Brust-Straße verlaufende Parklücke vor der AWO Kindertagesstätte einzuparken. Hinter der Zeugin ZZ näherte sich das Beklagtenfahrzeug in gleicher Fahrtrichtung. Der Beklagte zu 3), der die Parkabsichten der Zeugin ZZ erkannte, wartete den Einparkvorgang nicht ab, sondern versuchte das Klägerfahrzeug zu passieren, wobei es zu einer Kollision kam. Der genaue Unfallhergang ist streitig. Der Beklagte zu 3) gab an der Unfallstelle an, die Schuld am Zustandekommen des Unfalls zu tragen. Auf Hinzuziehung der Polizei wurde verzichtet.

    Der Kläger ließ das Fahrzeug am 30.05.2012 durch die Firma XY GmbH & Co.KG instand setzen. Seinen - der Höhe nach unstreitigen - Schaden beziffert er wie folgt:

    Reparaturkostenrechnung v. 02.06.2012 2.419,44 EUR Mietwagenrechnung v. 30.05.2012 202,30 EUR allg. Kostenpauschale 25,00 EUR

    insgesamt 1.646,74 EUR

    Auf den Schaden zahlte die Beklagte zu 1) in der Folgezeit gemäß Abrechnungsschreiben vom 15.06.2012 den hälftigen Anteil, mithin 1.323,37 EUR. Durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2013 forderte der Kläger die Beklagte zu 1) vergeblich zur Zahlung des Restbetrages in Höhe der Klageforderung auf. Die Rechtschutzversicherung des Klägers hat diesen ermächtigt, die von ihr erstatteten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von186,24 EUR im eigenen Namen geltend zu machen.

    Der Kläger behauptet, die beklagte Versicherung habe gegenüber dem Zeugen LL nach Erhalt eines Kostenvoranschlags und von Lichtbildern am 30.05.2012 fernmündlich eine Reparaturfreigabe ohne Einschränkungen erklärt. Aufgrund dieser Reparaturfreigabe sei die Reparatur erfolgt. Das Erteilen einer mündlichen Freigabe durch den Versicherer sei üblich und gängige Praxis. Des Weiteren ist der Kläger der Auffassung, dass die Beklagtenseite zu 100 % für das Unfallereignis einzustehen habe und behauptet hierzu, dass seine Ehefrau den Einparkvorgang schon zu mindestens 2/3 abgeschlossen habe, als das Beklagtenfahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit an dem von ihr geführten Fahrzeug entlanggeschrammt sei.

    Der Kläger beantragt,

    wie erkannt.

    Die Beklagten beantragen,

    die Klage abzuweisen.

    Sie bestreiten, dass ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1) die Reparatur freigegeben hätten und vertreten hierzu die Auffassung, dass mit einer entsprechenden Erklärung die Frage der vollständigen Haftung nicht verbunden wäre. Zum Unfallhergang behaupten sie, dass der Beklagte zu 3) das stehende Klägerfahrzeug passierten wollte und die Ehefrau des Klägers erst rückwärts gefahren sei, kurz bevor das Beklagtenfahrzeug auf gleicher Höhe wie das Klägerfahrzeug gewesen sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ZZ und LL. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 28.02.2012 und 20.06.2013 verwiesen.

    Entscheidungsgründe:

    Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein weiterer Zahlungsanspruch in geltend gemachter Höhe aufgrund des in Rede stehenden Unfallereignisses zu.

    Es kann dahinstehen, ob die Beklagten dem Kläger über die erbrachte Leistung hinaus gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 VVG einstandspflichtig sind. Der Anspruch des Klägers ist jedenfalls aus §§ 311, 241 BGB gerechtfertigt.

    Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die beklagte Versicherung eine Reparaturfreigabe gegenüber dem von dem Kläger insoweit ermächtigten Zeugen LL erteilt hat, § 286 ZPO. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung ausgesagt, den Schaden in Augenschein genommen und Lichtbilder und einen Kostenvoranschlag erstellt zu haben. Über den Kläger habe er die Kontaktdaten der beklagten Versicherung erhalten und mit einer Mitarbeiterin der Erstbeklagten telefoniert, welche lediglich nach der Schadenshöhe gefragt habe. Da die Mitarbeiterin die Zusendung von Fotos und des Kostenvoranschlags gewünscht habe, habe er die geforderten Unterlagen noch am selben Tag per Email unter Angabe der zugeteilten Schadennummer übersandt. Bei einem Folgetelefonat mit der Sachbearbeiterin habe diese ihm ausdrücklich eine Reparaturfreigabe bis zu einem Betrag von 3.000,00 EUR erteilt. Den Betrag habe er sich seinerzeit aufgeschrieben. Einschränkungen oder Vorbehalte seien nicht erklärt worden. Für ihn sei daher klar gewesen, dass die Versicherung den Schaden übernehmen werde. Es sei gängige Praxis und Tagesgeschehen, dass die Haftpflichtversicherer bei kleineren Schäden mündlich die Freigabe erklären. Anderenfalls werde mit der Reparatur gewartet oder ein Sachverständiger hinzugezogen.
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    Das Gericht folgt der Aussage des Zeugen. Anhaltspunkte, dessen Angaben in Zweifel zu ziehen, haben sich für das Gericht nicht gegeben, zumal die Klägerseite einen Ausdruck der von dem Zeugen am 30.05.2012 um 12:08 Uhr an die Erstbeklagte versandten Email zur Akte gereicht hat. Der Zeuge hat das Geschehen detailliert und widerspruchsfrei geschildert; ein eigenes persönliches oder wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits vermochte das Gericht nicht festzustellen. Die beklagte Versicherung hat die für den Schaden zuständige Sachbearbeitung nicht benannt und einen Gegenbeweis nicht angetreten.
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    Die telefonisch erteilte Freigabe der Reparatur bis zu einem Betrag von 3.000,00 EUR kann unter Beachtung des Empfängerhorizonts nur dahin verstanden werden, dass sich die Erstbeklagte bezüglich ihrer (vollen) Einstandspflicht festgelegt hat, solange die Reparaturkosten sich bei maximal 3.000,00 EUR beliefen und keine Einwendungen mehr erheben wollte. Anderenfalls hätte auch ein Hinweis auf die ungeklärte Haftungsfrage oder auf eine noch vorzunehmende Prüfung der Anspruchsberechtigung nahegelegen. Im Bereich der Kfz-Reparaturen entspricht es zudem einer gängigen Übung, sich durch Erteilung einer Reparaturfreigabe zur Übernahme der Kosten zu verpflichten (vgl. zum Problemkreis auch AG Hannover, Urteil vom 24.04.1996, 526 C 2630/96, Schaden-Praxis 1997, 118, zit. nach juris). Es liegt mithin ein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis vor, wodurch der Sache die Ungewissheit entzogen und die Verwirklichung der Forderung von möglicherweise bestehenden Einwendungen oder Einreden befreit wurde. Eine besondere Schriftform haben die Parteien für das auch formlos wirksame deklaratorische Anerkenntnis nicht vereinbart. Für den Kläger bestand auch kein Anlass, an der Verbindlichkeit der Freigabeerklärung zu zweifeln.
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    Die Erklärung der Mitarbeiterin der beklagten Versicherung ist der Erstbeklagten jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsscheinvollmacht zurechenbar. Weiterhin entfalten die Erklärungen der beklagten Versicherung aufgrund des Versicherungsvertrages und deren Bedingungen auch bindende Wirkungen für die weiteren Beklagten.
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    Die geltend gemachten Nebenforderungen sich dem Grunde und der Höhe nach aus Verzug gerechtfertigt, §§ 280, 288 BGB bzw. § 291 BGB.
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    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.