29.10.2014 · IWW-Abrufnummer 143167
Landgericht Dortmund: Urteil vom 14.05.2014 – 2 O 388/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Dortmund
2 O 388/13
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die aufgrund des am 08.02.2013 festgestellten Versicherungsfalls erforderliche Motorinstandsetzung seines Fahrzeuges BMW 318 i mit der Fahrzeug-Ident-Nr. ################### nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen der Beklagten im Tarif „U“ zu ersetzen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 583,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ¼ und die Beklagte ¾ nach einem Streitwert von 5.005,15 €.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 03.03.2012 von dem Autohaus F mit Sitz in I den im Tenor bezeichneten Pkw, der erstmals im Jahre 2003 zugelassen worden war und dessen Kilometerzähler laut Kaufvertrag einen Stand von 36.000 km aufwies, für 12.000 €. Am 12.03.2012 unterzeichnete der Kläger als Garantienehmer und die Verkäuferin als Garantiegeberin eine Garantievereinbarung für das Produkt „U“ mit Laufzeit 12 Monate ab Garantiebeginn 09.03.2012, in der es unter Erklärung Händler/ Garantiegeber und Verkäufer/ Garantienehmer/ Fahrzeughalter heißt:
„Der Händler bestätigt, dass an den garantiebedingten Teilen eine Funktions-, Geräusch- und äußere Sichtprüfung vorgenommen wurde und keine erkennbaren Mängel bestehen. Dem Käufer ist bekannt, dass der Vertrag über die Garantiezusage zwischen ihm und dem Verkäufer/Garantiegeber zustande kommt. Die N ist vom Garantiegeber mit der Abwicklung der Garantie gegenüber dem Kunden beauftragt und bevollmächtigt. Der Käufer bestätigt mit seiner Unterschrift die Richtigkeit der Angaben. Für Schäden, die bereits vor der Auslieferung des Fahrzeugs an den Garantienehmer vorhanden waren, besteht kein Anspruch auf Kostenübernahme. Unwahre Angaben führen zum Verlust des Garantieanspruchs. Der N steht das Recht zu, die Garantievereinbarung innerhalb von 14 Tagen nach Eingang abzulehnen, wenn diese den Annahmerichtlinien nicht entspricht. Der Käufer bestätigt den Empfang der Abschrift des Garantieantrags und erklärt sich mit den Versicherungsbedingungen einverstanden.“
Der Garantievereinbarung lagen die allgemeinen Bedingungen zur Gebrauchtwagengarantie der Beklagten sowie deren besondere Garantiebedingungen zu Grunde. In § 8 der allgemeinen Garantiebedingungen heißt es unter der Überschrift:
„Kostenerstattung“
1.
Dem Garantienehmer werden die erforderlichen und tatsächlich angefallenen, durch den Garantiefall bedingten Lohnkosten nach den Arbeitsrichtwerten des Herstellers erstattet (gemäß den besonderen Garantiebedingungen ihres Tarifs). Garantiebedingte Materialkosten werden im Höchstfall nach den unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers, ausgehend von der Betriebsleistung der beschädigten Bauteile bei Schadeneintritt gemäß den besonderen Garantiebedingungen ihres Tarifs.“
In § 3 der besonderen Garantiebedingungen heißt es unter der Überschrift:
„Kostenerstattung“
„Dem Garantienehmer werden die erforderlichen und tatsächlich angefallenen durch den Garantiefall bedingten Lohnkosten nach den Arbeitsrichtwerten des Herstellers voll erstattet. Garantiebedingte Materialkosten werden im Höchstfall nach den unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers, ausgehend von der Betriebsleistung der beschädigten Bauteile bei Schadeneintritt wie folgt bezahlt:
Bis 50.000 km 100 % ... .“
Der Kläger leistete die Prämie von 249 € an die Verkäuferin am 29.03.2012. Der Kläger gab den Pkw am 08.02.2013 in die Kraftfahrzeugwerkstatt B. Dort wurde u.a. ein Schaden an der Steuerkette festgestellt. Das Fahrzeug konnte nicht gestartet werden. Die Werkstatt erteilte dem Kläger Rechnung vom 08.02.2013 über 809,20 € brutto. Hiervon macht der Kläger 583,10 € gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte beauftragte den Sachverständigen G mit einer Besichtigung des Fahrzeugs, die am 14.02.2013 erfolgte. Sie lehnte mit Schreiben vom 15.02.2013 Leistungen ab, da die Längung der Steuerkette über eine längere Zeit hinweg entstanden sei. Auch sei anhand der Feststellungen zu erwarten, dass bereits im Zuge der Längung der Kette vor der endgültigen Beschädigung des Kettenspanners Geräuschbildung sowie Veränderungen des Motors wie unrunder Leerlauf oder Leistungsmängel wahrnehmbar gewesen seien. Der Kläger beauftragte den Sachverständigen C mit einem Gutachten zur Schadensursache. Im Gutachten vom 23.07.2013 wird ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlängen, dass der Schaden am Antriebsmotor auf einen Mangel an der Steuerkette zurückzuführen sei. Der Kettenspanner sei offensichtlich von innen heraus gebrochen. Auf den Bruch des Kettenspanners sei der Schaden des Antriebsmotors zurückzuführen. Der Kläger macht die ihm in Rechnung gestellten Gutachterkosten von 1.180,86 € neben den Demontagekosten mit dem Zahlungsantrag geltend.
Er behauptet, es seien vor dem Schadensereignis keine Geräusche oder Leistungseinbußen festzustellen gewesen. Das Fahrzeug sei 41.865 km gelaufen. Er habe nach dem Kauf rund 5.000 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt. Die niedrige Laufleistung beruhe darauf, dass das Fahrzeug als Cabrio bevorzugt in den Sommermonaten gefahren worden sei. Gemäß dem Wartungsheft seien am 01.02.2007 bei einem Kilometerstand von 18.712 und am 10.06.2009 bei einem Kilometerstand von 26.735 die vorgesehenen Wartungsarbeiten durchgeführt worden.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die Motorinstandsetzung seines Fahrzeugs BMW 318 i mit der Fahrzeug-Ident-Nr.: ##################, nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen der Beklagten im Tarif „U“ zu ersetzen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.763,96 € vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, sie sei nicht passivlegitimiert, da ausweislich der Garantiebedingungen und des Garantiescheins Vertragspartner der Beklagten und somit Versicherungsnehmer der Fahrzeughändler, hier die Autoverkäuferin sei. In der Präambel der allgemeinen Garantiebedingungen werde der Garantienehmer darauf hingewiesen, dass Partner des Vertrages und Versicherungsnehmer der Händler sei. Der Händler habe vielmehr sein eigenes finanzielles Risiko, von seinem Garantienehmer aus der Garantie in Anspruch genommen zu werden, bei der Beklagten rückversichert und nicht ein fremdes Risiko versichert. Ferner behauptet die Beklagte, der Kläger habe eine erkennbar reparaturbedürftige Sache eingesetzt, so dass nach § 4.1 der Garantiebedingungen die Ersatzpflicht ausgeschlossen sei. Der Schaden sei auf Grund Längung der Steuerkette gemäß den Feststellungen des Sachverständigen G eingetreten. Die Beklagte behauptet weiter, dass der Kläger eine falsche Laufleistung angegeben habe.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die wechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Dortmund als Gericht des Sitzes der Versicherungsnehmerin gemäß § 215 VVG örtlich zuständig. Auch ist der Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO zulässig, da von der Beklagten als Versicherungsunternehmen zu erwarten ist, dass die Feststellung der Leistungspflicht ihr gegenüber ausreicht.
Die Beklagte ist passivlegitimiert, da sie Versicherer der von der Versicherungsnehmerin zu Gunsten des Klägers abgeschlossenen Garantieversicherung ist. Gemäß § 44 VVG ist der Kläger als versicherte Person berechtigt, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen, zumal der Versicherungsnehmer, dem der Kläger den Streit verkündet hat, den Anspruch des Klägers erkennbar nicht weiter verfolgen will. Dass es sich bei der abgeschlossenen Garantie um einen Versicherungsvertrag handelt, ergibt sich bereits aus der Präambel zu den allgemeinen Garantiebedingungen, wenn es dort heißt:
„Partner dieses Vertrages und Versicherungsnehmer ist ihr Fahrzeughändler. Dieser Vertrag unterliegt den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes ... und den Vereinbarungen, die in diesen allgemeinen Bestimmungen und Bedingungen sowie den besonderen Bestimmungen und Bedingungen enthalten sind.“
Schon aus dem umfassenden Pflichtenkatalog, den die Beklagte dem Versicherungsnehmer und der versicherten Person auferlegt, ergibt sich, dass die Beklagte nicht lediglich Rückversicherer des Garantiegebers ist, sondern, dass es sich bei dem Garantievertrag um einen Versicherungsvertrag, mit dem das Reparaturkostenrisiko des Käufers, d.h. der versicherten Person, abgedeckt werden soll, handelt.
Die Erstattungspflicht der Beklagten ist nicht durch § 4.1 Ziffer 10. der Garantiebedingungen ausgeschlossen. Bei der Bestimmung, dass Schäden durch den Einsatz einer erkennbar reparaturbedürftigen Sache von der Haftung ausgeschlossen seien, handelt es sich nicht um einen objektiven Risikoausschluss, sondern um eine verhüllte Obliegenheit.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es bei der Unterscheidung zwischen einer Obliegenheit und einer Risikobegrenzung nicht nur auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsklausel an. Entscheidend ist vielmehr der materielle Gehalt der einzelnen Klauseln. Es kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert (BGH, Urteil vom 24.05.2000, ZR 86/99, NJW-RR 2000, 1190). Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verst ändiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss. Hier wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer annehmen, dass er, wenn er Versicherungsschutz erhalten will, ein erkennbar reparaturbedürftiges Fahrzeug nicht in Betrieb nehmen darf. Gerade der Begriff der Erkennbarkeit setzt bei einer persönlichen Verantwortung des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person an und knüpft mithin die Klausel an ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers. Sie ist mithin als verhüllte Obliegenheit unwirksam, da die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit bei einem Verstoß zum Nachteil des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person von der gemäß § 32 Satz 1 VVG halbzwingenden Regelung des § 28 Abs. 2 bis 4 VVG abweicht .
Im Übrigen wäre sie als Risikoausschlussklausel nicht transparent, da sich aus Sicht des Durchschnittskunden nicht verlässlich erkennen lässt, was mit dem Begriff erkennbar reparaturbedürftig gemeint sein soll. Dieser Begriff knüpft an individuelle Anschauungen an, die einen erheblichen Interpretationsspielraum lassen.
Der Anspruch des Klägers ist auch nicht wegen behaupteten Falschangaben zur Laufleistung eingeschränkt oder ausgeschlossen. Denn die Beklagte hat nicht substantiiert dargetan und unter Beweis gestellt, dass diese Angaben falsch sind. Der Kläger hat vielmehr durch Vorlage der Kopien der Wartungsvermerke bis Juni 2009 (Anlage K 9) dargetan, dass das Fahrzeug außergewöhnlich wenig bewegt wurde.
Der Zahlungsantrag ist hinsichtlich der Demontagekosten in der geltend gemachten Höhe aus § 8 der Garantiebedingungen und der Zusatzbedingungen begründet. Der Kläger hat durch Vorlage der Rechnung vom 8.2.2013 bewiesen, dass Kosten in dieser Höhe entstanden sind. Hierbei macht der Kläger die Kosten für die Verbringung des Fahrzeugs in die Werkstatt in Höhe von 160 € zuzüglich Mehrwertsteuer nicht geltend.
Im Übrigen steht dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für das von ihm eingeholte Privatgutachten zu. Denn die Versicherung erstreckt sich nicht auf diese Kosten. § 8 Ziffer 6 der Garantiebedingungen regelt nur die Kostenverteilung bei Beauftragung eines gemeinsamen – unabhängigen - vereidigten Sachverständigen. Dies ist hier unstreitig nicht geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.