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  • 03.06.2015 · IWW-Abrufnummer 144624

    Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 24.03.2015 – 4 U 1292/14

    Eine wegen Abweichung von § 28 VVG unwirksame vertragliche Regelung über die Verletzung von Obliegenheiten im Versicherungsvertrag wird nicht durch die gesetzliche Rechtsfolgenregelung des § 28 VVG ersetzt (Anschluss an BGH, Urteil vom 12.10.2011, IV ZR 199/10, und BGH, Urteil vom 02.04.2014, IV ZR 58/13).


    Oberlandesgericht Dresden

    Urt. v. 24.03.2015

    Az.: 4 U 1292/14

    In dem Rechtsstreit

    xxx

    - Klägerin und Berufungsklägerin -

    Prozessbevollmächtigte:

    xxx

    gegen

    xxx

    vertreten durch den Vorstand

    - Beklagte und Berufungsbeklagte -

    Prozessbevollmächtigte:

    xxx

    wegen Forderung

    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

    Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Lames,

    Richterin am Oberlandesgericht Riechert und

    Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann

    aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2015

    für Recht erkannt:
    Tenor:

    I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15.07.2014 - 3 O 490/12 - sowie das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 10.09.2013 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 144.099,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 25.02.2011 zu zahlen.

    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin weitere 79.647,00 EUR zu zahlen, sofern die Klägerin innerhalb von 18 Monaten nach Rechtskraft des Urteils sichergestellt hat, dass sie die Entschädigung verwenden wird, um ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das am 31.12.2010 zerstörte an bisheriger Stelle wiederherzustellen (Schadens-Nr. 50 F 11-650000/Vers.-Nr. IM 1037995).

    3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.368,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2011 zu zahlen.

    4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5 mit Ausnahme der Kosten der Säumnis. Die Säumniskosten trägt die Klägerin.

    III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Beschluss:

    Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 223.746,13 EUR festgesetzt.
    Gründe

    Die Klägerin ist Alleinerbin des am 20.01.2014 verstorbenen K. (im Folgenden: Versicherter), für dessen Grundstück xxx in xxx sein Sohn N. (im Folgenden: Versicherungsnehmer) bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (Neuwert) beginnend zum 01.12.2002 abgeschlossen hat. Dem Versicherungsvertrag liegen die allgemeinen Bedingungen für Wohngebäudeversicherung (VGB) 2001 zugrunde (Anlage K 2). Diese haben u.a. folgenden Wortlaut:

    "§ 26 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers im Versicherungsfall

    ......

    2. Wird eine der in Nr. 1 genannten Obliegenheiten verletzt, verliert der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz, es sei denn die Obliegenheit wurde weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt.

    Bei grob fahrlässiger Verletzung behält der Versicherungsnehmer insoweit seinen Versicherungsschutz, als die Verletzung weder Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Bemessung der Leistung gehabt hat.

    Hatte die vorsätzliche Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles Einfluß noch auf die Feststellung der Entschädigung bzw. deren Umfang, so bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen oder wenn den Versicherungsnehmer kein erhebliches Verschulden trifft.

    ...

    § 31 Wegfall der Entschädigung aus besonderen Gründen

    1. Versucht der Versicherungsnehmer, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für Grund oder für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, so ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei...."

    Das auf dem Grundstück stehende Gebäude wurde von dem Versicherungsnehmer auf der Grundlage eines mit dem Versicherten am 25.11.2002 abgeschlossenen Mietvertrages von ihm und seiner Tochter bewohnt. In einer Ergänzung zum Mietvertrag erklärte der Versicherungsnehmer die Abtretung seiner Ansprüche gegen die Beklagte aus der Gebäudeversicherung an den Versicherten.

    Mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 13.08.2008 ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt W. zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

    Am 31.12.2010 wurde das in Rede stehende Gebäude durch einen Brand stark beschädigt. Die Ursache konnte nicht ermittelt werden (lt. Schlussbericht der Polizeidirektion Leipzig entweder ein technischer Defekt an einem Subwoofer oder der Umgang mit einer offenen Flamme im Bereich des Sofas, Anlage K 4). Das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wurde eingestellt.

    Die Beklagte ermittelte einen Zeitwert des Wohnhauses i.H.v. 144.099,13 EUR netto und einen Bruttoneuwert i.H.v. 223.746,13 EUR.

    Am 03.01.2011 erteilte der Versicherte dem Versicherungsnehmer eine Generalvollmacht zum Einfamilienhaus xxx in xxx (Anlage K 6).

    Am 06.01.2011 kam es zu einer Besprechung, an der u.a. der Versicherungsnehmer und die Mitarbeiterin der Beklagten S. teilnahmen. Das Besprechungsprotokoll enthielt eine Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG n.F. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 Bezug genommen.

    Der Versicherungsnehmer informierte die Beklagte nicht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und den Insolvenzverwalter Dr. Wallner nicht über den Brandschaden. W. machte -als er vom Versicherungsfall erfuhr- Ansprüche gegen die Beklagte geltend. Das Landgericht Leipzig hat seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen (3 O 3557/11). Der Senat hat seine Beschwerde mit Beschluss vom 17.01.2014 zurückgewiesen (4 U 1002/13).

    Die Beklagte teilte dem Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 22.02.2011 mit, dass sie Zahlungen auf den Brandschaden auf die Gebäudeversicherung sowie die darüber hinaus bestehende Hausratversicherung angewiesen hat. Die Zahlungen konnten nicht ausgeführt werden, da der Zahlungsempfänger (Versicherungsnehmer) nicht mit dem Kontoinhaber (H.- die Schwester des Versicherungsnehmerns) übereinstimmte. Der Versicherte und der Versicherungsnehmer baten um Überweisung auf ein Konto des Versicherten mit Schreiben vom 03.03.2011.

    Die Beklagte stellte Ermittlungen an und erlangte Kenntnis über die Insolvenzeröffnung. Sie erklärte mit Schreiben vom 01.04.2011 (Anlage K 14) vorsorglich die Anfechtung ihrer Erklärung vom 22.02.2011 und verweigerte weitere Zahlungen.

    Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte sei zur Zahlung verpflichtet. Eine arglistige Täuschung liege ebenso wenig vor wie eine Obliegenheitsverletzung. Der Versicherungsnehmer habe in Vollmacht für den Versicherten die Verhandlungen geführt. Bei der Angabe des Kontos sei klar gewesen, dass es das vom Versicherten gewünschte Konto war, auf das die Überweisung hätte erfolgen sollen. Die Mitarbeiterin der Beklagten S. habe bei der Schadensregulierung hier versehentlich das Konto falsch notiert. Der Versicherungsnehmer habe nicht darüber getäuscht, dass es sich um sein Konto handele. Er habe auch zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass er Geschäftsführer eines Unternehmens sei. Die Beklagte sei zu keiner Zeit der Gefahr einer Doppelzahlung ausgesetzt gewesen, denn sie habe gewusst, dass die Leistungen dem Versicherten zustünden. Dem Versicherten könne zudem das Verhalten des Versicherungsnehmers nicht entgegengehalten werden. Dies sei nicht zurechenbar. Schließlich habe die Beklagte bereits Zahlung veranlasst und damit den Anspruch anerkannt.

    Die Beklagte hat vorgetragen, der Versicherungsnehmer sei verpflichtet gewesen, auch ungefragt auf das laufende Insolvenzverfahren hinzuweisen und habe dies arglistig verschwiegen. Dies sei zudem eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung, die zur Leistungsfreiheit führe. Es sei klar gewesen, dass die Zahlung an den Versicherungsnehmer erfolgen solle und dieser habe nicht mitgeteilt, dass es sich nicht um sein Konto handele. Damit sei deutlich geworden, dass der Versicherungsnehmer die Zahlung an dem Insolvenzverwalter habe vorbeischleusen wollen. Es habe die Gefahr bestanden, dass die Beklagte nicht mit befreiender Wirkung zahle und vom Insolvenzverwalter erneut in Anspruch genommen werde. Darüber hinaus habe der Versicherungsnehmer die Beklagte auch über seine finanziellen Verhältnisse getäuscht. So habe er gegenüber der Schadensreguliererin der Beklagten - der Zeugin S. - angegeben, dass er Inhaber einer Marketingfirma sei. Des Weiteren belege auch der Umstand, dass er den Insolvenzverwalter von dem Brandschadenfall und den Versicherungsansprüchen nicht informiert habe, dass er die Versicherungsleistung an der Insolvenzmasse habe vorschleusen wollen.

    Das Landgericht Leipzig hat die Klage mit Urteil vom 15.07.2014 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen.

    Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, das Landgericht habe sich zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19.05.2011 (IV ZR 254/10) gestützt, denn der Sachverhalt sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Es gehe hier um eine Fremdversicherung. Zudem bestehe auch keine Gefahr der doppelten Inanspruchnahme, da dem Insolvenzverwalter keine Ansprüche zugestanden hätten. Eine Arglist des Versicherungsnehmers, von der bei der vorliegenden Sachlage keine Rede sein könne, könne dem Versicherten nicht zugerechnet werden. Die Berufung der Beklagten auf Leistungsfreiheit sei im Übrigen rechtsmissbräuchlich, da keine ergänzenden Ermittlungen zur Brandursache mehr beabsichtigt gewesen seien. Schließlich habe die Beklagte nicht nach den Vermögensverhältnissen gefragt, weshalb sich für den Versicherungsnehmer keine weitergehende Aufklärungspflicht habe aufdrängen müssen.

    Die Klägerin beantragt,

    1. das Urteil des LG Leipzig, Az. 03 O 490/12, vom 15.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 223.746,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 25.02.2011 zu zahlen; hilfsweise: das Urteil des LG Leipzig, Az. 03 O 490/12 vom 15.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 144.099,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 25.02.2011 zu zahlen und darüber hinaus festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin weitere 79.647 EUR zu zahlen, sofern sie innerhalb von 18 Monaten nach Rechtskraft des Urteils sichergestellt hat, dass sie die Entschädigung dazu verwenden wird, um ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das am 31.12.2010 zersörte an bisheriger Stelle wiederherzustellen (Schadens-Nr. 50 F 11-6500000/Versicherungs-Nr. IM 1037995),

    2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche RA-Kosten i.H..v 1.519,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2011 zu zahlen,

    3. die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie trägt ergänzend vor, sie werde im Falle der arglistigen Täuschung - wie hier - von der Leistung frei.

    Im Hinblick auf die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

    II.

    A.

    Die zulässige Klage ist in ihrem Hilfsantrag begründet.

    1.

    Die Aktivlegitimation der Klägerin sowie der Eintritt des Versicherungsfalles sind unstreitig.

    Die Beklagte ist nicht wegen Verletzung einer Obliegenheitspflicht durch den Versicherungsnehmer leistungsfrei nach § 26 Abs. 2 der VGB 2001. Die Klausel ist wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam, § 307 BGB.

    Die Beklagte hat ihre Versicherungsbedingungen nicht gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG angepasst. Der Versicherungsvertrag wurde unter Geltung des VVG in der alten Fassung abgeschlossen, der Versicherungsfall ist jedoch erst nach dem 31.12.2008 - am 31.12.2010- eingetreten. Es gilt das VVG in der seit 01.01.2008 gültigen Fassung.

    Die Regelungen in § 26 Abs. 2 VGB 2001 entsprechen nicht den Bestimmungen des § 28 Abs. 2 VVG.

    a) Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten verliert der Versicherungsnehmer grundsätzlich seinen Versicherungsschutz bei grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheiten. Der Versicherungsnehmer soll aber insoweit seinen Versicherungsschutz behalten, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Bemessung der Leistung hat. Dagegen sieht § 28 Abs. 2 VVG für den Fall der grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit vor, dass der Versicherer berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Eine solche Kürzungsmöglichkeit sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht vor und die Klausel weicht damit zum Nachteil des Versicherungsnehmers vom Gesetz ab.

    Die vertragliche Regelung über die Rechtsfolgen der Verletzung von Obliegenheiten ist wegen des Verstoßes gegen § 28 VVG unwirksam und wird nicht durch die gesetzliche Rechtsfolgenregelung des § 28 VVG ersetzt (so BGH, Urteil vom 12.10.2011 - IV ZR 199/10 - zitiert nach juris, wie alle im Urteil zitierten Entscheidungen). Die grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit bleibt für den Versicherungsnehmer folgenlos.

    b) § 26 Abs. 2 VGB 2001 ist auch insoweit unwirksam, als es eine Leistungsfreiheit für die vorsätzliche Verletzung von Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer vorsieht, denn sie legt dem Versicherungsnehmer die Beweislast für das Fehlen eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens auf.

    Der Bundesgerichthof hat in seinem Urteil vom 02.04.2014 (IV ZR 58/13) eine Klausel mit vergleichbarem Inhalt für unwirksam gehalten. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG trägt der Versicherer für den Vorsatz des Versicherungsnehmers die Beweislast (so BGH, aaO.). In § 26 Abs. 2 der VGB 2001 ist eine Vorsatzvermutung formuliert und es hat der Versicherungsnehmer zu beweisen, dass er nicht vorsätzlich gehandelt hat (vgl. BGH, aaO.). Dies ergibt sich aus der Formulierung "es sei denn, die Obliegenheit wurde weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt". Für den Versicherungsnehmer nachteilige Veränderungen der Beweislastverteilung gegenüber halb zwingenden Vorschriften sind unzulässig (so BGH, aaO.). Die durch die Unwirksamkeit entstandene Vertragslücke kann nicht durch die Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 28 VVG geschlossen werden (so BGH aaO., wie bereits im Urteil vom 12.10.2011, IV ZR 199/10).

    Die Vorsatzvermutung sowie die Möglichkeit einer Leistungsfreiheit des Versicherers bei für ihn nicht konkret nachteiligen Obliegenheitsverletzungen und einer Leistungsfreiheit, die unabhängig von einer Mitteilung der Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung eintritt, ist mit wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 VVG nicht zu vereinbaren (so BGH, Urteil vom 02.04.2014, IV ZR 58/13). Dies gilt selbst dann, wenn die Obliegenheit arglistig verletzt worden ist. Nicht an das neue Versicherungsvertragsgesetz angepasste Altbedingungen sind vielmehr unabhängig von der Art des Verschuldens im konkreten Fall unwirksam (BGH, aaO.). Mangels wirksamer vertraglicher Regelung über die Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Verletzung von Obliegenheiten, bleibt die vorsätzliche Verletzung von Obliegenheiten folgenlos.

    c) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 31 der VGB 2001 berufen.

    Danach ist die Beklagte von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen versucht, die für den Grund oder für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind.

    Die Klausel ist schon von ihrem Wortlaut her nicht einschlägig. Der Versicherungsnehmer hat nicht über den Eintritt oder bestimmte Umstände des Versicherungsfalls oder eine Tatsache, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung maßgeblich ist getäuscht, sondern nur über seine Befugnis, die Entschädigung einziehen zu können. Die Verpflichtung der Beklagten in vorliegenden Fall Entschädigung zu leisten -an wen auch immer- bleibt davon unberührt. Der Eintritt des Versicherungsfalles und die Tatsachen für die Ermittlung der Höhe der Entschädigung sind unstreitig.

    Die Klausel sanktioniert auch nicht das Verschweigen der schlechten finanziellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers, die er im Übrigen auch nicht unaufgefordert offenbaren muss.

    Unabhängig davon liegt ein arglistiges Verhalten - wegen der unterlassenen Mitteilung der Insolvenzeröffnung oder wegen des Verschweigens der schlechten finanziellen Verhältnisse - nicht vor. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt (BGH, Urteil vom 28.02.2007 - IV ZR 331/05). Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; ein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhaltes, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht (BGH, aaO.). In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (BGH, aaO.).

    Für den Fall der arglistigen Täuschung nach Eintritt des Versicherungsfalles gelten entsprechende Erwägungen.

    Hier ist zu berücksichtigen, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht unaufgefordert Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen zu machen braucht. In sehr restriktiv zu handhabenden Ausnahmefällen trifft allerdings den Versicherungsnehmer eine spontane Offenbarungspflicht. Eine solche auf Treu und Glauben beruhende Offenbarungspflicht ohne Auskunftsverlangen des Versicherers bezieht sich auf Mitteilungen außergewöhnlicher und besonders wesentlicher Informationen, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers zu grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit auch ohne Auskunftsverlangen aufdrängen muss (BGH, Beschluss vom 19.05.2011 - IV ZR 254/10 -auf Arglist kam es in diesem Fall nicht an). In all diesen krassen Fällen, in denen es um Dinge geht, die für jedermann erkennbar das Aufklärungsinteresse des Versicherers in ganz elementarer Weise treffen und deren Bedeutung daher für den Versicherungsnehmer auf der Hand liegen, widerspricht sein Berufen auf ein fehlendes vorheriges Auskunftsverlangen Treu und Glauben (so BGH, aaO.). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung eine Auskunftspflicht über die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ein knappes halbes Jahr vor dem Versicherungsfall bejaht. Das Verschweigen der Insolvenzeröffnung stellt sich jedoch hier nicht als arglistig dar. Das Gebäude stand im Eigentum des Versicherten und der Versicherungsnehmer kann angenommen haben, dass die Versicherungsleistung wirtschaftlich ohnehin seinem Vater als Versicherten zusteht und er daher die Information über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für unerheblich gehalten hat. Die Klägerin macht diesbezüglich auch geltend, dass der Versicherungsnehmer in Vollmacht und für den Versicherten gehandelt hat.

    2.

    In Höhe von 144.099,13 EUR ist der Schaden nicht bestritten. In dieser Höhe beabsichtigte die Beklagte schon Anfang 2011 die Regulierung.

    Ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch steht der Klägerin derzeit nicht zu, so dass nur dem Hilfsantrag zu entsprechen ist.

    Den Neuwert kann die Klägerin jedenfalls derzeit nicht verlangen, denn sie hat nicht vorgetragen, dass sichergestellt ist, dass die Entschädigung verwendet wird, um das versicherte Gebäude wiederherzustellen gemäß § 27 Nr. 6 VGB 2001. Die Berufung der Beklagten auf den Ablauf der Frist ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie für den Brandschaden einzustehen hat, aber die Zahlung verweigert (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 16.12.1988 - 20 U 123/88). Die Beklagte handelt rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich auf den Ablauf der Dreijahresfrist beruft, innerhalb der der Versicherungsnehmer die Verwendung der Entschädigungssumme für die Wiederherstellung des Gebäudes sicherstellen muss, sofern der Versicherer die Leistung zuvor längere Zeit zu Unrecht verweigert hat. Dies ist hier der Fall. Jedoch kann der Versicherungsnehmer die Zahlung eines über den Versicherungswert hinausgehenden Betrages erst verlangen, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung gesichert ist, § 93 VVG. Die Klägerin kann derzeit nur den Zeitwert beanspruchen.

    3.

    Der Klägerin steht jedoch ein Anspruch auf Feststellung zu, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie einen weiteren Betrag zu zahlen, sofern sie innerhalb von 18 Monaten nach Rechtskraft des Urteils sichergestellt hat, dass die Entschädigung verwendet wird, um ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen (vgl. hierzu OLG Hamm, Urteil vom 16.12.1988 - 20 U 123/88).

    4.

    Der Klägerin stehen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.368,92 EUR gemäß § 280 BGB zu. Die Klägerin macht ein 0,65 Gebühr geltend. Aus dem Streitwert von 183.922,63 EUR (Zahlungsanspruch 144.099,13 EUR und Feststellung 39.823,50 EUR) steht der Klägerin ein Gebühr von 1.130,35 EUR zuzüglich 20,00 EUR Auslagenpauschale und 19% Mehrwertsteuer zu.

    5.

    Zinsen aus der Hauptforderung stehen der Klägerin seit dem 25.02.2011 zu, denn sie hat am 22.02.2011 die Zahlung von 144.099,13 EUR veranlasst und damit zu erkennen gegeben, dass sie zur Zahlung bereit ist.

    B.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

    RechtsgebietVVGVorschriften§ 28 VVG