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  • 05.09.2022 · IWW-Abrufnummer 231104

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 06.07.2022 – 7 U 147/20

    Aus dem Fehlen der nach § 34f Abs. 1 S. 2 GewO erforderlichen Vermittlererlaubnis kann auf eine wissentliche Pflichtverletzung geschlossen werden,die zum bedingungsgemäßen Leistungsausschluss in der D&O-Versicherung führt, da es sich bei der Erlaubnispflicht um eine berufliche Kardinalpflicht des Anlageberaters handelt.


    OLG Frankfurt 7. Zivilsenat

    06.07.2022


    Tenor

    Die Berufung der Kläger gegen das am 29.07.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

    Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

    Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Gründe

    I.

    Die Kläger machen gegen die Beklagte als Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung einen Direktanspruch wegen eines Schadensersatzanspruchs im Zusammenhang mit Geldanlagen geltend.

    Der Honoraranlageberater Z1 (im Folgenden Zeuge), der zugleich Geschäftsführer der X GmbH war, unterhielt bei der Beklagten eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zu Versicherungsschein-Nummer ... mit Versicherungsbeginn jedenfalls zum 30.06.2013. Ob davor ebenfalls eine solche Versicherung bestand, ist zwischen den Parteien streitig. Dem Vertrag lagen u.a. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (AVB) sowie die Besonderen Vereinbarungen für die Vermittlung von Finanzanlagen im Sinne von § 34 f Gewerbeordnung (BB) zugrunde, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

    Am 14.02.2013 und 14.05.2013 fanden Gespräche statt, in denen der Zeuge Z1 die Klägerin in Vermögensangelegenheit beriet. Die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig. Gleiches gilt für ein Gespräch des Zeugen Z1 mit dem Kläger am 07.08.2013.

    Mit anwaltlichen Schreiben vom 14.07.2014 bzw. 21.07.2014 machten die Kläger gegenüber dem Zeugen Ansprüche auf Schadensersatz in Höhe von 117.777,41 € (Kläger) und in Höhe von 41.082,01 € (Klägerin) unter Hinweis auf dessen Tätigwerden ohne Erlaubnis nach dem KWG geltend.

    Über das Vermögen des Zeugen wurde durch das Amtsgericht München das Insolvenzverfahren eröffnet (...). Die Kläger meldeten ihre Schadensersatzforderungen unter dem 30.12.2014 an. Der Insolvenzverwalter Y bestritt die Forderungen zunächst, erkannte sie dann aber an, so dass sie im Februar 2016 zur Tabelle festgestellt wurden. Dem Zeugen wurde mit Beschluss vom 09.03.2020 Restschuldbefreiung erteilt.

    Der Insolvenzverwalter setzte die Beklagte mit Schreiben vom 02.07.2015 über die Forderungsanmeldungen der Kläger unter deren Beifügung in Kenntnis.

    Mit Schreiben vom 07.07.2015 teilte die Beklagte dem Insolvenzverwalter die Schadensnummern mit, unter denen die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche bearbeitet würden. Ferner heißt es dort „Ohne an dieser Stelle in eine nähere haftungs- und deckungsrechtliche Prüfung eintreten zu wollen, müssen wir in deckungsrechtlicher Hinsicht auf den Ausschlusstatbestand des § 4 Ziff. 5 AVB hinweisen. … Hat Herr Z1 nicht über eine Erlaubnis nach § 32 I 1 KWG verfügt, müssten wir wohl von einer solchen nicht versicherten wissentlichen Pflichtverletzung ausgehen“.

    Die Beklagte teilte den Klägern mit Schreiben vom 08.08.2018 mit, dass von einer wissentlichen Pflichtverletzung auszugehen sei, da dem Zeugen bekannt gewesen sei, dass die X GmbH nicht über die erforderliche Erlaubnis für die erwerbsmäßige Erbringung von Finanzdienstleistungen verfügt habe, was ihm auch bei der Beratung der Kläger bewusst gewesen sei. Sie sei daher nicht zur Leistung verpflichtet.

    Die Kläger haben geltend gemacht, dass die Feststellung ihrer Forderungen nicht wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung erfolgt sei, so dass hier allein von fahrlässigem Handeln des Zeugen ausgegangen werden könne. Die Feststellung zur Tabelle entfalte gegenüber der Beklagten Bindungswirkung. Denn die Beklagte habe Kenntnis sowohl von dem Insolvenzverfahren des Zeugen als auch der Anmeldung der Klageforderungen gehabt. Sie habe daher die Möglichkeit gehabt, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen und die Feststellung der Forderungen zu verhindern. Durch die Feststellung sei der Haftpflichtanspruch in einer die Fälligkeit nach § 106 VVG auslösenden Weise festgestellt worden.

    Bei den im Insolvenzverfahren festgestellten Forderungen der Kläger handele es sich um direkte Ansprüche der Kläger gegen den Zeugen, so dass nach Ziffer II.2 BB auch die Tätigkeit des Zeugen gegenüber den Klägern vom Versicherungsschutz umfasst sei.

    Die Kläger haben behauptet, die Versicherung zwischen dem Zeugen und der Beklagten hätten auch eine Rückwärtsversicherung umfasst, so dass der Versicherungsschutz sich auch auf die Gespräche mit der Klägerin am 14.02.2013 und 14.05.2013 erstrecke. Der Zeuge habe den Klägern in den Gesprächen die Zeichnung verschiedener Anlagen empfohlen.

    Ausschlüsse griffen im vorliegenden Falle nicht ein. § 4 Nr. 3 AVB sei im Hinblick auf die Besonderen Vereinbarungen für die Vermittlung von Finanzanlagen im Sinne von § 34f GewO abbedungen. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der Ausschluss überraschend und wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam.

    § 4 Nr. 8 AVB sei ebenfalls abbedungen. Dem Zeugen sei es gerade darum gegangen, eine Versicherung abzuschließen, deren Versicherungsschutz auch seine persönliche Haftung als Geschäftsführer erfasse. Im Übrigen sei auch diese Klausel überraschend und wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, da danach die Beklagte für die von dem Zeugen zu versichernde Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt eintrittspflichtig sei.

    § 4 Nr. 5 AVB komme wegen der Feststellung zur Tabelle als lediglich fahrlässig begangen nicht zur Anwendung. Überdies habe der Zeuge keine positive Kenntnis von der Erlaubnispflichtigkeit seiner Tätigkeit gegenüber den Klägern gehabt.

    Die Kläger haben beantragt, der Beklagten gemäß § 421 ZPO aufzuerlegen, sämtliche Versicherungsunterlagen zwischen ihr und dem Zeugen vorzulegen, insbesondere den Versicherungsantrag sowie den Versicherungsschein bzw. Versicherungsvertrag zu der Versicherung mit der Nr. .... Hierzu haben sie vortragen, dass der Versicherungsschein weder von dem Zeugen zur Insolvenzakte gereicht noch dem Insolvenzverwalter vorgelegt worden sei. Die Kläger hätten keine Möglichkeit, an eine Kopie des Versicherungsscheins zu gelangen. Datenschutzrechtliche Gründe stünden nicht entgegen.

    Die Beklagte hat gerügt, dass der Vortrag der Kläger zum Deckungsverhältnis, insbesondere zum Umfang des Versicherungsschutzes in zeitlicher und sachlicher Hinsicht unsubstantiiert sei. Mit Schriftsatz vom 24.03.2022 hat die Beklagte Seite 1 - 5 des Versicherungsscheins vorgelegt.

    Die Tätigkeit des Zeugen als Geschäftsführer der X GmbH könne allein über einen Versicherungsvertrag der GmbH versichert sein. Dagegen sei nicht versichert über eine Betriebshaftpflichtversicherung bzw. über eine Berufshaftpflichtversicherung des Zeugen, wenn dieser in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer nicht im eigenen Namen, sondern im Namen einer Kapitalgesellschaft kraft gesetzlicher Vertretungsmacht agiere und haftpflichtversichert sei.

    Die Beklagte hat sich auf die Ausschlüsse in § 4 Nr. 3, 5 und 8 AVB berufen. Die Tätigkeit der X GmbH bzw. des Zeugen als deren Geschäftsführer sei zwangsläufig eine entgeltliche oder unentgeltliche Vermittlung oder Empfehlung eines Geld- oder anderen wirtschaftlichen Geschäfts. § 4 Nr. 8 AVB erkläre noch einmal deklaratorisch, dass sich der Versicherungsschutz nicht auf Schadensersatzansprüche aus der Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Unternehmensleiter beziehe.

    Die Feststellung zur Tabelle entfalte ihr gegenüber keinerlei Bindungswirkung, auch nicht in Bezug auf die Frage der wissentlichen Pflichtverletzung, von der hier auszugehen sei.

    Mit Schriftsatz vom 03.05.2022 hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

    Das Landgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 29.07.2020 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zum Zeitpunkt des behaupteten schädigenden Ereignisses gegenüber der Klägerin habe zwischen der Beklagten dem Zeugen kein Versicherungsvertragsverhältnis bestanden, da Versicherungsbeginn der 30.06.2013 gewesen sei, die Beratungen aber im Februar und Mai 2013 erfolgt sein sollen. Soweit die Kläger geltend machten, das Vertragsverhältnis habe auch eine Rückwärtsversicherung umfasst, handele es sich um einen Vortrag ohne Substanz. Ein Anspruch auf Vorlage der vollständigen Versicherungsunterlagen durch die Beklagte nach § 421 ZPO bestehe nicht. Letztlich könne dies offenbleiben, da es jedenfalls an der Fälligkeit eines Direktanspruchs fehle. Der Haftpflichtanspruch der Kläger sei nicht in einer die Beklagte bindenden Weise festgestellt. Die Rechtskraftwirkung der Tabelleneintragung beziehe sich nicht auf den Versicherer des Insolvenzschuldners. Soweit die Kläger der Ansicht seien, dass sich aus den besonderen Vereinbarungen für die Vermittlung von Finanzanlagen im Sinne von § 34f GewO ergebe, dass sich der Versicherungsschutz auch auf die Vermittlung von Finanzanlagen erstrecke und demnach § 4 Nr. 3 AVB abbedungen sei, übersähen sie, dass sich die Besonderen Vereinbarungen nur auf solche Anlagen beziehen, für die es gerade keiner Genehmigung nach § 2 KWG bedürfe. Darüber hinaus weise § 4 Nr. 8 AVB den Versicherungsnehmer ausdrücklich darauf hin, dass eine persönliche Haftung als Geschäftsführer einer GmbH nicht durch die vorliegende Versicherung gedeckt sei, sondern dass es insoweit einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung der GmbH bedürfe, um das Risiko eines Haftpflichtschadens durch den Geschäftsführer abzudecken. Ferner stehe einem Anspruch der Kläger gegen die Beklagte der Ausschlussgrund nach § 4 Nr. 5 AVB entgegen, da der Zeuge wissentlich gegenüber den Klägern eine Beratung über Kapitalanlagen durchgeführt habe, ohne die hierfür nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Der Zeuge als Geschäftsführer der X GmbH habe die gesetzliche Verpflichtung gehabt, sich um sämtliche erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse für die Aufnahme seiner gewerblichen Tätigkeit zu sorgen. Ihm als Geschäftsführer einer Gesellschaft für Finanzberatungen sei bekannt, dass vor Aufnahme dieser Tätigkeit es einer Erlaubnis der zuständigen Behörde bedürfe.

    Gegen das ihnen am 31.07.2020 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25.08.2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.11.2020 am letzten Tag der Frist begründet. Die Kläger machen zur Begründung der Berufung geltend, das Landgericht habe fehlerhaft keine Beweisaufnahme durchgeführt. Hätte das Landgericht die Zeugen Z1 und Y vernommen, hätten diese bestätigt, dass zwischen der Beklagten und dem Zeugen Z1 ein Versicherungsverhältnis bestanden habe, die gegenüber den Klägern erbrachten Tätigkeiten des Zeugen Z1 vom Umfang der Versicherung der Beklagten umfasst gewesen seien und die Tätigkeiten des Zeugen Z1 dem Versicherungsrisiko unterfielen und durch die Pflichtverletzung ein Versicherungsfall entstanden sei. Ferner habe das Landgericht die sekundäre Darlegungs- und Beweislast der Beklagten im Hinblick auf den Inhalt des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages verkannt. Das Landgericht hätte die Beklagte zur Offenlegung sämtlicher Unterlagen verpflichten müssen. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht auch den Antrag auf Vorlage nach § 421 ZPO behandelt, da datenschutzrechtliche Erwägungen einer Vorlage nicht entgegenstünden.

    Mit der Frage der Wirksamkeit der Ausschlüsse habe sich das Landgericht überhaupt nicht auseinandergesetzt. Insofern wiederholen die Kläger ihren erstinstanzlichen Vortrag.

    Der Zeuge Z1 hätte zudem bestätigen können, dass eine Rückwärtsversicherung bestanden habe.

    Fehlerhaft sei die Feststellung, dass der Zeuge Z1 die Beratung durchgeführt habe in dem Wissen, nicht die erforderliche Erlaubnis nach § 32 KWG zu besitzen. Obwohl die Kläger vorgetragen hätten, dass die festgestellten Ansprüche auf fahrlässiger Pflichtverletzung beruht und hierzu hilfsweise den Zeugen Z1 als Beweismittel angeboten hätten, habe das Landgericht ohne Beweisaufnahme die Feststellung getroffen, der Zeuge Z1 habe gewusst, dass ein Verstoß gegen § 32 KWG vorgelegen habe.

    Fehlerhaft sei auch die Annahme des Landgerichts, die Beklagte hätte keinen Einfluss auf das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters gehabt. Die Beklagte sei von dem Insolvenzverwalter über die Forderungsanmeldungen der Kläger informiert worden. Die Beklagte hätte daher, wenn sie mit den angemeldeten Forderungen der Kläger nicht einverstanden gewesen wäre, diese entweder selbst bestreiten können bzw. müssen oder ihren Versicherungsnehmer entsprechend anweisen müssen. Beides habe die Beklagte jedoch unterlassen.

    Die Kläger beantragen,

    unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 29.07.2020 (Az.: 5 O 285/19) die Beklagte zu verurteilen,

    1. an die Klägerin zu 1) 47.198,81 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2018 zu zahlen,

    2. an den Kläger zu 2) 126.823,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2018 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil.

    Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 25.11.2021 dem Zeugen Z1 den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Kläger beizutreten. Dieser ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 17.01.2022 auf Seiten der Beklagten beigetreten.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zur Gerichtsakte gereicht worden sind, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 01.06.2022.

    II.

    Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Es liegt kein Berufungsgrund im Sinne von § 513 ZPO vor, da die Entscheidung des Landgerichts weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung in der Sache rechtfertigen.

    Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 47.198,81 € bzw. 126.823,87 € aus einem zwischen der Beklagten und dem Zeugen Z1 bestehenden Vertrag über eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, da dem Anspruch in deckungsrechtlicher Hinsicht der Ausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzung nach § 4 Nr. 5 AVB entgegensteht, der nach dem unstreitigen Vortrag auch in dem streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis vereinbart gewesen ist.

    Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Streitfalle in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 309/19 - zit. n. Juris) der Feststellung der geltend gemachten Forderungen zur Tabelle bindende Wirkung im Verhältnis zwischen den Parteien zukommt. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, erstreckt sich die Bindungswirkung nicht auf die Frage der Wissentlichkeit der Pflichtverletzung. Die Bindungswirkung reicht nur so weit, wie eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage zu einzelnen Anspruchsvoraussetzungen sich auch im Haftpflichtverhältnis als entscheidungserheblich erweist (BGH, Urteil vom 28.09.2005 - IV ZR 255/04 - zit. n. Juris; siehe hierzu auch, Harder, in: Veith/ Gräfe/ Gebert, Der Versicherungsprozess, 2020, § 20 Rdnr. 506). Die Frage nach einer wissentlichen Pflichtverletzung ist aber im Rahmen der Anmeldung der Forderung zur Tabelle nicht erheblich gewesen, weil dort Fahrlässigkeit zur Haftungsbegründung ausreichte.

    Nach § 4 Nr. 5 AVB besteht kein Versicherungsschutz wegen vorsätzlicher Schadensverursachung oder wegen Schäden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzungen.

    Verwirklicht ist der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung dann, wenn ein Versicherter eine Pflichtverletzung in dem Bewusstsein der Pflicht und dem Bewusstsein, sich nicht pflichtgemäß zu verhalten, begangen hat (Lange, Vernachlässigte Aspekte des Wissentlichkeitsausschlusses in der D&O-Versicherung, in: VersR 2020, S. 588). Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der Versicherer. Daraus folgt, dass der Versicherer zunächst einen Sachverhalt vorzutragen hat, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zumindest hindeutet. Dabei ist der Vortrag weiterer zusätzlicher Indizien dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann. Jenseits der Fälle der Verletzung von beruflichen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, ist es Aufgabe des beweispflichtigen Versicherers, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Erst wenn dieses geschehen ist, obliegt es dem Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen (BGH, Urteil vom 17.12.2014 - IV ZR 90/13 - zit. n. Juris).

    Nach dem Vortrag der Kläger haben weder der Zeuge Z1 noch die X GmbH über die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis verfügt und dennoch ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen. Sich darüber zu vergewissern, dass der beabsichtigte Geschäftsbetrieb über die erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen verfügt, stellt aber eine elementare Berufspflicht dar.

    Grundsätzlich setzt die Annahme einer elementaren Berufspflicht voraus, dass die von dem Versicherten verletzte Rechtsnorm zu den zentralen, fundamentalen Grundregeln einer bestimmten Regelungsmaterie gehört (vgl. Lange, a.a.O.). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung müssten Art und Umfang der vom Versicherten verletzten Pflicht aus sich heraus auf eine wissentliche Begehung hindeuten (BGH, Urteil vom 17.12.2014 - IV ZR 90/13 - zit. n. Juris). Zu solchen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, zählt auch die Pflicht, sich vor Aufnahme einer Tätigkeit wie der Anlagevermittlung und Anlageberatung über den rechtlichen Rahmen und insbesondere etwaige Erlaubnispflichten zu erkundigen. Denn grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass dem Vermittler die Vorschriften, die speziell seine berufliche Tätigkeit betreffen, geläufig sind (Harder, a.a.O., § 20 Rdnr. 501).

    Hierfür spricht zudem folgendes: Der Versicherungsschutz bezieht sich auf die Vermittlung von Finanzanlagen im Sinne von § 34f GewO. Für eine solche Anlagevermittlung bedarf es nach § 34f GewO einer Erlaubnis der Gewerbeaufsichtsbehörde.

    Ist der Zeuge Z1 Inhaber einer solchen Erlaubnis gewesen ist, muss er über weitgehende Kenntnisse verfügt und diese gegenüber der Erlaubnisbehörde nachgewiesen haben. Denn die Erlaubnis ist zu versagen, wenn der Antragsteller nicht durch eine vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegte Prüfung nachweist, dass er die für die Vermittlung von und Beratung über Finanzanlagen notwendige Sachkunde über die fachlichen und rechtlichen Grundlagen sowie über die Kundenberatung besitzt (§ 34f Abs. 2 Nr. 4 GewO). Inhaltlich sind dabei unter anderem grundsätzliche Kenntnisse über die Rechtsstellung des Vermittlers nachzuweisen (vgl. Anlage 1 zu § 1 Abs. 2 der Finanzanlagenvermittlungsverordnung).

    Liegt nach dem Vortrag der Kläger die Verletzung einer elementaren Berufspflicht vor, hätte es ihnen oblegen, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen (BGH, a.a.O.).

    Daran fehlt es im vorliegenden Falle. Die Kläger haben im Wesentlichen damit argumentiert, dass sich aus der Feststellung zur Tabelle und dem Anerkenntnis des Insolvenzverwalters lediglich ein fahrlässiges Handeln des Zeugen Z1 ergebe. Das entfaltet indes nach obigen Ausführungen wegen fehlender Voraussetzungsidentität im hiesigen Deckungsprozess keine Bindungswirkung. Darüber hinaus haben die Kläger lediglich behauptet, dass der Zeuge keine Kenntnis von der Erlaubnispflicht gehabt und damit nicht gewusst habe, dass er vorschriftswidrig gehandelt habe. Warum der Zeuge Z1 keine entsprechende Kenntnis gehabt hat, legen die Kläger nicht dar. Sie behaupten insofern lediglich pauschal und unter Verwendung von Rechtsbegriffen, was nachvollziehbar darzulegen gewesen wäre.

    Sollte der Zeuge Z1 dagegen nicht über eine Erlaubnis nach § 34f GewO verfügt haben - die Kläger haben sich hierzu mit Nichtwissen erklärt -, fehlt es schon an einer Voraussetzung für das Bestehen von Versicherungsschutz. Denn nach Ziffer I der Besonderen Vereinbarungen für die Vermittlung von Finanzanlagen im Sinne von § 34f GewO erstreckt sich der Versicherungsschutz, soweit vereinbart, auf die rechtlich zulässige Anlagenberatung oder die Vermittlung von Verträgen über bestimmte Anlageformen. Entgegen der Ansicht der Kläger ist dieser Vortrag auch nicht verspätet, da die Besonderen Bedingungen bereits in erster Instanz vorgelegt worden sind.

    Nach alledem ist der Versicherungsschutz im vorliegenden Falle wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung nach § 4 Nr. 5 AVB ausgeschlossen und die Berufung der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.

    Da die Kläger mit ihrer Berufung unterlegen sind, haben sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision gegen das Urteil war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO).

    RechtsgebieteVVG, GewOVorschriften§ 103 WG, § 34f Abs 1 GewO