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  • 29.06.2023 · IWW-Abrufnummer 236043

    Oberlandesgericht Bremen: Urteil vom 28.03.2023 – 3 U 26/22

    1. Die "Vollständigkeit" der dem Treuhänder vom Versicherer vorgelegten Unterlagen ist keine Tatbestandsvoraussetzung der materiellen Wirksamkeit einer Beitragsanpassung einer privaten Krankenversicherung.

    2. Alleiniger Maßstab für die gerichtliche Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Prämienanpassungen ist, ob die Prämienanpassung nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen ist (Anschluss an OLG Nürnberg, Beschluss vom 7. März 2023 - 8 U 3056/22 -). Die gerichtliche Überprüfung dieser Frage kann regelmäßig nur mit Hilfe eines Sachverständigen erfolgen.


    Oberlandesgericht Bremen

    Beschluss vom 28.03.2023


    In dem Rechtsstreit
    Kläger,
    Prozessbevollmächtigte:
    gegen
    Beklagte,
    Prozessbevollmächtigte:

    hat der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts xxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Amtsgericht Dr. xxx
    am 28.03.2023 beschlossen:

    Tenor:

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bremen - 6. Zivilkammer - vom 30.06.2022 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

    Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 25.04.2023 schriftsätzlich Stellung zu nehmen (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten um Beitragsanpassungen einer privaten Krankenversicherung.

    Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung mit der Nummer [...]. Zunächst war er bis zum 01.01.2013 im Tarif VC3P versichert, dann wechselte er in den Tarif VC3.

    Dem Vertrag liegen die Bedingungen der Beklagten zugrunde (Anlage [...] 1). Vereinbart ist dort unter bestimmten Voraussetzungen die Anpassung der Beiträge durch die Beklagte, wozu es auch während der Vertragslaufzeit mehrfach kam.

    Anpassungen erfolgten in Form von Erhöhungen des Monatsbeitrags unter anderem

    - zu VC3P zum 01.01.2010 in Höhe von 59,14 €
    - zu VC3P zum 01.01.2011 in Höhe von 35,36 €
    - zu VC3P zum 01.01.2012 in Höhe von 34,08 €
    - zu VC3 zum 01.01.2016 in Höhe von 38,66 €
    - zu VC3 zum 01.01.2017 in Höhe von 34,63 €
    - zu VC3 zum 01.01.2020 in Höhe von 89,46 €
    - zu GZN10 zum 01.01.2010 in Höhe von 5,91 €
    - zu GZN10 zum 01.01.2011 in Höhe von 3,50 €
    - zu GZN10 zum 01.01.2012 in Höhe von 3,40 €
    - zu GZN10 zum 01.01.2016 in Höhe von 3,85 €
    - zu GZN10 zum 01.01.2017 in Höhe von 3,46 €.

    Diese Prämienerhöhungen erfolgten durch Mitteilungen der Beklagten an den Kläger in Form von Nachträgen zum Versicherungsschein nebst zugehörigen Informationsblättern mit der Überschrift "Wichtige Hinweise zu Ihrer Krankenversicherung" (Beitragsanpassung 2017) bzw. "Detaillierte Gründe und Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2020" (Anlagenkonvolut K 1, Blatt 10 ff. der Akte, und Anlage [...] 2, Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.10.2021).

    In der Beitragsanpassungsmitteilung vom 16.11.2016 (Anlage K2, Bl. 25 ff. d.A.) betreffend u.a. den Tarif GZN10 heißt es unter anderem:

    "Leistungen und Beiträge müssen sich in der privaten Krankenversicherung stets die Waage halten. Um das sicherzustellen, sind alle Versicherer gesetzlich dazu verpflichtet, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich gezahlten Leistungen zu vergleichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass die Beiträge verschiedener Tarife angepasst werden müssen. Weitere Informationen finden Sie in dem beiliegenden Merkblatt."

    In diesem Merkblatt (Bl. 26 R d.A.) heißt es dann:

    "Wichtige Hinweise zu Ihrer Kranken- und Pflegeversicherung.

    Weshalb müssen die Beiträge angepasst werden?

    Um für ein ständiges Gleichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen zu sorgen, ist im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vorgeschrieben, jährlich die tatsächlich erforderlichen mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden. ..."

    In der Beitragsanpassungsmitteilung vom November 2019 (Anlage K2, Bl. 32 ff. d.A.) betreffend den Tarif VC3 heißt es unter anderem:

    "...heute informieren wir Sie über die Änderung Ihres Beitrags. Alle Versicherer sind gesetzlich dazu verpflichtet, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen und die Veränderung der Lebenserwartung zu vergleichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass die Beiträge verschiedener Tarife angepasst werden müssen.

    (...)

    Wie sich die Änderungen des Beitrags auf Ihren Vertrag auswirken, entnehmen Sie bitte der folgenden Aufstellung."

    Weiter heißt es in dem Schreiben unter der Überschrift "Detaillierte Gründe und Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2020":

    "Weshalb müssen die Beiträge angepasst werden?

    Um für ein ständiges Gleichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen zu sorgen, ist im Versicherungsaufsichtsgesetz vorgeschrieben, jährlich die tatsächlich erforderlichen mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden. ..."

    Der Kläger zahlte - jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum - die monatlichen Beiträge auf den jeweiligen Tarif in der von der Beklagten festgesetzten Höhe.

    Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

    Das Landgericht Bremen, 6. Zivilkammer, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beitragserhöhung für das Jahr 2020 sei wirksam erfolgt, Ansprüche im Zusammenhang mit den weiter zurückliegenden Beitragsanpassungen seien hingegen verjährt.

    Auf die Entscheidungsgründe wird ergänzend verwiesen.

    Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten, rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er wiederholt mit seinem Berufungsvorbringen seine erstinstanzlichen Rechtsansichten: Das Landgericht habe zu Unrecht die Beitragsanpassung als formell wirksam angesehen. Die materielle Wirksamkeit der Beitragsanpassung sei im Hinblick auf das Prüfverfahren des Treuhänder zu rügen.

    Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

    II.

    Der Senat ist einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung offensichtlich unbegründet ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung durch Urteil unter Zulassung der Revision ist auch nicht gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Schließlich ist auch eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

    Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zurecht insgesamt abgewiesen. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

    1.

    Der Leistungsantrag, Klagantrag zu 2., ist zulässig, aber insgesamt unbegründet. Rückforderungsansprüche des Klägers nach §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 u. 2 BGB bestehen nicht, da die Beitragsanpassungen zum 01.01.2017 (u.a. Tarif GNZ10) und zum 01.01.2020 (Tarif VC3) formell (dazu unter a.) wirksam waren und eine materielle Unwirksamkeit nicht festgestellt werden kann (dazu unter b.). Somit sind die Prämienzahlungen nicht rechtsgrundlos erfolgt. Ansprüche im Zusammenhang mit den Beitragsanpassungen vor dem 01.01.2017 sind verjährt (dazu unter c).

    a.

    Die Beitragsanpassungen zum 01.01.2017 und zum 01.01.01 2020 sind formell wirksam.

    § 203 Abs. 5 VVG verlangt im Fall der Neufestsetzung der Prämien die Mitteilung der hierfür maßgeblichen Gründe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19 -, juris, Rn. 26) ist für die von § 203 Abs. 5 VVG verlangte Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat, erforderlich.

    Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. Die gesetzliche Mitteilungspflicht hat nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19 -, juris, Rn. 36).

    Da der Gesetzeswortlaut die Angabe der "hierfür" maßgeblichen Gründe vorsieht, wird deutlich, dass sich die Mitteilung auf die konkrete Prämienanpassung beziehen muss. Eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16, juris, Rn. 26).

    Daneben muss der Versicherungsnehmer mit der gebotenen Klarheit der Mitteilung entnehmen können, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlagen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat (BGH Urteil vom 21.07.2021 - IV ZR 191/21 -, Rn. 26, juris). Für die Prämienanpassung ist erforderlich, dass sich die Rechnungsgrundlage der Versicherungsleistungen verändert und die Veränderung einen bestimmten Schwellenwert (den sog. auslösenden Faktor) überschreitet. Eine Abweichung des auslösenden Faktors 'nach unten' hindert Versicherer nicht an einer Prämienerhöhung, denn der auslösende Faktor zeigt nur die Notwendigkeit einer Prüfung an, sagt aber nichts darüber aus, ob im Ergebnis eine Anpassung der Prämien nach oben oder unten angezeigt ist (Langheid/Rixecker/Muschner, 7. Aufl. 2022, VVG § 203 Rn. 23b).

    Entscheidend ist danach nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte übersteigt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen oder die Angabe dieses Schwellenwerts selbst daneben nicht entscheidend (BGH, Urteil vom 21.7.2021 - IV ZR 191/20, juris, Rn. 23). Der Versicherer hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16, juris, Rn. 26; Urteil vom 21. Juli 2021 - IV ZR 191/20 -, Rn. 23, juris). Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19 -, juris, Rn. 35).

    Gemessen an diesen Maßstäben sind die Beitragsanpassungen zum 01.01.2017 und zum 01.01.2020 formell rechtmäßig.

    Die Informationen der Beklagten genügen den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG. Durch die zitierten Mitteilungen wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall noch hinreichend deutlich gemacht, dass die Rechnungsgrundlage, die die Kostenerhöhung ausgelöst hat, die veränderten Versicherungsleistungen sind. Auch der konkret betroffene Tarif wird durch einen Sternchenhinweis bezeichnet und der Schwellenwertmechanismus ist deutlich beschrieben worden.

    Die Beklagte hat mitgeteilt, dass sich hier die Rechnungsgrundlage der "Versicherungsleistungen" und nicht die der "Sterbewahrscheinlichkeit" verändert hat. Dies ergibt sich aus dem zitierten Vergleich zwischen kalkulierten und tatsächlichen Leistungen. Bei den "kalkulierten Leistungen" handelt es sich um die Prämien, die die Versicherungsnehmer auf Grundlage der letzten von der Versicherung durchgeführten Berechnung zu zahlen haben. Durch die gewählte Formulierung lässt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer entnehmen, dass durch einen Vergleich festgestellt wurde, dass diese kalkulierten Prämien nicht mehr ausreichen, um die von der Versicherung tatsächlich ausgezahlten Leistungen zu decken, sodass die Prämien für die Zukunft angepasst werden müssen. Hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass sich die (aktuellen) Versicherungsleistungen im Vergleich zu denen der zuvor durchgeführten Prämienberechnung verändert haben müssen. Dabei ist es vorliegend unerheblich, dass weder Anschreiben noch Informationsblatt das Wort "Schwellenwert" verwenden (vgl. OLG Dresden Beschl. v. 4.7.2022 - 4 U 423/22, BeckRS 2022, 18131 Rn. 12, beck-online).

    Den Worten "Dieser Vergleich hat ergeben" in Verbindung mit dem Sternchenhinweis im Anschreiben lässt sich entnehmen, dass es sich hierbei nicht bloß um eine allgemeine Beschreibung der jährlichen Durchführung der Prämienüberprüfung handelt. Aus beiden Formulierungen im jeweiligen Merkblatt geht auch hervor, dass der Beitragsanpassung weder eine frei getroffene Entscheidung der Versicherung zu Grunde liegt noch ein individuelles Verhalten bzw. der individuelle Schadensverlauf des Versicherungsnehmers. Denn es wird betont, dass der Versicherer gesetzlich dazu verpflichtet war, den Vergleich durchzuführen. Die Ausführungen in dem Merkblatt bewirken durch die Verbindung mit dem Anschreiben und dem darin enthaltenen Hinweis, dass auch im konkreten Fall eine Anpassung erfolgen müsse, eine hinreichend konkrete Information des Versicherungsnehmers.

    Die Beitragserhöhungsmitteilungen zum 01.01.2017 und zum 01.01.2020 sind damit formell wirksam.

    b.

    Eine materielle Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen kann nicht festgestellt werden.

    Der Kläger hat erstinstanzlich die materielle Wirksamkeit der Beitragsanpassungen nicht uneingeschränkt bestritten. Das Vorbringen des Klägers war diesbezüglich wechselhaft, wobei es einer Partei selbstredend freisteht, ihren Sachvortrag im Laufe des Rechtsstreits zu ändern.

    Im Einzelnen hat der Kläger zur materiellen Unrichtigkeit der Beitragsanpassung erstinstanzlich im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

    In der Klageschrift hat der Kläger auf Seite 14 (Bl. 7 R d.A.) vorgetragen, er bestreite mit Nichtwissen, dass die Schwellenwerte überschritten wurden und die Veränderung nicht nur vorübergehender Natur war. In der Replik (Bl. 68 ff. d.A.) wurde zur materiellen Wirksamkeit nicht weiter vorgetragen.

    Zum Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 24.11.2021 (Bl. 72 d.A.) und zu der darin aufgeworfenen Frage, die Kammer gehe davon aus, dass die materielle Wirksamkeit der Beitragsanpassungen nicht mehr bestritten werde, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 09.12.2021 (Bl. 82 ff. d.A.) Stellung genommen. Mit diesem Schriftsatz hat der Kläger zunächst mitgeteilt, dass er die materielle Wirksamkeit nur in Bezug auf § 8b Abs. 2 AVB bestreite. Die Rechtmäßigkeit der Kalkulation werde nicht bestritten.

    Danach hat der Kläger im Schriftsatz vom 28.01.2022 (Bl. 99 R d.A.) den Umfang des Bestreitens der materiellen Unwirksamkeit erweitert und auch auf das Prüfverfahren des Treuhänders erstreckt. Eine materielle Unwirksamkeit liege vor, da dem Treuhänder nicht alle für die Prüfung notwendigen Unterlagen und Informationen vorgelegen hätten. Zugleich hat der Kläger deutlich gemacht, dass die Einholung eines Gutachtens nicht für notwendig erachtet werde. Er hat sein Bestreiten auf Seite 6 dieses Schriftsatzes (Bl. 135 R d.A.) wie folgt präzisiert: "Klägerseits wird - zusammengefasst und auf den Punkt gebracht - die Vollständigkeit der für die Zustimmung des Treuhänders erforderlichen Unterlagen bestritten."

    Zugleich hat der Kläger vorgetragen, er bestreite nicht die Richtigkeit der versicherungsmathematischen Methode (S. 8 des Schriftsatzes, Bl. 136 R d.A.), sondern begehre "lediglich die Überprüfung (...), ob überhaupt anhand der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen eine Zustimmung erfolgen durfte."

    Zurecht hat das Landgericht dieses Bestreiten der materiellen Wirksamkeit der Beitragsanpassungen als unbeachtlich verstanden. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger die materielle Richtigkeit der Beitragsanpassung "ins Blaue hinein" bestritten hat. Jedenfalls ist festzuhalten, dass alleiniger Maßstab für die gerichtliche Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Prämienanpassungen ist, ob die Prämienanpassung nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 7. März 2023 - 8 U 3056/22 -, juris, Rn. 30). Die danach vorzunehmende Kontrolle der Prämienerhöhung hat sich auf der Grundlage der dem Treuhänder vom Versicherer vorgelegten Unterlagen zunächst darauf zu erstrecken, ob die Anpassungsvoraussetzungen gegeben sind. Ist das der Fall, ist der Umfang der Prämienerhöhung zu überprüfen. Die gerichtliche Überprüfung dieser Fragen kann aber regelmäßig nur mit Hilfe eines Sachverständigen erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2004 - IV ZR 117/02, juris, Rn. 15 f.). Allerdings rügt der Berufungsführer nicht, dass das Landgericht von einer Einholung eines versicherungsmathematischen Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der Kalkulation der Beitragsanpassungen der Beklagten oder aber von der Anberaumung eines Termins zur Einsichtnahme in die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 16.02.2022 (Bl. 114 ff. d.A.) nebst Anlagen beschriebenen Kalkulationsunterlagen abgesehen habe. Zutreffend hat das Landgericht von einer Beweiserhebung mittels eines entsprechenden Gutachtens abgesehen, weil die versicherungsmathematische Kalkulation vom Kläger eben nicht bestritten wurde. Die allein auf die "Vollständigkeit" der Unterlagen und Informationen bezogenen Rügen des Klägers sind ohne rechtliche Bedeutung. Denn die "Vollständigkeit" der Treuhänderunterlagen als solches ist - wie eingehend dargelegt - schon keine Tatbestandsvoraussetzung der materiellen Beitragsanpassung. Es kann somit auch dahingestellt bleiben, ob ein wirksames Bestreiten der Vollständigkeit der Unterlagen überhaupt angenommen werden darf, wenn der Bestreitende die Unterlagen offensichtlich weder selbst gesehen hat noch die angebotene Möglichkeit der Einsichtnahme in diese Unterlagen zur Überprüfung seiner Behauptung wahrnehmen möchte.

    Soweit der Kläger mit der Berufungsschrift (S. 21 bis 41, Bl. 198 ff. d.A.) sein erstinstanzliches Vorbringen umfangreich wiederholt, wird erneut deutlich, dass er lediglich die Überprüfung des Treuhänderverfahrens begehrt (vgl. insbesondere Ziff.7 des wiederholten Vortrags in der Zusammenfassung, S. 38 der Berufungsbegründung; Bl. 215 d.A.).

    Selbst wenn er nunmehr die materielle Wirksamkeit, d.h. die materielle Richtigkeit der Neuberechnungen bestreiten wollte, wäre sein Vortrag verspätet:

    Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Neue Tatsachen sind gem. § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nur zu berücksichtigen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist. Danach sind neue Tatsachen insbesondere nur unter den Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 Nr. 1. - Nr. 3 ZPO zuzulassen.

    "Neu" i.S.d. § 531 Abs. 2 ist ein Angriffs- und Verteidigungsmittel, wenn es bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht vorgebracht worden und daher im erstinstanzlichen Urteil gem. § 296a ZPO zu Recht unberücksichtigt geblieben ist (BGH NJW 2004, 2382 [BGH 02.04.2004 - V ZR 107/03]; 2017, 2288 [BGH 31.05.2017 - VIII ZR 69/16]; 2018, 617 [BGH 10.10.2017 - X ZR 73/16]). § 282 Abs. 1 ZPO macht deutlich, dass auch Bestreiten zu den "Angriffs- und Verteidigungsmittel" zählt. Folglich wird ein Vorbringen, das die Partei im ersten Rechtszug vorgetragen, später jedoch wieder fallengelassen hat, als neues Angriffs- und Verteidigungsmittel verstanden (BGH NJW 1998, 2977 [BGH 28.05.1998 - VII ZR 160/97]).

    Die Berufungsbegründung enthält auch keinen Vortrag dazu, weshalb das neue Vorbringen nach Ansicht des Berufungsführers zuzulassen ist, obwohl § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO dies explizit verlangt.

    c.

    Sind die Beitragserhöhungen zum 01.01.2017 (u.a. Tarif GNZ10) und 01.01.2020 (Tarif VC3) wirksam erfolgt, kann es dahingestellt bleiben, ob die zeitlich früheren Beitragsanpassungen wirksam sind. Denn jedenfalls sind mögliche Rückzahlungsansprüche aus Beitragsanpassungen vor dem 01.01.2017 verjährt.

    Zwar kann jede aufgrund einer (vermeintlich) unwirksamen Prämienerhöhung erfolgte Prämienzahlung jeweils einen eigenen (Rückforderungs-) Anspruch begründen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - IV ZR 191/20, juris, Rn. 20). Jedoch bestehen vorliegend keine Rückzahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte, da etwaige Rückzahlungsansprüche verjährt sind. Bei der Prämienanpassung findet nicht nur die Festsetzung des Erhöhungsbeitrages, sondern eine vollständige Neufestsetzung für den kalkulierten Zeitraum statt (vgl. BGH Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, juris, Rn. 55). Eine frühere Beitragserhöhung verliert ihre Selbständigkeit und geht vollständig in dem neu kalkulierten Gesamtbeitrag auf, auf ihre eigene Wirksamkeit oder Unwirksamkeit kommt es dann nicht mehr an (BGH, aaO).

    Etwaige Rückzahlungsansprüche aus der Zeit vor dem 1. Januar 2017, die allein unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB; sog. Leistungskondiktion) denkbar sind, waren bei Klageerhebung im Jahre 2021 verjährt; sie sind deshalb jetzt nicht mehr durchsetzbar (§ 214 Abs. 1 BGB), die Beklagte hat die Einrede der Verjährung ausdrücklich erhoben (Bl. 56 d.A.).

    Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

    Mögliche Ansprüche des Klägers auf Rückzahlung entstanden hier bereits mit der jeweiligen monatlichen Prämienzahlung. Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen bzw. fahrlässige Unkenntnis hatte der Kläger bereits mit Erhalt der Anpassungsschreiben.

    Der Verjährungsbeginn setzt gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB ist vorhanden, wenn dem Geschädigten aufgrund der ihm bekannten Tatsachen die Erhebung einer Klage - und sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11 -, juris, Rn. 27). Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände (st. Rspr., BGH, Urteile vom 11. Januar 2007 - III ZR 302/05, juris, Rn. 28; Urteil vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11 -, juris, Rn. 27).

    Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.

    Eine solche Situation war hier jedoch nicht gegeben. Denn eine Rechtslage ist nicht schon dann unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (BGH, Urteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 17 m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20 -, juris, Rn. 45). Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügt es nicht, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung einen Meinungsstreit gab, der jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20 -, juris, Rn. 45).

    Zwar hat vorliegend der Kläger seine Ansprüche wegen der Beitragsanpassungen gegenüber der Beklagten erstmals mit der Klageschrift vom 12.07.2021, also nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - juris) geltend gemacht. Insofern unterscheidet sich der Fall von der Konstellation, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2021 (BGH, Urteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20 -, juris) zugrunde lag. Dennoch führt dieser Umstand nicht dazu, von einer Unzumutbarkeit der Klageerhebung für den Kläger im Zeitpunkt des Erhalts der jeweiligen Beitragsanpassungsmitteilungen auszugehen. Allgemeine Risiken, die mit einer unsicheren Rechtslage verbunden sind, sind von jedem Kläger hinzunehmen. Die Regelungen über die Verjährung von Forderungen dienen gerade dazu, Rechtssicherheit für die Beteiligten zu schaffen, dies gilt auch und gerade für eventuell unsichere Rechtslagen. Besondere Prozessrisiken lagen nicht vor, da eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung, die ausnahmsweise den kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 18 m.w.N.), zu keinem Zeitpunkt gegeben war (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20 -, juris, Rn. 42). Selbst in diesem Fall dürfte im Übrigen der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit gegen ein Hinauszögern der Forderungsverjährung sprechen.

    Folglich ist die Leistungsklage insgesamt unbegründet, da die Beitragsanpassungen zum 01.01.2017 und 01.01.2020 wirksam waren und etwaige Ansprüche aus vorangegangen Beitragsanpassungen verjährt sind.

    2.

    Der Feststellungsantrag, Klagantrag zu 1., ist mangels Feststellungsinteresse teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

    Die Feststellungsklage ist unzulässig soweit sie sich auf Beitragsanpassungen vor dem 01.01.2017 bezieht. Denn es fehlt dem Kläger insoweit das Feststellungsinteresse. Zwar ist bei einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO das Feststellungsinteresse entbehrlich (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, juris, Rn. 20; BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 353/19, juris, Rn. 18). Erforderlich ist aber auch insoweit, dass die zu klärenden Rechtsbeziehungen nicht bereits durch die Entscheidung in der Hauptsache erschöpfend geregelt werden. Hierfür genügt die bloße Möglichkeit, dass das inzident ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung hat oder gewinnen kann (BGH, Urteil vom 05.05.2011 - VII ZR 179/10, juris, Rn. 21). Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Hauptantrag unabhängig davon abgewiesen wird, ob das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis besteht (BGH, Urteil vom 15.12.2009 - XI ZR 110/09, juris, Rn. 19; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Januar 2023 - 12 U 304/21 -, juris,Rn. 100). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Leistungsantrag die Verjährungseinrede entgegensteht, wie es hier für die Beitragszahlungen bis zum 31.12.2016 der Fall ist. Für die Beitragszahlungen ab dem 01.01.2017 bildet die wirksame Beitragsanpassung zu diesem Datum die alleinige Grundlage; auch insofern haben die früheren Anpassungen ungeachtet ihrer Wirksamkeit keine Auswirkungen mehr und ein Feststellungsinteresse besteht nicht.

    Im Übrigen, d.h. für die Beitragsanpassungen ab dem 01.01.2017, ist die Zwischenfeststellungsklage zulässig, aber unbegründet. Denn die Beitragsanpassungen zum 01.01.2017 und zum 01.01.2020 sind - wie unter 1. dargelegt - wirksam erfolgt.

    3.

    Auch der Feststellungsantrag zu 3., gerichtet auf Nutzungsersatz sowie Verzinsung der Nutzungen, ist teilweise unzulässig, soweit er sich auf den Zeitraum vor dem 01.01.2017 bezieht. Auf die Ausführungen unter 3. wird verwiesen. Im Übrigen ist die Feststellungsklage unbegründet, da die Beitragsanpassungen zum 01.01.2017 und 01.01.2020 wirksam erfolgt sind.

    III.

    Die Berufung hat nach allem keine Aussicht auf Erfolg, weshalb der Kläger für sich prüfen möge, das Rechtsmittel innerhalb der im Tenor genannten Frist zurückzunehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren gespart werden können (Nr. 1222 KV GKG, Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0).

    RechtsgebieteVVG, VAGVorschriften§ 203 VVG, § 155 VAG