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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 16.11.2000 – II 273/99

    1. Bei der im Sachwertverfahren zu erfolgenden Schätzung des gemeinen Werts von im Beitrittsgebiet gelegenen Geschäftsgrundstücken auf den 1.1.1935 ist in der Regel auf die in den gleich lautenden Ländererlassen vom 21.5.1993 (BStBl I 1993, 467) vorgesehene Ermittlung des gemeinen Werts von bebauten Grundstücken auf Grundlage des Bodenwerts, des Gebäudewerts und ggfls. des Werts der Außenanlagen durch Wertrückrechnung der durschnittlichen Herstellungskosten auf den 1.1.1935 zurückzugreifen. Auch eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen Herstellungskosten vom Durchschnittswert (Normalherstellungskosten) rechtfertigt nicht den Ansatz eines niedrigeren, unter den Normalherstellungskosten liegenden Werts (Anschluss an BFH-Urteil vom 28.10.1998 - II R 37/97, BFH/NV 1999, 384).

    2. Sind die Nutzungsbereiche von auf dem Geschäftsgrundstück im Rasterprinzip errichteten Gebäuden je nach den betrieblichen Anforderungen innerhalb der Gebäudehülle beliebig veränderbar, müssen die Gebäudenormalherstellungskosten nicht einzig nach der konkreten Nutzung am Bewertungsstichtag, sondern auch unter Beachtung des Gebäudetypus ermittelt werden.

    3. Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit der Anwendung unterschiedlicher Bewertungsverfahren in den alten und neuen Bundesländern bzw. der Einordnung ähnlicher Gebäudetypen bei unterschiedlicher Nutzung in verschiedene Wertigkeitskategorien.


    Im Namen des Volkes hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 16. November 2000 für Recht erkannt:

    1. Unter Änderung des Einheitswertbescheides auf den 1. Januar 1994 vom 30. April 1996, geändert durch Bescheid vom 3. März 1998, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 1999, geändert durch Bescheid vom 1. November 2000, wird der Einheitswert auf 176.000 DM festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    2. Der Kläger hat bis zum 5. November 2000 83 v.H. und ab dem 6. November 2000 89 v.H. der Kosten des Verfahrens zu tragen. Die übrigen Kosten trägt der Beklagte.

    3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig sind die dem angegriffenen Einheitswert zu Grunde liegenden Raummeterpreise auf den 1. Januar 1935.

    Der Kläger errichtete in den neuen Bundesländern eine Vielzahl von Gewerbezentren, die er verpachtete. Im Streitfall bebaute er in 1992/1993 ein in der Gemarkung A-Stadt-Süd an der Bergern Straße gelegenes 6.975 m² großes Grundstück mit zwei Gebäuden, in denen ein SB-Autoteilefachmarkt mit Sofortmontagewerkstatt sowie ein Schuhgroßmarkt betrieben werden. Die Gebäude bzw. Gebäudeteile werden nachstehend mit Bauteil 100, 200, 300 und 400 bezeichnet.

    Das erste Gebäude besteht aus einer Halle mit 5.976 m³ umbautem Raum und über 500 m² Grundfläche (Bauteil 100), die nach den Vorgaben des Mieters errichtet wurde. An die Halle ist eine Werkstatt (1.534 m³ umbauter Raum, Bauteil 200) angebaut. Das zweite Gebäude beinhaltet eine Werkstatt mit Lager (3.479 m³ umbauter Raum, Bauteil 300) sowie die SB-Verkaufsfläche für die Autozubehörteile (1.579 m³ umbauter Raum, Bauteil 400).

    Die Wände des als Schuh-SB Marktes genutzten Gebäudes (Bauteil 100) bestehen aus Stahl- oder Leichtbetonplatten, die in vertikale Stahlstützen eingehängt sind. Zum Parkplatz hin befindet sich eine Schaufensteranlage mit der Haupteingangstür. Die Dachkonstruktion ist von innen sichtbar. Sie besteht aus wärmeisolierten Trapezblechen. Das im Mittel ca. 5 m hohe Dach wird durch im Innenraum stehende Stahlstützen abgefangen. Der Innenraum ist mit Teppichboden ausgelegt. Die Beheizung erfolgt über an der Decke angebrachte Warmlufttauscher, die an eine zentrale Heizanlage angeschlossen sind.

    Das gegenüber dem Bauteil 100 (Schuh-SB-Markt) etwa nur halb so breite Bauteil 200 (Werkstatt) ist direkt an den Bauteil 100 angebaut. In ihm sind Hebebühnen für eine KFZ-Werkstatt untergebracht. Er unterscheidet sich in Höhe und Konstruktion ansonsten nicht von dem Bauteil 100. Lediglich der Fußboden ist mit Spaltplatten belegt. In der zum Parkplatz zugewandten Seite sind 4 Sektionaltore eingebaut. Ferner sind in der freistehenden Seitenwand zwischen den einzelnen Stahlstützen Einzelfenster in ca. 2-3 m Höhe zu einem Fensterband verbunden, das nahezu über die gesamte Seitenwand reicht und max. 1 m hoch ist.

    Die Gebäudeteile 300 und 400 bestehen aus einem einheitlichen Baukörper mit einem Werkstattbereich, Sozialräumen und Lager. Die Außenwände sind wie die des Gebäudes 100 und 200 aus Gasbetonwandplatten zusammengesetzt. Das Dach besteht aus Gasbetonplatten. In der dem Parkplatz zugewandten Seite des als Laden genutzten Bauteils sind zwischen die Vertikalstützen Schaufenster und die Eingangstür sowie in der Werkstatt Sektionaltore eingebaut. Der Boden des Ladenteils ist gefliest, der des Lagers besteht aus glattem Estrich, der Werkstattbereich ist mit Spaltplatten gefliest. Die Wände im Werkstattbereich sind ca. 1,80 m hoch gefliest. Die Beheizung erfolgt wie für das Bauteil 100 beschrieben. Die Trennwände zwischen Lager, Laden und Sozialräumen sind nachträglich mit Kalksandsteinen abgemauert. Vom Lager wird der Verkaufsraum durch Regale und Verkaufsdisplays abgegrenzt. Ein ca. 5 m breiter Teil des gefliesten Ladens im Bereich der Rückwand wird durch Regale abgeteilt und als Reifenlager genutzt.

    Die Außenanlagen für die Gebäudeteile entsprechen dem Plan für die Aussenanlagen (Bl. 39 der Bewertungsakte). Die Hoffläche und die Abstellplätze sind mit Betonverbundsteinen gepflastert.

    Hinsichtlich der baulichen Ausstattung und der Aussenanlagen besteht zwischen den Parteien Einigkeit. Im Übrigen wird wegen der weiteren baulichen Gegebenheiten und Ausstattungen der einzelnen Bewertungsobjekte zum Bewertungsstichtag auf die Bewertungsakten Bl. 39-48 Bezug genommen.

    Nach Fertigstellung der Gebäude führte das Finanzamt mit Bescheid vom 30. April 1996 eine Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1994 durch. Den Einheitswert für das Geschäftsgrundstück stellte es zunächst mit 210.700 DM fest. Die hierbei zu Grunde gelegten Raummeterpreise für die einzelnen Gebäudeteile von 8 bis 24 DM/m³ leitete es aus den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der neuen Bundesländer für die betreffenden Gebäudearten ab. Hinsichtlich der einzelnen (Punkt-)Werte wird auf den Bescheid nebst Anlagen Bezug genommen.

    In seinem hiergegen erhobenen Einspruch begehrte der Kläger den Ansatz eines von ihm errechneten Wertansatzes für die Gebäude von 2,50 DM pro m³ umbauten Raumes. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte auf den 1. Januar 1964 für Zwecke der Vermögensteuer, wonach es für die Grundsteuer zu tolerieren sei, dass die Einheitswerte 1964 nur ca. 15 v.H. der heutigen Verkehrswerte erreichten, berechnete der Kläger den Preis pro m³ umbauten Raumes auf den 1. Januar 1935 wie nachstehend dargestellt: Da die Wertansätze zum 1. Januar 1964 im Sachwertverfahren nur ca. 15 v.H. der heutigen durchschnittlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ausmachten, sei für die Ermittlung des Gebäudewertes zum 1. Januar 1935 hilfsweise auf die Entwicklung der Bauindizies zurückzugreifen. Die Indexwerte seien zwar keine Bewertungsgrundlage. Sie bildeten jedoch das Verhältnis der Entwicklung der Einheitswerte ab. So seien gegenüber dem Basisjahr 1913 die Herstellungskosten zum 1. Januar 1935 um 131,4 v.H., zum 1. Januar 1964 um 503,4 v.H. und zum 1. Januar 1994 um 2.083,0 v.H. gestiegen. Ausgehend von diesen Prämissen seien die tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten für die Wertverhältnisse am 1. Januar 1935 auf die Basis 1913 zurückzurechnen und sodann mit dem für 1935 geltenden Multiplikator (131,4 v.H.) zu indexieren. Den realen Wertverhältnissen zwischen den heutigen Herstellungskosten und den Einheitswerten 1964 geschuldet, dürften die Einheitswerte 1935 ebenfalls nur 15 v.H. der indexierten Herstellungskosten 1935 betragen. Die vom Finanzamt dem Gebäudenormalherstellungswert zu Grunde gelegten Raummeterpreise aus den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder im Beitrittsgebiet entbehrten demgegenüber jeder rechtlichen und sachlichen Grundlage und führten zu einem völlig überhöhten Wertansatz.

    Weiter rügt der Kläger, es bestehe keine Grundlage für den Ansatz von Reichsmark zur Deutschen Mark im Verhältnis 1:1.

    Nach der Besichtigung durch seinen Bausachverständigen verringerte das Finanzamt den Einheitswert mit Bescheid vom 3. März 1998 auf 201.600 DM. Dabei berücksichtigte es beim Bodenwert die durch Nachkauf in 1992 vergrößerte Grundstücksfläche und bei den Bauteilen 200 und 300 den im Erlass vom 20. Mai 1996 (Bundessteuerblatt –BStBl– I 1996, 1118) vorgesehenen Abschlag wegen übergroßer Deckenhöhe in Höhe von 20. v.H. des Raummeterpreises. Der Einspruch blieb ansonsten erfolglos.

    Gegen die Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 1999 hat der Kläger am 2. August 1999 Klage erhoben, die er im Wesentlichen mit seiner bereits im Vorverfahren dargelegten Rechtsauffassung begründet. Zudem verweist er darauf, die Wertansätze des Finanzamtes seien nicht nachvollziehbar. So stimmten die Wertansätze der jeweiligen Finanzämter bei der Vielzahl der von ihm in einer typisierten Bauweise erstellten Objekten nicht überein. Dies lasse sich aus den Werten der anderen Klageverfahren ersehen. Ebenso verhalte es sich mit dem unterschiedlichen Wertansatz für die Außenanlagen von 4 bzw. 6 v.H. je nach Zuordnung des Gebäudes. Aus diesem Grund begehre er für die Herstellungskosten der Außenanlagen einen einheitlichen pauschalen Ansatz von 4. v.H. der Gebäudeherstellungskosten. Außerdem sei nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 (2 BvR 37/91, Entscheidungen des BVerfG – BVerfGE – 93, 121 (143)) bei der Bewertung im Regelfall das Ertragswertverfahren anzuwenden. Die Sachgerechtheit des Sachwertverfahrens sei zweifelhaft, wenn bei einem gleichen Objekt die unterschiedliche Nutzung den Beklagten zum Ansatz unterschiedlicher Herstellungskosten für den Raummeterpreis führe. Gegen das Sachwert- und für das Ertragswertverfahren spreche im Streitfall, dass sich auf Grund der Vielzahl der von ihm errichteten Objekte die ortsübliche Miete unschwer ermitteln lasse. Ergänzend rügt er einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Anwendung unterschiedlicher Bewertungsverfahren (Sach/Ertragswertverfahren) in den alten und neuen Bundesländern auf einen gleich gelagerten Sachverhalt stehe der Gleichheitssatz des Art. 3 GG entgegen.

    Auf Grund der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2000 hat der Senat über die Frage, ob die im Einheitswertbescheid vom 3. März 1998 zu Grunde gelegten Eigenschaften der beiden auf dem Grundstück in A-Stadt, Berger Straße 52 (22a), errichteten Gebäude, SB-Markt, Werkstatt sowie Werkstatt, Lager und SB-Ladenfläche mit denjenigen Gebäudeeigenschaften, wie sie die gleich lautenden Ländererlassen, betreffend die Bewertung von Gewerbegrundstücken vom 21. Mai 1993, (BStBl. I 1993, 467 – i.V.m. der Änderung der Abschlagsregelung bei Hallenbauten vom 20. Mai 1996 – BStBl I 1996, 1118 Tz. 4.2.2.3 – Bauteil 200 und 300 – und betreffend die Bewertung von Warenhausgrundstücken vom 25. Juni 1993 –BStBl I 1993, 528 Tz. 4.2.2.2 –Bauteil 100– und Tz. 4.2.2.1. –Bauteil 400–) beschreiben, vergleichbar sind, Beweis durch Augenscheinseinnahme des streitigen Grundstück erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme, das Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 16. November 2000 war, wird auf das Protokoll vom 12. September 2000 (Bl. 70 bis 71 der Gerichtsakten) verwiesen.

    Nach der Beweisaufnahme hat der Beklagte am 6. November 2000 einen geänderten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1994 erlassen, den der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat. Im Änderungsbescheid reduzierte er den Gebäudenormalherstellungswert für den Bauteil 400 von 24 DM/m³ auf 17 DM/m³. Ferner berichtigte er die Merkmale der baulichen Ausstattung entsprechend dem Ergebnis der Ortsbesichtigung.

    Der Kläger hat ursprünglich auch den Antrag gestellt, den Einheitswert unter Beachtung eines Bodenwertes in Höhe von 1 DM/m² (6.975 DM) festzusetzen. Aus Anlass der letzten mündlichen Verhandlung, in der die Parteien den Bodenwert unstreitig stellten, hat er seinen Antrag eingeschränkt und beantragt nunmehr noch,

    den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1994 vom 30. April 1996, geändert durch Bescheid vom 3. März 1998, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 1999 und wiederum geändert durch Bescheid vom 6. November 2000, dahingehend zu ändern, dass bei der Festsetzung des Einheitswertes

    ein Gebäudenormalherstellungswert in Höhe von 2,50 DM/m³ umbauten Raumes (12.586 m³ × 2,5 = 31.465 DM) sowie

    ein einheitlicher Zuschlag für die Außenanlagen in Höhe von 4. v.H. des Gebäudewertes (4 v.H. aus 31.465 DM = 1.258 DM)

    berücksichtigt wird.

    Der Beklagte hat ursprünglich beantragt, die Klage im vollen Umfang abzuweisen. Der Senat hat den Beklagten auf die vom BFH geforderte Vergleichbarkeit der Eigenschaften des zu bewertenden Gebäudes mit den in den gemeinsamen Erlassen aufgeführten Gebäudetypen hingewiesen, die im Streitfall für Werkstatt, Lager- und Ladenraum zweifelhaft seien, weil der eigenständige Typus der Gebäude wegen ihrer Multifunktionalität und der einfachsten Bauweise in den Raummeterpreisen des Erlasses offenbar nicht ausreichend berücksichtigt werde. Dies gelte insbesondere, weil der Abschlag auf die Gebäudenormalherstellungskosten für überhohe Räume nur für Werkstattgebäude nicht aber für die Ladenräume gewährt werde, obgleich sich beide innerhalb eines Gebäudes befänden. Daraufhin hat sich der Beklagte zur Anpassung der geschätzten Gebäudenormalherstellungskosten durch einen Abschlag wie folgt bereit erklärt:

    Den in den Erlassen enthaltenen geschätzten Gebäudenormalherstellungskosten liege eine einheitliche Wertzahl von 80 v. H. zu Grunde. Wegen des besonderen Gebäudetyps sei aber eine Wertzahl von 70 v. H., analog der Regelung des § 90 Abs. 2 BewG 1964 i.V.m. § 2 der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung für Werkstätten, angemessen, was im Streitfall zu einem Raummeterpreis von 7 DM bei den Gebäudeteilen 200 und 300 führe. Diese Zahl ergebe sich durch Hochrechnung des die Wertzahl 80 v. H. enthaltenden ursprünglichen Ansatzes in Höhe von 10 DM auf 100 v.H. (=12,50 DM). Der Betrag sei dann mit der Wertzahl 70 v. H. zu multiplizieren und von dem Produkt der Abschlag von 20 v.H. (= 1,75 DM) wegen übergroßer Höhe zu berücksichtigen. Nach der gleichen Berechnungsmethode errechne sich für den Ladenteil (400) ein gerundeter Raummeterpreis in Höhe von 12,00 DM. Für die Außenanlagen werde wegen der prägenden Wirkung der Werkstätten für das Bewertungsobjekt, entsprechend dem Erlass vom 21. Mai 1993, nur noch ein einheitlicher Zuschlag in Höhe 4. v.H. erhoben.

    Nunmehr beantragt der Beklagte,

    die Klage hinsichtlich des Bauteils 100 in vollem Umfang und im Übrigen insoweit abzuweisen, als niedrigere m³-Beträge als 7 DM für die Bauteile 200 und 300 sowie niedrigere m³-Beträge als 12 DM für den Bauteil 400 begehrt werden.

    Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine bereits im Vorverfahren gemachten Ausführungen.

    Der Senat hat ferner Herrn RD Meyer als ehemaliges Mitglied der für die Bewertung zuständigen Arbeitsgruppe zum System der Bewertung nach den Wertverhältnissen am 1. Januar 1935 und zur Berechnung der in den gemeinsamen Erlassenen enthaltenen Raummeterpreise als sachverständigen Zeugen gehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme am 16. November 2000 wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

    Gründe

    Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Der angefochtene Einheitswertbescheid war in dem Maße zu reduzieren, als er einen Gebäudenormalherstellungswert enthält, der über die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung zugestandenen Raummeterpreise in Höhe von 7 DM für den Gebäudeteil 200 und 300 sowie über 12 DM für den Gebäudeteil 400 hinausgeht.

    1. Nach § 129 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) gelten für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens im Beitrittsgebiet die festgestellten und noch festzustellenden Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1935 weiter. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift werden – vorbehaltlich der §§ 129a – 130 BewG – für die Ermittlung der Einheitswerte 1935 statt der §§ 27, 64 – 68 BewG im Einzelnen genannte Bestimmungen des Bewertungsgesetzes der DDR (BewG-DDR) und der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz (RBewDV) weiter angewandt. Danach sind Geschäftsgrundstücke (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 2 RBewDV) anders als Mietwohngrundstücke und gemischtgenutzte Grundstücke nicht mit einem Vielfachen der Jahresrohmiete (vgl. § 34 RBewDV), sondern mit dem gemeinen Wert zu bewerten (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 RBewDV).

    a) Gegen die unterschiedlichen Bewertungsmethoden bestehen in verfassungsrechtlicher Hinsicht keine Bedenken (vgl. Urteil des BVerfG vom 10. Februar 1987 1 BvL 18/81, 1 BvL 20/82, BVerfGE 74, 182, –BStBl– II 1987, 240). Mit der Zweigleisigkeit des Bewertungsverfahrens soll gerade dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG entsprochen werden, da die Anwendung eines nur für eine Grundstücksgruppe zutreffenden Verfahrens auch auf die andere Gruppe die Gleichmäßigkeit der Besteuerung eher in Frage stellen würde als die gesonderte Anwendung eines nur für die jeweilige Grundstücksgruppe zutreffenden Verfahrens (vgl. Bundesfinanzhof –BFH– Beschluss vom 25. März 1992 II B 107/91, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –BFH/ NV– 1992, 795). Entgegen dem Vortrag des Klägers kann der Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995 nicht dahingehend verstanden werden, dass die Bewertung des Grundvermögens nunmehr grundsätzlich im Ertragswertverfahren erfolgen müsse. Zum einen gibt er die Aussage außerhalb des Kontextes wieder. Denn der Text des Beschlusses bezieht sich erkennbar auf die Darstellung der im Bewertungsgesetz vorgesehenen Bewertungsmethoden mit ihrer Wirkung auf die Bemessungsgrundlage für die Vermögensteuer (vgl. Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 37/91, BVerfGE 93, 121 (143)). Zum anderen befasst sich der Beschluss nur mit den Folgen des Bewertungsrechtes der alten Bundesländer für die Vermögensteuer. Insoweit ist es zweifelhaft, auch wenn man dem Kläger folgte, ob dessen Aussage auch auf das Bewertungsrecht der neuen Bundesländer übertragen werden kann.

    b) Den das Sachwertverfahren bestimmenden gemeinen Wert beschreibt § 10 Abs. 1 BewG-DDR, der mit § 9 Abs. 2 BewG vergleichbar ist, als den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, wobei alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen und ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1998 II R 27/97, BStBl II 1999, 51). § 3a RBewDV bestimmt hinsichtlich der maßgeblichen Wertverhältnisse, dass bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz der tatsächliche Zustand des Grundbesitzes (Bestand, bauliche Verhältnisse usw.) vom Nachfeststellungszeitpunkt und die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zu Grunde zu legen sind.

    c) Der Ansatz eines Wertes auf der Grundlage von Jahresrohmieten nach § 33 Abs. 2 Satz 2 RBewDV, wie vom Kläger gefordert, scheidet hingegen aus, weil es am 1. Januar 1935 Objekte – wie im Streitfall – in dieser Form noch nicht gegeben hat und tatsächlich gezahlte Jahresrohmieten für solche Objekte nicht vorhanden sind. Dabei kann es dahinstehen, ob mittels der vom Kläger angeführten Vergleichsobjekte Jahresrohmieten ermittelt werden könnten. Denn neben der Voraussetzung, dass die Jahresrohmiete i.d.R. unschwer zu ermitteln oder zu schätzen ist, fehlt auch die Bestimmung der Oberfinanzpräsidenten dahingehend, dass die betreffenden Grundstücke mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete zu bewerten sind. Von der in § 33 Abs. 2 Satz 2 RBewDV enthaltenen Ermächtigung haben nur die damaligen Präsidenten der damaligen Landesfinanzämter Berlin und Nordmark Gebrauch gemacht (vgl. Viskorf/Glier/Knobel, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 4. Aufl. 1998, § 129 Rdnr. 34).

    d) Für die Wertermittlung verbleiben somit nur die allgemeinen Grundsätze, nach denen der am freien Markt erzielbare Einzelveräußerungspreis entweder aus stichtagsnahen Verkäufen gleicher oder gleichartiger Wirtschaftsgüter abzuleiten oder –mangels aussagekräftiger Kaufpreise– durch Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO zu ermitteln ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1987 X R 2/80, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –BFHE– 150, 453, BStBl II 1987, 769, vgl. Viskorf/Glier/Knobel, Bewertungsgesetz, 4. Auflage 1998, § 9 Rdnr. 6 ff.).

    e) Hiernach ist der gemeine Wert im Streitfall zu schätzen, denn Verkäufe auf den Stichtag 1. Januar 1935 liegen nicht vor. Dabei darf nach der Rechtsprechung des BFH der gemeine Wert eines Gebäudes nicht durch Rückrechnung der tatsächlichen Gebäudeherstellungskosten auf den Stichtag 1. Januar 1935 ermittelt werden. Diese Methode ist als Schätzungsgrundlage ungeeignet. Denn die Höhe der tatsächlichen Herstellungskosten eines Gebäudes lässt keinen sicheren Rückschluss auf den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielenden Veräußerungspreis (gemeiner Wert) zu. Auf die im Allgemeinen erzielbaren Veräußerungspreise nach Größe und Ausstattung vergleichbarer Gebäude hat es keinen Einfluss, ob diese im Einzelfall zu besonders günstigen oder außergewöhnlich hohen Kosten hergestellt wurden. Nach der Definition des § 10 Abs. 1 BewG DDR (= § 9 BewG) kommt es nur darauf an, welcher Veräußerungspreis für ein Gebäude allgemein zu erzielen ist. Unerheblich ist danach, zu welchem Preis ein bestimmter Grundstückseigentümer im Hinblick auf die Höhe seiner Herstellungskosten bereit bzw. möglicherweise wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre, das Grundstück mit Gebäude abzugeben. Denn nach Satz 2 der Vorschrift bleiben solche persönlichen Verhältnisse unberücksichtigt. Bereits der Reichsfinanzhof (RFH) bezeichnete die Ermittlung des gemeinen Werts auf der Grundlage der Summe von Grundstückswert und Gestehungskosten als ungeeignetes Verfahren. Nur im Einzelfall hat er die konkret entstandenen Herstellungskosten hilfsweise als Anhaltspunkt für eine Schätzung des gemeinen Werts zugelassen, wenn andere geeignete Schätzungsgrundlagen nicht zur Verfügung standen (vgl. Urteil des RFH vom 22. November 1934 III A 247/33, RStBl 1935, 107, 108). Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs, der sich der Senat grundsätzlich anschließt, ist deshalb in der Regel auf die in den gleich lautenden Ländererlassen vorgesehene Ermittlung des gemeinen Werts von bebauten Grundstücken auf Grundlage des Bodenwerts, des Gebäudewerts und ggfls. des Werts der Außenanlagen durch Wertrückrechnung der durchschnittlichen Herstellungskosten auf den 1. Januar 1935 zurückzugreifen.

    f) Soweit der Kläger pauschal die vom Beklagten der Wertermittlung zu Grunde gelegten Raummeterpreis als überhöht angreift und auf die von ihm errechneten Raummeterpreise auf den 1. Januar 1935 abstellt, kann der Senat seinem Vorbringen nicht folgen. Ungeachtet der zweifelhaften Berechtigung für den von ihm errechneten Wertansatz von 15 v.H. der Herstellungskosten 1964 als Einheitswertwert auf den 1. Januar 1935 stehen dem Begehren des Klägers die zuvor dargestellten, vom Reichsfinanzhof und Bundesfinanzhofs zum Begriff des gemeinen Wertes entwickelten Grundsätze entgegen. Ferner übersieht der Kläger bei seiner Argumentation, dass sich die tatsächlichen Herstellungskosten eines Gebäudes von dem in den gemeinen Wert einfließenden „Gebäudenormalherstellungswert” unterscheiden. Letzterer stellt auf „durchschnittliche Herstellungskosten” ab, die aus den durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelt wurden. Auch eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen Herstellungskosten vom Durchschnittswert (Normalherstellungskosten) rechtfertigt nicht allein den Ansatz eines niedrigeren Werts (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1981 III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643, 645). Abweichungen bei der Vergleichbarkeit sind danach durch den Ansatz eines abweichenden (niedrigeren) Durchschnittswerts Rechnung zu tragen (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1998 II R 37/97, BStBl II 1999, 51).

    g) Auch der Einwand, die gemeinsamen Erlasse entbehrten einer sachlichen Grundlage, greift nicht. Der sachverständige Zeuge erläuterte für den Senat nachvollziehbar, wie die Raummeterpreise aus vorhandenen Bewertungen vergleichbarer Grundstückstypen für die gemeinsamen Erlasse abgeleitet bzw. zurückgerechnet und anhand entsprechender Objekte überprüft wurden. Anhaltspunkte für eine generelle Überhöhung der Raummeterpreise in den Erlassen kann der Senat danach nicht erkennen. Damit stehen, entgegen der Auffassung des Klägers, mit den Erlassen grundsätzlich geeignete Schätzgrundlagen in Form durchschnittlicher Herstellungskosten für vergleichbare Objekte – ohne die Berücksichtigung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse – zur Verfügung, wenn und soweit eine ausreichende Vergleichbarkeit des konkret zu bewertenden Gebäudes mit denjenigen Objekten, deren Gebäudenormalherstellungswerte exemplarisch in den gleich lautenden Ländererlassen erfasst sind, besteht (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1998 II R 37/97, BStBl II 1999, 51).

    2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Bewertungsobjekt im Streitfall nur zum Teil mit den vom Finanzamt in Ansatz gebrachten Vergleichsobjekten, wie sie in den gleich lautenden Erlassen enthalten sind, in dem gebotenen Maße übereinstimmt.

    a) Die nach einem Rasterprinzip errichteten Gebäude und ihre je nach den betrieblichen Anforderungen innerhalb der G ebäudehülle beliebig veränderbaren Nutzungsbereiche werden durch ihre konstruktionsbedingte Multifunktionalität geprägt. Zur Überzeugung des Senats verkörpert dieser Gebäudetypus weder eindeutig eine Werkhalle bzw. Werkstatt noch einen SB-Markt. Ungeachtet der einfachsten Bauausführung ist sowohl eine Nutzung als Laden wie auch als klassische KfZ-Werkstatt oder Produktionsstätte möglich und wird auch so durchgeführt. Der anfängliche Nutzungszweck kann deshalb wegen seiner beliebigen Austauschbarkeit bei der Errichtung des Gebäudes nicht in dem Maße für den Gebäudenormalherstellungswert bestimmend sein, wie dies bei den in den Erlassen typisierten Gebäudearten, z.B. Fabrikhallen, der Fall ist. Dieser Unterschied wird auch durch die Schwierigkeit der Nachnutzung solcher Immobilien augenfällig. Bei einer solchen Ausnahme müssen nach Auffassung des Senats die Gebäudenormalherstellungskosten nicht einzig nach der konkreten Nutzung am Bewertungsstichtag, sondern auch unter Beachtung des Gebäudetypus ermittelt werden.

    b) Dem hat der Beklagte Rechnung getragen und im Hinblick auf den besonderen Typus der Gebäudeteile 200 bis 400 einen Abschlag zugestanden. Die Höhe der Schätzung ist nicht zu beanstanden, zumal sie sich im System der Bewertung bewegt (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1981 III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 646). Der Senat macht sie sich daher zu Eigen.

    Die weitere Reduzierung der Raummeterpreise, wie vom Kläger begehrt, hält der Senat im Hinblick auf die Systematik und die Vergleichbarkeit der Bewertung für nicht vertretbar.

    c) Dabei kann der Senat es offen lassen, ob die Gebäudeteile 300 und 400 nur als einheitlicher Baukörper oder, wie im Streitfall geschehen, auf Grund ihrer unterschiedlichen Nutzung als eigenständige Gebäudeteile zu bewerten waren. Die Aufteilung der Nutzungsbereiche in eigenständige Gebäudeteile ist im Streitfall auf Grund der baulichen Situation und der Größe des Gebäudes möglich und nach Dafürhalten des Senats auch dem in den neuen Bundesländern bezweckten vereinfachten Bewertungsverfahren geschuldet. Denn selbst wenn das Gebäude als einheitlicher Bauteil zu bewerten gewesen wäre, hätte die konkrete Nutzung bei den in den gemeinen Wert einfließenden Raummeterpreisen berücksichtigt werden müssen. Indes ist es für die Höhe des Gebäudenormalherstellungswertes unerheblich, ob ein gebäudeeinheitlicher Durchschnittspreis nach dem Verhältnis der genutzten Flächen gebildet oder das Gebäude entsprechend seiner prägenden Nutzungsbereiche in einzelne Gebäudeteile für den Ansatz der unterschiedlichen Raummeterpreise aufgeteilt wird.

    d) Im Hinblick darauf, dass die Bewertung auf einen typisierenden gemeinen Wert (§ 9 BewG) ausgerichtet ist, kann der Kläger für die Außenanlagen keinen niedrigeren Wertansatz beanspruchen. Der pauschale Ansatz von 4. v.H. der Gebäudeherstellungskosten ist ein Erfahrungswert, der allgemein für Außenanlagen üblicher Ausführung bei bestimmten Gebäudegruppen bei der Wertbildung in Ansatz gebracht wird. Die Voraussetzungen der Erlasse hat der Beklagte im Streitfall berücksichtigt. Den ihm möglichen Nachweis niedriger Herstellungskosten hat der Kläger nicht erbracht.

    3. Der Einwand gegen die Umstellung von Reichsmark zur Deutschen Mark ist wegen § 2 des Währungsgesetzes vom 20. Juni 1948 folgenlos. Danach tritt an die Stelle von „Reichsmark” die Währungseinheit „Deutsche Mark”. Nichts anderes beinhaltet Tz. 3.2.1 der gemeinsamen Erlasse vom 20. November 1990 (BStBl I 827).

    4. Eine verfassungswidrige, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung gleich gelagerter Sachverhalte durch die Anwendung unterschiedlicher Bewertungsverfahren in den alten und neuen Bundesländern bzw. durch die Einordnung ähnlicher Gebäudetypen bei unterschiedlicher Nutzung in verschiedene Wertigkeitskategorien besteht nach Auffassung des Senats nicht. Zu den bewertungsrechtlichen Sondervorschriften für das Beitrittsgebiet hat der Bundesfinanzhof insbesondere im Hinblick auf die Beachtung des Gleichheitssatzes durch den Gesetzgeber u.a. im Beschluss vom 11. Juni 1997 (II B 93/96 BStBl II 1997, 527) unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausgeführt:

    „Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. Urteil des BVerfG vom 7. Juli 1992 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts –BVerfGE– 87, 1, 36; Beschluss des BVerfG vom 11. Januar 1995 1 BvR 892/88, BVerfGE 92, 53, 68 f.). Entsprechendes gilt für eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13. Mai 1986 1 BvL 55/83, BVerfGE 72, 141, 150). Geht es um die Ungleichbehandlung oder Gleichbehandlung von Personengruppen, unterliegt die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers regelmäßig einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse und wird nicht nur durch das Willkürverbot begrenzt (vgl. Beschluss des BVerfG vom 26. Januar 1993 1 BvL 38, 40, 43/92, BVerfGE 88, 87, 96 f.). Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist allerdings weiter zu bemessen, soweit es um Regelungen im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands geht, die der Zusammenführung der Rechtssysteme dienen. Insoweit hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1991 2 BvR 1519/90 (Steuerrechtsprechung in Karteiform –StRK–, Einkommensteuergesetz 1990, Allg., Rechtsspruch 100) ausgeführt, dass derartige – zeitlich begrenzt wirksame – Übergangsvorschriften mit solchen Regelungen vergleichbar sind, die im Rahmen einer Gesetzesänderung oder der Neuregelung eines Rechtsgebiets für die zeitliche Geltung des neuen Rechts getroffen werden. Für die Überleitung von einer älteren zu einer neueren, den Zielen der Verfassung besser entsprechenden Regelung steht dem Gesetzgeber aber ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Das BVerfG prüft in solchen Fällen nur, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt (vgl. Urteil des BVerfG vom 8. Februar 1977 1 BvR 79, 278, 282/70, BVerfGE 43, 242, 288 f.; Beschluss des BVerfG vom 8. Dezember 1976 1 BvR 810/70, 57/73 und 147/76, BVerfGE 44, 1, 20 f.; Urteil des BVerfG vom 5. Juli 1989 1 BvL 11/87, 1 BvR 1053/87 und 556/88, BVerfGE 80, 297, 311). Dabei kann der Gesetzgeber auch die mit der Änderung des Rechts für die zuständigen Behörden und Gerichte verbundenen praktischen Schwierigkeiten berücksichtigen (BVerfG in BVerfGE 44, 1, 22). Der Umstand, dass im Beitrittsgebiet – übergangsweise – andere steuerrechtliche Vorschriften gelten als im übrigen Bundesgebiet, stellt zwar eine Ungleichbehandlung dar, die allerdings nur dann als Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG gewertet werden kann, wenn diese unterschiedliche Behandlung nicht durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt ist (vgl. hierzu Urteil des BFH vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630)”.

    a) Da der Kläger die Ungleichbehandlung zwischen den neuen und den alten Bundesländern bei der Anwendung der Bewertungsverfahren rügt, gelten die Erwägungen des Bundesfinanzhofs unmittelbar.

    b) Nach Dafürhalten des Senats rechtfertigen die gleichen Argumente grundsätzlich die unterschiedliche Behandlung von bewertungsrechtlichen Sachverhalten innerhalb des Beitrittsgebietes. Wobei im Streitfall die Bewertung von typenähnlichen Objekten nach ihrer Nutzungsart keinen Anlass für die Überprüfung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG bietet. Die Bewertung der Gebäude nach der Art der konkreten Nutzung bildet einen hinreichend sachlichen Grund für die Differenzierung der anzusetzenden Raummeterpreise, zumal der gemeine Wert i. S. des § 9 BewG (§ 10 BewG-DDR) entgegen den Ausführungen des Klägers nicht auf die tatsächlichen Herstellungskosten im Einzelfall abstellt.

    c) Soweit das Bewertungsgesetz bei gleich gelagerten Sachverhalten unterschiedliche Rechtsfolgen für die alten und neuen Bundesländern vorsieht (Sachwert- anstatt Ertragswertverfahren), hält dies der Senat mit dem im Beschluss des Bundesfinanzhof (a.a.O.) angeführte Argument der Verwaltungsvereinfachung für sachlich gerechtfertigt. Die Übernahme des für die alten Bundesländer geltenden Bewertungsrechts auf Grundlage der Hauptfeststellung 1964 wäre nur dann möglich gewesen, wenn eine flächendeckende Feststellung der Einheitswerte für den Grundbesitz im Beitrittsgebiet durchgeführt worden wäre. Dies hätte der erst im Aufbau befindlichen Finanzverwaltung erhebliche, z.T. unlösbare Probleme bereitet. So fehlten die Basiswerte für die mit der vollständigen Übernahme verbundene Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964. In den neuen Bundesländern gab es angesichts des unterschiedlichen Bauzustandes der Gebäude und gibt es teilweise bis heute noch keine fundierten Mietspiegel bzw. durch den Einfluss der Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz unverzerrte Verkehrswerte für Wohn- und Gewerbeobjekte. In Kenntnis der erheblichen Mängel hinsichtlich des Umfangs der vorhandenen Einheitswerte und hinsichtlich deren Verwendungsmöglichkeiten für Besteuerungszwecke sah sich der Einigungsgesetzgeber deshalb aus Vereinfachungsgründen gezwungen, auf die Einheitswerte auf den 1. Januar 1935 und die hiermit verbundenen gesetzlichen Grundlagen zurückzugreifen (vgl. Christoffel, Einheitsbewertung des Grundbesitzes und Grundsteuerrecht in den neuen Ländern, 2. Aufl. 1994, S. 1). Diese Problemlage wirkt auch noch heute, 10 Jahre nach der Wiedervereinigung, fort. Für die Angleichung der Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber im Allgemeinen eine erhebliche Zeitspanne zu (vgl. den Beschluss des BVerfG vom 21. Juli 1992 1 BvR 959/85, Information Steuer und Wirtschaft –StW– 1993, 119), die nach Auffassung des Senats trotz des gegenwärtigen Stillstandes des Gesetzgebungsverfahrens zur Rechtsangleichung noch nicht verstrichen ist.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Revision war im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

    VorschriftenBewG 1991 § 129 Abs. 1, AO 1977 § 162, BewG-DDR § 10 Abs. 1, GG Art. 3 Abs. 1