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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 17.07.2000 – 14 K 173/97

    1. Im Falle der Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge sind die vom Übernehmer erbrachten Versorgungsleistungen nur dann gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgaben abzugsfähig, wenn der Übernehmer die zugesagten Versorgungsleistungen aus dem übergebenen Vermögen erwirtschaften kann.

    2. Räumt der Vermögensübernehmer wegen der im Zeitpunkt des Vermögensübergabevertrages nicht absehbaren Umständen der Vermögensübergeberin nunmehr ein Wohnrecht statt -wie vereinbart- an dem ihm übertragenen Grundstück an einem gemieteten Grundstück ein, kann der Mietwert dieser Räume als dauernde Last i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abzugsfähig sein.


    Im Namen des Volkes hat der 14. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg am 17. Juli 2000 durch den Berichterstatter

    Richter am Finanzgericht ...

    für Recht erkannt:

    I. Die geänderten Einkommensteuerbescheide 1992, 1993 und 1994 vom 23. April 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 1997 werden erneut geändert. Die Einkommensteuer wird auf die folgenden Beträge herabgesetzt:

    II. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

    III. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    IV. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

    V. Der Streitwert wird auf 4.744 DM festgesetzt.

    VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Bei den Einkommensteuerveranlagungen 1992 bis 1994 ist streitig, ob anteilige Aufwendungen der gemieteten Wohnung des Klägers für von seiner Mutter bewohnte Räume gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Einkommensteuergesetz (EStG) als dauernde Last abzugsfähig sind.

    Der im Jahr 1950 geborene Kläger ist verheiratet. Er hat einen im Jahr 1977 geborenen Sohn und eine im Jahr 1980 geborene Tochter. Durch notariellen Übergabevertrag vom 05. August 1988 erwarb er von seiner am 19. Dezember 1904 geborenen verwitweten Mutter als deren einziger Sohn im Wege vorweggenommener Erbfolge das 1.858 qm große lastenfreie Grundstück in U..., das mit einem im Jahr 1958 errichteten Zweifamilienhaus bebaut ist. Im Zeitpunkt des Übergabevertrages hatte die Fünfzimmerwohnung im Erdgeschoß eine Wohnfläche von 96,73 qm und die Dreizimmerwohnung im Obergeschoß eine Wohnfläche von 74,5 qm (Gesamtwohnfläche: 171.23 qm). Im Obergeschoß wurde das 21,6 qm große Wohnzimmer sowie die Küche (10.9 qm) und das Bad mit WC (3,5 qm) von der Mutter des Klägers genutzt. Die übrigen Räume des Hauses bewohnte der Kläger mit seiner Frau und seinen beiden Kindern. Im Übergabevertrag wurde zugunsten der damals 83 Jahre alten Mutter auf deren Lebenszeit ein unentgeltliches Leibgeding mit folgendem Inhalt bestellt:

    „ Reallast auf Wohnungsgewährung

    Die Übergeberin hat Anspruch auf Wohnungsgewährung im Umfang eines Zimmers nebst Küche, Bad und WC.

    Schuldrechtlich wird hierzu vereinbart, daß die Wohnung weiterhin wie bisher gewährt wird auf dem Anwesen durch Überlassung eines großen Zimmers (Zimmer im erstenObergeschoß geradeaus) zuralleinigenNutzung sowie Mitbenutzung aller Gemeinschaftseinrichtungen. Die Berechtigte ist auch verpflichtet, die Wohnungsgewährung in dieser Art anzunehmen.

    Reallast für Pflege und Betreuung

    Die Übergeberin hat Anspruch auf Pflege und Betreuung durch persönliche Dienste insbesondere in kranken und gebrechlichen Tagen. Hierzu gehört auch der Einsatz finanzieller Mittel in dem Umfang, wie die eigenen Einkünfte und Mittel der Übergeberin zur Bestreitung ihrer notwendigen Bedürfnisse nicht ausreichen.”

    Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Übergabevertrag vom 05. August 1988 Bezug genommen. Das Leibgeding wurde im Grundbuch eingetragen.

    In den Jahren 1990 bis 1994 ließ der Kläger das Haus umbauen und renovieren. Durch Anbau eines Erkers (Kaminzimmer) an die Südseite des Erdgeschosses mit darüber liegendem Balkon und Erweiterung des Obergeschosses wurde die Wohnfläche nach der Berechnung des Architekten von bisher 171.23 qm um insgesamt 42,88 qm auf 214,11 qm vergrößert.

    Bis Ende Mai 1991 war der Kläger als Verwaltungsbeamter bei der Stadt ... tätig. Zum 01. Juni 1991 wurde er zum Bürgermeister der Gemeinde ... ... gewählt. Etwa ein Jahr später zog er am 10. August 1992 mit seiner Ehefrau, seinen beiden Kindern und seiner zu diesem Zeitpunkt 87 Jahre alten Mutter an seinen Dienstsitz um, wo er im Ortsteil B... für monatlich 2.500 DM ein zweigeschossiges Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 230 qm mietete. In diesem Haus überließ er Räume mit einer Fläche von 40 qm seiner Mutter unentgeltlich zur Nutzung. Das Zweifamilienhaus in U... vermietete er ab 01. Juni 1993 für monatlich 2.900 DM zuzügl. 150 DM Nebenkosten.

    Im Einspruchsverfahren gegen die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1994 war zunächst in erster Linie die steuerliche Behandlung der Umbau- und Renovierungskosten dieses Hauses streitig. Dieser Streitpunkt wurde im Anschluß an eine abgekürzte Außenprüfung ausgeräumt, auf deren Prüfungsbericht vom 04. März 1997 Bezug genommen wird.

    Mit Schreiben vom 18. März 1997 erklärte sich der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit den Prüfungsfeststellungen einverstanden, machte nunmehr aber geltend, die anteilig auf die Räume der Mutter in dem gemieteten Haus entfallenden Aufwendungen für Miete und Nebenkosten seien gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als dauernde Last abzugsfähig. Das Wohnrecht beruhe auf dem Übergabevertrag vom 05. August 1988, mit dem das gesamte Vermögen der Mutter dem Kläger übergeben worden sei. Soweit aus dem Wohnrecht Kosten entstünden, sei es als dauernde Last zu qualifizieren, die sich wie folgt errechne:

    199219931994
    DMDMDM
    Gesamtkosten des gemieteten Hauses lt. Feststellungen des Prüfers17.549,2538.156,0638.938,90
    davon 15,65 % (Wohnraum der Mutter = 40 qm)2.746,465.971,426.093,94


    Mit dem Umzug der Familie des Klägers nach B... sei vereinbart worden, daß das auf dem Grundstück in U... dinglich gesicherte Wohnrecht insoweit ruhe. Es handele sich um ein reines Sicherungswohnrecht Außerdem sei vereinbart worden, daß die Mutter in dem gemieteten Haus unentgeltlich wohnen könne und der Kläger die anteilige Miete sowie Strom, Wasser und sonstige Nebenkosten übernehme. Es handele sich nicht um eine Art „Ersatzwohnrecht” sondern um Versorgungsleistungen aufgrund der Vermögensübergabe, die als dauernde Last zu qualifizieren seien.

    Das Finanzamt (FA) änderte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1994 durch Bescheide vom 23. April 1997 unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen. Hinsichtlich der geltend gemachten dauernden Last wies es die Einsprüche mit der Begründung zurück, die wertmäßig dem Wohnrecht entsprechenden Mietzahlungen des Klägers hätten Unterhaltscharakter, so daß das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG eingreife. Der Kläger habe sich vertraglich verpflichtet, seiner Mutter unentgeltlich ein Wohnrecht an dem ihm übertragenen Grundstück einzuräumen. Es seien somit zwei unentgeltliche Leistungen erbracht worden, nämlich die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks einerseits und die unentgeltliche Einräumung des Wohnrechts andererseits (= Schenkung unter Auflage). Die Mutter habe weder auf ihr im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht verzichtet, noch seien in irgendeiner Weise andere vertragliche Absicherungen der Mutter erfolgt. Die vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers zitierte Tz. 10 im Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 23. Dezember 1996 (Bundessteuerblatt -BStBl- I 1996, 1508 ff.) sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. In dem dort genannten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 03. Juni 1992 (BStBl II 1993, 23) sei die Ablösung des Nutzungsrechtes gegen wiederkehrende Leistungen bereits von vornherein vertraglich vereinbart gewesen. Hieran fehle es im vorliegenden Streitfall. Der Kläger sei vertraglich nicht verpflichtet gewesen, eine Wohnung für seine Mutter anzumieten bzw. andere Gegenleistungen zu erbringen. Außerdem sei das Wohnrecht nicht abgelöst worden. Es bestehe weiterhin. Werde anstelle eines Nießbrauchs ein Ersatznießbrauch eingeräumt, so handele es sich hierbei ebenfalls um einen unentgeltlichen Nießbrauch. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 1997 Bezug genommen.

    Dagegen richtet sich die vorliegende Klage vom 16. Juli 1997, die am 17. Juli 1997 bei Gericht einging. Zur Begründung trägt der Prozeßbevollmächtigte des Klägers im wesentlichen vor, bei der Vermögensübertragung vom 05. August 1988 handele es sich um die Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge. Der Mutter sei ein Wohnrecht am Grundstück eingeräumt worden. Es liege somit ein unentgeltlicher Vorgang vor. Das Wohnrecht stelle einen Sektor des früheren Eigentums dar, der bei der Mutter verblieben sei. Es stelle keine Gegenleistung dar. Dem Kläger sei insoweit das Vermögen der Mutter noch nicht übergeben worden. Er habe hieraus keine Einkünfte erzielen können. Im August 1992 habe die Mutter auf die Ausübung des Wohnrechtes verzichtet und die betreffenden Räume dem Kläger zur Einkünfteerzielung überlassen. Das Wohnrecht sei weiterhin als Sicherheit im Grundbuch eingetragen geblieben. Somit sei faktisch der letzte Teil des Gebäudes auf den Kläger übergegangen. Dieser sei nun erstmals in der Lage gewesen, aus den Räumen Einkünfte zu beziehen. Im Gegenzug für den Verzicht auf das Wohnrecht habe der Kläger seiner Mutter in dem gemieteten Haus unentgeltlich Räume zur Verfügung gestellt. Für diese Räume habe er Aufwendungen getragen (Miete, Strom, Heizung usw.), die einer Versorgungsleistung entsprächen. Entgegen der Auffassung des FA habe sich in wirtschaftlicher Hinsicht sehr wohl etwas geändert. Der Kläger erziele einerseits Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und habe andererseits Aufwendungen für die Unterkunft seiner Mutter. In diesen Aufwendungen sei eine dauernde Last im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG zu sehen.

    Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers beantragt,

    die Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1994 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 1997 zu ändern und die Aufwendungen für die Unterkunft der Mutter als dauernde Last mit folgenden Beträgen anzuerkennen:

    19922.746,46 DM
    19935.971,42 DM
    19946.093,94 DM.


    Das beklagte FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest. Ergänzend trägt es vor, der Auffassung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers könne nicht gefolgt werden, daß die Einräumung des Wohnrechtes keine Gegenleistung für die Vermögensübertragung vom 05. August 1988 darstelle. In § 1 des Übergabevertrages sei ausdrücklich geregelt: „Andere als in dieser Urkunde enthaltene Gegenleistungen sind nicht gewährt und nicht versprochen ...”. Dem Kläger sei durch die Einräumung des Wohnrechtes insoweit „belastetes” Vermögen vollständig übergeben worden.

    Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 11. Februar 2000 und 23. Februar 2000 damit einverstanden erklärt, daß der Berichterstatter den Rechtsstreit anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 79 a Abs. 3 und 4 i.V.m. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Die anteiligen Miet- und Nebenkosten für die der Mutter des Klägers überlassenen Räume sind als dauernde Last abzugsfähig.

    Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sind auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben abzugsfähig, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind. Bei Leibrenten kann nur der Ertragsanteil im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG als Sonderausgabe abgezogen werden. Dieser Sonderausgabenabzug wird eingeschränkt durch § 12 EStG, wonach die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge (§ 12 Nr. 1 EStG) sowie freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht und Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigte Person (§ 12 Nr. 2 EStG) grundsätzlich nicht abzugsfähig sind. Diese Einschränkung gilt nach dem einleitenden Halbsatz des § 12 EStG („Soweitsatz”) nicht für den Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2 bis 7 EStG wohl aber für den im vorliegenden Fall streitigen Abzug einer dauernden Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG. Aus dieser Systematik des Gesetzes folgt, daß Unterhaltsleistungen und Zuwendungen an die in § 12 Nr. 1 und 2 EStG genannten Familienangehörigen und gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen grundsätzlich nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abzugsfähig sind.

    Abweichend vom Abzugsverbot des § 12 EStG läßt der Große Senat des BFH jedoch den Sonderausgabenabzug ausnahmsweise zu für solche Versorgungsleistungen, die anläßlich der Übertragung von existenzsicherndem Vermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden. Er begründet diese Ausnahme vom Abzugsverbot des § 12 EStG mit der Rechtsentwicklung seit dem Preußischen Einkommensteuergesetz vom 1891 und der ständigen Rechtsprechung, wonach insbesondere in den Fällen der Hof- oder Geschäftsübergabe die zugesagten Versorgungsleistungen vom Empfänger als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 EStG zu versteuern und korrespondierend hierzu beim Leistenden als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abzugsfähig sind. Die steuerrechtliche Zuordnung der Versorgungsleistungen zu den wiederkehrenden Bezügen und den Sonderausgaben beruhe auf dem Umstand, daß sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen Erträge seines Vermögens vorbehalte, die nunmehr der Vermögensnehmer erwirtschaften müsse. Durch die Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterschieden sich die Versorgungsleistungen aufgrund einer Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge von den Unterhaltsleistungen im Sinne von § 12 Nr. 1 EStG. Sie enthielten deshalb auch keine Zuwendungen im Sinne von § 12 Nr. 2 EStG. Da diese Versorgungsleistungen keine Gegenleistungen des Vermögensübernehmers für das im Wege einer Schenkung erworbenen Vermögen darstellten, müßten sie auch nicht mit dem Wert des übernommenen Vermögens verrechnet werden (vgl. Beschluß des Großen Senates des BFH vom 05. Juli 1990 – GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847, 851 f. sowie Beschluß des Großen Senates des BFH vom 15. Juli 1991 – GrS 1/90, BStBl II 1992, 78 seitdem ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt Beschluß des BFH vom 10. November 1999 – X R 46/97, BStBl II 2000, 188 m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, daß diese Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. Beschluß des BVerfG vom 17. Dezember 1992 – 1 BvR 4/87, Deutsches Steuerrecht 1993, 315 = Finanzrundschau 1993, 157). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich als Konsequenz, daß in Fällen der Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge die vom Übernehmer erbrachten Versorgungsleistungen nur dann gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als Sonderausgaben abzugsfähig sind, wenn der Übernehmer die zugesagten Versorgungsleistungen aus dem übergebenen Vermögen erwirtschaften kann.

    In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat der BFH entschieden, daß die Überlassung einzelner Wohnräume an den Vermögensübergeber aufgrund eines bei einer Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge eingeräumten Wohnrechtes für den Übernehmer in Höhe des Mietwertes dieser Räume eine dauernde Last im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG darstellt. Der Nutzungswert des Hauses ist im Fall der Überlassung nur einzelner Räume und nicht einer vollständigen Wohnung in vollem Umfang dem Vermögensübernehmer zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 1992 – IX R 223/87, BStBl II 1993, 31 und IX R 222/87, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1993, 95 sowie BFH-Urteil vom 27. August 1996 – IX R 86/93, BStBl II 1997, 47).

    Anläßlich einer Vermögensübergabe vereinbarte Versorgungsleistungen sind aufgrund der Rechtsnatur des Versorgungsvertrages in der Regel nachträglich abänderbar und zwar auch dann, wenn eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 Zivilprozeßordnung (ZPO) fehlt (vgl. das o.a. Urteil des BFH vom 27. August 1996 – IX R 86/93, BStBl II 1997, 47). Die in einem Übergabevertrag getroffenen Vereinbarungen begründen zwischen den Vertragsparteien ein Dauerrechtsverhältnis, das über lange Zeit hinweg ihre vermögensmäßigen Beziehungen prägt (vgl. BFH-Urteil vom 03. Juni 1992 – X R 147/88, BStBl II 1993, 98). Im Verlaufe dieses Dauerrechtsverhältnisses können aufgrund veränderter Verhältnisse es die berechtigten Interessen der einen oder der anderen Vertragspartei im Sinne von § 323 ZPO erforderlich machen, die in dem Übergabevertrag vereinbarten Leistungen zu ändern oder durch andere Leistungen zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des BFH haben auch die neu vereinbarten Leistungen weiterhin den Charakter vorbehaltener Vermögenserträge des Vermögensübergebers, wenn ein sachlicher Zusammenhang mit dem ursprünglichen Vermögensübergabevertrag besteht, insbesondere sie dem ursprünglichen Vertragszweck entsprechen und keine zusätzlichen Leistungen darstellen, die aus dem übergebenen Vermögen nicht erwirtschaftet werden können. So hat z. B. der BFH in dem o.a. Urteil vom 03. Juni 1992 – X R 147/88 (BStBl II 1993, 98) es für den Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als unschädlich angesehen, daß das aufgrund des Übergabevertrages nießbrauchbelastete Grundstück durch eine spätere Vereinbarung gegen ein anderes Grundstück ausgetauscht und zeitlich danach der Nießbrauch durch eine private Versorgungsrente abgelöst wurde. In dem o.a. Urteil vom 27. August 1996 – IX R 86/93 (BStBl II 1997, 47) hat der BFH in einem Fall, in dem ein vorbehaltenes Wohnungsrecht der Vermögensübergeberin (der Mutter) mit Rücksicht auf ihre zunehmende Gebrechlichkeit nachträglich durch privatschriftliche Vereinbarung auf ein einzelnes Zimmer beschränkt wurde und sich die Vermögensübernehmerin (die Tochter) verpflichtete, zusätzlich zu den bisher vereinbarten Leistungen der Mutter alters- und gesundheitsgemäße Speisen zuzubereiten, entschieden, daß diese zusätzlich übernommenen Versorgungsleistungen selbst dann als dauernde Last abzugsfähig sind, wenn ihr Wert den Mietwert der ursprünglich überlassenen Wohnung übersteigt in den Entscheidungsgründen dieses Urteils hat der BFH ausgeführt, die Nachtragsvereinbarungen seien vom Vertragszweck des anläßlich der Vermögensübergabe geschlossenen Versorgungsvertrages gedeckt gewesen. Sie dienten der Anpassung an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse und die damit verbundenen andersartigen Erfordernisse einer angemessenen Versorgung.

    Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Nach seiner Wahl zum Bürgermeister der Gemeinde ... zum 01. Juni 1991 bestand für den Kläger die berufliche Notwendigkeit, mit seiner Familie in diese Gemeinde umzuziehen. Dies war im Zeitpunkt des Übergabevertrages vom 05. August 1988 nicht absehbar. Da sich der Kläger in diesem Vertrag seiner Mutter gegenüber nicht nur zur Gewährung des Wohnrechtes, sondern auch zur Gewährung persönlicher Pflege und Betreuung verpflichtet hatte, bestand für ihn ferner die Notwendigkeit, seine im Zeitpunkt des Umzugs 87 Jahre alte Mutter in die neue Wohnung mitzunehmen und ihr dort ihrem bisherigen Wohnstandard entsprechende Räume unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Diese Lösung entsprach den beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien des Übergabevertrages und dessen Zweck, eine angemessene Unterkunft der Mutter und ihrer persönlichen Betreuung durch ihren einzigen Sohn, den Kläger, zu gewährleisten. Die Überlassung der Räume in der neuen Wohnung des Klägers an seine Mutter stand in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Übergabevertrag vom 05. August 1988 mit der Folge, daß der Mietwert dieser Räume nach der o.a. Rechtsprechung des BFH als vorbehaltener Vermögensertrag der Vermögensübergeberin anzusehen ist, mit der weiteren Folge, daß keine Zuwendung des Klägers an seine Mutter im Sinne von § 12 Nr. 2 EStG vorliegt.

    Der Kläger erzielte nach dem Umzug – wie in Tz. 3 des Prüfungsberichtes vom 04. März 1997 zutreffend dargelegt – aus dem von seiner Mutter übernommenen Zweifamilienhaus in vollem Umfang (auch soweit das Wohnrecht der Mutter bestand) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Mietwert der der Mutter in diesem Haus zuvor überlassenen Räume mit einer Gesamtfläche von 36 qm entsprach in etwa dem Mietwert der Räume mit einer Gesamtfläche von 40 qm, die ihr in der neuen Wohnung überlassen wurden. Die anteiligen Miet- und Nebenkosten für diese Räume konnte der Kläger ohne weiteres aus dem von seiner Mutter übernommenen Zweifamilienhaus erwirtschaften, das er ab 01. Juni 1993 für monatlich 2.900 DM zuzüglich 150 DM Nebenkosten vermietete. Nach der o.a. Rechtsprechung des BFH sind die streitigen Aufwendungen daher gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als dauernde Last abzugsfähig. Die Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1994 sind wie folgt zu ändern:

    199219931994
    DMDMDM
    zu versteuerndes Einkommen lt. angefochtenen Bescheiden vom 23.4.199769.693102.490119.788
    ./. zusätzliche Sonderausgaben – dauernde Last2.7465.9716.094
    zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil66.94796.519113.694
    Einkommensteuer hieraus lt. Splittingtabelle12.51621.08226.662
    ./. Abzugsbetrag gem. § 34 f EStG2.000
    ./. Ermäßigung gem. § 34 g Nr. 1 EStG4848
    Einkommensteuer lt. Urteil10.51621.03426.614
    Einkommensteuer lt. angefochtenem Bescheid11.27222.91228.724
    Streitwert7561.8782.110
    Gesamtstreitwert4.744 DM


    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kostenentscheidung aus § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

    Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 und § 25 Gerichtskostengesetz (GKG) und die Hinzuziehung eines Prozeßbevollmächtigten zum Vorverfahren auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussatzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

    VorschriftenEStG § 10 Abs 1, EStG § 12