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  • 08.01.2010

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 30.03.2004 – 1 K 2291/02

    1. Allein aus der Formulierung einer formlosen Abtretungserklärung „Abtretung aller derzeitigen und zukünftigen Steuererstattungen ” kann nicht eine Geschäftsmäßigkeit hergeleitet werden, wenn die Abtretung aus einem einzigen besonderen Anlass und zwischen denselben Personen zur Rückführung einer einzelnen Forderung vorgenommen wird, deren Höhe den zu erwartenden Steuererstattungsanspruch übersteigt.

    2. Mit der Bezeichnung ” Sicherungsabtretung ” ist der Abtretungsgrund i.S.d. § 46 Abs. 3 AO hinreichend bezeichnet, auch wenn es sich um eine Abtretung erfüllungshalber handelt.


    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Steuererstattungsanspruch wirksam an die Klägerin abgetreten worden ist.

    Mit ihrer Einkommensteuererklärung 2000 hatten die Eheleute A zunächst eine von ihnen und der Klägerin unterzeichnete formlose Abtretungserklärung vom 23.4.2002 vorgelegt, in der sie alle derzeitigen und zukünftigen Steuererstattungen an die Klägerin abgetreten hatten. Nachdem der Beklagte durch Abrechnungsbescheid vom 8.5.2002 festgestellt hatte, dass die Abtretung namentlich wegen Nichteinhaltung der in § 46 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) vorgeschriebenen Förmlichkeiten nicht wirksam sei, haben die Eheleute A am 13.5.2002 nunmehr eine Abtretungsanzeige bzw. (angekreuzt) Verpfändungsanzeige auf amtlichem Vordruck im Original vorgelegt. Darin treten sie ihren Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung 2000 bei einer voraussichtlichen Höhe von 9.500 EUR in vollem Umfang an die Klägerin ab. Als Grund der Abtretung ist durch Ankreuzen - wie im Vordruck unter III. 3. vorgesehen - „Sicherungsabtretung” angegeben. Weiter ist erklärt, dass der abgetretene Betrag auf ein bestimmt bezeichnetes Bankkonto der Klägerin ausgezahlt werden solle. Die Abtretungserklärung ist sowohl von den Eheleuten A als Abtretenden als auch von der Klägerin als Abtretungsempfängerin unterzeichnet. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Abtretungs-/Verpfändungsanzeige vom 12.5.2002 Bezug genommen.

    Mit Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO vom 21.5.2002 hat der Beklagte die Unwirksamkeit auch dieser Abtretung festgestellt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungsansprüchen ebenso wie eine Sicherungsabtretung nach § 46 Abs. 4 AO nicht zulässig sei.

    Mit dem Einspruch hat die Klägerin geltend gemacht, dass ein geschäftsmäßiger Erwerb nicht vorliege. Sie habe gegen die Eheleute A eine private Forderung, die den Betrag von 9.500 EUR erheblich übersteige. Die Abtretung sei zur teilweisen Tilgung ihrer Forderung erfolgt.

    Der Beklagte hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Erwerb von Steuererstattungsansprüchen zur Sicherung eigener Forderungen und somit Verwertung auf eigene Rechnung unzulässig sei. Nach den Angaben der Klägerin und der Bezeichnung als „Sicherungsabtretung” sei von einem unzulässigen geschäftsmäßigen Erwerb auszugehen.

    Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr auf Anerkennung der Wirksamkeit der Abtretung gerichtetes Begehren weiter. Zur Begründung macht sie ergänzend geltend, dass sie Privatperson sei und nicht geschäftsmäßig Forderungen erwerbe. Sie sei mit den Eheleuten A befreundet und habe diesen in einer durch Zahlungsschwierigkeiten des früheren Arbeitgebers des Herrn A bedingten Notlage über Jahre hinweg in unregelmäßigen Abständen Geld geliehen. Diese Schulden von zuletzt über 100.000 DM wollten die Eheleute A zurückzahlen, weswegen sie den Erstattungsanspruch an sie, die Klägerin, abgetreten hätten.

    Sollte der Abtretungsvordruck falsch ausgefüllt worden sein, so hätte der Beklagte entsprechend aufklären müssen. Es könne nicht angehen, dass Vordrucke so unübersichtlich seien, dass der Normalbürger diese nicht ordnungsgemäß ausfüllen könne.

    Die Klägerin beantragt,

    den Abrechnungsbescheid des Beklagten vom 21.5.2002 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er macht geltend, dass im Streitfall eine nach § 46 Abs. 4 AO unzulässige geschäftsmäßige Abtretung vorliege. Die Geschäftsmäßigkeit ergebe sich daraus, dass nach der formlosen Abtretungserklärung vom 23.4.2002 die Eheleute A alle derzeitigen und zukünftigen Erstattungsansprüche an die Klägerin abgetreten hätten, mithin Wiederholungsabsicht gegeben sei. In einem solchen Fall könne auch bei einer (ersten) Abtretung von Geschäftsmäßigkeit ausgegangen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 13.10.1994 VII R 3/94, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1995, 473).

    Dem Gericht hat ein Hefter des Beklagten mit den im Rahmen der streitigen Abtretung angefallenen Vorgängen vorgelegen und war Gegenstand des Verfahrens.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Denn die Abtretung des Erstattungsanspruchs aus der Einkommensteuerveranlagung 2000 der Eheleute A an die Klägerin war wirksam. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt keine unzulässige geschäftsmäßige Abtretung vor. Die dem Beklagten vorgelegte Abtretungsanzeige vom 12.5.2002 entspricht auch den gesetzlichen Anforderungen und steht der Wirksamkeit der Abtretung nicht entgegen.

    1. Nach § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung von Steuern abgetreten und verpfändet werden. Nach § 46 Abs. 4 AO ist aber der geschäftsmäßige Erwerb und die geschäftsmäßige Einziehung von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen nur bei Sicherungsabtretungen und auch in diesem Fall nur Unternehmen gestattet, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist. Durch dieses Verbot des geschäftsmäßigen Erwerbs und der geschäftsmäßigen Einziehung sollte einer besonderen Form der Wirtschaftskriminalität begegnet werden, bei der unseriöse Kreditgeber den Erstattungsanspruch gegen eine vorbehaltlose Abtretung mit geringen Beträgen vorfinanzieren und dabei die Unkenntnis mancher Arbeitnehmer - namentlich der Gastarbeiter - über die tatsächliche Höhe ihrer voraussichtlichen Lohnsteuerrückzahlungen ausnutzen (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache 7/2852, S. 47).

    Nach ständiger Rechtsprechung handelt geschäftsmäßig i.S.v. § 46 Abs. 4 AO, wer die Tätigkeit - Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen - selbständig und in Wiederholungsabsicht ausübt. Das Vorliegen der Wiederholungsabsicht kann insoweit durch organisatorische Vorkehrungen, wie z.B. das Bereithalten vorformulierter Abtretungserklärungen, indiziert sein. Ebenso spielen die Zahl der Erwerbsfälle und der Zeitraum ihres Vorkommens eine Rolle. Vereinzelte Abtretungen reichen aber für die Annahme der Geschäftsmäßigkeit nicht aus, selbst wenn sie im Rahmen eines Handelsgeschäfts oder z.B. an einen steuerlichen Berater zur Sicherung seiner Honorarforderungen in besonders begründeten Einzelfällen vorgenommen werden (Urteile des BFH vom 23.10.1985 VII R 196/82, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1986, 124, vom 30.8.1988 VII R 149/85, BFH/NV 1989, 210, und vom 13.11.2001 VII R 107/00, BStBl II 2002, 402).

    Nach diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, einer bestimmten Ausprägung der Wirtschaftskriminalität vorzubeugen, kann im Streitfall von einer geschäftsmäßigen Abtretung nicht ausgegangen werden. Dies folgt bereits daraus, dass sich die Klägerin allein als Privatperson und nicht in Ausübung eines freien Berufs oder eines Handelsgeschäfts den Erstattungsanspruch der ihr aus Darlehenshingaben verpflichteten Eheleute A hat abtreten lassen. Zwar kann mit dem Beklagten aus der Formulierung in der formlosen Abtretungserklärung vom 23.4.2002 - Abtretung aller „derzeitigen und zukünftigen Steuererstattungen” - sowie dem Umstand, dass mit dem Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung 2000 vorhersehbar die Darlehensverbindlichkeit nur zu einem geringeren Teil abgedeckt und die Eheleute A zur Rückführung der Verbindlichkeit aus anderen Mitteln offenbar nicht in der Lage waren, auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden. Hieraus kann indes eine Geschäftsmäßigkeit nicht hergeleitet werden, da die Abtretungen aus einem einzigen besonderen Anlass und immer nur zwischen denselben Personen zur Rückführung einer einzigen Forderung vorgenommen werden und die mehrfache Abtretung lediglich durch die Höhe der zugrundliegende Verbindlichkeit einerseits und die - geringere - Höhe der abgetretenen Ansprüche andererseits bedingt ist. Geschäftsmäßigkeit setzt aber zumindest die Absicht voraus, in vergleichbaren Situationen Erstattungs- und Vergütungsansprüche von einer Mehrzahl von Personen (Kunden, Mandanten o.ä.) zu erwerben, wobei letztlich dahinstehen kann, ob die Geschäftsmäßigkeit nicht ohnehin nur im Rahmen der Ausübung eines Gewerbes oder freien Berufs denkbar ist.

    Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Abtretungen im Streitfall der Anzahl nach ein Ausmaß erreichen könnten, das unter Berücksichtigung des zeitlichen Moments für sich genommen die Annahme der Geschäftsmäßigkeit rechtfertigen könnte. Denn den Eheleuten A steht allenfalls jährlich ein Einkommensteuererstattungsanspruch zu. Der Beklagte kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 473, berufen. Denn in dem entschiedenen Fall hatte sich ein Steuerberater während eines Zeitraums von gut einem Jahr in 4 Fällen von 3 Mandanten Ansprüche abtreten lassen. Der Fall ist folglich mit dem Streitfall weder nach der Anzahl der Abtretungen noch nach der Anzahl der Zedenten vergleichbar. Zudem hat der BFH die entsprechende Beurteilung der Vorinstanz, dass Geschäftsmäßigkeit vorliege, als nicht zwingend, sondern lediglich als möglich (und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden) angesehen.

    2. Die Abtretung wird steuerrechtlich erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der in § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form der Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt (§ 46 Abs. 2 AO). Nach § 46 Abs. 3 AO ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreibenden amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die formalisierte Abtretungsanzeige soll zum einen die Abtretenden davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten, zum anderen - sekundär - dem Finanzamt die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern. Abtretungsanzeigen, die nicht in allen Einzelheiten der amtlich vorgeschriebenen Form entsprechen oder bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, machen die Abtretung nicht von vornherein unwirksam; sie sind vielmehr als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen der Auslegung unter Beachtung des Empfängerhorizontes (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) sowie des Schutz- und Bearbeitungszwecks der Anzeige zugänglich. Nach diesen Vorgaben muss die Abtretungsanzeige notwendig den Zedenten und den Zessionar sowie die Art des abgetretenen Anspruchs erkennen lassen (BFH-Urteil in BStBl II 2002, 402, m.N.). Diesen Mindestanforderungen wird die vorliegend streitige Abtretungsanzeige gerecht.

    Auch der Abtretungsgrund ist im Streitfall mit „Sicherungsabtretung” zwar im Zweifel inhaltlich unzutreffend, so doch hinreichend bezeichnet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Nennung des Abtretungsgrundes im Hinblick auf den Zweck des 46 Abs. 3 AO, den Abtretenden zu warnen und zu schützen, sowie im Hinblick auf die Leistungspflicht der Finanzbehörde im Gegensatz zu der unverzichtbaren Angabe der Bestandteile des dinglichen Verfügungsgeschäfts (Zedent, Zessionar und Art des abgetretenen Anspruchs) keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Hinzu kommt, dass der Nennung des Abtretungsgrundes im Hinblick auf die Regelung in § 46 Abs. 5 AO, wonach die Finanzbehörde mit befreiender Wirkung auch bei Unwirksamkeit der Abtretung und der Abtretungsanzeige leisten kann, keine Bedeutung beizumessen ist. An die Angabe des Abtretungsgrundes sind deshalb keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht - wie sich schon dem geringen Raumangebot auf der Abtretungsanzeige entnehmen lässt - eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalts aus, aus der sich ggf. Rückschlüsse auf die Geschäftsmäßigkeit der Abtretung ergeben können, was Anlass zu weiteren Ermittlungen des Finanzamts sein kann (vgl. a. dazu das BFH-Urteil in BStBl II 2002, 402).

    Im Streitfall ist im Vordruck - wie dort so vorgesehen - als Grund der Abtretung „Sicherungsabtretung” angekreuzt. Dies reicht schon nach der Gestaltung des Vordrucks („Sicherungsabtretung oder”) zur Bezeichnung des Abtretungsgrundes aus.

    Allerdings ist davon auszugehen, dass damit der Abtretungsgrund aufgrund einer fehlerhaften Wertung in der Laiensphäre falsch angegeben worden ist. Denn da die Eheleute A die Darlehensverbindlichkeit offenbar nur auf diese Weise bedienen konnten, hat nicht der Sicherungszweck, sondern der Erfüllungszweck im Vordergrund gestanden, so dass es sich um eine Abtretung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) handelt.

    Die fehlerhafte Angabe des Abtretungsgrundes führt aber jedenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Abtretung. Dies zum einen, weil ihr ohnehin eine nur untergeordnete Bedeutung beizumessen ist. Hinzu kommt, dass in dem Vordruck das Bankkonto der Klägerin von den Abtretenden und der Klägerin als Abtretungsempfängerin übereinstimmend als Auszahlungskonto benannt worden war. Daraus war bereits zu schließen, dass es sich in Wahrheit um eine Abtretung erfüllungshalber handelte (Tipke / Kruse, Kommentar zur AO / Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 46 AO Tz. 46 a.E.). Zudem war durch die Falschbezeichnung sogar eine höhere Warnstufe für den Beklagten angezeigt, da bei einer Sicherungsabtretung der Behörde eine erhöhte Prüfungspflicht auferlegt ist, ob der Sicherungsnehmer über die abgetretene Forderung - im Innenverhältnis - verfügen darf. Auch diese Frage war aber vorliegend aufgrund der Angabe des Auszahlungskontos geklärt. Schließlich kann auch insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Finanzbehörde durch § 46 Abs. 5 AO hinlänglich geschützt ist.

    Da sich die Abtretung nach allem als wirksam erweist, war der Abrechnungsbescheid des Beklagten vom 21.5.2002 aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Satz 1 Zivilprozessordnung.

    VorschriftenAO § 46 Abs. 3, AO § 218 Abs. 2, AO § 46 Abs. 4