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  • 22.03.2012 · IWW-Abrufnummer 120928

    Landgericht Köln: Urteil vom 02.11.2011 – 20 O 143/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Köln

    20 O 143/11

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

    Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.

    T a t b e s t a n d :
    Die Klägerin, ein Ingenieurbüro für Tragwerksplanung, unterhielt bis Mitte 2009 bei der Beklagten eine Berufshaftpflichtversicherung auf der Grundlage der AHB, Stand 12/99, Anlage B 1, und Besonderer Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten und Beratenden Ingenieuren (BBR), Anlage K 1, auf die verwiesen wird; die Deckungssumme für Sach- und Vermögensschäden betrug bezogen auf Ingenieurleistungen für Tragwerksplanung 1.100.000,00 €.
    Im Jahre 2006 wurde die Klägerin von der Generalunternehmerin des Bauprojektes „Z“, der A AG (im Folgenden: A), mit den Statikleistungen und der Erstellung der Schal- und Bewehrungspläne, u.a. auch für die Geschossdecken im Untergeschoss-Basement und im Erdgeschoss beauftragt. Als Subunternehmer wurden durch die Klägerin die Beratenden Ingenieure Dipl.-Ing. W in L herangezogen.
    Bei der Prüfung der durch die Klägerin entsprechend gefertigten Pläne durch die Landesgewerbeanstalt Bayern wurde festgestellt, dass die Klägerin bei der Erstellung der Statik für die Basement-Geschossdecke die zum fraglichen Zeitpunkt nicht mehr gültige DIN 1045 zugrunde gelegt hatte, weshalb die Schub-Bewehrungen unrichtig berechnet worden waren. Bei der vom Ingenieurbüro W erarbeiteten Statik war von zu geringen Verkehrslasten ausgegangen worden. Diese Mängel erforderten in der Folge umfangreiche Nacharbeiten.
    Die Klägerin wurde nachfolgend von der Firma A u.a. mit der Begründung, die Mängel hätten einen erhöhten Personaleinsatz zur Prüfung der Statik bedingt, Bewehrungs- und Schalmaterial hätte länger vorgehalten werden müssen, es seien zusätzliche Stahlmengen angefallen, wegen Mehrkosten für die Basement-Decke von 1.870.616,52 € und für die Erdgeschoss-Decke von 2.271.950,03 € in Anspruch genommen, was die Klägerin der Beklagten anzeigte.
    Unter dem 23.11.2007 kam es zwischen der Klägerin und der Firma A zu einer schriftlichen Vereinbarung, Bl. 12-14 d.A., auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Darin wurde u.a. festgehalten, dass die Firma A auf etwaige den Betrag von 1.000.000,00 € übersteigende Ansprüche gegenüber der Klägerin verzichtet, gleichwohl aber im Hinblick auf die bestehende Haftpflichtversicherung verpflichtet sei, ihre Ansprüche substantiiert darzulegen. Zugleich wurde vereinbart, dass wenn unter der Verfahrensführung des Haftpflichtversicherers auf Seiten der Klägerin festgestellt werde, dass ein haftpflichtversicherter Gewährleistungs- und Schadenersatzanspruch der Firma A nicht oder nur über einen Betrag von weniger als 1.000.000,00 € bestehe, die Klägerin gleichwohl den Betrag von 1.000.000,00 € schulde. Als Sicherheit für diesen Anspruch verpflichtete sich die Klägerin, die Bürgschaft eines deutschen Bankinstituts über 716.005,61 € beizubringen – was auch geschah - und auf die Geltendmachung eines restlichen Honoraranspruchs in Höhe von 283.994,39 € vorerst zu verzichten. Für den Fall, dass die Firma A keine Befriedigung aus einer von der Beklagten zu erbringenden Versicherungsleistung erhalte, war die Firma A berechtigt, gegen den Honoraranspruch der Klägerin aufzurechnen und die Bürgschaft zu ziehen.
    Der von der Beklagten eingeschaltete Bausachverständige Dipl.-Ing. T3 vertrat nachfolgend die Auffassung, dass Ansprüche der Firma A nicht bestünden, weil die Baustelle sich ohnehin bereits in Verzug befunden habe. Dieser Auffassung trat die Klägerin entgegen. Die Firma A hat, nachdem die Beklagte keine Zahlung leistete und ihr gegenüber mit Schreiben vom 20.08.2009 (Anlage K 12, Anlagenordner II) ihre Eintrittspflicht verneinte, die von der Klägerin beigebrachte Bürgschaft gezogen und das restliche Honorar nicht mehr ausgezahlt.
    Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei als ihr Berufshaftpflichtversicherer verpflichtet, an sie die von der Firma A, der tatsächlich ein weit höherer Schaden entstanden sei, vereinnahmten 1.000.000,00 € zu zahlen.
    Die Klägerin beantragt mit der am 16.03.2011 zugestellten Klage,
    die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.000.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.
    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Sie macht geltend, die Klage sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, weil sie zu keiner Zeit der Klägerin den Deckungsschutz aus dem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag versagt habe. Sie sei lediglich der Auffassung, dass Ansprüche der Firma A gegenüber der Klägerin nicht bestünden, sei aber jederzeit bereit, der Klägerin für den zu führenden Haftpflichtprozess bzw. für die Honorarklage Rechtsschutz zu gewähren und je nach dessen Ausgang einer eventuellen Freistellungsverpflichtung nachzukommen.
    Dem tritt die Klägerin replizierend mit dem Argument entgegen, die Beklagte verkenne die Besonderheiten des vorliegenden Falles und die besondere Situation der Klägerin. Es liege nicht im Belieben des Haftpflichtversicherers, auf welche Weise er Deckungsschutz gewähre. Sie, Klägerin, sei in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht gewesen, als sie seitens der Firma A mit einer Schadenersatzforderung von über 4.000.000,00 € konfrontiert worden sei, zumal die Deckungssumme aus der Haftpflichtversicherung unzureichend gewesen sei. Der Abschluss der Vereinbarung vom 23.11.2007 sei wirtschaftlich und kaufmännisch vernünftig gewesen und einer langwierigen Auseinandersetzung mit der Firma A, die mit der Gefahr einhergegangen sei, einen wichtigen Auftraggeber zu verlieren, vorzuziehen gewesen. Schließlich sei die Haftungsdeckelung auf einen Betrag von 1.000.000,00 € auch im Interesse der Beklagten erfolgt. Sie, Klägerin, sei angesichts der Seriosität der Firma A sicher davon ausgegangen, dass diese – wie vereinbart - einen Anspruch von 1.000.000,00 € werde substantiiert darstellen können. Leider sei die Firma A dieser Verpflichtung nicht nachgekommen und habe abredewidrig die Bürgschaft gezogen und das Resthonorar einbehalten. Ihr, Klägerin, sei es angesichts der dadurch eingetretenen Situation nicht möglich, erfolgversprechend gegen die Firma A gerichtlich vorzugehen: Da die Firma A die Sicherheiten nur bei Schadenersatzansprüchen von 1.000.000,00 € und mehr freizugeben hätte, müsste sie in einem Prozess Ansprüche der Firma A in dieser Höhe behaupten, wodurch sie sich aber dem Vorwurf der Obliegenheitsverletzung durch die Beklagte aussetzen würde; würde sie andererseits vortragen, dass sich die Gewährleistungsansprüche auf einen Betrag unter 1.000.000,00 € beliefen, wäre ihre Klage unschlüssig, da in diesem Fall dieser Betrag als „Prämie“ für die vereinbarte Haftungsdecklung geschuldet wäre.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der Sitzung sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
    Die Klägerin hat der Firma A AG, vertreten durch den Vorstand Dipl.-Ing. N und Dipl.-Ing. I, P-Platz, ####1 Essen, den Streit verkündet. Dieser ist die Streitverkündungsschrift am 14.03.2011 zugestellt worden.
    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
    Die zulässige Klage ist unbegründet.
    Ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin für die Klage ist zu bejahen. Da die Beklagte zur Zahlung des eingeklagten Betrages nicht bereit ist, kann die Klägerin diesen ihren vermeintlichen Anspruch nicht auf andere Weise als durch Klageerhebung durchsetzen.
    Die Klage ist jedoch unbegründet.
    Die Beklagte ist aufgrund des von der Klägerin bei ihr abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages jedenfalls derzeit nicht verpflichtet, an die Klägerin Zahlungen zu erbringen bzw. als Minus diese von Zahlungsverpflichtungen freizustellen. Die Beklagte kommt nämlich ihren Pflichten aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag dadurch nach, dass sie gegenüber der Firma A die Ansprüche abgewehrt hat und auch weiterhin bereit ist, der Klägerin im Fall, dass ein Haftpflichtprozess geführt werden muss, Rechtsschutz zu gewähren.
    Gemäß § 3 III 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden AHB umfasst die Leistungspflicht des Versicherers die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Ansprüche sowie den Ersatz der Entschädigung, die der Versicherungsnehmer aufgrund eines vom Versicherer abgegebenen oder genehmigten Anerkenntnisses, eines von ihm geschlossenen oder genehmigten Vergleichs oder einer richterlichen Entscheidung zu zahlen hat. Damit korrespondieren Obliegenheiten gemäß § 5 AHB, die der Versicherungsnehmer im Schadenfall zu beachten hat, wie die unverzügliche Anzeige des Versicherungsfalles, die Aufklärungs- und Unterstützungspflicht gegenüber dem Versicherer sowie die Pflicht, diesem die Prozessführung zu überlassen.
    Der Versicherer schuldet demnach dem Versicherungsnehmer im Versicherungsfall Schutz gegen Schadenersatzansprüche dritter Personen. Wird der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen, so hat der Versicherer mit Unterstützung des Versicherungsnehmers die Haftpflichtfrage zu prüfen. Zu welchem Ergebnis er dabei kommt, ist im Rahmen einer sachlich vertretbaren Ermessensspanne grundsätzlich seine Angelegenheit. Insoweit ist ihm eine umfassende Geschäftsführungsbefugnis eigener Art eingeräumt. § 3 III AHB zeigt, dass der Versicherungsschutz zwei ihrer Qualität nach gleichwertige Funktionen hat, nämlich die Befreiung von begründeten Ansprüchen und die Abwehr unbegründeter Schadenersatzansprüchen durch Gewährung von Rechtsschutz. Beide Funktionen sind Ausfluss des einheitlichen Versicherungsanspruchs des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer (vgl. zu dem Ganzen: Schmal/Krause-Allenstein, Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und Bauunternehmers, 2. Auflage, Rn 69 ff.; Prölss/Martin/ Voit/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 3 AHB, Rn 2 ff.). Dem entspricht, dass nach allgemeiner Meinung der Versicherungsnehmer grundsätzlich nur auf Feststellung klagen kann, dass der Versicherer ihm wegen einer Haftpflichtforderung Versicherungsschutz zu gewähren habe. Mit diesem Grundsatz ist die neuere Auffassung (Prölss/Martin/Lücke, VVG, 28. Aufl., § 100 Rn 2), wonach jede falsche Entscheidung und nicht nur ein Ermessenfehlgebrauch des Versicherers objektiv einen Pflichtenverstoß darstellt, nicht in Einklang zu bringen. Würde man dieser Ansicht folgen, könnte der Versicherungsnehmer, der sich zu Recht von einem Dritten in Anspruch genommen sieht, immer direkt auf Freistellung von Haftpflichtansprüchen klagen, mit der Folge, dass im Rahmen des Deckungsprozesses auch die Haftpflichtfrage zu prüfen wäre – eine Konsequenz, die dem Trennungsprinzip zuwiderläuft.
    Vorliegend hat die Beklagte vorprozessual geprüft, ob der Firma A Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin zustehen und hat dies verneint. Vor diesem Hintergrund hat sie konsequenterweise der Klägerin Rechtsschutz für den zu führenden Haftpflichtprozess gewährt. Dass die prozessuale Situation gegenüber der Firma A für die Klägerin infolge der von ihr mit dieser aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus ohne Einschaltung der Beklagten getroffenen Vereinbarung vom 23.11.2007 schwierig ist, ist ihr Risiko, das sie in eigener Verantwortung eingegangen ist und das sie nunmehr nicht auf die Beklagte abwälzen kann.
    Die Klage ist daher unbegründet.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.