02.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122365
Amtsgericht Gummersbach: Urteil vom 15.11.2011 – 15 C 151/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Amtsgericht Gummersbach
15 C 151/11
Tenor:
Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gegen diese Entscheidung wird das Rechtsmittel der Berufung zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte, bei der er eine Kaskoversicherung für seinen Pkw Audi A3 TDI, amtliches Kennzeichen PKW, abgeschlossen hat, auf Zahlung des Restbetrages wegen eines Kaskoschadens vom 22.04.2011 in Anspruch.
Der Kläger war mit dem Fahrzeug auf ein vor ihm stehendes Kraftrad aufgefahren, wodurch die Stoßfängereinheit, das Frontiergitter, die Motorhaube sowie die Nebelscheinwerfer rechts beschädigt wurden. Er holte einen Kostenvoranschlag der Firma Autolackiererei N. GmbH vom 26.04.2011 ein, nachdem die voraussichtlichen Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer 2.047,30 EUR betragen.
Die Beklagte holte bezüglich des Kaskoschadens ein Gutachten der Dipl.Ing. M. GmbH vom 27.04.2011 ein, in dem die Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer auf 1.598,96 EUR beziffert werden. Auf dieser Grundlage leistete sie an den Kläger unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung von 300,-- EUR einen Betrag in Höhe von 1.298,96 EUR netto.
Der Kläger rechnet fiktiv auf der Grundlage des Kostenvoranschlags der Firma N. GmbH ab, nach dem es erforderlich ist, die angrenzenden Kotflügel zu lackieren, um Farbübergangsdifferenzen zu vermeiden.
Mit Schreiben vom 25.05.2011 forderte der Kläger die Beklagte unter Vorlage eines weiteren Kostenvoranschlags der Audi-Fachwerkstatt T. vom 10.05.2011 zur Zahlung von 448,34 EUR auf. Daraufhin ließ die Beklagte den Vorgang von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. G. überprüfen, der in seiner Stellungnahme vom 08.06.2011 ausführt, dass die in dem Gutachten des Sachverständigen M. angegebenen Reparaturkosten zur sach- und fachgerechten Beseitigung des eingetretenen Unfallschadens ausreichend seien. Es sei nicht erforderlich, dass die Kotflügel mitlackiert werden.
Der Kläger behauptet, dass eine Farbtonangleichung durch Einlackieren der beiden angrenzenden Kotflügel reparaturtechnisch unbedingt erforderlich sei. Er verweist auf die allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB), Stand 01.09.2010. Unter Hinweis auf M.1.3 der AKB vertritt er die Ansicht, dass keine Vorrangigkeit der Einleitung eines Sachverständigenverfahrens gegenüber einem Beschreiten des Rechtsweges bestehe. Diese ergebe sich auch nicht aus A.2.19 der AKB. Zudem wären die Klauseln für den Fall einer durch Auslegung ermittelten Vorrangigkeit unwirksam.
Der Beklagten sei es verwehrt, sich auf den Einwand der Vorrangigkeit zu berufen, weil sie ihn außergerichtlich nicht darauf hingewiesen habe. Außerdem habe er davon ausgehen dürfen, dass nach Einschalten des weiteren Gutachters Herrn G. die Voraussetzungen der Regelung unter A.2.19 erfüllt seien.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 448,34 EUR sowie außergerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 83,54 EUR nebst Zinsen aus dem vorgenannten Beträgen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.06.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen.
Sie meint, dass die Klage bereits abweisungsreif sei, weil bei dem Streit über die Schadenshöhe das vorrangig durchzuführende Sachverständigenverfahren nicht durchgeführt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 18.10.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sind nicht gegeben. Insbesondere wurde das rechtliche Gehör des Klägers nicht verletzt.
Die zulässige Klage ist derzeit unbegründet.
Ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung der geltend gemachten weiterer Kaskoentschädigung ist noch nicht fällig. Die Beklagte hat sich in der Klageerwiderung auf die Nichtdurchführung des nach den AKB vorgesehenen Sachverständigenverfahrens und damit auf die fehlende Entscheidung eines Sachverständigenausschusses gemäß A.2.19. der AKB berufen. Die von dem Kläger zur Akte gereichten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB), Stand 01.09.2010, sind vorliegend unstreitig wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Nach A.2.19.1 entscheidet bei einer Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswerts oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten ein Sachverständigenausschuss. Wenn ein Sachverständigenverfahren vereinbart worden ist, so wird vor dessen Abschluss der Entschädigungsanspruch nicht fällig, § 14 I VVG (Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 84 Rdnr. 32; Pröls/Martin, aaO, AKB 2008 A.2.17 Rdnr.2).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus M.1.3 der AKB. M.1.3 enthält bereits dem Wortlaut nach den eindeutigen Hinweis, dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens in der Fahrzeugversicherung das Sachverständigenverfahren nach A.2.19 der AKB zu beachten ist. Aus dem Wortlaut und Sinnzusammenhang der AKB ergibt sich eindeutig, dass in den unter A.2.19.1 aufgeführten Fallgestaltungen vorrangig das Sachverst ändigenverfahren vor Einleitung des Klageverfahrens durchzuführen ist. Der Formulierung in A.2.19.1 ist zu entnehmen, dass unter Einhaltung der näher dargelegten Modalitäten, der Sachverständigenausschuss entscheidet. Die gegenteilige Auffassung des Klägers, dass er entweder den Rechtsweg beschreiten oder zunächst außergerichtlich die Beklagte darum bitten könne, das Sachverständigenverfahren einzuleiten, entbehrt bereits dem Wortlaut nach einer Grundlage in den AKB. Das Sachverständigenverfahren und die Einzelheiten seiner Ausgestaltung werden in aller Regel in den AVB vereinbart. Diese werden nicht als überraschend angesehen, Anhaltspunkte dafür, dass sie einer Inhaltskontrolle nicht standhalten, sind nicht ersichtlich (vgl. Prölss/Martin, aaO, § 84 VVG Rdnr. 5). Auch die Kostenregelung in A.2.19.4 hält einer Wirksamkeitskontrolle stand (vgl. Prölss/Martin, VVG, AKB 2008, A.2.17 Rdrn. 7). Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist der Versicherer auch nicht gehindert, sich erst im Prozess auf die vorherige Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zu berufen (AG Düsseldorf, Urteil vom 04.01.2010, Az.: 231 C 11625/09). Vorliegend hat die Beklagte die Regulierung nicht schon dem Grunde nach abgelehnt und sie hat ihrerseits den Kläger vorher auch nicht auf den Klageweg verwiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sie nach § 128 VVG, der eine Sonderregelugung für die Rechtsschutzversicherung enthält, nicht verpflichtet, prozessual auf das Sachverständigenverfahren, das nach den AKB vorgesehen ist, hinzuweisen.
Mangels Fälligkeit des etwaigen Anspruchs auf eine weitere Entschädigungsleistung ist die Klage derzeit unbegründet. Mangels Fälligkeit der Hauptforderung und mangels Verzugs ist auch der geltend gemachte Anspruch auf die Nebenforderungen nicht gegeben.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 I ZPO, 708 Nr. 11, 711, 511 ZPO.