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  • 28.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123587

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 01.02.2012 – 20 U 207/11



    1. Hat der Leasingnehmer für das geleaste Fahrzeug eine Kraftfahrzeugvollkaskoversicherung abgeschlossen, kommt es bei einem Totalschaden des Fahrzeugs für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer allein auf die Verhältnisse des Leasinggebers an (hier: der zum Vorsteuerabzug berechtigten Gesellschaft).

    2. Dieses Ergebnis bedarf für den Leasingnehmer auch unter Billigkeitsgesichtspunkten keiner Korrektur, da die Versicherungswirtschaft (so auch im konkreten Fall) speziell für Leasingfahrzeuge gegen einen – in der Regel geringen – Aufpreis eine sog. GAP-Versicherung anbietet, mit der die Finanzierungslücke zwischen dem bedingungsgemäß zu erstattenden Wiederbeschaffungswert und dem Abrechnungsbetrag, wie er sich aus dem Leasingvertrag ergibt, geschlossen werden kann.


    Oberlandesgericht Hamm

    I-20 U 207/11

    Tenor:

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

    Gründe:

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung.

    I.

    Der Kläger, der nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, begehrt mit seiner Klage von der Beklagten, bei der er eine Vollkaskoversicherung für ein von der Firma X AG geleastes Fahrzeug unterhält, das aus Anlass eines Verkehrsunfalls vom 18.01.2010 einen Totalschaden erlitten hat, Zahlung des auf den Wiederbeschaffungswert entfallenden Mehrwertsteuerbetrages. Zu Recht hat das Landgericht im angefochtenen Urteil allerdings angenommen, dass dem Kläger dieser Anspruch nicht zusteht, und die Klage deshalb abgewiesen.

    1.

    Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist für die Berechnung der vom Versicherer zu zahlenden Entschädigung (auch und insbesondere im Falle eines Totalschadens) auf die Leasinggeberin – hier die X AG – abzustellen und nicht auf den Leasingnehmer als Versicherungsnehmer – hier den Kläger – (vgl. BGH, Urteil v. 14.07.2003, IV ZR 181/92, RuS 1993, 329; Beschluss v. 30.04.1991, IV ZR 243/90, NJW-RR 1991, 1149; Urteil v. 05.07.1989, IVa ZR 189/88, VersR 1989, 950; Urteil v. 06.07.1988, IV ZR 241/87, VersR 1988, 949). Denn bei der vom Leasingnehmer abgeschlossenen Kaskoversicherung handelt es sich um eine sog. Fremdversicherung i.S.d. §§ 43ff VVG (vormals: §§ 74 ff VVG a.F.) zugunsten der Leasinggeberin, deren Risiko als Eigentümerin durch die Versicherung abgedeckt werden soll. Daraus folgt zwangsläufig, dass im Regelfall – so auch vorliegend – die Verhältnisse des Leasinggebers als Eigentümer maßgeblich sind. Ist dieser – wie vorliegend die X AG – vorsteuerabzugsberechtigt, so bleibt deshalb bei der Berechnung der Wiederherstellungskosten die Mehrwertsteuer gemäß A.2.9 AKB 10/2008 außer Betracht (vgl. BGH a.a.O., insbesondere Beschluss v. 30.04.1991, IV ZR 243/90, NJW-RR 1991, 1149; so auch OLG Köln, Urteil v. 09.11.2004, 9 U 1/04, ZfS 2005, 248; OLG Frankfurt, Urteil v. 19.01.2000, 7 U 1/99, VersR 2000, 1232; vgl. a. Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl., A.2.13 AKB, Rn 37-39 m.w.N.).

    Der Senat übersieht dabei nicht, dass sich dieses Ergebnis aus Sicht des Versicherungsnehmers, der so geschützt sein will, wie er es bei Abschluss einer Kaskoversicherung für ein Fahrzeug wäre, dessen Eigentümer er ist, unbefriedigend darstellen mag. Gleichwohl hat sich der Senat der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Interesse der Rechtseinheit bereits in der Vergangenheit ausdrücklich angeschlossen (vgl. Senatsentscheidung v. 02.11.1994, 20 U 165/94, RuS 1995, 87) und hält daran auch weiterhin fest. Hinzu kommt, dass die Versicherungswirtschaft auf dieses Problem in der Zwischenzeit reagiert hat und speziell für Leasingfahrzeuge gegen einen – in der Regel geringen – Aufpreis eine sog. GAP-Versicherung anbietet, mit der die Finanzierungslücke zwischen dem bedingungsgemäß zu erstattenden Wiederbeschaffungswert und dem Abrechnungsbetrag, wie er sich aus dem Leasingvertrag ergibt, geschlossen werden kann. Von dieser, in den Bedingungen der Beklagten (dort A.2.6.5 AKB 10/2008) sogar ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit hat der Kläger ausweislich des vorgelegten Versicherungsscheins vom 07.01.2010 aber keinen Gebrauch gemacht.

    2.

    Soweit der Kläger auf § 7.1 und § 7.2 des mit der X AG abgeschlossenen Leasingvertrages verweist, wonach mit der Übernahme des Leasingobjektes die Sach- und Preisgefahr, insbesondere die Gefahr des zufälligen Unterganges, des Verlustes, des Diebstahls und der unfallbedingten Beschädigung des Leasingobjektes auf den Leasingnehmer übergeht und darüber hinaus beide Vertragsparteien in einem solchen Fall den Leasingvertrag kündigen können, lässt sich daraus nicht herleiten, dass vorliegend bei der Berechnung der Wiederherstellungskosten ausnahmsweise nicht auf den Leasinggeber sondern auf den Kläger als Leasingnehmer abzustellen wäre. Denn genau diese vertragliche Konstellation hat der Bundesgerichtshof bei seinen Entscheidungen bereits berücksichtigt und ausgeführt, dass dem von ihm gefundenen Ergebnis gerade nicht entgegenstehe, dass infolge entsprechender Regelungen das Sacherhaltungsinteresse des Leasing- bzw. Versicherungsnehmers mitversichert sei. Denn die Kaskoversicherung stehe allein für den Sachschaden ein, der aber den Betrag nicht übersteigen könne, den die Leasinggeberin für den Erwerb eines Neuwagens aufbringen müsse. Also komme es allein auf die Verhältnisse der Leasinggeberin an (so ausdrücklich: BGH, Urteil v. 14.07.2003, IV ZR 181/92, Zitat nach juris, Tz 7 = RuS 1993, 329). Werde nach den üblichen Leasingbedingungen im Fall des Totalschadens der Vertrag – wie auch vorliegend – gekündigt, könne ohnehin mangels eines Leasingvertrages nur noch der Leasinggeber selbst als der geschädigte Eigentümer ein Ersatzfahrzeug anschaffen, das rechtlich gesehen als Ersatzfahrzeug im Sinne der Wiederherstellungsklausel in Betracht kommen könne. Dementsprechend sei auch unter diesem Gesichtspunkt bei der Berechnung der Entschädigungsleistung auf den Leasinggeber abzustellen (vgl. BGH a.a.O., Tz 13). Anderes könne allenfalls bei der in Leasingfällen unüblichen – und vorliegend auch nicht gegebenen (vgl. § 7 des Leasingvertrages) – Vertragsgestaltung erwogen werden, dass der Leasingnehmer bei Totalschaden oder Verlust die Pflicht habe, auf eigene Kosten dem Leasinggeber ein „Ersatzfahrzeug“ zu stellen (vgl. BGH a.a.O.).

    3.

    Soweit der Kläger schließlich auf die Entscheidung OLG Hamm, NJW-RR 2003, 774 (Urteil v. 09.12.2002, 6 U 98/02) verweist, übersieht er, dass sich diese allein zu den Ansprüchen des Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners verhält, also zu einer mit der vorliegenden schon im Ansatz nicht vergleichbaren Haftungskonstellation.

    II.

    Auf die Gebührenermäßigung bei Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.