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  • 31.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130329

    Landgericht Dortmund: Urteil vom 02.01.2013 – 2 O 213/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Dortmund

    2 O 213/12

    Tenor:

    Es wird fest­ge­stellt, dass das Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis zwi­schen dem Klä­ger und der Be­klag­ten zur Ver­si­che­rungs­schein­num­mer ###.######### durch den Rück­tritt der Be­klag­ten vom 09.03.2012 nicht be­en­det ist, son­dern un­ver­än­dert fort­be­steht.

    Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te.

    Das Urteil ist gegen Si­cher­heits­leis­tung in Höhe von 120 % des je­weils zu voll­stre­cken­den Be­tra­ges vor­läu­fig voll­streck­bar.

    T a t b e s t a n d

    Die Par­tei­en strei­ten über die Frage, ob ein zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ner Kran­ken­ver­si­che­rungs­ver­trag fort­be­steht.

    Mak­ler­ver­trag ge­schlos­sen hatte. Auf Seite 2 des von dem Zeu­gen A ver­wand­ten An­trags­for­mu­lars vom 20.11.2009 fin­det sich ober­halb der Ge­sund­heits­fra­gen der Hin­weis: „Bitte be­ant­wor­ten Sie diese wahr­heits­ge­mäß und voll­stän­dig. Die Ver­let­zung der An­zei­ge­pflicht kann z.B. dazu füh­ren, dass Sie kei­nen Ver­si­che­rungs­schutz haben, der Ver­si­che­rer den Ver­trag kün­digt, zu­rück­tritt oder an­fech­tet. Be­ach­ten Sie hier­zu bitte die Er­läu­te­run­gen zur vor­ver­trag­li­chen An­zei­ge­pflicht/ Hin­wei­se auf die Fol­gen einer An­zei­ge­pflicht­ver­let­zung (auf Seite 1 von 1 *Er­gän­zen­de Mit­tei­lung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Fol­gen einer Ver­let­zung der ge­setz­li­chen An­zei­ge­pflicht).“

    Die Ge­sund­heits­fra­gen sind im We­sent­li­chen von dem Klä­ger ver­neint wor­den, auch die­je­ni­ge nach Krank­hei­ten und Be­schwer­den in den letz­ten 5 Jah­ren. Bei der Frage nach am­bu­lan­ten Be­ra­tun­gen, Be­hand­lun­gen und Unter­su­chun­gen gab der Klä­ger den Ver­dacht einer Harn­weg­in­fek­tion an. Bei der Frage nach zahn­ärzt­li­chen und zahn­pro­the­ti­schen Be­hand­lun­gen gab der Klä­ger das Set­zen zweier Im­plan­ta­te an.

    Le­dig­lich in der Ge­sund­heits­fra­ge 6.3. ist die Be­klag­te na­ment­lich ge­nannt. In die­ser heißt es wie folgt:

    „An­zahl der er­setz­ten oder über­kron­ten Zähne? (beim E Sind Zähne seit mehr als fünf Jah­ren er­setzt?) (D- An­zahl der mit künst­li­chen Zäh­nen, Brü­cken, Kro­nen, Zahn­pro­the­sen ver­sorg­ten Zähne, wenn der Zahn­er­satz älter als 10 Jahre ist? (BK/UKV 6 Jahre?) (Bei J ge­nau­e Al­ters­an­ga­be des Zahn­er­sat­zes, bitte bei er­gän­zen­den An­ga­ben (H) ein­tra­gen).“

    Ober­halb der Unter­schrifts­zei­le sind die Fel­der „Er­gän­zen­de Mit­tei­lung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Fol­gen einer Ver­let­zung der ge­setz­li­chen An­zei­ge­pflicht habe ich mit­tels Daten­über­tra­gung er­hal­ten“ an­ge­kreuzt.

    In einer auf einem ge­son­der­ten Blatt be­find­li­chen „Er­gän­zen­den Mit­tei­lung zum An­trag für Kran­ken-, Pfle­ge-, Le­bens- und Un­fall­ver­si­che­rung“, deren Emp­fang durch den Klä­ger zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist, heißt es unter „3. Ver­trags­än­de­rung“ wie folgt:

    „Kann der Ver­si­che­rer nicht zu­rück­tre­ten oder kün­di­gen, weil er den Ver­trag auch bei Kennt­nis der nicht an­ge­zeig­ten Ge­fahr­um­stän­de, wenn auch zu an­de­ren Be­din­gun­gen ge­schlos­sen hätte, wer­den die an­de­ren Be­din­gun­gen auf Ver­lan­gen des Ver­si­che­rers Ver­trags­be­stand­teil. Haben Sie die An­zei­ge­pflicht fahr­läs­sig ver­letzt, wer­den die an­de­ren Be­din­gun­gen rück­wir­kend Ver­trags­be­stand­teil. Wenn Sie die An­zei­ge­pflicht schuld­los ver­letzt haben, steht dem Ver­si­che­rer das Recht zur Ver­trags­än­de­rung nicht zu.“

    Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die Ab­lich­tung der „Er­gän­zen­den Mit­tei­lung zum An­trag für Kran­ken-, Pfle­ge-, Le­bens- und Un­fall­ver­si­che­rung“ (Bl. 57 d. A.) Bezug ge­nom­men.

    Die Be­klag­te po­li­cier­te die be­an­trag­ten Ta­ri­fe. Wegen der Ein­zel­hei­ten des An­trags­for­mu­lars sowie des Ver­si­che­rungs­scheins wird auf die An­la­gen B 1 und B 2 zum Schrift­satz der Be­klag­ten vom 16.07.2012 Bezug ge­nom­men.

    Der Klä­ger reich­te bei der Be­klag­ten einen Heil- und Kos­ten­plan des Zahn­arz­tes T vom 02.12.2011 für die An­fer­ti­gung eines Zahn­er­sat­zes ein. Mit Schrei­ben vom 19.12.2011 stell­te die Be­klag­te Nach­fra­gen bei Herrn T. Die­ser ant­wor­te­te mit Schrei­ben vom 23.01.2012, dass der Klä­ger unter Bor­re­lio­se leide und erst nach­dem die Krank­heit über­stan­den und si­cher­ge­stellt sei, dass der Heil- und Kos­ten­plan durch­ge­führt wer­den könne, er das Ver­si­che­rungs­schrei­ben aus­fül­le.

    Mit Schrei­ben vom 09.03.2012 trat die Be­klag­te vom Ver­trag mit der Be­grün­dung zu­rück, dass der Klä­ger Be­hand­lun­gen in den Jah­ren 2007, 2008 und 2009 wegen Bron­chi­tis, Si­nu­si­tis, Kopf­schmer­zen, Ge­lenk­schmer­zen und Bor­re­lio­se nicht an­ge­ge­ben habe.

    Der Klä­ger macht gel­tend, er habe sich nur ver­ein­zelt wegen Bron­chi­tis und Kopf­schmer­zen mit­tels Na­tur­heil­ver­fah­ren be­han­deln las­sen; es han­de­le sich um ty­pi­sche Ba­ga­tell­er­kran­kun­gen. Fer­ner seien die Si­nu­si­tis und die Ge­lenk­schmer­zen an­ge­sichts des ge­ring­fü­gi­gen Be­hand­lungs­auf­wands als Ba­ga­tell­er­kran­kun­gen ein­zu­stu­fen. Er habe sich un­mit­tel­bar vor An­trag­stel­lung einem Ge­sund­heits­check bei sei­nem Haus­arzt unter­zo­gen, der ihm be­stä­tigt habe, dass er nur so „vor Ge­sund­heit strot­ze“.

    Der Klä­ger ist der An­sicht, die An­trags­fra­gen seien der Be­klag­ten nicht zu­zu­rech­nen, da die Be­fra­gung der von ihm be­auf­trag­te Mak­ler unter Ver­wen­dung eines von der G GmbH ver­trie­be­nen For­mu­lars durch­ge­führt habe.

    Der Klä­ger be­an­tragt,

    fest­zu­stel­len, dass das Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis zwi­schen dem Klä­ger und der Be­klag­ten zur Ver­si­che­rungs­schein­num­mer ###.#########durch den Rück­tritt der Be­klag­ten vom 09.03.2012 nicht be­en­det ist, son­dern un­ver­än­dert fort­be­steht.

    hilfs­wei­se, fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem Klä­ger Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen im Hin­blick auf die zahn­ärzt­li­che Be­hand­lung, deren vo­raus­sicht­li­cher Um­fang sich aus dem Kos­ten­vor­an­schlag des Zahn­arz­tes T vom 02.12.2011 er­gibt, gemäß des durch Rück­tritt be­en­de­ten Ver­trags­ver­hält­nis­ses zur Nr. ###.######### zu er­brin­gen.

    Die Be­klag­te be­an­tragt,

    die Klage ab­zu­wei­sen.

    Sie be­haup­tet, sie hätte bei Kennt­nis des wah­ren Sach­ver­halts bei der Ri­si­ko­prü­fung den An­trag ab­ge­lehnt. Sie ist der An­sicht, maß­geb­lich aus der Ge­sund­heits­fra­ge 6.3. er­ge­be sich, dass die Ge­sund­heits­fra­gen in dem An­trags­for­mu­lar von der Mak­ler­ge­sell­schaft mit ihr ab­ge­stimmt seien. Aus der Fra­ge­stel­lung gehe her­vor, dass die Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten teil­wei­se über­ein­stim­men­de, teil­wei­se dif­fe­rie­ren­de Fra­gen haben, wes­we­gen die Fra­gen auch als Fra­gen des je­wei­li­gen Ver­si­che­rers er­schei­nen wür­den. Sie nimmt in­so­weit ins­be­son­de­re Bezug auf eine Ent­schei­dung des Land­ge­richts Tü­bin­gen vom 23.11.2011 – 4 O 124/11 (An­la­ge B 19).

    Sie be­haup­tet, der Klä­ger habe die „Er­gän­zen­de Mit­tei­lung zum An­trag für Kran­ken-, Pfle­ge-, Le­bens- und Un­fall­ver­si­che­rung“ er­hal­ten. Sie ist der An­sicht, es rei­che aus, wenn der Zeuge A die Be­leh­rung nach § 19 Abs. 5 VVG er­hal­ten habe.

    Sie ist fer­ner der An­sicht, hin­sicht­lich des Hilfs­an­tra­ges fehle es an einem Fest­stel­lungs­in­te­res­se, da nach Mit­tei­lung von Herrn T mit der Be­hand­lung auf­grund der Bor­re­lio­se nicht be­gon­nen wer­den könne, so dass eine Leis­tungs­pflicht erst nach Vor­la­ge eines neuen Heil- und Kos­ten­plans ge­prüft wer­den könne.

    Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die ge­wech­sel­ten Schrift­sät­ze nebst An­la­gen Bezug ge­nom­men.

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

    Die zu­läs­si­ge Klage ist be­grün­det.

    Der zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Kran­ken­ver­si­che­rungs­ver­trag ist nicht durch die Rück­tritts­erklä­rung der Be­klag­ten rück­wir­kend auf­ge­ho­ben wor­den.

    I.

    Auf den zwi­schen den Par­tei­en im Jahr 2009 ge­schlos­se­nen Kran­ken­ver­si­che­rungs­ver­trag fin­den die Vor­schrif­ten des VVG 2008 An­wen­dung, da der Ver­trag nach dem 31.12.2007 zu­stan­de ge­kom­men ist (Art. 12 VVG – Re­form­ge­setz vom 23.11.2007, BGBl. I S. 2631).

    II.

    Das zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Ver­trags­ver­hält­nis ist nicht durch den Rück­tritt der Be­klag­ten be­en­det wor­den, da der Be­klag­ten ein Rück­tritts­recht nicht zu­stand. Der Be­klag­ten stand ein Rück­tritts­recht nicht zu, da es zum Einen an den er­for­der­li­chen Ge­sund­heits­fra­gen des Ver­si­che­rers fehlt, zum An­de­ren liegt keine ord­nungs­ge­mä­ße Be­leh­rung über die Fol­gen einer vor­ver­trag­li­chen An­zei­ge­pflicht­ver­let­zung vor.

    1.

    Nach § 19 Abs. 2 VVG kann der Ver­si­che­rer vom Ver­trag zu­rück­tre­ten, wenn der Ver­si­che­rungs­neh­mer seine An­zei­ge­pflicht nach Ab­satz 1 ver­letzt hat. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG hat der Ver­si­che­rungs­neh­mer bis zur Ab­ga­be sei­ner Ver­trags­erklä­rung die ihm be­kann­ten Ge­fahr­um­stän­de, die für den Ent­schluss des Ver­si­che­rers, den Ver­trag mit dem ver­ein­bar­ten In­halt zu schlie­ßen, er­heb­lich sind und nach denen der Ver­si­che­rer in Text­form ge­fragt hat, dem Ver­si­che­rer an­zu­zei­gen. Vo­raus­set­zung für eine An­zei­ge­pflicht des Ver­si­che­rungs­neh­mers ist dem­nach, dass Fra­gen des Ver­si­che­rers vor­lie­gen, da – an­ders als nach altem Recht (§§ 16 f. VVG a.F.) – keine spon­ta­ne An­zei­ge­pflicht mehr be­steht.

    Vor­lie­gend sind die Ge­sund­heits­fra­gen nicht von der Be­klag­ten, son­dern von dem Zeu­gen A als Mak­ler ge­stellt wor­den. Nach der Recht­spre­chung des OLG Hamm (vgl. Urteil v. 03.11.2010 – 20 U 38/10 in VersR 2011, 469 ff.), der sich die Kam­mer be­reits mit Urteil vom 24.02.2012 – Az.: 2 O 144/11 (r + s 2012, 426 ff.) an­ge­schlos­sen hat, sind Fra­gen eines In­te­res­sen­ver­wal­ters und rechts­ge­schäft­li­chen Ver­tre­ters des Ver­si­che­rungs­neh­mers den Fra­gen des Ver­si­che­rers grund­sätz­lich nicht gleich­zu­stel­len, da dies letzt­lich eine Wie­der­ein­füh­rung der spon­ta­nen An­zei­ge­pflicht be­deu­ten würde. Die An­nah­me von Fra­gen des Ver­si­che­rers – trotz Stel­lung durch einen Mak­ler – kommt nur dann in Be­tracht, wenn sich der Ver­si­che­rer die Fra­gen des Mak­lers „zu Eigen macht“. Für ein „zu Eigen ma­chen“ reicht es, wie die Kam­mer be­reits in ihrer Ent­schei­dung vom 24.02.2012 aus­ge­führt hat, nicht aus, dass die Fra­gen in­halt­lich auf den Ver­si­che­rer zu­rück­ge­hen, son­dern es ist viel­mehr er­for­der­lich, dass das Zu­rück­ge­hen auf den Ver­si­che­rer auch für den Ver­si­che­rungs­neh­mer er­kenn­bar ist (vgl. auch Karczewski, r + s 2012, 521 (524)). Denn würde man das in­halt­li­che Zu­rück­ge­hen der Fra­gen auf den Ver­si­che­rer ohne Er­kenn­bar­keit für den Ver­si­che­rungs­neh­mer aus­rei­chen las­sen, würde der Sinn des Ge­set­zes, dem Ver­si­che­rungs­neh­mer das Ri­si­ko einer Fehl­ein­schät­zung hin­sicht­lich Ge­fahr­re­le­vanz ab­zu­neh­men, nicht er­füllt wer­den.

    Eine sol­che Er­kenn­bar­keit kann im vor­lie­gen­den Fall nur bei sol­chen Fra­gen an­ge­nom­men wer­den, in denen die Be­klag­te als Ver­si­che­rer aus­drück­lich ge­nannt ist. Nur bei die­sen Fra­gen ist für den Klä­ger als Ver­si­che­rungs­neh­mer er­kenn­bar ge­we­sen, dass es sich nicht nur um Fra­gen sei­nes Mak­lers han­del­te, son­dern dass diese Fra­gen Re­le­vanz für sei­nen Ver­si­che­rer haben. Eine sol­che aus­drück­li­che Be­zug­nah­me auf die Be­klag­te fin­det sich je­doch al­lein unter Zif­fer 6.3. der Ge­sund­heits­fra­gen, in der nach der An­zahl der über­setz­ten und über­kron­ten Zähne ge­fragt wird. Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten er­gibt sich aus der Tat­sa­che, dass die Be­klag­te in der Ge­sund­heits­fra­ge 6.3. aus­drück­lich ge­nannt ist, nicht für den Ver­si­che­rungs­neh­mer ein­deu­tig, dass auch die an­de­ren Fra­gen auf die Be­klag­te zu­rück­zu­füh­ren sind. Das Gericht folgt insoweit nicht der Ansicht des Landgerichts Tübingen (Urteil v. 23.11.2011 - 4 O 124/11), das in der genannten Entscheidung die Ansicht vertreten hat, die Gesundheitsfragen würden dem Versicherungsnehmer als Fragen des Versicherers erscheinen. Die feh­len­de Nen­nung der Be­klag­ten in den üb­ri­gen Fra­gen lässt vielmehr den Schluss zu, dass diese Fra­gen für die Be­klag­te nicht von Re­le­vanz sind.

    Hin­sicht­lich der Frage 6.3. liegt je­doch keine „Falsch­be­ant­wor­tung“ durch den Klä­ger vor. Hin­sicht­lich der üb­ri­gen Fra­gen liegt be­reits kein „zu Eigen ma­chen“ durch die Be­klag­te vor, so dass eine An­zei­ge­pflicht­ver­let­zung wegen der feh­len­den An­ga­be der Be­hand­lun­gen wegen Bron­chi­tis, Si­nu­si­tis, Kopf­schmer­zen, Ge­lenk­schmer­zen und Bor­re­lio­se man­gels Fra­gen des Ver­si­che­rers nicht in Be­tracht kommt.

    2.

    Ein Rück­tritts­recht steht der Be­klag­ten auch des­halb nicht zu, weil eine ord­nungs­ge­mä­ße Be­leh­rung des Klä­gers über die Fol­gen einer An­zei­ge­pflicht­ver­let­zung gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG nicht ge­ge­ben ist.

    a.

    Der in dem An­trags­for­mu­lar ent­hal­te­ne Hin­wei­s genügt bereits in formeller Hinsicht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Wie die Kammer bereits in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 - 2 O 399/09 (VersR 2010, 465) ausgeführt hat, kann der nach § 19 Abs. 5 VVG erforderliche Hinweis die vom Gesetzgeber beabsichtigte Warnfunktion nur erfüllen, wenn sich der Hinweis von weiteren Textteilen, zwischen denen er eingefügt ist, so deutlich abhebt, dass er von einem durchschnittlichen Antragsteller nicht überlesen wird. Diesen Anforderungen wird der Hinweis bereits nicht gerecht, da er in gleicher Schriftart, Schriftgröße und ohne jede Hervorhebung in das Antragsformular eingebettet worden ist.

    b.

    Eine ord­nungs­ge­mä­ße Be­leh­rung des Klä­gers fin­det sich auch nicht in der „Er­gän­zen­den Mit­tei­lung zum An­trag für Kran­ken-, Pfle­ge-, Le­bens- und Un­fall­ver­si­che­rung“. Zwar ge­nügt diese Mit­tei­lung in for­mel­ler Hin­sicht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen, da sie sich sogar auf einem ge­son­der­ten Blatt be­fin­det und damit ihre Warn­funk­tion er­fül­len kann.

    Der Hin­weis auf die Rechts­fol­gen einer vor­ver­trag­li­chen An­zei­ge­pflicht­ver­let­zung ist je­doch ma­te­riell un­rich­tig, so dass sich die Be­klag­te schon al­lein des­halb nicht auf ein Rück­tritts­recht be­ru­fen kann. Wie die Kam­mer be­reits in den Ent­schei­dun­gen vom 17.12.2009 und vom 10.03.2011 – 2 O 105/10 (NJOZ 2011, 1765) aus­ge­führt hat, er­for­dert § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG eine nicht nur zu­tref­fen­de, son­dern auch unter Be­rück­sich­ti­gung der Warn­funk­tion des Hin­wei­ses mög­lichst um­fas­sen­de, un­miss­ver­ständ­li­che und aus dem Ver­ständ­nis des Ver­si­che­rungs­neh­mers ein­deu­ti­ge Be­leh­rung. Der Hin­weis muss, um sei­ner Warn­funk­tion ge­recht wer­den zu kön­nen, den Ver­si­che­rungs­neh­mer sämt­li­che ihn mög­li­cher­wei­se tref­fen­de Fol­gen, die die­sem bei Aus­übung der Rech­te durch den Ver­si­che­rer dro­hen, ent­hal­ten.

    Die­sen An­for­de­run­gen wird die ge­son­der­te Be­leh­rung nicht ge­recht. Sie ent­hält für den Fall des Rück­tritts den aus­drück­li­chen Hin­weis, dass in die­sem Fall kein Ver­si­che­rungs­schutz be­steht. Für den Fall der Ver­trags­an­pas­sung fin­det sich ein sol­cher aus­drück­li­cher und un­miss­ver­ständ­li­cher Hin­weis je­doch nicht. Die Be­leh­rung über die Rechts­fol­gen der Ver­trags­an­pas­sung be­schränkt sich auf den Hin­weis, dass bei einer fahr­läs­si­gen Ver­let­zung der An­zei­ge­pflicht die an­de­ren Be­din­gun­gen rück­wir­kend Ver­trags­be­stand­teil wer­den. Für den Ver­si­che­rungs­neh­mer ist da­durch je­doch nicht deut­lich, dass auch bei einer Ver­trags­an­pas­sung es zu einem rück­wir­ken­den Ver­lust des Ver­si­che­rungs­schut­zes kom­men kann, wenn die Ver­trags­an­pas­sung als rück­wir­ken­de Ein­fü­gung eines Ri­si­ko­aus­schlus­ses er­folgt. Ins­be­son­de­re der Um­stand, dass bei der Be­leh­rung über die Rechts­fol­gen des Rück­tritts der aus­drück­li­che Hin­weis auf den Ver­lust des Ver­si­che­rungs­schut­zes er­folgt, ver­mit­telt den Ver­si­che­rungs­neh­mer den Ein­druck, es könne bei einer Ver­trags­an­pas­sung nicht zu einem rück­wir­ken­den Ver­lust des Ver­si­che­rungs­schut­zes kom­men. Der Ver­si­che­rungs­neh­mer wird hin­ter der Ver­trags­än­de­rung eher eine Prä­mien­er­hö­hung ver­mu­ten, als die Ein­fü­gung eines Ri­si­ko­aus­schlus­ses mit Rück­wir­kung, wel­cher zu einem Ver­lust des Ver­si­che­rungs­schut­zes für einen schon ein­ge­tre­te­nen Ver­si­che­rungs­fall füh­ren kann (vgl. LG Dort­mund, a.a.O, Tscher­sich in r + s 2012, 53 (57)).

    Eine um­fas­sen­de, un­miss­ver­ständ­li­che und aus dem Ver­ständ­nis eines durch­schnitt­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mers ein­deu­ti­ge Be­leh­rung ist damit nicht ge­ge­ben.

    Die ma­te­riel­le Un­rich­tig­keit der Be­leh­rung über die Rechts­fol­gen der Ver­trags­an­pas­sung hat, wie die Kam­mer in ihrer Ent­schei­dung vom 24.02.2011 - 2 O 250/10 (r + s 2011, 241) be­reits aus­ge­führt hat, zur Folge, dass die Be­klag­te nicht nur die­ses Recht nicht aus­üben kann, son­dern sämt­li­che in § 19 Abs. 2 – 4 VVG ge­nann­ten Rech­te. Be­reits der ein­deu­ti­ge Wort­laut des Ab­sat­zes 5 sieht diese Rechts­fol­ge vor, nach dem „dem Ver­si­che­rer die Rech­te nach den Ab­sät­zen 2 bis 4 nur zu­ste­hen, wenn er den Ver­si­che­rungs­neh­mer durch ge­son­der­te Mit­tei­lung in Text­form auf die Fol­gen der An­zei­gen­pflicht­ver­let­zung hin­ge­wie­sen hat“.

    Die ma­te­riell un­rich­ti­ge Be­leh­rung führt dem­ge­mäß dazu, dass die Be­klag­te das Rück­tritts­recht nicht wirk­sam aus­üben konn­te.

    Da der Be­klag­ten ein Rück­tritts­recht nicht zu­ge­stan­den hat, be­steht der zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Kran­ken­ver­si­che­rungs­ver­trag un­ver­än­dert fort.

    Da der Haupt­an­trag er­folg­reich ist, war über den Hilfs­an­trag nicht mehr zu be­fin­den.

    Die pro­zes­sua­len Neben­ent­schei­dun­gen be­ru­hen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.