16.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132590
Oberlandesgericht München: Urteil vom 04.07.2013 – 29 U 430/13
Die so genannte Kleine Benzinklausel in AGB von Privathaftpflichtversicherungsverträgen zum Ausschluss von Risiken aus dem Gebrauch von Fahrzeugen ist nicht wegen Intransparenz unwirksam.
OLG München
04.07.2013
29 U 430/13
In dem Rechtsstreit
B. e.V.,
- Kläger und Berufungskläger -
gegen
A. AG,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein sowie Richterin am Oberlandesgericht Dr. Holzinger und Richter am Oberlandesgericht Cassardt auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2013
für Recht erkannt:
Tenor:
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger ist eine gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation mit dem Ziel, die Interessen der Versicherten wahrzunehmen. Er ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne § 4 UKlaG unter der laufenden Nummer [...] in der beim Bundesamt der Justiz geführten Liste eingetragen.
Die Beklagte bietet Privathaftpflichtversicherungen an. In ihren Besonderen Bedingungen zum Privat-Haftpflichtversicherungsschutz (vgl. Anl. K 1) verwendet sie die im Klageantrag wiedergegebene so genannte "kleine Benzinklausel". Neben den jeweiligen Besonderen Bedingungen verwendet die Beklagte Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), welche die für alle ihre Haftpflichtversicherungen geltenden Regelungen enthalten (vgl. Anl. K 2). Die AHB werden für die einzelnen Produkte der Privathaftpflichtversicherung jeweils durch die Besonderen Bedingungen ergänzt und zum Teil abgeändert.
Der Kläger ist der Auffassung, die kleine Benzinklausel sei nicht hinreichend verständlich und daher entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent. Auch die Aufteilung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten auf zwei Bedingungswerke, nämlich die AHB (vgl. Anl. K 2) und die Besonderen Bedingungen (vgl. Anl. K 1), verstoße gegen das Transparenzgebot.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, zu unterlassen, nachfolgende oder mit dieser inhaltsgleichen Bestimmungen in Verträgen mit Privatversicherungsverbrauchern einzubeziehen, sowie sich auch die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:
Was gilt hinsichtlich Kraft-, Luft-, Wasserfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern?
(1) Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft-, Wasserfahrzeugs oder Kraftfahrzeuganhängers wegen Schäden, die durch deren Gebrauch verursacht werden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei schon unzulässig, weil der Kläger rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 2 Abs. 3 UKlaG handele; denn die angegriffene Klausel sei nahezu identisch mit der Klausel, die ein vom Kläger empfohlenes Versicherungsunternehmen verwende. Im Übrigen seien weder die Klausel noch deren Standort intransparent.
Mit Urteil vom 20. Dezember 2012 (vgl. WRP 2013, 693 ff.), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt,
das landgerichtliche Urteil dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2013 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Allerdings ist die Klage entgegen der Auffassung der Beklagten nicht wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig.
a) Die Missbrauchsregelung des § 2 Abs. 3 UKlaG steht der Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs schon deshalb nicht entgegen, weil sich diese Vorschrift lediglich auf Ansprüche auf Unterlassung der Zuwiderhandlung gegen Verbraucherschutzgesetze in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bezieht (vgl. § 2 Abs. 1 UKlaG).
Zwar gilt auch für andere Ansprüche das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB; die zur missbräuchlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gemäß § 2 Abs. 1 UKlaG entwickelten Rechtsgrundsätze beruhen gleichfalls auf dem Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung und können daher grundsätzlich auch für vergleichbare Ansprüche fruchtbar gemacht werden (vgl. BGH NJW 2013, 787 [BGH 31.05.2012 - I ZR 106/10]- Ferienluxuswohnung Tz. 15; NJW 2012, 3577 [BGH 31.05.2012 - I ZR 45/11]- Missbräuchliche Vertragsstrafe Tz. 21; jeweils m. w. N.). Im Streitfall besteht indes kein tragfähiger Anlass für die Annahme, die Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs diene vorwiegend nicht der Durchsetzung von Verbraucherinteressen, sondern der Förderung des Mitbewerbers der Beklagten, dessen Versicherungsleistungen der Kläger empfiehlt.
2. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet angesehen.
a) Der Vorwurf der Intransparenz durch Aufspaltung in zwei Bedingungswerke ist schon deshalb nicht geeignet, das klägerische Begehren zu stützen, weil er keinerlei Niederschlag im Klageantrag findet. Dieser ist vielmehr ausschließlich auf die Verwendung der Klausel selbst - unabhängig von deren Standort in der Gesamtheit der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen - gerichtet und erfasst daher auch eine Verwendung in einem einheitlichen Bedingungswerk.
b) Die angegriffene Klausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, so dass dem Kläger nicht gemäß § 1 UKlaG von der Beklagten verlangen kann, deren Verwendung zu unterlassen.
aa) Eine zur Unwirksamkeit einer AGB-Klausel führende unangemessene Benachteiligung kann sich gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei ist im Regelfall auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auch auf seine Interessen abzustellen. Das Versicherteninteresse geht bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht; deshalb sind Risikoausschlussklauseln eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (vgl. BGH, Urt. v. 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, [...], Tz. 40 f. m. w. N.). Das Transparenzgebot verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (vgl. BGH GRUR 2013, 375 [BGH 05.12.2012 - I ZR 23/11]- Missbrauch des Verteilungsplans Tz. 35 m. w. N.). Andererseits besteht die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des Möglichen (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1496 [BGH 20.07.2005 - VIII ZR 121/04] [1505]).
bb) Nach diesen Maßstäben ist die angegriffene Klausel hinreichend klar und verständlich und verstößt deshalb nicht gegen das sich aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebende Transparenzgebot.
Die angegriffene Klausel nimmt vom Versicherungsschutz die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft-, Wasserfahrzeugs- oder Kraftfahrzeuganhängers (im Folgenden: Fahrzeug) wegen Schäden aus, die durch deren Gebrauch verursacht werden. Es muss sich also eine Gefahr verwirklicht haben, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gefahr von der Art des Fahrzeuggebrauchs oder aber beim Gebrauch vom Fahrzeug selbst ausgeht. Entscheidend ist aus der Sicht des verständigen Versicherungsnehmers vielmehr, dass der Anwendungsbereich der Klausel dann und nur dann eröffnet sein soll, wenn sich ein Gebrauchsrisiko gerade des Fahrzeugs verwirklicht und zu einem Schaden geführt hat (vgl. BGH NJW-RR 2007, 464 [BGH 13.12.2006 - IV ZR 120/05] Tz. 9 m. w. N.).
Der Begriff des Fahrzeuggebrauchs eröffnet dem Klauselverwender keinen zur Unklarheit der Klausel führenden Beurteilungsspielraum, der geeignet sein k önnte, die Kunden von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten. Ob es sich um einen Fahrzeuggebrauch handelt, obliegt nicht der Beurteilung des Klauselverwenders, sondern - wenn es zum Streit kommt - der Beurteilung des angerufenen Gerichts. Auch wenn im Einzelfall nicht immer ganz einfach festzustellen ist, ob ein Schaden durch einen Fahrzeuggebrauch verursacht wurde, ist dies nicht die Folge eines unklaren Begriffsverständnisses, sondern beruht auf tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Feststellung des für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalts. Ebenso wenig begründet der Begriff die Gefahr, dass die Kunden von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine solche zur Unklarheit der Klausel führende Gefahr ist nur dann gegeben, wenn die Klausel die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender die Möglichkeit eröffnet, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die Klauselgestaltung abzuwehren (vgl. BGH NJW 2013, 291 [BGH 18.07.2012 - VIII ZR 337/11] Tz. 47). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
Angesichts der hinreichenden Bestimmtheit des verwendeten Begriffs ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht verpflichtet, die möglichen Fälle, die einen Fahrzeuggebrauch im Sinne der Klausel darstellen, aufzuzählen oder näher zu erläutern. Eine Aufzählung aller in Betracht kommenden Varianten würde die Gefahr der Unvollständigkeit in sich bergen und ist im Ergebnis auch weder möglich noch zumutbar. Ebenso wenig würde eine beispielhaft erläuternde Aufzählung einzelner Gebrauchsfälle zu zusätzlicher Klarheit für die aus sich heraus hinreichend klaren Begriffe des Vorhersehbaren und Vertragstypischen beitragen. Die Abgrenzungsfrage würde nur verlagert und unter Umständen sogar erschwert, weil derartige Aufzählungen in der Gewichtung der Beispiele zusätzlichen Wertungen Raum geben können, die dem an sich geläufigen Verständnis der verwendeten abstrakten Umschreibungen zuwiderlaufen (vgl. BGH NJW 2013, 291 [BGH 18.07.2012 - VIII ZR 337/11] Tz. 45).
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof mit Klauseln der angegriffenen Art bereits mehrfach befasst war (vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2008 - IV ZR 7/07, [...]; NJW-RR 2007, 464 f. [BGH 13.12.2006 - IV ZR 120/05]; NJW 1992, 315 f. [BGH 16.10.1991 - IV ZR 257/90]) und keine Veranlassung gesehen hat, diese als wegen Intransparenz unwirksam anzusehen.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Angesichts der wiederholten Befassung des Bundesgerichtshofs mit Klauseln der angegriffenen Art hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und liegen auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
Zwirlein Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Cassardt Richter am Oberlandesgericht
Dr. Holzinger Richterin am Oberlandesgericht
Verkündet am 4. Juli 2013