· Fachbeitrag · Luftfahrzeug-Kaskoversicherung
Wer ist der Träger des versicherten Sacherhaltungsinteresses?
von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte
In der Luftfahrzeug-Kaskoversicherung ist - wie in der Kfz-Kaskoversicherung - Träger des versicherten Sacherhaltungsinteresses nicht der einzelne Gesellschafter, sondern die rechtlich selbstständige Gesellschaft (hier: der eingetragene Verein). Es ist jedoch regelmäßig das Sachersatzinteresse der Gesellschafter (hier: der Vereinsmitglieder) als mitversichert anzusehen, die gesellschaftsintern dazu berufen sind, das versicherte Luftfahrzeug zu nutzen (hier: zwecks Ausübung des Luftsports). Ist dies der Fall, ist der einzelne Gesellschafter (hier: das Vereinsmitglied) nicht Dritter im Sinne des § 86 VVG. Im Zweifel ist dabei durch Auslegung zu ermitteln, welche Interessen die Parteien als versichert vereinbart haben (OLG Hamm 20 U 191/11, 9.11.11, Abruf-Nr. 121234). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der VN, ein Luftsportverein, hatte für seine Flugzeuge eine Kaskoversicherung abgeschlossen. Ein Vereinsmitglied hatte das ihm überlassene Flugzeug beschädigt. Der VR wollte nach Schadensausgleich den Schädiger in Regress nehmen. Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben:
- Das Vereinsmitglied ist nicht Dritter i.S.d. (mit § 86 Abs. 1 VVG inhaltsgleichen) Ziffer 14.1 AMU 400/02. Dritter ist im Grundsatz jeder, der nicht VN oder (Mit-) Versicherter ist (BGH r+s 08, 286; Prölss/Martin-Prölss, VVG, § 86, Rn. 13 m.w.N.). Es trifft im Ansatz zu, dass der Fahrzeugführer in der Kaskoversicherung (anders als in der Haftpflichtversicherung) grundsätzlich nicht zu den mitversicherten Personen gehört. Denn im Ausgangspunkt ist hier die Kaskoversicherung eine reine Sachversicherung, da sie die Beschädigung, Zerstörung und den Verlust des Luftfahrzeugs umfasst (vgl. Ziff. 9 AMU 400/02). Versichert ist daher regelmäßig (nur) das Sacherhaltungsinteresse des rechtlichen Eigentümers (vgl. BGH a.a.O.).
- Allerdings kann in eine Sachversicherung über das Sacherhaltungsinteresse hinaus zusätzlich auch das Sachersatzinteresse des nutzungsberechtigten Nichteigentümers einbezogen werden. Aufgrund seiner Haftung gegenüber dem Eigentümer beinhaltet dies, nicht wegen Beschädigung oder Verlusts der Sache in Anspruch genommen zu werden. Der BGH (a.a.O.) hat seine anderweitige frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben. Dabei ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, welche Interessen die Parteien als versichert vereinbart haben (BGH a.a.O.). Für die Fahrzeugversicherung hat der BGH diese Frage dahin geklärt, dass auch bei juristischen Personen (und nicht nur, wie zuvor angenommen, lediglich bei Personengesellschaften) das Sachersatzinteresse der Gesellschafter und Geschäftsführer mitversichert ist, die gesellschaftsintern das versicherte Fahrzeug nutzen dürfen. Nichts anderes kann wegen der rechtlich identischen Grundkonstellation bei der Luftfahrzeugversicherung gelten.
- Der Schädiger ist nach diesen Grundsätzen nicht „Dritter“:
- Als Vereinsmitglied war der Schädiger zum Zeitpunkt des Schadensfalls „Gesellschafter“ einer juristischen Person, dem das Flugzeug zur privaten Nutzung überlassen war.
- Für den VR war erkennbar, dass der VN seine Eigentümerbefugnisse nur über natürliche Personen ausüben konnte. Das versicherte Risiko hat sich dadurch also nicht erhöht. Es stand von Anbeginn außer Frage, dass die Flugzeuge nicht vom VN selbst, sondern nur von den vereinsintern dazu berufenen natürlichen Personen in Betrieb genommen werden konnten, die statt des Vereins Umgang mit der jeweiligen Sache hatten.
- Ebenfalls erkennbar war das Interesse des Vereins, nicht in haftungsrechtliche Streitigkeiten mit seinen Mitgliedern und Organen verwickelt zu werden, wenn diese die anvertrauten Luftfahrzeuge beschädigen oder zerstören. Dieser innergesellschaftlichen Interessenlage lässt sich nur durch einen Einschluss des Sachersatzinteresses der Mitglieder und Organe des Vereins, die mit der Sache bestimmungsgemäß in Berührung kommen, in die Luftfahrzeugversicherung gerecht werden.
- Dem steht auch nicht Ziffer 14.3 AMU 400/02 entgegen, wonach der VR Regress nicht in jedem Fall, sondern nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schadenverursachung nimmt, wenn Dritter im Sinne der Ziffer 14.1 AMU 400/02 „ein nach dem Vertrag als berechtigt genannter Luftfahrzeugführer“ ist. Denn dieser kann nicht nur ein Vereinsmitglied, sondern auch ein nicht vereinsangehöriger Mieter oder Luftfahrzeugführer sein, der das Luftfahrzeug mit Einverständnis des Vereins nutzt. Die Klausel behält daher auch dann ihren Sinn, wenn Vereinsmitglieder nicht Dritte sind.
Praxishinweis
Ein Forderungsübergang auf den VR und eine darauf gestützte Regressmöglichkeit kommt nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Schädiger „Dritter“ ist. Nicht übersehen werden darf, dass auch Dritte vor einem Regress geschützt sein können. Dies hat der BGH zur Feuerversicherung bei einem fahrlässig handelnden Mieter für Schäden am Mietobjekt entschieden (BGH VersR 01, 94; BGH VK 06, 202). Begründung war, dass das nach der Interessenlage konkludent im Versicherungsvertrag vereinbart sei. Es überzeugt, dass ein Vereinsmitglied, das in Ausübung seiner diesbezüglichen Rechte mit versichertem, teurem Material umgeht, in gleicher Weise wie ein Mieter schutzwürdig ist. Es wäre deshalb durchaus denkbar gewesen, den Schutz des Vereinsmitglieds über einen Regressverzicht für durch einfache Fahrlässigkeit verursachte Schäden zu gewährleisten.
Das OLG Hamm hat sich, ohne zu hinterfragen, ob ein Vereinsmitglied eher einem Mieter oder einem Gesellschafter gleichsteht, für die große Lösung entschieden. Es hat das Sachersatzinteresse des Vereinsmitglieds als versichert bezeichnet. Folge ist, dass ein Regress nur unter den Voraussetzungen des § 81 VVG in Betracht kommt. Für die Praxis bedeutsam ist die Unterscheidung speziell bei grober Fahrlässigkeit. Beim Mieter greift der Regressverzicht nicht, also voller Regress, bei der Versichertenlösung ist nach § 81 VVG zu quoteln.