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  • · Fachbeitrag · Buchauszug

    Die DSGVO steht dem Anspruch auf Buchauszug nach § 87c Abs. 2 HGB nicht entgegen

    von Rechtsanwalt Kai-Uwe Recker, Kanzlei Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth & Kollegen, München

    | Auch wenn ein Buchauszug Geschäftsgeheimnisse der Versicherung ( § 90 HGB ) und besondere personenbezogene Daten (Art. 9 DSGVO) enthält, ist er für den Versicherungsvertreter auf Verlangen zu erstellen. Dies hat das OLG München klargestellt. Die Argumente des Unternehmens verfingen vor dem OLG nicht. |

    Streit um Buchauszug

    Ein Vertreter stritt sich mit einem Unternehmen über die Erteilung eines Buchauszugs. Das Unternehmen war in erster Instanz vor dem LG München I unterlegen. Vor dem OLG München in der Berufung wandte es neben dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen ein, dass die DSGVO zumindest in Teilen der Erteilung des Buchauszugs entgegenstünde. Zudem ließen sich den Büchern des Unternehmens auch keine Angaben zu Stornierungsgründen und Nachbearbeitungsmaßnahmen sowie zu Dynamikprovisionen entnehmen. Das Unternehmen konnte aber damit beim OLG nicht punkten (OLG München, Urteil vom 31.07.2019, Az. 7 U 4012/17, Abruf-Nr. 211084).

    Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse in § 90 HGB geschützt

    Nach Ansicht des OLG München ist das Interesse des Unternehmens an einem effizienten Schutz vor wettbewerbswidriger Ausnutzung von Geschäftsgeheimnissen im Rahmen von § 87c Abs. 2 HGB irrelevant. Der Schutz ist in § 90 HGB geregelt und wird nun durch das GeschGehG mit Änderungen zum bisherigen § 17 UWG alter Fassung flankiert. Von einer weiteren Begründung sieht das OLG München hier ab.

    DSGVO steht Erteilung des Buchauszugs nicht entgegen

    Auch die DSGVO steht lt. OLG der Erteilung des Buchauszugs nicht entgegen. Dies ist im Ergebnis auch konsequent, weil andernfalls der Buchauszugsanspruch für den Vertreter ins Leere laufen würde. Besondere Klimmzüge waren für die Begründung des OLG München nicht nötig. Lediglich aufgrund der vergleichsweise jungen DSGVO war eine tiefere Auseinandersetzung geboten.

     

    Rechtmäßigkeit der Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO gestützt

    Das OLG München verweist für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO. Dieser deckt die Erteilung des Buchauszugs, weil

    • die Interessen des Vertreters berechtigt sind und
    • die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Personen nicht überwiegen.

     

    Die weiteren Möglichkeiten nach Art. 6 DSGVO greifen hier nicht, so das OLG:

     

    • Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO greift nicht. Denn der Buchauszug ist nicht zur Erfüllung eines Vertrags erforderlich, dessen Partei die betroffene Person ist. Betroffene Person ist jeder Kunde, also Versicherungsnehmer und versicherte Person, weil sich die Daten des Buchauszugs auf diese beziehen. Naturgemäß sind diese Betroffenen nicht Partei des Vertretervertrags.

     

    • Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c DSGVO greift nicht, weil es an einem öffentlichen Interesse für die Erteilung des Buchauszugs fehlt. Es geht um die rein individual-privaten Interessen des Handelsvertreters.

     

    Sehr hohes Interesse an der Erteilung des Buchauszugs

    Das OLG prüft in der Entscheidung die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO genau. Aufgrund seines Vergütungsinteresses muss der Vertreter in die Lage versetzt werden, Abrechnungen und Ansprüche gegenüber dem Unternehmen zu prüfen. Diese Möglichkeit soll über § 87c HGB gewährleistet werden. Dem steht auch nicht ein gegenläufiges Interesse des Unternehmens entgegen. Denn auch sensible Daten sind zu einer auch nur im Ansatz effizienten Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen des Vertreters erforderlich. Der Vertreter hat daher ein sehr hohes bis hin zu einem existenziellen Interesse an der Erteilung des Buchauszugs.

     

    Bei den Abwägungen gegenläufiger Interessen sind auch die Erwägungsgründe als weitere Auslegungshilfe zur DSGVO heranzuziehen. Hier ist für das OLG der Erwägungsgrund Nr. 47 einschlägig. Der Vertreter hatte eben als Vermittler direkten Kontakt zum Versicherungsnehmer/der versicherten Person als Betroffene(n) im Sinne des Datenschutzes. Damit sei es für diese Personen schon absehbar, dass deren Daten vom verantwortlichen Unternehmen verarbeitet und insbesondere auch an den Vertreter weitergeleitet werden. Die hohe Erwartbarkeit spricht für ein überwiegendes Interesse des Vertreters. Dieses findet sich auch in Art. 12 Abs. 2 der Handelsvertreterrichtlinie; dort ist der Anspruch auf Buchauszug garantiert.

     

    Daneben führt das OLG Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO ins Feld. Diese Norm schließt nämlich das ansonsten gegebene Widerspruchsrecht einer betroffenen Person gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten aus; und zwar gilt das dann, wenn die Verarbeitung der Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Verantwortlichen dient.

     

    PRAXISTIPP | Das neuere Datenschutzrecht schafft beim Buchauszug keine völlig neuen Spielregeln. Die Entscheidung des OLG München zeigt jedoch eindrucksvoll, dass eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten stets auf eine Grundlage des Art. 6 DSGVO zurückzuführen sein muss. Soweit besondere personenbezogene Daten im Sinne des Art. 9 DSGVO betroffen sind, gelten die Maßstäbe des Art. 9 Abs. 2 DSGVO für die Berechtigung. Diese könnte sich beim Buchauszug etwa über Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO ergeben, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist.

     

    Inhalt und Umfang des Buchauszugs

    Ein Buchauszug nach § 87c Abs. 2 HGB muss alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszugs über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provision bedeutend sein kann.

     

    Inhaltlich muss der Buchauszug auch nur solche Informationen enthalten, die in den Büchern des Unternehmens enthalten sind. Bezogen auf die begehrten Auskünfte muss das Unternehmen auch hierzu konkret Stellung nehmen.

     

    PRAXISTIPP | Sind einzelne für den Provisionsanspruch relevante Umstände nicht in den Büchern des Unternehmens enthalten, hat der Vertreter die Möglichkeit, den zusätzlichen Auskunftsanspruch nach § 87c Abs. 3 HGB geltend zu machen.

     

    Verjährung des Buchauszugsanspruchs

    Der BGH hatte 2017 entschieden: Der Anspruch des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs verjährt selbstständig in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB).

     

    Die Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs beginnt regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die diesem zustehende Provision erteilt hat (BGH, Urteil vom 03.08.2017, Az. VII ZR 32/17, Abruf-Nr. 196065).

     

    Das OLG stellt unter Bezugnahme auf die neuere BGH-Rechtsprechung um die Verjährung des Buchauszugs fest: Es muss überhaupt zugegangene abschließende Abrechnungen geben, bevor die Verjährung zu laufen beginnen kann. Hierzu hat das Unternehmen nichts vorgetragen. Es steht nicht fest, wann die Verjährungsfrist für den Buchauszugsanspruch zu laufen begann. Daher kann auch nicht festgestellt werden, ob und ggf. wann die Ansprüche verjährten, so das OLG.

    Quelle: ID 47001763