Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · D&O-Versicherung

    Geschäftsführer haftet für unzureichenden Ver-sicherungsschutz ‒ D&O-Versicherer muss zahlen

    von Janina Mundus und Holger Sassenbach, GGW Assekuranzmakler GmbH

    | Die D&O-Versicherung erfüllt verschiedene Zwecke. Einer ist die Absicherung des Managers gegen die Inanspruchnahme durch das Unternehmen. Wie sich der Manager dagegen absichern kann und welche Gestaltungsmöglichkeiten es gibt, wenn der Manager den Versicherungsschutz gar nicht selber in Anspruch nehmen möchte, zeigt ein Urteil des OLG Schleswig. Daraus ergeben sich Handlungsempfehlungen für Vermittler. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem D&O-Schadenfall ein ‒ nur teilweise versicherter ‒ Schaden aus der Sachversicherung zugrunde lag. |

    Um diesen Sachverhalt in der Schadenregulierung ging es

    In einer Bäckerei (Tochtergesellschaft einer Holding-GmbH = spätere Klägerin) hatte es 2018 gebrannt. Der Schaden wurde von der Feuerversicherung nur zum Teil ausgeglichen. Im Jahr 2000 war bei der Aufnahme des Betriebs unter Beteiligung eines Versicherungsmaklers eine Feuerversicherung mit einer Versicherungssumme von 143.000 Euro abgeschlossen worden. Später wechselten sowohl der Makler als auch der Versicherer ‒ und die Feuerversicherung wurde von einer Versicherungsagentur betreut. Der Geschäftsführer der Bäckerei war der Auffassung, dass die Backöfen als „fest eingebaute Bestandteile“ in der Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung versichert seien.

     

    Im Zuge der Regulierung des Brandschadens ermittelte der Sachverständige eine Unterversicherung im Umfang von 61,5 Prozent. Daraufhin erstattete der Versicherer aus dem Gesamtschaden in Höhe von 306.075,82 Euro lediglich 38,5 Prozent = 117.839,19 Euro.

     

    Bäckerei will von D&O-Versicherer Schadenersatz aus abgetretenem Recht

    Die Differenz in Höhe von 188.236,63 Euro verlangte die Bäckerei von ihrem Geschäftsführer als Schadenersatz, weil dieser nicht für einen ausreichenden Versicherungsschutz gesorgt habe. Der Geschäftsführer trat seinen Anspruch gegen den D&O-Versicherer an die Bäckerei ab.

     

    D&O-Versicherer will nicht zahlen

    Der D&O-Versicherer verweigerte eine Zahlung, da dem Geschäftsführer gegenüber keine begründeten Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könnten, die zu einer Zahlung aus der D&O-Versicherung führen würden.

    Der D&O-Prozess: Der D&O-Versicherer muss zahlen

    Die Bäckerei klagte gegen den D&O-Versicherer auf Zahlung eben dieser 188.236,63 Euro und begründete dies damit, der Geschäftsführer habe für ausreichenden Versicherungsschutz sorgen müssen.

     

    Der D&O-Versicherer hielt den Geschäftsführer für nicht zuständig für Versicherungsfragen und bezweifelte das Vorliegen einer Unterversicherung. Selbst wenn es eine Pflicht des Geschäftsführers gegeben hätte, hätte der Geschäftsführer diese nicht schuldhaft verletzt, da ein Versicherungsmakler beteiligt gewesen sei. Schließlich seien Ansprüche gegen den Geschäftsführer verjährt.

     

    OLG nimmt D&O-Versicherer in die Pflicht

    Das LG Kiel hat den D&O-Versicherer antragsgemäß verurteilt. Hiergegen hat der D&O-Versicherer Berufung eingelegt. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen und den D&O-Versicherer für verpflichtet gehalten, der Bäckerei den geltend gemachten Schaden zu erstatten (OLG Schleswig, Urteil vom 26.02.2024, Az. 16 U 93/23, Abruf-Nr. 242939). Es argumentiert wie folgt:

     

    • 1. Durch die Abtretung wandelt sich der Anspruch des Geschäftsführers gegen den Versicherer von der Freistellung von Haftungsansprüchen in einen Zahlungsanspruch um. Durch die Abtretung muss in dem Prozess über die Versicherungsleistung auch inzident die Haftung geprüft werden. Diese Haftung nach § 43 GmbHG hat das OLG bejaht.

     

    • 2. Das OLG sieht als Pflicht des Geschäftsführers die sachgerechte Erfüllung der mit der Führung des Betriebs verbundenen Aufgaben. Dazu gehöre auch, für eine genügende Versicherung des Betriebsvermögens zu sorgen, auch wenn es sich bei versicherungsrechtlichen Angelegenheiten um einen eher randständigen Bereich der alltäglichen Betriebsführung handelt. Dennoch müsse ein Geschäftsführer eine Unterversicherung vermeiden und dafür sorgen, dass die Versicherungssumme bei der Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung dem realen Anlagevermögen entspricht: Eine bei Abschluss der Versicherung bestimmte Versicherungssumme kann nicht ohne weiteres auch in den Folgejahren noch ausreichen. Dies gilt insbesondere dann nicht, wenn es keine Versicherung zum Gleitenden Neuwert ist. Daher muss die Versicherungssumme immer an dem Wert des Betriebsvermögens ausgerichtet werden. Sie ist zudem an die realen Verhältnisse anzupassen.

     

    • 3. Ein Geschäftsführer muss ferner darauf achten, dass nicht bloß die Gebäudeversicherung, sondern die Inhaltsversicherung die gesamte technische und kaufmännische Betriebseinrichtung erfasst, um bei einer Beschädigung der Betriebsmittel auch Leistungen aus der Betriebsunterbrechungsversicherung zu erhalten. Diese ist in der Regel in der Inhaltsversicherung eingeschlossen, nicht aber in der Gebäudeversicherung.

     

    • 4. Ist sich der Geschäftsführer nicht im klaren darüber, was in der Gebäudeversicherung und was in der Inhalts- und Betriebsversicherung versichert sein soll, muss er das prüfen. Fehlt ihm die Sachkunde, muss er einen solchen Rat einholen.
      • a) Das kann ein Versicherungsmakler sein. Dafür muss die Zusammenarbeit fortbestehen. Das war hier nicht der Fall.
      • b) Ein Versicherer bzw. dessen Agentur kann ebenfalls helfen. Dafür muss aber für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar sein, siehe § 6 Abs. 4 S. 1 und Abs. 1 S. 1 VVG oder aber der Versicherungsnehmer bittet um Hilfe bei der Feststellung des Versicherungsbedarfs: Eine solche Bitte hat das OLG Schleswig nicht feststellen können: ein „Hätte-Erkennen-Können“ der Agentur reicht dem OLG Schleswig nicht.
      • c) Somit blieb allein der Geschäftsführer verantwortlich für den Umstand, dass kein Versicherungsschutz bestand.

     

    • 5. Durch dieses Unterlassen erlitt die Bäckerei einen Schaden. Dieser Schaden besteht in der Unterversicherung. Da die Werte dieser Unterversicherung schon im Vorprozess beziffert und verhandelt wurden, hat das OLG Schleswig diese Werte übernommen, zumal die Versicherungssummen in der Gebäudeversicherung vom ursprünglichen Versicherer und die in der Inhaltsversicherung mithilfe des Maklers ermittelt wurden. Die Versuche des D&O-Versicherers, die Öfen als vom Versicherungsschutz umfasst anzusehen, haben beim OLG Schleswig nicht geholfen: Das OLG Schleswig hält es für richtig, dass die Öfen in der Gebäude-Feuer-Versicherung nicht versichert sind, zumal sie über die Geschäftsinhalts- sowie die Betriebsunterbrechungsversicherung versichert werden können. Wenn dort nicht die richtigen Werte abgesichert sind, geht das nicht zu Lasten der Versicherer.

     

    • 6. Somit ist der Schaden vom Geschäftsführer bzw. dessen D&O-Versicherer zu ersetzen. Der Schaden besteht in der Summe, die die Bäckerei nicht erhält, weil sie unterversichert war. Die Höhe der Unterversicherung beziffert das OLG mit der Differenz zwischen dem, was an Schaden entstanden ist, und dem, was die Versicherungen davon erstatten: Für den Rest hält das OLG den Geschäftsführer verantwortlich, weil er die Versicherungssumme nicht angepasst hatte an die Entwicklung der zu versichernden Werte.

     

    • 7. Eine Verjährung der Ansprüche war nicht eingetreten. Denn der Brand hatte sich 2018 ereignet. Ansprüche gegen den Geschäftsführer wären daher frühestens fünf Jahre später (s. § 43 Abs. 4 GmbHG) und somit im August 2023 verjährt. Die Abtretung der Ansprüche des Geschäftsführer gegen den D&O-Versicherer an die Bäckerei führt zu einer Hemmung der Ansprüche, weil in der Abtretung ein pactum de non petendo zu sehen ist. Auch unabhängig davon hatte der Geschäftsführer die Ansprüche auch anerkannt, was nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dazu führte, dass die Verjährung neu begann. Schließlich hatte die am 19.09.2023 erfolgte Zustellung des Mahnbescheids die Verjährung ebenfalls gehemmt.

     

    D&O-Versicherer unterliegt mit all seinen Einreden

    Im Ergebnis hat das OLG die Haftung des Geschäftsführers als gegeben angesehen und den Versicherer verurteilt, an die Bäckerei Schadenersatz zu leisten. Damit bekommt die Bäckerei den Schaden ersetzt, den der Geschäftsführer dadurch verursacht hat, dass er die Sachversicherung nicht ordnungsgemäß überprüft und an die tatsächlichen Entwicklungen angepasst hat.

    Die Handlungsempfehlungen aus dem Urteil für die Praxis

    Aus dem Urteil leiten sich verschiedene Handlungsempfehlungen für die Praxis ab:

     

    Handlungsempfehlungen in der Sachversicherung

    In der Sachversicherung ist immer darauf zu achten, dass die Versicherungssumme dem tatsächlichen Wert des Inventars entspricht.

     

    Kann ein Versicherungsnehmer diesen Wert nicht selbst ermitteln, muss er sich fachkundigen Rat besorgen. Dieser kann durch einen fachkundigen Versicherungsmakler oder -vertreter erfolgen.

     

    Handlungsempfehlungen in der D&O-Versicherung

    In der D&O-Versicherung ist die Abtretung des Freistellungsanspruchs ein adäquates Mittel in mehrfacher Hinsicht:

     

    • 1. Zum einen kann die versicherte Person (in aller Regel das Organ) dadurch der mitunter unangenehmen Situation entgehen, dass sie als Beklagte in einen langwierigen Haftungsprozess verwickelt wird.
    •  
    • 2. Mit der Annahme der Abtretung verpflichtet sich das Unternehmen, solange nicht gegen die versicherte Person vorzugehen, wie der Prozess dauert: In dieser Zeit ist ein Haftungsprozess gegen die versicherte Person sogar unzulässig.
    •  
    • 3. Durch die Abtretung kommt es außerdem zu einem sog. Direktprozess zwischen dem Unternehmen als Geschädigtem (und zugleich Versicherungsnehmerin) sowie der Beklagten als Versicherer. Das ist im Bereich der Pflichtversicherung nicht ungewöhnlich (s. § 115 VVG). Hier aber geht es um eine freiwillige Versicherung. Damit werden Haftung und Deckung in einem Prozess geklärt. Das liegt im Interesse der versicherten Person und der Versicherungsnehmerin.
    •  
    • 4. Schließlich kann eine solche Abtretung dazu führen, dass die Verjährung des Haftungsanspruchs der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer nicht so schnell eintritt, weil die Verjährung für die Dauer der Anspruchsverfolgung gegenüber dem Versicherer gehemmt ist. Das liegt auch im Interesse des Unternehmens, das den Anspruch geltend macht, was in der Regel die Versicherungsnehmerin ist.

     

    Wichtig | Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich ein Hinweis des fachkundigen Versicherungsvermittlers auf diese Gestaltungsmöglichkeit. Dies setzt allerdings voraus, dass er von der Inanspruchnahme des D&O-Versicherers wegen einer Pflichtverletzung des GmbH-Geschäftsführers oder Vorstands weiß. Das ist nicht immer der Fall, wie die Praxis zeigt.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2024 | Seite 7 | ID 50115621